Circular Economy

Warum es ein Ressourcenschutzgesetz braucht

Der jährliche Rohstoffkonsum in Deutschland muss bis Mitte des Jahrhunderts mindestens halbiert werden. Dafür braucht es eine Verbindlichkeit, die in einem Ressourcenschutzgesetz analog zum Klimaschutzgesetz festgehalten werden sollte.

In der Serie „Circular Economy und Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft” werden die vielfältigen Chancen, Risiken und Handlungsbedarfe des Konzepts einer Circular Economy (CE) für das Erreichen einer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft beleuchtet. Die Serie entsteht in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung und wird in unregelmäßigen Abständen im Makronom erscheinen. Im Fokus liegen dabei vor allem die möglichen Zielkonflikte, die mit der zirkulären Transformation verbunden sein können. Hier finden Sie alle Beiträge, die bisher im Rahmen der Serie erschienen sind.

Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Rohstoffnutzung und Auswirkungen auf den Zustand der Umwelt und Ökosysteme. Denn: Die Entnahme, Aufbereitung, Nutzung und Entsorgung der aus Rohstoffen produzierten Güter schafft oder verschärft Umweltprobleme. Damit sind Treibhausgas- und Schadstoffemissionen verbunden, es wird Wasser verbraucht und Böden durch intensive Nutzung ausgelaugt.

In Deutschland sind 40% der Treibhausgas-Emissionen auf die Entnahme und erste Verarbeitungsstufe von Rohstoffen zurückzuführen, sagen das UBA und das International Resource Panel. Ein anderes Beispiel: Die Gewinnung von Kupfer – das braucht man in vielen Kabeln – hat ein hohes Umweltgefährdungspotenzial (UGP), z.B. werden Schwermetalle und saure Grubenwässer emittiert und man verbraucht viel Wasser; auch Gold, Zink, Platin oder Nickel haben ein hohes UGP.

Um die mit der Rohstoffentnahme und -verarbeitung verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt zu senken, können wir nicht nur auf Rohstoffeffizienz setzen, sondern müssen auch weniger Rohstoffe verwenden. Damit wird das Ziel, die Rohstoffentnahme, aber auch die verarbeiteten Rohstoffmengen zu reduzieren, zum übergeordneten Ziel der Circular Economy.

Was könnte das Ziel sein?

Schon in der ersten Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) 2002 wurde politisch festgelegt, Wirtschaftswachstum und Rohstoffverbrauch voneinander zu entkoppeln. Tatsächlich wächst die Wirtschaft inzwischen, ohne dass der Bedarf an Rohstoffen in gleichem Maße ansteigt: Zwischen 2010 und 2019 hat sich der Ressourceninanspruchnahme in Deutschland auf dem relativ stabilen Niveau von ca.16 Tonnen pro Kopf und Jahr eingependelt. Grund dafür ist eine steigende Materialeffizienz. Gemäß der DNS soll der jährliche Zielwert der Gesamtrohstoffproduktivität zwischen 2010 und 2030 um 1,6% steigen. Mit einer Fortschreibung dieses Ziels bis 2050 wären 13 Tonnen pro Kopf und Jahr erreichbar.

Der in der Literatur diskutierte Korridor für eine jährliche Rohstoffinanspruchnahme pro Person weltweit liegt bei fünf bis acht Tonnen. Die Basis für diese Einschätzung bilden drei Ziele: Erstens, die zur Verfügung stehenden Rohstoffe nicht zu übernutzen und nicht zu abhängig von anderen Ländern, von denen wir Rohstoffe einkaufen, zu sein. Zweitens mit dem Rohstoffkonsum möglichst so geringe Effekte auf die Umwelt zu haben, dass sie sich wieder regenerieren kann und wir keine hohen Kosten für die Bekämpfung der Auswirkungen einer veränderten Umwelt auf unsere Gesellschaft zahlen. Und drittens überall auf der Welt auf einem ähnlichen Niveau zu leben.

Eine echte Transformation

Wer sich diese Ziele zu eigen macht, muss anerkennen, dass der jährliche Rohstoffkonsum pro Person in Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts mindestens halbiert werden muss. Die Circular Economy ist einer der wichtigsten Wege, diese Ziele zu erreichen. Die CE ist also eine umfassende Transformation.

Im Auftrag des Umweltbundesamts wurden in der sog. „RESCUE-Studie“ verschiedene Reduktionsszenarien des jährlichen Rohstoffkonsums pro Person modelliert. Ein Blick in die Bedingungen und Annahmen, die der Halbierung des jährlichen Rohstoffkonsums pro Person zugrunde liegen, zeigen das nötige Ausmaß an Veränderung: Die zugrundeliegenden Annahmen umfassen Wirtschaftsparameter wie eine ausgeglichenere Handelsbilanz genauso wie Konsumveränderungen, also beispielsweise langlebigere Produkte, die überwiegende Nutzung von Produkten im Sharing und eine reduzierte Pro-Kopf-Wohnfläche. In nahezu jedem Sektor wird ein Wandel angenommen, z.B. im Bau (hoher Holz-Anteil, hohe Modernisierungsrate und eine vollständig elektrifizierte Wärmeversorgung), in der Landwirtschaft (z.B. reduzierte Düngemengen und eine gesündere Ernährung der Bevölkerung) und ein noch ambitionierterer Umbau im Energiesystem.

Diese Veränderungsbedarfe werden auch durch die Studie „Modell Deutschland Circular Economy“ von Öko-Institut e.V., Fraunhofer ISI und FU Berlin für den WWF Deutschland erneut bestätigt. Die Modellierungsstudie geht vom Status quo der neun untersuchten Sektoren aus und modelliert in vier Szenarien mit dem Zieldatum 2045 über 60 Maßnahmen. Jedes Szenario zeichnet sich durch eine unterschiedliche Quantität und Qualität der umgesetzten Maßnahmen aus. Dabei liegt der Fokus auf der Betrachtung zirkulärer Strategien, die schon am Anfang der Produktion und Nutzung ansetzen, und nicht erst beim Abfall. Das Ergebnis: Die Transformation der deutschen Gesellschaft zu einer Circular Economy hätte große positive Effekte auf den Klima-, Ressourcen- und Biodiversitätsschutz. Zudem würde die deutsche Wirtschaft erheblich an Versorgungssicherheit gewinnen und ihre Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen reduzieren. Der Politik-Blueprint schließt an die Modellierungsstudie an und zeichnet den Weg der Transformation hin zu einer umfassenden Circular Economy.

Eine Circular Economy, die einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen erreicht, geht – das zeigen beide Studien – weit über die Sammlung von Abfällen und dessen Recycling hinaus. Transformation bedeutet, dass nicht punktuelle Verbesserungen einzelner Produkte oder Produktionsprozesse ausreichen, sondern dass die Strukturen von Produktion und Konsum grundlegend überdacht und verändert werden müssen. Es bedeutet, dass sich die nationalen Ökonomien und die Weltwirtschaft fundamental wandeln müssen, um irreversible Schädigungen des Erdsystems sowie von Ökosystemen und deren Auswirkungen auf die Menschheit zu vermeiden.

Dafür wird ein neues gesellschaftliches Narrativ benötigt. Aber es ist klar, dass dies kein Verlust unseres Wohlstandes bedeutet, sondern in vielen Bereichen sogar ein Gewinn sein kann. Es geht in einer Circular Economy keineswegs darum, Wohlstand aufzugeben. Vielmehr soll sie einen Weg aufzeigen, wie wir innerhalb der planetaren Grenzen unsere Bedürfnisse langfristig weiter erfüllen können.

Wie sollte man das messen?

Quantitativ kann man den Rohstoffverbrauch in verschiedenen Indikatoren ausdrücken, zwei wichtige sind der RMC und TMC. Der RMC gibt den Ressourcenbedarf des inländischen Konsums und inländischer Investitionen an, er bildet den Verbrauch ökonomisch genutzter Rohstoffe ab. Dabei werden auch die importierten Rohstoffe berücksichtigt und der Materialaufwand der für deren Extraktion und Bearbeitung notwendigen Rohstoffe abgeschätzt.

In den TMC gehen neben den verwerteten auch die unverwerteten Entnahmen, z.B. Abraum, ein. Aus ökologischer Sicht ist das sehr sinnvoll, da es für die Umwelt kaum einen Unterschied macht, ob Abraum nun verkauft wird oder einfach nur gelagert. Problematisch ist, dass der Anteil ungenutzter Entnahmen stärker wächst als die genutzten Rohstoffe. Das weist darauf hin, dass die spezifischen Umweltwirkungen weiter zunehmen. Allerdings ist die Erhebung des TMC und die statistisch genaue Abgrenzung ungenutzter Materialien schwierig. Daher wird der TMC in der amtlichen Statistik nicht genutzt und nur für Forschungszwecke erhoben.

Im Unterschied dazu legt die aktuelle deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) einen Zielwert für die sogenannte Gesamtrohstoffproduktivität fest. Die Gesamtrohstoffproduktivität setzt den Wert aller an die letzte Verwendung abgegebenen Güter (in Euro, preisbereinigt) in Relation zur Masse der für die Produktion im In- und Ausland eingesetzten Rohstoffe (in Tonnen) – sie ist also ein Wirtschaftsindikator („Wert“) in Relation mit einem Masse-Indikator für die eingesetzten Rohstoffe. Dieser Indikator hat – ohne Zusatzinformationen – wenig Aussagekraft über die Umweltauswirkungen des Konsums und der Investitionen in Deutschland. Die bisherigen Verbesserungen bei diesem Indikator gehen maßgeblich auf die wachsende Wirtschaftsleistung zurück, während die Rohstoffnutzung stagniert.

Verbindlichkeit

Das Ziel sollte es sein, dass sich der Rohstoffkonsum in Deutschland in 20-25 Jahren im nachhaltigen Korridor, also bei 7 Tonnen pro Person und Jahr befindet.

Es braucht Verbindlichkeit, um dieses Ziel zu erreichen. Zirkuläres Wirtschaften und die entsprechende ressourcenpolitische Rahmensetzung betreffen verschiedene Ressorts, u.a. die Verkehrs-, Wirtschafts-, Wohnungs-, Landwirtschafts-, Energie-, Abfallpolitik usw. Forschungs- und Innovationspolitik. In einem Ressourcenschutzgesetz analog dem Klimaschutzgesetz (von 2021) könnte das Ziel und etwaige Zwischenziele verbindlich festgehalten und die Ressorts für ihren Beitrag zur Zielerreichung verpflichtet werden. Es wäre zu erwarten, dass Ressorts Instrumente nutzen und fortführen, die eine große Wirkung im Hinblick auf die Zielerreichung haben, sodass in der Tat Schritte auf dem Weg zu einer Halbierung des jährlichen Rohstoffkonsums pro Kopf erzielt werden. So könnte die Ressourcenpolitik, die heute mit geringem Ambitionsniveau, eher konsensorientiert und koordinierend angelegt ist, gestärkt wird und die notwendige Transformation der Produktion und Nutzung von Gütern aktiv gestaltet werden.

 

Zu den AutorInnen:

Clara Löw arbeitet als Wissenschaftlerin zur Circular Economy im Bereich Produkte & Stoffströme am Freiburger Standtort des Öko-Instituts. Siddharth Prakash ist Senior Researcher am Öko-Institut in Freiburg und leitet dort im Bereich Produkte & Stoffströme die Gruppe Zirkuläres Wirtschaften und Globale Wertschöpfungsketten. Klaus Jacob war bis August 2023 Leiter der Forschungsgruppe Policy Assessment der Freien Universität Berlin.