Published June 7, 2018 | Version v1
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Das Ende des Acoustic Turn in der Aufklärung? Herders "Ton".

  • 1. Uni Luzern

Description

Die Aufklärung wird flankiert durch einen 'acoustic turn', welcher mit der höchst relativen temperierten Stimmung im ausgehenden 17. Jahrhundert einsetzt. Diese neue Temperierung erlaubt eine musikalische Modulierfähigkeit, welche sich von der bisherigen mitteltönigen Stimmung absetzt. Gleichzeitig organisiert sie das subtile Zusammenspiel zwischen musikalischer Harmonik (Simultaneität der Tonordnung) und Melodie (Sukzessivität der Tonordnung) in Anlehnung an physiologische Referenzen: Wie anhand von Jean-Philippe Rameau (1722), Johann Mattheson (1725) und Denis Diderot (1751) gezeigt wird, wird die Sinneswahrnehmung des Menschen als Saiteninstrument in diesem musikalischen Spannungsfeld konzipiert. Johann Gottfried Herder schreibt sich zwar direkt in diese Übertragung von der Musiktheorie in die Physiologie ein. Gleichzeitig reduziert er aber im Vierten Kritischen Wäldchen (1769) die Verschränkung von Melodie und Harmonie auf den einzelnen Ton, und stellt so ein direktes sympathetisches Verhältnis zwischen einer spezifischen akustischen Schwingung und emotionaler Regung her. Damit verlässt er auch die harmonischen Verhältnisse und die breite Varianz an temperierten Stimmungen im 18. Jahrhundert. Indem sich Herder schließlich in der Kalligone (1800) nur noch für die Sukzessionen der einzelnen Töne interessiert, leitet er eine neue, genealogisch organisierte Wissensordnung ein. Parallel dazu erfährt die Musik des aufkommenden 19. Jahrhunderts eine Normierung der Halbtonschritte, welche das subtile Spannungsverhältnis zwischen musikalischer Harmonik (Simultaneität) und Melodie (Sukzessivität) im 18. Jahrhundert endgültig verlässt.

Notes

+ ID der Publikation: unilu_30949 + Sprache: Deutsch + Letzte Aktualisierung: 2024-02-08 15:30:31

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10.1111/glal.12193 (DOI)