Published September 6, 2023 | Version v1
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Von Fremdarbeitern und Vorzeigemigrantinnen – Hinweise auf die Migrationsgeschichte der Schweiz

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Nicht nur in der Europäischen Union (EU) mehren sich seit einigen Jahren die Anzeichen einer Renationalisierung, die sich etwa im Austritt Grossbritanniens aus der EU, dem Errichten von Mauern, protektionistischen oder autokratischen Tendenzen äussern. Dies geschieht in Europa sowie weltweit – Stichwort America first – und erinnert an ähnliche Entwicklungen, welche die auslaufende Globalisierungswelle zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts kennzeichneten. Damals belegte die Schweiz bereits in mehreren Wirtschaftszweigen eine Vorrangstellung und war im Vergleich zu anderen Staaten stark internationalisiert. Das Land wies 1910 – trotz einer relativ grosszügigen Einbürgerungspraxis – den nach Luxemburg zweithöchsten Ausländeranteil von 15 % auf, obwohl es noch bis ins späte 19. Jahrhundert primär ein Auswanderungsland gewesen war. Allerdings hatte die Reputation der Schweiz als  Hort der Freiheit, Neutralität und Stabilität schon weit früher als Zuflucht für politisch Verfolgte und als Standort für ausländische Wirtschaftsleute, Akademiker sowie Studierende gedient (D’Amato, 2008b). Dieser Beitrag zeichnet in Abschnitt 2 die wichtigsten  Etappen der Migrationsgeschichte der Schweiz nach: Er setzt bei der ersten Globalisierungswelle an, die den Übergang vom  Auswanderungs- zum Einwanderungsland Ende des 19. Jahrhunderts besiegelte und mit dem ersten Weltkrieg in die Gründung eines nationalen Migrationsregimes einmündete, das die migrationspolitische Lage in mehrfacher Hinsicht nachhaltig prägen sollte. Nach einer kurzen Rückblende in die Zwischenkriegszeit wird die Flüchtlingspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart beleuchtet. Obwohl sich dieses Politikfeld rechtlichinstitutionell von der sogenannten – sich mit Arbeitsmigration befassenden – «Ausländerpolitik» klar abgrenzt, sind oft asynchrone Parallelen und vielfältige Interferenzen auszumachen und zwar nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung, sondern auch in der Gesetzgebung. In dem folgenden Abschnitt 3 wird der Fokus auf die  wirtschaftlich bedingte Zuwanderung seit den 1950er Jahren gerichtet, um aufzuzeigen, wie sich das Spannungsfeld zwischen  Öffnungs- und Abwehrtendenzen in einem Land, das keinen formellen Rekrutierungsstopp kannte, immer wieder neugestaltet. Der Rückblick auf das sogenannten Rotationsmodell, das Arbeitsmigrantinnen und -migranten vorwiegend als «Konjunkturpuffer» begriff, dürfte zumindest teilweise erklären, weshalb Bildungsfragen in diesem Zusammenhang erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts auf die politische Agenda kamen. Abschliessend (Abschnitt 4) werden übergreifende Trends und aktuelle  Entwicklungen insbesondere in Zusammenhang mit bildungspolitischen Herausforderungen angesprochen.

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