Published March 22, 2021 | Version v1
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Zusammenhang von Arbeitsbelastungen und sozialmedizinischem Verlauf 24 Monate nach Rehabilitation. Eine Routinedatenanalyse

  • 1. Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft

Description

Hintergrund

Physische und psychosoziale Arbeitsbelastungen sind mit gesundheits- und erwerbsbezogenen Merkmalen assoziiert. Hierzu gehören Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung (Dragano et al., 2016). Berufsbedingte Belastungen können auch die Rückkehr in den Beruf nach Rehabilitation erschweren. Allerdings stehen Informationen zu Arbeitsbelastungen in Routinedaten nicht direkt zur Verfügung. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass ein auf Basis der Berufstätigkeit über Job-Exposure-Matrizen gebildeter Arbeitsbelastungsindex berufstypische Belastungen von Rehabilitand*innen grundsätzlich valide abbilden kann (Brünger, Spyra, 2018). In einer vorherigen Studie wurde bereits der Zusammenhang von hohen Arbeitsbelastungen zu einer negativen Return-to-Work-Prognose am Rehabilitationsende dargelegt (Brünger et al., 2020). Über den tatsächlichen Verlauf nach Rehabilitation in Abhängigkeit von Arbeitsbelastungen liegen bislang hingegen keine Untersuchungen vor. In dieser Studie wird daher die Assoziation von Arbeitsbelastungsindex und sozialmedizinischem Verlauf 24 Monate nach medizinischer Rehabilitation mithilfe von Routinedaten untersucht.

 

Methodik

Es wurde eine retrospektive längsschnittliche Beobachtungsstudie auf Basis des Scientific Use File „Abgeschlossene Rehabilitation im Versicherungsverlauf 2008 - 2015“ (SUFRSDLV15B) des Forschungsdatenzentrums der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt (Forschungsdatenzentrum der Deutschen Rentenversicherung, 2018). Eingeschlossen wurde die erste abgeschlossene, mindestens 7-tägige medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Zeitraum 2008 bis 2013 von n=597.021 Versicherten zwischen 18 und 63 Jahren, die im sechsmonatigen Zeitraum vor Reha-Antragstellung wenigstens einen Monat berufstätig waren.

Arbeitsbelastungen wurden mithilfe des globalen Arbeitsbelastungsindex nach Kroll operationalisiert (Kroll, 2015) und nach Dezilen in niedrige, mittlere und hohe Arbeitsbelastung kategorisiert (1.-3., 4.-7., 8.-10. Dezil). Hierzu wurde die Berufstätigkeit gemäß Klassifikation der Berufe (KldB) 1988 im Jahr vor Antragstellung herangezogen und in KldB 92 transformiert.

Der sozialmedizinische Verlauf wurde mithilfe der Pflicht- und freiwilligen Beitragszeiten sowie Anrechnungszeiten bis 24 Monate nach Rehabilitationsende untersucht. Die Assoziation zwischen Arbeitsbelastungsindex und Return-to-Work (mindestens ein Monat erwerbstätig außer geringfügige Beschäftigung), Arbeitslosigkeit ohne vorherige Erwerbstätigkeit und Erwerbsminderungsrenteneintritt wird deskriptiv und mittels Cox-Regressionen und Eins-minus-Überlebensfunktionen berichtet. Hierbei wurde jeweils nur das erstmalige Eintreffen des Ereignisses berücksichtigt. In den Cox-Regressionen wurden neben rohen Zusammenhängen (Modell 1) Hazard Ratios adjustiert für Geschlecht und Alter (Modell 2) und zusätzlich adjustiert für den Erwerbsstatus im Zeitraum 12 Monate vor Beginn der Rehabilitation (durchgehend vs. nicht durchgehend erwerbstätig) (Modell 3) berechnet.

 

Ergebnisse

21,1% der in die Analyse eingeschlossenen 597.021 Rehabilitand*innen übten eine Berufstätigkeit mit niedriger Arbeitsbelastung aus, 33,9% eine mit einer mittleren und 44,9% eine Tätigkeit mit einer hohen Arbeitsbelastung. 92,6% der Rehabilitand*innen mit niedriger Arbeitsbelastung waren im Zeitraum 24 Monate nach Ende der Rehabilitation wenigstens einen Monat erwerbstätig im Vergleich zu 88,8% der Versicherten mit mittlerer und 87,6% mit hoher Arbeitsbelastung. Mindestens einen Monat arbeitslos gemeldet ohne vorherige Erwerbstätigkeit waren 7,7% der Rehabilitand*innen mit niedriger Arbeitsbelastung im Vergleich zu 12,4% mit mittlerer und 13,9% mit hoher Arbeitsbelastung. 4,4% der Rehabilitand*innen mit niedriger Arbeitsbelastung bezogen wenigstens einen Monat Erwerbsminderungsrente, bei mittlerer und hoher Arbeitsbelastung lag der Anteil bei 4,9% bzw. 4,8%.

In den Cox-Regressionen zeigten sich für alle drei untersuchten sozialmedizinischen Parameter statistisch signifikante Zusammenhänge zum Arbeitsbelastungsindex (Modell 1), die auch unter Adjustierung für Geschlecht und Alter (Modell 2) sowie zusätzlich für den Erwerbsstatus vor Rehabilitation (Modell 3) im Wesentlichen stabil blieben. Die Eins-Minus-Überlebenskurven legen für alle Indikatoren dar, dass bereits im ersten Monat nach Rehabilitationsende Unterschiede zwischen Versicherten in Abhängigkeit vom Arbeitsbelastungsniveau auftreten, die sich für Arbeitslosigkeit und Erwerbsminderungsrenteneintritt im Verlauf der 24 Monate zunehmend vergrößern, während sie für Return-to-Work im Zeitverlauf stabil bleiben.

 

Diskussion

Die Prävalenz hoher Arbeitsbelastungen ist mit 45% bei Rehabilitand*innen gegenüber der allgemeinen Erwerbsbevölkerung mit 30% erhöht. Das Vorliegen hoher Arbeitsbelastungen steht in einem Zusammenhang zu Return-to-Work, zu Arbeitslosigkeit und zu Erwerbsminderungsrentenbezug im Zeitraum 24 Monate nach Rehabilitation. Diese Assoziation besteht auch nach Adjustierung für Geschlecht, Alter und den Erwerbsstatus vor Rehabilitation.

Diese Ergebnisse könnten dazu beitragen, besonders vulnerable Gruppen von Versicherten auf Basis von Routinedaten unter Einbezug des Tätigkeitsschlüssels und des daraus abgeleiteten Arbeitsbelastungsindex frühzeitig zu identifizieren und damit die Steuerung von Leistungen der Deutschen Rentenversicherung zu unterstützen. Daneben bieten sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für die rehabilitationswissenschaftliche Forschung, da Arbeitsbelastungen mithilfe des Index ohne zusätzlichen Erhebungsaufwand Berücksichtigung finden können, sofern Angaben über die Berufstätigkeit vorliegen.

 

Literatur

Brünger, M., Spyra, K. (2018): Bedeutung von Arbeitsbelastungen bei Rehabilitanden – Anwendung eines Index für Berufstätigkeiten. Rehabilitation, 57(4). 239-247.

Brünger, M., Bernert, S., Spyra, K. (2020): Occupation as a proxy for job exposures? Routine data analysis using the example of rehabilitation. Gesundheitswesen, S1. S41-S51.

Dragano, N., Wahrendorf, M., Müller, K., Lunau, T. (2016): Arbeit und gesundheitliche Ungleichheit: Die ungleiche Verteilung von Arbeitsbelastungen in Deutschland und Europa. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 59(2). 217-27.

Forschungsdatenzentrum der Deutschen Rentenversicherung (2018). Codeplan Scientific Use File. Abgeschlossene Rehabilitationen 2008-2015 im Versicherungslauf. SUFRSDLV15B. Berlin.

Kroll, L. E. (2015): Job Exposure Matrices (JEM) for ISCO and KldB (Version 2.0). Updated for ISCO-08 and KldB-2010 and including an additional Heavy Work Index. datorium, doi: 10.7802/1102.

Notes

This is the Author's Post-print of the publication Brünger M, Bernert S, Graf A, Spyra K: Zusammenhang von Arbeitsbelastungen und sozialmedizinischem Verlauf 24 Monate nach Rehabilitation. Eine Routinedatenanalyse. DRV-Schriften 2021; 123: 306-309

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Brünger_2021_Arbeitsbelastungen_und_sozialmed_Verlauf.pdf

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