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Published January 30, 2023 | Version 3.0
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Wirksamkeit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit verschiedener Lüftungsmethoden hinsichtlich Luftqualität und Infektionsschutz in Innenräumen: Fensterlüften, Abluftventilatoren, Raumlufttechnik und Luftreiniger

  • 1. Max-Planck-Institut für Chemie, Hahn-Meitner-Weg 1, 55131 Mainz, Deutschland

Description

Diese Studie vergleicht die Wirksamkeit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit verschiedener Lüftungsmethoden zur Erhöhung der Luftqualität und des Infektionsschutzes in Klassenräumen. Die Ergebnisse können analog auch auf andere Innenräume übertragen werden, deren Lüftungsbedarf im Wesentlichen durch die anwesenden Personen bestimmt wird (z.B. Aufenthalts- und Seminarräume, Büros und Warteräume in Bildungs- und Bürogebäuden, Seniorenheimen, Arztpraxen etc.).
In Übereinstimmung mit gültigen Arbeitsschutzregeln und naturwissenschaftlich-technischem Lehrbuchwissen zeigen wir, dass Fensterlüften ergänzt durch einfache technische Hilfsmittel sehr wirksam ist - auch im Vergleich zu konventionellen raumlufttechnischen Anlagen sowie zu filter- oder UV-strahlungsbasierten Luftreinigern. Besonders effizient ist eine kontinuierliche Verdrängungslüftung (Quelllüftung) mit bodennaher Frischluftzufuhr und verteilter Abluftabsaugung über potentiell infektiösen Personen.
Natürliches bzw. freies Fensterlüften funktioniert gut bei Außentemperaturen unter 15°C, kann jedoch bei höheren Temperaturen unzureichende Luftwechselraten und bei niedrigen Temperaturen unnötig hohe Wärmeverluste verursachen, wenn der Luftstrom und die Luftqualität nicht aktiv kontrolliert werden. Hybride Lüftungsansätze aus kontinuierlichem Fensterlüften (Kipplüftung) kombiniert mit geregelten Ventilatoren (Ventilator-Fensterlüften) können einen konstanten bzw. angemessenen Luftaustausch ganzjährig und effizient sicherstellen, wodurch sowohl unzureichendes Stoßlüften bei hohen Außentemperaturen als auch übermäßig intensives Stoßlüften und unnötig hohe Energieverluste bei niedrigen Außentemperaturen vermeidbar sind.
Raumlufttechnik (RLT) mit Wärmerückgewinnung (WRG) und Feuchterückgewinnung bringt unter mittleren deutschen Klimabedingungen kaum Vorteile für den Primärenergiebedarf und die Raumfeuchte in Schulklassen. Wärmetauscher und sonstige technische Komponenten für die Rückgewinnung erhöhen Stromverbrauch und Wartungsaufwand, und können zu hygienischen Problemen führen, was durch Monitoring-Studien im realen Schulbetrieb belegt ist. Eine umfassende Analyse der vorliegenden experimentellen und theoretischen Untersuchungen zeigt für Schulen unter den für Deutschland charakteristischen Betriebsbedingungen, dass der Primärenergieverbrauch und die Treibhausgasemissionen bei der Lüftung mit RLT-Anlagen trotz WRG höher sind als bei CO2-geführter Fensterlüftung mit Unterstützung durch einfache technische Hilfsmittel wie Ventilatoren. Der Einsatz von RLT/WRG erscheint nur dort zweckmäßig, wo Frischluft in ausreichender Qualität und Menge nicht durch Fenster zugeführt und durch vorhandene Heizungsanlagen angemessen temperiert werden kann, beispielsweise bei starker Schadstoff- und
Lärmbelastung der Umgebung oder in thermischen Extremlagen (z.B. an sehr verkehrsreichen Straßen oder in Bergregionen).
Kohlendioxid-Monitore sollten allgemein eingesetzt werden, um die Raumluftqualität zu messen und ein dauerhaftes Überschreiten des CO2-Leitwerts von 1000 ppm zu vermeiden. Im Vergleich zu Luftreinigern sind Lüftungsmethoden mit Frischluftzufuhr effizienter und nachhaltiger; zudem kann ihre Wirkung mittels CO2-Monitor besser kontrolliert werden. Wir erläutern auch, wie stark der Heizenergieverbrauch vom jeweiligen CO2-Zielwert abhängt. Bei Energieknappheit kann eine leichte Erhöhung des CO2-Zielwerts zu substantiellen Energieeinsparungen führen. Bei Erhöhung von 1000 ppm auf 1200 ppm verringert sich der zusätzliche Heizenergiebedarf zum Erwärmen der Zuluft beispielsweise um etwa einen Faktor Drei. Der Einsatz von Luftreinigern erscheint nur dort zweckmäßig, wo ausreichende Frischluftzufuhr nicht möglich ist.
Insgesamt zeigt der Vergleich, dass Fensterlüften mit einfachen technischen Hilfsmitteln wie Abluftventilatoren, Abzugshauben und CO2-Monitoren nicht nur kostengünstig und leicht realisierbar ist, sondern auch besonders effektiv in der Luftreinhaltung und gegen die Aerosolübertragung von Infektionskrankheiten wie COVID-19 oder Influenza. Nach der COVID-19-Pandemie können diese Hilfsmittel flexibel und modular weiter für CO2-geführtes Fensterlüften genutzt werden, welches zuverlässige Abhilfe für seit langem bestehende Innraumluftqualitätsprobleme in Schulen bietet – energiesparend, ressourcenschonend und klimafreundlich.

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