Published September 17, 2020 | Version v1
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Kontrollregime und Eigensinn am Zürcher Lehrerseminar und an Erziehungsanstalten im späten 19. und 20. Jahrhundert: Analysen von Selbstzeugnissen und Archivquellen

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Beitrag im Sammelband «Praxeologie in der Historischen Bildungsforschung: Möglichkeiten und Grenzen eines Forschungsansatzes» 10.5281/zenodo.4045831.

Dem Spannungsverhältnis von Kontrollregimen und Eigensinn der Zöglinge an Zürcher Lehrerseminaren und Erziehungsanstalten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert widmet sich der Beitrag von Norbert Grube. Inwieweit Eigensinn als individuelle Widerständigkeit und auch als gleichzeitig widersprüchliches und vieldeutiges Verhalten entlang institutionalisierter Praktiken von Unterricht und ordnenden Kontroll- und Alltagsroutinen im Seminar erinnert, dargestellt und ein Stück weit auch erfahren worden ist, wird anhand von Ego-Dokumenten analysiert. Mit Ausnahme der handschriftlichen Erinnerungen des Zürcher Lehrers Alfred Traber werden dabei autobiografisch geprägte Romane genutzt, deren Autoren – Jakob Christoph Heer, Jakob Schaffner, aber auch Hermann Hesse und Erich Kästner – ihren Besuch in unterschiedlichen Seminaren und damit verbundenen Erziehungsanstalten literarisch thematisiert haben. Quellenkritisch und im Hinblick auf praxeologische Zugangsweisen zu prüfen ist, inwieweit fiktive Literatur Autorenerfahrungen aufgreift und zugleich diskursive Muster hinsichtlich seminaristischer Lehrerbildung, etwa marktgängige Bilder von der Unterwerfung der Heranwachsenden in einer Kontroll- und Strafinstitution, verarbeitet. Diese methodisch-konzeptionelle Reflexion wird vertieft, indem ergänzend herangezogene Protokolle der Aufsichtskommission und des Lehrerkonvents aus dem Archivbestand des Seminars Küsnacht auf die aus den Ego-Dokumenten gewonnenen Analysebefunde quellenkritisch bezogen werden. Was sagen die unterschiedlichen Quellenarten über Wahrnehmung und Erinnerung von Eigensinn und Praktiken am Seminar aus? Indem die Zöglinge mehrschichtigen Ebenen von sozialer Kontrolle ausgesetzt sind, sowohl der Beobachtung und Bewertung der Lehrer sowie ihrer Freunde als auch zirkulierender Wissen im Seminar und in dessen städtischem Umfeld, wird abschliessend mit wissensgeschichtlicher Perspektive untersucht, inwieweit unterschiedliche institutionelle bzw. (teil-)öffentliche Erwartungen und Wissensordnungen Eigensinn und verschiedene, auch miteinander konfligierende Praktiken bedingen. Oder verweist vermeintlicher Eigensinn des Subjekts letztlich weniger auf individuelle Aneignung, als auf Kollisionen verschiedener, jeweils auf unterschiedlichen (Wissens-)Kontexten beruhender Praktiken?

Notes

+repphzhbib2020F

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Grube_2020_Kontrollregime und Eigensinn_Praxeologie Historische Bildungsforschung_1.pdf

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