Published May 23, 2019 | Version v1
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AHEAD – Internationales Horizon-Scanning: Trendanalyse zu einer Hochschullandschaft in 2030 – Hauptbericht der AHEAD-Studie

Description

Das AHEAD-Projekt
Das Projekt „(A) Higher Education Digital (AHEAD) - Internationales Horizon-Scanning / Trendanaly-se zur digitalen Hochschulbildung“ hat von Februar 2018 bis Januar 2019 eine systematische Ana-lyse der aktuellen Trends und Anforderungen in den Bereichen Wissens- und Kompetenzanforde-rungen unternommen und die neuesten Entwicklungen in der Lerntheorie, Didaktik sowie in der digitalen Bildungstechnologie vor dem Hintergrund einer (zunehmend) digitalisierten Hochschulbil-dung untersucht. Die Analyse bildete die Grundlage für ein Horizon-Scanning für die Hochschulbil-dung im Jahr 2030, das Zukunftsszenarien entwickelt, die sich soziale und digitale Innovationen zunutze machen, um künftige Anforderungen an das Hochschulwesen erfüllen zu können.

 

Zusammenfassung
Die vorliegende AHEAD-Studie hatte zum Auftrag, einen Blick in die Zukunft zu wagen, um Hinweise darauf zu erhalten, wie die Hochschullandschaft in Deutschland im Jahr 2030 aussehen könnte. Dabei folgt sie der Vorgabe des Auftraggebers, die technologischen Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu berücksichtigen, ohne diese als die einzige Triebfeder für die zukünftige Ent-wicklung der Hochschulen zu sehen. Dementsprechend geht die Studie davon aus, dass sich die Hochschulbildung bis 2030 aufgrund der Entwicklungen in den folgenden Bereichen verändern wird:
Wissens- und Kompetenzanforderungen aus der Wirtschaft sowie durch gesellschaftliche ∙Veränderungen in einer zunehmend digitalisierten Welt.
Neue Entwicklungen in der Didaktik, die auf Basis der fachdidaktischen Diskussion zu er-∙warten sind.
Digitale Technologien und neue Einsatzmöglichkeiten, die neue Lernformen und Lernum-∙gebungen wahrscheinlich machen.
Die Studie wurde in zwei Phasen durchgeführt. Zunächst wurden zu drei Bereichen – Wissens- und Kompetenzanforderungen, Didaktik und technologische Entwicklungen – Voruntersuchungen mit-tels Literaturauswertungen, Befragungen und Interviews sowie anschließend Diskussionen mit dem international besetzten ‚Advisory Board‘ von AHEAD durchgeführt.
Die vergleichende Literaturanalyse zu Beginn der Studie zeigte klare thematische Schwerpunkte pro Disziplin und lässt sich in drei Kernaussagen zusammenfassen, die für den gewählten Ansatz in dieser Studie wichtig sind:
Sie zeigt, dass die wirtschaftliche Sicht auf die Zukunft der Hochschule eine klare Fokus-∙sierung auf Studierende im Kontext des Arbeitsmarkts bzw. der Arbeitsmarktanfor-derungen aufweist.
Die bildungswissenschaftliche Betrachtung hingegen betont die Rolle des Lernens bzw. der ∙Fähigkeiten und Kompetenzen, die Studierende für den Arbeitsmarkt erwerben müssen.
Technologie und Digitalisierung sind nur für die Informatik ein Hauptthema. ∙
Der Befund, dass es disziplinspezifische Sichtweisen bzw. Schwerpunkte gibt, führt zur Schlussfol-gerung, dass eine umfassende Sicht auf die Hochschulbildung im Jahr 2030 alle Sichtweisen in einem Zukunftsbild vereinen muss.
Die Durchsicht und Auswertung anderer Zukunftsstudien im Hochschulbereich zeigt außerdem, dass viele Zukunftsszenarien einen Fokus auf die Institution Hochschule legen und der Fragestel-lung nachgehen, wie diese Institution im Jahr 2030 aussehen könnte. Diese Frage ist aber im Grun-de nicht allein von der Nachfrage abhängig, sondern auch vom Gestaltungsraum, der für die Hoch-schule durch Governance-Regularieren wie Gesetze, Hochschulfinanzierung und Qualitätssicherung festgelegt wird.
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Zusammenfassung
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Daher wurde im Rahmen der AHEAD-Studie eine andere Perspektive eingenommen. Das Projekt-team hat sich in Zusammenarbeit mit dem ‚Advisory Board‘ und nach Gesprächen mit Expert*innen und Stakeholdern dafür entschieden, Lernende ins Zentrum des Konzepts zu rücken. Denn die Hochschulbildung ist für die Lernenden da. Sie orientiert sich an den Anforderungen des Arbeits-marktes und der Gesellschaft und steht im Zentrum guter didaktischer Konzepte. Die Anforderun-gen des Arbeitsmarkts sowie der Gesellschaft wirken auf sie. Digitale Technologien erlauben ein flexibleres Lernen und ein Lernen in sehr unterschiedlichen Lernräumen, welche die Grenze zwi-schen physischer und virtueller Präsenz verschwimmen lassen.
In der zweiten Projektphase wurden vier Lernwege für die Hochschulbildung im Jahr 2030 entwi-ckelt, die – wie beschrieben – vom Individuum ausgehen, und daraus die Folgen für die Hochschu-len bzw. das Hochschulsystem abgeleitet. Diese Lernwege und deren Ausarbeitung basieren auf Interviews mit Expert*innen und Initiator*innen von innovativen Bildungsangeboten sowie auf Gruppengesprächen und einer internationalen Umfrage, die das Team im Projektverlauf durchge-führt hat. Zudem wurden innovative Praxisfälle recherchiert, die diese Lernwege illustrieren. Davon ausgehend wurden folgende vier Lernwege entwickelt (benannt nach Spielzeugen zur einfachen Erinnerung):
„Tamagotchi“: Hier dient das Studium – wie derzeit – der grundlegenden und umfassen-∙den Vorbereitung auf die anschließende Erwerbstätigkeit, wodurch die Hochschule als ein geschlossenes Ökosystem fungiert, dass Studierende beim Absolvieren eines Studien-gangs unterstützt und fördert. Dieses Modell ist besonders geeignet für Menschen, die (quasi) direkt von der Schule in die Hochschule übergehen.
„Jenga“: Bei diesem Modell umfasst das „Erst“-Studium ein solides Fundament an Wissen ∙und Kompetenzen und kann ggf. als verkürztes Studium erfolgen. Auf dieses Fundament wird im weiteren Lebenslauf immer weiter gebaut, und es wird stetig durch den*die Ler-nende*n (Studierende*n) durch neue Lernblöcke erweitert. Diese weiteren Blöcke werden durch verschiedene Bildungsanbieter zur Verfügung gestellt.
„Lego“: Das Studium wird nicht mehr wie bisher als eine kompakte Einheit an einer Hoch-∙schule absolviert, sondern besteht aus individuell kombinierbaren Bausteinen unter-schiedlicher Größe bei unterschiedlichen Bildungsanbietern. Die Lernenden selbst ent-scheiden, welche Lernphasen bzw. Lerneinheiten sie durchlaufen wollen. Die Aufgabe der Hochschule besteht neben der Bereitstellung der Lerneinheiten auch darin, die durchlau-fenen Lernphasen in Form von Zertifikaten bzw. Zeugnissen formal anzuerkennen.
„Transformer“: Die Studierenden in diesem Modell wechseln nicht direkt als Schulabgän-∙ger*innen an die Hochschule, sondern haben bereits eine eigene Berufsidentität und Le-benserfahrung erworben. Sie kommen später im Lebenslauf an die Hochschule, wo sie die-se Lebenserfahrung auch in das Studium einbringen wollen. Sie brauchen ein flexibles Studium, das zwischen didaktischer Fremd- und Selbstbestimmung alterniert.
Es wurde festgestellt, dass diese Vision einer Hochschullandschaft, die vom Lernenden ausgeht, die Diskussion sehr konstruktiv beförderte. Fragen nach der institutionellen Unterstützung, nach Governance und Qualitätssicherung sowie nach der institutionellen Finanzierung für Umstrukturie-rung und Infrastruktur, welche die Debatte um die künftige Form der Hochschulbildung bzw. der Hochschulen sonst sehr prägen, rücken durch diesen Perspektivwechsel an zweite Stelle. Gleich-
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Executive Summary
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wohl haben die skizzierten Lernmodelle erhebliche Auswirkungen auf die Hochschulen sowie deren Steuerung durch die Politik, die in der vorliegenden Studie jedoch nicht weiter elaboriert werden konnten.
Die Studie wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vom FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie zusammen mit dem Institut für Hochschul-entwicklung (HIS-HE) durchgeführt.

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