Bibliometric Review – eine Anleitung zur systematischen Erschließung von Forschungsthemen. Arbeitsschritt 2: Datenbereinigung
Description
Stellt euch vor, ihr müsst für eine Bachelor-, Master- oder Doktorarbeit (zumindest teilweise) neue Literatur erschließen und zur Darstellung des Stands der Forschung auswerten. Stellt euch weiter vor, wie ihr in der Bibliothek vor der Regalwand an Büchern und Zeitschriften steht und im Internet aus der Vielzahl an potentiell interessanten, vielfach jedoch nicht für euer Forschungsthema relevanten Literatur auswählen müsst. Erinnert euch daran, mit welchen Unsicherheiten und Zufällen dann auch eure Auswahl und Analyse der von euch gewählten Literatur verbunden war bzw. ist. Dazu gibt es eine Alternative. So war es Ziel des Master-Seminars „Bibliometrie als systematische wissen(schafts)soziologische Evaluation von Forschungsliteratur“ von Christian Schneijderberg eine Einführung zu geben, wie bibliometrische Verfahren genutzt werden können, um Forschungsthemen zu erschließen. Dabei handelt es sich um eine Methode, die ich auch als Bibliometric Review beschrieben habe. Aufgrund des digitalen Semesters, hat sich Christian entschieden die Methode ausführlich schriftlich zu erklären und mich gefragt, ob ich ihn dabei unterstütze. Entstanden sind nun drei Anleitungen wie Forschungsthemen mit bibliometrischen Methoden erschlossen werden können, die wir als PDFs im Folgenden zur Verfügung stellen.
Für das Erschließen von Forschungsthemen zur Spezifizierung eines Untersuchungsgegenstandes und zur Formulierung von Forschungsfragen und Hypothesen eignen sich bibliometrische Verfahren wie die Co-Citation Analysis, das Bibliographic Coupling oder die Co-Occurrance Analyse (Co-Wort Analyse). Zur Visualisierung der Analyse kann dann das Open Source Programm VosViewer genutzt werden, das eine Map erstellt, die Zusammenhänge im Forschungsfeld durch Cluster darstellt.
- Co-Citation: Die Co-Citation Analysis zeigt auf, welche Beiträge in einem Literaturkorpus verwendet wurden. Das „Co“ weist darauf hin, dass Beiträge in einem Literaturverzeichnis zusammen vorkommen müssen, um in die Co-Citation Analysis aufgenommen zu werden. Bei der Co-Citation Analysis ist das Ziel einen Blick in die „Vergangenheit“ zu werfen. Entsprechend nehmen in der erstellten Map besonders häufig zitierte Beiträge, also Bücher oder Artikel, zentrale Plätze ein. Damit ist eine Spezifikum der Co-Citation Analysis angesprochen: Beiträge, die schon länger publiziert sind erscheinen sehr häufig. Hingegen sind neuere Beiträge in einer Co-Citation Analysis unterrepräsentiert, schlicht, weil die Beiträge noch nicht lange publiziert und damit zitiert werden konnten.
- Bibliographic Coupling: Wenn das Ziel der Analyse nicht der Blick in die Vergangenheit sein soll, sondern aktuelle Entwicklungen in einem Forschungsfeld aufgezeigt werden sollen, dann sollte eine Analyse mittels Bibliographic Coupling durchgeführt werden. Bei dieser Analyse werden in der Map nicht die zitierten Beiträge angezeigt, sondern die Beiträge aus dem Literaturkorpus. Gekoppelt werden die Beiträge über gemeinsam zitierte Beiträge im Literaturverzeichnis (Bibliographie).
- Co-occurrance: die “co-occurences” Analyse wird auch als “co-word” Analyse bezeichnet. Sie bietet einen Überblick der zentralen Begriffe des Literaturkorpus.
Um bibliometrische Analysen durchführen zu können werden zunächst Daten benötigt. Diese müssen derzeit noch über kommerzielle Anbieter wie Web of Science oder Scopus beschafft werden. Open Science Alternativen gibt es zwar, diese erfordern aber umfassende Kenntnisse von data science. Auch die kommerziellen Anbieter haben ihre Eigenheiten (Chadegani et al 2013; Steinhardt et al. 2017), z. B. in Bezug auf die gelisteten Zeitschriften (z.B. Übergewicht der Naturwissenschaften) oder die Frage welche Zeitschriften überhaupt berücksichtigt werden. Zudem kann nur auf Zeitschriftenartikel zurückgegriffen werden, die in den jeweiligen Datenbanken gelistet sind, was z. B. viele Open Access Zeitschriften ausschließt oder Zeitschriften, die nicht mit einem Verlag kooperieren. Zudem enthalten die Datenbanken vor allem englischsprachige Publikationen, und deutsche und anderssprachige Publikationen sind deutlich unterrepräsentiert (van Raan et al 2011).
Trotz dieser Einschränkungen ermöglicht die Nutzung der Datenbanken und die Analyse mit bibliometrischen Verfahren einen guten (graphischen) Überblick über Forschungsthemen. Für die hier vorgestellte Anleitung haben wir das Datenportal Web of Science genutzt. Viele der Universitäten in Deutschland haben einen Zugang, der über die Bibliothek ermöglicht wird. Um einen möglichst einfachen Einstieg in das Erschließen von Forschungsfeldern zu geben haben wir drei Anleitungen verfasst:
- Datenerhebung (Arbeitsschritt 1): In dieser Anleitung beschreiben wir, wie mittels Web of Science Daten gefunden und heruntergeladen werden können. Anhand des Beispiels der Universität Kassel zeigen wir auf, wie auf Web of Science zugegriffen werden kann.
- Datenbereinigung (Arbeitsschritt 2): Für alle Daten gilt, dass sie zunächst verstanden und bereinigt werden müssen. Wie das bei bibliometrischen Daten aussehen kann, beschreiben wir in der zweiten Anleitung.
- Datenauswertung (Arbeitsschritt 3): Die eigentliche Auswertung mittels Co-Citation Analysis, Bibliographic Coupling oder Co-Occurrence beschreiben wir in der dritten Anleitung. Dabei zeigen wir auch anhand eines Beispiels auf, wie die ersten Schritte einer inhaltlichen Analyse aussehen können.
Abschließend sei auf eine Selbstverständlichkeit hingewiesen: die gefundene Literatur müsst ihr immer noch selbst lesen. Die bibliometrischen Auswertungen unterstützen euch bei der Literaturauswahl, -analyse und -darstellung (Stand der Forschung) in eurer Abschlussarbeit. Sie ersetzen das Verstehen des Forschungsthemas in keiner Weise!
Literatur
Chadegani, A. A., Salehi, H., Yunus, M. M., Farhadi, H., Fooladi, M., Farhadi, M. & Ebrahim N. A. (2013). A Comparison between two main academic literature collections: Web of Science and Scopus databases. Asian Social Science. https://doi:10.5539/ass.v9n5p18.
Steinhardt, I., Schneijderberg, C., Götze, N., Baumann, J., & Krücken, G. (2017). Mapping the quality assurance of teaching and learning in higher education: The emergence of a specialty? Higher Education. https://doi.org/10.1007/s10734-016-0045-5
van Raan, A. F. J., van Leeuwen, T. N. & Visser, M. S. (2011). Severe language effect in university rankings: particularly Germany and France are wronged in citation-based rankings. Scientometrics. https://doi.org/10.1007/s11192-011-0382-1
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Schneijderberg Steinhardt 2020 Bibliometric Review Datenbereinigung.pdf
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