Urteil
Bundesverwaltungsgericht: Keine Erleichterung für Schwerkranke beim Zugang zu Natrium-Pentobarbital
Schwerkranke Menschen haben gegen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) keinen Anspruch darauf, Medikamente zur Selbsttötung zu bekommen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
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Ein Fläschchen Pentobarbital-Natrium aus einer Apotheke aus Zürich.
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Leipzig. Die mit Spannung erwartete Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Abgabe von Selbsttötungsmitteln ist am Dienstagvormittag gefallen:
Der Zugang zu Natrium-Pentobarbital zum Zweck des Suizids bleibt auf „extremen Notlagen“ beschränkt. Zur Begründung verwies das Gericht auf „Möglichkeiten, das eigene Leben medizinisch begleitet mit anderen Mitteln zu beenden“. Das Betäubungsmittelgesetz verfolge mit seinem Verbot das legitime Ziel, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern“ (Az.: 3 C 8.22 und 3 C 9.22).
Damit wiesen die Leipziger Richter zwei Kläger ab. Der Erste leidet unter arterieller Hypertonie und koronarer Herzkrankheit. Ein 2015 diagnostiziertes Burkitt-Lymphom im Stadium IV wurde während eines gut sechsmonatigen Krankenhausaufenthalts mit Chemotherapie vollständig zurückgedrängt. Er will das Natrium-Pentobarbital vor allem für den Fall zu Hause haben, dass das Lymphom zurückkehrt.
Bundesinstitut weigerte sich, Erlaubnis zu erteilen
Der zweite Kläger leidet seit seiner Kindheit an Multipler Sklerose. Auf der von 1 bis 10 reichenden EDSS-Skala erreicht er ein Schwere-Level von 8,5. Er ist an den Armen und unterhalb des Schultergürtels gelähmt. Die inneren Organe sind geschwächt, eine Blasen- und eine Mastdarmentleerungsstörung sind die Folge. Rückenschmerzen und Spastiken können durch die Einnahme von Medikamenten gedämpft werden. Für jede Alltagsaktivität benötigt er Hilfe rund um die Uhr. Mit Assistenz will er nun sein „unerträgliches Leiden auf humane Weise beenden“.
In beiden Fällen hatten das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster die ablehnenden Entscheidungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestätigt. Dem schloss sich in oberster Instanz nun auch das Bundesverwaltungsgericht an.
Gericht: Andere Wege stehen offen
Zur Begründung verwies es auf die nach den Feststellungen des OVG „realistische Möglichkeit, über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann“. Dies sei für die Sterbewilligen zwar mit hohen Belastungen verbunden. Dem stünden aber wichtige Gemeinwohlbelange gegenüber.
„Die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung durch Miss- oder Fehlgebrauch des Mittels sind angesichts seiner tödlichen Wirkung und der einfachen Anwendbarkeit besonders groß und wiegen schwer“, betonten die Leipziger Richter. „Diese besonderen Gefahren sind die Kehrseite der dargelegten Vorzüge des Mittels für die Sterbewilligen.“
Am 2. März 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht Zugang zu Natrium-Pentobarbital „unter dem Gesichtspunkt einer extremen Notlage“ gewährt. Eine solche Notlage liege hier bei beiden Klägern aber nicht vor. (mwo)