Published December 31, 2021 | Version v1
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Die Entwicklung der Kommunikationsstile nach Schulz von Thun bei Gatekeeper und Zielpublika. Annäherung von Individual- und Massenkommunikation im Zeitalter der Social Media

  • 1. HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich

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Auf dem Weg zu einer «Medienpsychologie 2.0» stellt sich die Frage nach einem passenden Instrumentarium mit dem Ziel, die Auflösung der Grenze zwischen Individual- und Massenkommunikation nicht nur bei den Social Media, sondern auch bei den zunehmend interaktiv ausgerichteten konventionellen Medien zu untersuchen. Die Frage stellt sich, inwiefern sich etablierte Modelle der Individualkommunikation in der Medienpsychologie einsetzen lassen.

Die acht Kommunikationsstile, die Friedemann Schulz von Thun als Analyseinstrument für die Individualkommunikation entwickelte, abgestützt auf die relevanten kommunikationspsychologischen Theorien und Modelle des 20. Jahrhunderts, könnten sich für den Einsatz in der Medienpsychologie eignen, die Frage stellt sich, ob nur für die Social Media oder generell für medienpsychologische Analysen. Dabei sind die zwei Seiten der medialen Kommunikation zu betrachten, diejenige der Gatekeeper und diejenige der Zielpublika.

Für das vorliegende Working Paper wurden drei grundlegend anders ausgerichtete massenmediale Situationen ausgewählt. Als Beispiel für autoritäre Herrschaftsverhältnisse wurde ein Hexenprozess in der frühneuzeitlichen Zürcher Herrschaft ausgewählt. Gatekeeper und Zielpublika waren klar getrennt, weitgehend komplementär und praktisch ohne Durchlässigkeit. Auf der einen Seite dominierte der aggressiv-entwertende Stil, allenfalls kombiniert mit dem bestimmend kontrollierenden, auf der anderen der selbst-lose, sekundär der mitteilungsfreudig-dramatisierende.

Mit der Aufhebung der Zensur im 19. Jahrhundert und der Anhebung des Bildungsniveaus der Bevölkerung entstand eine grosse Auswahl an Zeitungen. Auch hier ist die Unterscheidung zwischen Gatekeepern und Zielpublika klar, doch besteht eine gewisse Durchlässigkeit, da die Redaktionsmitglieder eine Teilmenge des politisch oder regional definierten Zielpublikums darstellten. Auf der einen Seite dominierten die Stile bestimmend-kontrollierend und helfend, auf der anderen bedürftig-abhängig und ebenfalls bestimmend-kontrollierend, ergänzt auf beiden Seiten mit sich distanzierend sowie mitteilungsfreudig-dramatisierend. Dieser letztgenannte Stil wurde in den Unterhaltungsmedien seit dem 20. Jahrhundert zum dominanten Stil auf beiden Seiten.

Die Social Media verschoben das Interesse der Verleger grundlegend: Ziel von Konzernen wie Facebook/Meta, Google und Twitter ist nicht das Publizieren, sondern das Generieren von Einkünften. Sie nehmen als Gatekeeper höchstens eine zensurierende Rolle ein, ebenso wie autoritäre Staaten, die das Internet kontrollieren, was dem bestimmend-kontrollierenden Stil entspricht. Ansonsten ist mit den Social Media ein grundlegender Paradigmenwechsel erfolgt: Die Identität von Usern und Gatekeepern führt dazu, dass die Kommunikationsstile in den Medien so vielfältig wie in der Bevölkerung sind, wobei der mitteilungsfreudig-dramatisierende und der sich beweisende Stil besonders häufig aus dem individuellen Repertoire hervorgeholt werden.

Die Untersuchung ergibt, dass sich die kommunikationspsychologischen Stile Friedemann Schulz von Thuns auch für medienpsychologische Analysen eignen, denn auch ein Kollektiv kann in seinem Kommunikationsverhalten kommunikationspsychologisch homogen agieren.

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