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Published December 6, 2020 | Version v1
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COVID-19-Studierendenbefragung Bericht der Berner Fachhochschule zur «International COVID-19 Student Well-being Study» (Publication in German)

  • 1. Berner Fachhochschule

Description

Die Pandemie des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 und die von der Politik verordneten Massnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung und zur Entlastung des Gesundheitswesens beeinflussen das Leben und den Alltag der Menschen erheblich. Auch das Leben der Studentinnen und Studenten an Hochschulen hat sich durch die Umstellung auf Onlineunterricht, durch die Einschränkung sozialer Kontakte und durch den teilweisen Wegfall von Studierenden-Jobs abrupt verändert. Die von der Universität Antwerpen lancierte «International COVID-19 Student Well-being Study» verfolgte das Ziel, die Auswirkungen der Pandemie auf Hochschulstudierende zu erheben. Das Forschungsteam ging davon aus, dass die Pandemie-Massnahmen einen erheblichen Einfluss auf die Lebens- und Studienverhältnisse der Studierenden, ihre Arbeitslast, ihre psychische Gesundheit und ihr Gesundheitsverhalten genommen haben. Mithilfe einer standardisierten Onlinebefragung haben verschiedene Universitäten aus Europa und Nordamerika an der Studie teilgenommen und ihre Studierenden in den Monaten April bis Mai 2020 befragt. Neben den drei Schweizer Universitäten Bern, Genf und Freiburg hat auch die Berner Fachhochschule (BFH) an der Studie teilgenommen. Neben der Bereitstellung der Daten für die internationale Studie war für die BFH von Interesse, die Ergebnisse der Studierenden-Befragung einerseits mit denen der Departemente und andererseits auch mit denen der teilnehmenden Schweizer Universitäten zu vergleichen. Die Auswertungen wurden in vier Bereiche aufgeteilt: - Veränderungen im Leben und Studium - Veränderungen des Gesundheitsverhaltens - Sorgen und Wissen bezüglich SARS-CoV-2 - psychische Gesundheit während des Lockdowns2 - Risikofaktoren und Schutzfaktoren des psychischen Wohlbefindens Veränderungen im Leben und Studium Die Ergebnisse zeigen, dass wegen des Lockdowns etwa die Hälfte der Studierenden eine Zunahme der subjektiven Arbeitslast im Studium erfahren haben. Der starke Rückgang des Präsenzunterrichts wurde nicht nur mit Onlineunterricht, sondern auch mit mehr Selbststudium kompensiert. Neben den Aufwänden für das Studium wurden auch die Wochenstunden, die für die Erwerbsarbeit eingesetzt worden waren, erfragt. Diese nahmen nur bei den befragten Studierenden der Hochschule der Künste Bern (HKB) und den Universitätsstudierenden signifikant ab. Der Corona-Ausbruch wirkte sich nur geringfügig auf die allgemeine finanzielle Lage der Studierenden aus. Die meisten Studierenden verfügten auch während des Lockdowns über genügende finanzielle Mittel, um ihre monatlichen Kosten zu decken. Eine Ausnahme waren die Studierenden mit ausländischem Geburtsort und Studierende der Hochschule der Künste Bern (HKB): Rund 29 Prozent dieser Studierenden verfügten nicht über genügend Mittel, um die monatlichen Kosten zu decken. Während des Lockdowns haben die Studierenden seltener als sonst studienbezogene Sorgen und psychosoziale Anliegen mit dem Lehrpersonal besprochen – trotz mutmasslich schwierigerer Studienbedingungen. Weil das Besprechen von Sorgen und Anliegen mit der psychischen Gesundheit zusammenhängt, dürfte die Zugänglichkeit des Personals einen Einfluss auf das Wohlbefinden der Studierenden haben. Die allgemeinen Studienerfahrungen während des Lockdowns waren durchmischt. Über 60 Prozent der befragten Studierenden berichteten, dass während der Krise unklar gewesen sei, was in den einzelnen Modulen und Kursen erwartet werde. Etwa 40 Prozent berichteten davon, dass die Qualität in der Lehre gesunken sei. Weiter berichtete ein Drittel der BFH-Studierenden von erheblichem Stress, der durch die Veränderungen der Lehrmethoden ausgelöst worden sei. Dieser Anteil war bei den Studierenden der Universitäten mit ungefähr 50 Prozent ungleich höher. Der grösste Teil der BFH-Studierenden war mit dem Krisenmanagement der Hochschule zufrieden. Auch die Zugänglichkeit des Hochschulpersonals wurde mehrheitlich für gut befunden. Bei den hierzu untersuchten Indikatoren schnitt die BFH besser ab als die Schweizer Universitäten, die an der Studie teilgenommen hatten. Veränderungen des Gesundheitsverhaltens Im Allgemeinen zeigen die Ergebnisse, dass sich das Gesundheitsverhalten während der Corona-Krise nur wenig verändert hat. Eine Ausnahme ist das Rauschtrinken, das bei den befragten Studierenden während des Lockdowns signifikant abgenommen hat. Diese Abnahme könnte auf das veränderte soziale Verhalten respektive eine Abnahme an Gelegenheiten zurückzuführen sein. Sorgen und Wissen bezüglich SARS-CoV-2 Im Allgemeinen machten sich die befragten Studierenden wenig Sorgen, sich mit dem Virus zu infizieren. In Bezug auf das Wissen über das Virus wurden nur geringfügige Unterschiede zwischen den untersuchten Gruppen beobachtet. Psychische Gesundheit während des Lockdowns Die Auswertungen zeigen, dass die Studierenden der Departemente und der Hochschultypen im Lockdown unterschiedlich stark mit psychischen Belastungen konfrontiert waren. Mögliche Gründe könnten in den unterschiedlich verteilten Risiko- und Schutzfaktoren (z. B. finanzielle Situation) zu finden sein, wobei dazu vertiefte Forschung benötigt wird. Die Studierenden der BFH waren während des Lockdowns im Allgemeinen weniger stark mit psychischen Belastungen konfrontiert als die Studierenden der Universitäten. Eine Ausnahme bildeten die befragten Studierenden der Künste. Sie fühlten sich im Vergleich mit den Studierenden der Universitäten zwar nicht so einsam, wiesen im Schnitt aber eine ähnlich hohe Depressionsneigung wie die Universitätsstudierenden auf. Risikofaktoren und Schutzfaktoren des psychischen Wohlbefindens Die Auswertungen zeigen, dass eine schlechte finanzielle Lage und das Vorhandensein von Vorerkrankungen das psychische Wohlbefinden der Studierenden stark negativ beeinflussen. Weitere, etwas weniger grosse Faktoren für ein geringeres psychisches Wohlbefinden im Lockdown können bei Studentinnen, bei jüngeren Studierenden, bei Studierenden mit ausländischer Herkunft und bei Studierenden, die sich Sorgen um den Semesterabschluss machen, beobachtet werden. Werden die Ergebnisse auf mutmasslich veränderbare Faktoren reduziert, sind eine gute finanzielle Lage, ein besseres Wissen über das Virus, eine generell höhere Gesundheitskompetenz, die Möglichkeit, Sorgen mit dem Hochschulpersonal besprechen zu können, und die Zuversicht, das Studium erfolgreich abschliessen zu können, relevante Faktoren für ein höheres psychisches Wohlbefinden. Fazit Die Studie gibt interessante Einblicke in die Veränderungen des Studierendenlebens während des Lockdowns, in das Gesundheitsverhalten der Studierenden und in die Risiko- und Schutzfaktoren ihres psychischen Wohlbefindens. Das erste Ergebnis ist, dass BFH-Studierende der Künste, im Vergleich zu Studierenden anderer Departemente, besonders durch den Ausfall der Erwerbsarbeit und eine schlechtere finanzielle Lage betroffen waren. Der in der Studie beobachtete starke Zusammenhang zwischen einer schlechten finanziellen Situation und Depressivität könnte die höhere Depressionsneigung der HKB-Studierenden zumindest teilweise erklären (Kapitel 4.6). Das zweite wichtige Ergebnis ist, dass das Studium für viele Studierende zu einer grossen Herausforderung wurde. Grosse Anteile der befragten Studierenden berichteten von einer deutlich höheren Arbeitslast, weniger klaren Erwartungen, geringerer Qualität in der Lehre, mehr Stress und mehr Sorgen aufgrund der veränderten Studienbedingungen. Diese Ergebnisse müssen für die gegenwärtige und zukünftige Lehre sowie für die Studienadministration ernst genommen werden. Eine besondere Herausforderung ist der Erhalt der Unterrichtsqualität im Onlineunterricht. Diese darf nicht durch unklare Anforderungen, Unsicherheiten oder technische Hürden leiden. Vielmehr muss ein möglichst transparentes und einfaches Studieren weiterhin möglich sein und entsprechend überwacht werden. Drittens fällt auf, dass die psychischen Belastungen während des Lockdowns teils sehr hoch waren. Signifikante Unterschiede gab es nicht nur zwischen den Studiengängen, sondern auch nach Personenmerkmalen. Die Ergebnisse zeigen, dass nicht nur soziokulturelle Faktoren, sondern auch persönliche Faktoren mit erhöhter Depressivität zusammenhängen. Wenngleich keine Kausalanalyse vorgenommen worden ist, weisen die Ergebnisse doch auf die Möglichkeiten hin, wie die Hochschulen die psychische Gesundheit der Studierenden stärken könnten. Dabei sind eine hohe Ansprechbarkeit des Hochschulpersonals, ein prominenter Verweis zu verlässlichen Informationen über die Gefahr (hier das Virus), die Information und Vermittlung finanzieller Hilfen (z. B. mithilfe der Studierenden der Sozialen Arbeit) sowie eine rasche und deutliche Kommunikation über die veränderten Anforderungen am erfolgversprechendsten. Abschliessend kann festgestellt werden, dass Studierende besonders bezüglich ihrer psychischen Gesundheit eine hohe Aufmerksamkeit benötigen. Ein vielfältiges Beratungsangebot und individuelle Unterstützungen erhalten in der Pandemie eine besondere Bedeutung. Zudem sind weitere Forschungsbestrebungen zur Qualität der Hochschulbildung in Krisenzeiten notwendig. Die Hochschulen stehen am Anfang einer Entwicklung hin zu hybriden und distanzierten Formaten des Lernens und Lehrens, die gleichzeitig oder parallel zum Präsenzunterricht verwendet werden. Der Forschung stellt sich die Aufgabe, die Qualität und die Wirkung der neuen Unterrichtsformate zu erheben und längerfristig zu beobachten.

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Rüess_Eggli_2020_Report.pdf

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