Eine realistische Interpretation des Keynes-Hicks-Multiplikators

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Georg Quaas, 21. Jan. 2015
Eine realistische Interpretation des Keynes-Hicks-Multiplikators 3.17 5 12

In einem Ökonomenstimme-Beitrag zeigt Wolfang Scherf, dass die Selbstfinanzierung konjunktureller Maßnahmen möglich ist. Dieser Beitrag knüpft daran an und reichert das Modell mit Empirie an, wobei sich dadurch die Möglichkeit zur Selbstfinanzierung wiederum als Illusion zu entpuppen scheint.

In seinem Beitrag von 5. Januar 2015 erörtert Wolfgang Scherf die Möglichkeit einer Selbstfinanzierung konjunktureller Maßnahmen auf der Grundlage des Multiplikatoreffekts. Im Folgenden werden nach einer kurzen Kritik der Standard-Auslegung der Multiplikatortheorie an ihr geringfügige Modifikationen vorgenommen, die den empirischen Gehalt wesentlich erhöhen. Der Preis dafür ist der Verzicht auf die fantastischen Erwartungen, die mit jener Theorie verbunden sind und die die verbreitete Skepsis der Politik an der Ökonomik im Allgemeinen und an konjunkturellen Maßnahmen im Besonderen genährt haben mögen.

Herzstück der Multiplikatortheorie ist die Konsumgleichung, die einen Zusammenhang zwischen dem verfügbaren Einkommen der Haushalte YD und den Konsumausgaben C herstellt. Dieser Zusammenhang kann in sehr guter Annäherung an die empirischen Verhältnisse durch eine lineare Funktion dargestellt werden:

wobei c0 der autonome Konsum und c1 die marginale Konsumneigung des Durchschnittshaushaltes ist. Es sei angemerkt, dass c0 vor allem eine statistisch-technische Funktion hat und bei empirischen Schätzungen auch negative Werte annehmen kann. Die ökonomische Interpretation dieses Terms ist deshalb problematisch.

Das verfügbare Einkommen ergibt sich aus dem Einkommen der Volkswirtschaft, indem man die Steuern T abzieht und die Transfers des Staates Tr hinzurechnet:

Im IS-Modell hat das Symbol Y eine Janusköpfigkeit: Es bezeichnet sowohl den Umfang des Outputs der Volkswirtschaft als auch das durch Verkauf des Outputs generierte volkswirtschaftliche (Netto-) Einkommen. Im Beitrag von Wolfgang Scherf wird vereinfachend angenommen, dass der vom Staat verursachte Abzug von diesem Einkommen, –(T–Tr), eine lineare Funktion ist, derart, dass

Damit ergibt sich aus (2) die Formel:

und aus (1) die leicht modifizierte Konsumgleichung:

Sie wird in die folgende Nachfragegleichung eingefügt:

Gl. (6) gilt in einer geschlossenen Volkswirtschaft (andernfalls käme noch ein Term für den Nettoexport hinzu). Dabei bedeuten I die (Netto-) Investitionen und G die Staatsausgaben, die sowohl investiver als auch konsumtiver Art sein können. In einem Zustand des Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage gilt:

Nach einigen einfachen mathematischen Umformungen erhält man daraus:

mit dem Multiplikator

der sich von der üblichen Formel unterscheidet, weil er nicht auf das verfügbare Einkommen der Haushalte, sondern auf das volkswirtschaftliche (Netto-) Einkommen bezogen ist. Bei der Ableitung der Formel für den Multiplikator unterstellt Scherf, dass sowohl die Investition als auch die Staatsausgaben „autonom“ sind, das heißt, dass sie nicht vom Einkommen Y abhängen. Empirisch gesehen ist das eine völlig unrealistische Annahme, auch wenn sie unzählige Male genauso in der Literatur getroffen und auf berühmte Namen gestützt worden ist.

Die Annahme der Unabhängigkeit der Aggregate I und G von Y ist die logische Grundlage für eine kausale Interpretation der Gleichung (8). Ich zitiere dazu Scherf, könnte aber auch jedes beliebige Buch zur Makroökonomik aufrufen: „Das gleichgewichtige Sozialprodukt wird bestimmt durch den Einkommensmultiplikator (m) und die autonomen Ausgaben.“ Aus der Sicht kausalanalytischer Methoden (Saris/Stronkhorst 1984) handelt es sich hierbei um eine Überinterpretation eines funktionalen, bestenfalls korrelativen Zusammenhanges.

Die kausale Interpretation liefert eine Legitimation konjunktureller Maßnahmen. Eine ökonometrische Schätzung der Parameter für die bundesrepublikanische Volkswirtschaft aufgrund von Vierteljahresdaten über die letzten 10 Jahre ergibt beispielsweise folgende Werte:

(1-t) = 0,81; c1 = 1,04; m = 6,3

Demnach müsste eine Erhöhung der Staatsausgaben um 10 Mrd. Euro eine Steigerung des Volkseinkommens um 63 Mrd. Euro hervorrufen – eine völlig irreale Erwartung, die von der Politik zu recht skeptisch betrachtet würde. Dieses Ergebnis, das aus der eben skizzierten kurzschlüssigen Interpretation des Multiplikators folgt, muss in praxi ersetzt werden durch Schätzungen aufgrund von Simulationsrechnungen, die mit umfassenderen ökonometrischen Modellen durchgeführt werden und wesentlich kleinere Werte für die Multiplikatoren diagnostizieren (Quaas/Klein 2012).

In der Regel rechtfertigt die Zunft der Ökonomen das Versagen der Multiplikatortheorie damit, dass entwickelte Industriestaaten sehr offene Volkswirtschaften haben, so dass eventuelle Effekte von konjunkturellen Maßnahmen ins Ausland übergreifen und für das Inland verloren gehen. Dass es sich dabei um eine wenig durchdachte Ausrede handelt, erkennt man, wenn man zur Gleichung (6) die Nettoexporte hinzufügt. Am Multiplikator würde sich nichts ändern. Man hätte lediglich einen weiteren autonomen Term hinzugefügt.

Was ist problematisch an der Keynes-Hickschen Multiplikatortheorie? Sicherlich nicht die Ableitung (5) bis (9), wohl aber die Annahmen, die in diesem Zusammenhang getroffen werden und die zu jener fantastischen Schlussfolgerung über die Wirkung von autonomen Investitionen oder Staatsausgaben führen. Im Folgenden soll eine Modifikation dieser Theorie vorgestellt werden, die mit einem Minimum an Korrekturen auskommt.

Die erste Korrektur besteht in der Beseitigung der Annahme, dass die gesamte Investition und die gesamten Staatsausgaben „autonom“ sind. Der obige Formelapparat ist bereits so formuliert worden, dass er auch nach dieser Korrektur benutzt werden kann. Wenn man die Nettoexporte hinzufügt, folgt aus Gleichung (8):

Der Term s0 umfasse jetzt nicht nur die autonomen Konsumausgaben, sondern alle autonomen Ausgaben, in die die anderen Terme zerlegt werden könnten, insbesondere also die autonomen Investitionen und Staatsausgaben. Die Tatsache, dass wir es in einer globalisierten Welt mit offenen Volkswirtschaften zu tun haben, erfordert das Hinzufügen des Nettoexports NEx . Wer möchte, kann sich auch dieses Aggregat in einen autonomen und einen vom Einkommen abhängigen Teil zerlegt denken.

Die zweite Korrektur ergibt sich aus folgender Überlegung: Autonome Ausgaben sind per definitionem einkommensunabhängig. Wie verträgt sich diese Interpretation mit dem unterstellten Gleichgewicht und der Langfristigkeit der Betrachtung? Autonome Ausgaben können vom vorhandenen Vermögen bestritten werden, das aber irgendwann verbraucht ist, wenn es aus dem laufenden Einkommen nicht ersetzt wird. Sie können durch Kredite finanziert werden, die aber letztlich aus dem laufenden Einkommen zurückgezahlt werden müssen. Daraus ziehe ich die Schlussfolgerung, dass die autonomen Ausgaben in der langen Frist gleich Null sein müssen:

Dem Kenner der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wird aufgefallen sein, dass sich die Multiplikatortheorie jetzt in einen recht unspektakulären Zusammenhang verwandelt hat. Auf der linken Seite der Gleichung (10) steht nämlich nichts anderes als die Ersparnis SH der Haushalte, mit der marginalen Sparneigung SH, die auf das volkswirtschaftliche (Netto-) Einkommen bezogen ist.

Ein maximales Wachstum der Volkswirtschaft findet statt, wenn die gesamte Ersparnis in die Nettoinvestitionen fließt. In diesem Fall wäre:

wobei das Symbol K den Kapitalstock bezeichnet. Die den Output steigernde Wirkung der Nettoinvestitionen kann über die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion

mit den Exponenten

Erfasst werden. Dabei steht T für den technologischen Fortschritt und L für Arbeit. In erster Annäherung ergibt sich daraus:

Langfristig gesehen ist das Nettoeinkommen stets kleiner als der Kapitalstock. Im Fall der Bundesrepublik Deutschland beträgt das Verhältnis in etwa 1:5. Berücksichtigt man noch (15), ist klar, dass der maximale Zuwachs des Outputs bzw. Einkommens nicht mehr als 1/5 der Nettoinvestition betragen kann. Multipliziert mit dem linearen Steuerfaktor t, der im gegebenen Fall ebenfalls etwa ein Fünftel beträgt, ergibt sich ein maximaler Zuwachs der Staatseinnahmen durch Verwendung der Staatsausgaben für Investitionen um weniger als ein Fünfundzwanzigstel. Von einer Selbstfinanzierung kann also nicht im Entferntesten die Rede sein.

Gleichung (16) erklärt die strukturelle Investitionsschwäche alternder Volkswirtschaften mit dem wachsenden Kapitalstock, ohne auf die von Mancur Olson (1991) behauptete Bremswirkung von sich ansammelnden Organisationen mit Sonderinteressen zurückgreifen zu müssen. Kommt die konjunkturelle Komponente hinzu, können die Nettoinvestitionen schnell einmal Null oder negativ werden, ohne dass man in Panik verfallen müsste (Quaas 2014).

Die hier modifizierte Multiplikatortheorie nähert sich der modernen Fassung des IS-Modells an, wonach die Investitionen vom Zinssatz und vom Output abhängen (Blanchard, Illing 2004). Ob die Möglichkeit einer Nettoinvestition realisiert wird, hängt davon ab, ob die Ersparnis der Haushalte von den Exporten und den Staatsausgaben „aufgefressen“ wird oder nicht. Strukturell nachlassende Nettoinvestitionen könnten neben einem gewachsenen Kapitalstock ihre Ursache darin haben, dass ein zu großer Teil der Ersparnis in die Exporte fließt. Das würde nahelegen, das im deutschen Stabilitäts- und Wachstumsgesetz formulierte Ziel eines ausgeglichenen Außenhandels doch etwas ernsthafter ins Auge zu fassen.

Literatur

Blanchard, Olivier/Illing, Gerhard: Makroökonomik. 2004. S.136f.

Olson, Mancur: Aufstieg und Niedergang von Nationen. Ökonomisches Wachstum, Stagflation und soziale Starrheit. Tübingen 1991.

Quaas, Georg: "Konjunktureller Abschwung"? "Investitionsschwäche"? Ein Kommentar zur jüngsten Gemeinschaftsdiagnose. Beitrag zur Ökonomenstimme vom 15. Okt. 2014.

Quaas, Georg/Klein, Mathias: Multiplikatoren der deutschen Volkswirtschaft. Berlin 2012.

Dieselben: Einnahmen- und ausgabenseitige Multiplikatoren der deutschen Volkswirtschaft. In: Wirtschaftsdienst, 92. Jahrgang, Heft 10, Oktober 2012, S.692-698.

Saris, Willem/Stronkhorst, Henk: Causal Modelling in Nonexperimentel Research. Amsterdam 1984.

Scherf, Wolfgang: Selbstfinanzierungseffekte antizyklischer Finanzpolitik. Beitrag zu Ökonomenstimme vom 5. Januar 2015.

©KOF ETH Zürich, 21. Jan. 2015

 
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Kommentare

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  • Ein Argument

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    Ich hätte eine andere Erklärung, warum Staatsausgaben so eine enttäuschend geringe Multiplikator-Wirkung auf die (Netto-)Einnahmen(Y) haben. Es gilt (für die Welt): "Forderungen der Haushalte + Verbindlichkeiten der Unternehmen + Verbindlichkeiten des Staates = Null". Erhöht der Staat seine Verbindlichkeiten um 1000, fliesst das unmittelbar den Haushalten und Unternehmen zu. Erstere erhöhen (a) ihre Forderungen, letztere bauen (b) ihre Verbindlichkeiten ab. Weder aus (a) noch aus (b) folgt ein signifikant verändertes Ausgabeverhalten der Akteure. Die Haushalte werden an ihrer Geld-Sparquote(s) nichts ändern und die Unternehmen nichts an ihren Investitionsplänen. Für Letztere darf man erwarten, dass der ihnen aus den 1000 anteilsmässig zugeflossene Gewinn (=Reduktion der Verbindlichkeiten) über Aufbau der Verbindlichkeiten an die Haushalte ausgeschüttet wird. Somit sammeln sich bei den Haushalten die 1000 Verschuldungseinheiten des Staates. Von hier tritt nun der Multiplikator-Effekt in Kraft: Das Geld wird entsprechend der Sparquote gespart und der Rest fliesst den Unternehmen zu, die aber nach wie vor nichts an ihren Investitionsplänen ändern, sondern wiederum nur zur Ausschüttung an die Haushalte schreiten. Dann kommt die zweite Ausgaberunde der Haushalte, die dritte, und so weiter. Man sieht sofort, dass die Investitionspläne der Unternehmen sich von der Staatsschuld nicht beeindrucken lassen, so viele Runden auch immer sie durchläuft. Warum ist das so? Weil die Unternehmen zu jeder Zeit nach einer "optimalen" EK/FK-Quote trachten. Auch wenn der Staat durch seine verausgabten 1000 die EK/FK-Quote der Unternehmen erhöht, so haben diese stets die Wahl: sie durch Ausschüttung an die Haushalte oder durch Kauf von Sachwerte wieder zu reduzieren. Hat der Kapitalstock eine grosse Dimension erreicht ("Sättigung"), werden die Unternehmen jede Verbesserung ihrer EK/FK-Quote an die Haushalte ausschütten. Man kann`s auch so sagen: Sie haben den "optimalen Zustand" erreicht. Es spricht also vieles dafür, dass die 1000 keine Wirkung auf die Investitionspläne der Unternehmen haben, weshalb der Multiplikator deutlich niedriger liegt als man erhoffen dürfte. Ein Letztes: Nicht nur der Kapitalstock hat eine Sättigungstendenz (abflachende Netto-Investitionen), sondern auch die Staatsschuld. Hat sie einmal einen grossen Wert erreicht, dann erschreckt sie die Haushalte und hemmt ihre Ausgaben ("Angstsparen"). Die Geldsparquote(s) steigt an und der Multiplikator fällt weiter.

    PS: Es ist ja interessant, dass ich mit meinem einfachen saldenmechanischen Modell auf den gleichen Schluss wie Sie, Herr Quaas, kommen. Wirklich erwarten können wir uns nur dann etwas, wenn die heimischen Unternehmen anstatt im Ausland im Inland investieren (oder alternativ: Wenn die Haushalte zum inländischen Sachwert-Sparen übergehen). Solange die Sättigungstendenz des Kapitalstocks im Inland nicht gebrochen wird, wird uns keine Staatsschuld dieser Welt weiterhelfen. Sie fliesst nur in die Taschen der Haushalte, die damit nichts anzufangen wissen.

    A. Felsberger

  • Ein Missverständnis

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    Wenn man Steuern und Transfers für empirische Schätzungen spezifiziert, sollte man nicht mit der Gleichung T – Tr = t Y arbeiten, sondern autonome und einkommensabhängige Steuern und Transfers unterscheiden:

    T = Tº + t Y bzw. Tr = Trº – r Y

    Insgesamt gilt:

    T – Tr = Tº – Trº + (t + r) Y

    Darin ist (t + r) die Konjunkturelastizität des Budgets. Sie gibt an, wie stark der öffentliche Haushalt auf eine Änderung des Sozialprodukts reagiert. Für Deutschland und vergleichbare Länder sind Werte um 0,5 realistisch.

    Sie arbeiten nicht mit der marginalen Quote (t + r), sondern mit der durchschnittlichen Quote:

    (T – Tr)/Y = (t + r) – (Trº – Tº)/Y

    Aufgrund der überwiegend konjunkturunabhängigen Transfers ist die durchschnittliche deutlich niedriger als die marginale Quote, was den viel zu hohen Multiplikator von 6,3 erklärt. Ich habe von solchen (in Ihren Worten) fantastischen Größenordnungen nicht gesprochen.

  • Kurze Antworten

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    @Felsberger: "Von hier tritt nun der Multiplikator-Effekt in Kraft..." Wenn Sie meiner Argumentation gefolgt wären, wüssten Sie, dass ich diesen Effekt in der traditionell behaupteten Form bestreite. Sie müssten seine Existenz belegen.

    @Scherf: Sie haben Größenordnungen überhaupt nicht spezifiziert, das ermöglicht Ihnen, hinterher alles zu akzeptieren oder abzulehnen. Andererseits haben Sie den Multiplikator auch nicht erfunden. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich die "Lehrbuch" - Version im Blick habe.

    Tut mir leid, dass ich nur kurz antworten kann. Ich lebe in Leipzig. Momentan haben wir hier den Ausnahmezustand. Morgen vielleicht mehr.

    • AW: Kurze Antworten

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      Auch eine kurze Antwort sollte auf den Kern des Argumentes eingehen, sonst kann man sich das sparen.

  • Interpretation

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    @ Quaas: Ich habe nur geschildert, wie es meines Erachtens abläuft, und meines Erachtens gibt es einen Multiplikator-Effekt. Nur, und das ist entscheidend, ist er marginal, weil die Investitionsausgaben nicht auf die Ausgabenüberschüsse des Staates reagieren, sondern nur die Konsumausgaben. Und hier habe ich zu bedenken gegeben, dass die Geldparquote(s) der Haushalte mit steigender Staatsverschuldung ansteigt, sodass der Effekt weiter verpufft. Was nun Ihr Modell betrifft, Herr Quaas, so ist die Annahme von autonomen Ausgaben von Null ziemlich verwegen. Sowohl die Investitionsausgaben als auch die Staatsausgaben werden vorfinanziert und erst dann wieder eingetrieben. Man kann also von einer "Vorfinanzierungs-Routine" sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch des Staates ausgehen, was ganz klar für autonome Ausgaben>0 spricht.

    PS: Was mich auch verwirrt ist, dass sie ein (nominales) Einnahmen-Ausgaben-Modell mit einer (realen) Produktionsfunktion mischen. Man kann nicht einfach nominale und reale Grössen ineinanderschmeissen. Für mich sind Einnahmen-Ausgaben-Modelle immer nominal. Alles andere ergibt ja gar keinen Sinn, es handelt sich ja hier um Geldgrössen! Oder, verstehe ich hier etwas nicht?

  • Nachjustierung

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    @Felsberger: Der Multiplikatoreffekt wird aus dem IS-Modell abgeleitet. Das verwendet durchweg Realgrößen. Aber darauf hatte ich Sie schon in einer anderen Diskussionseinheit hingewiesen. Bei empirischen Schätzungen werden die Nominalgrößen durch den entsprechenden Deflator geteilt. Ökonomisch interpretiert am Beispiel der Steuern: T ist der Teil des Outputs, der vom Staat beansprucht wird.

    @Scherf: Da haben Sie recht. Das gilt dann aber auch für Ihre Antwort. Mein Argument zur Größenordnung lassen Sie einfach so im Raum stehen. Dabei ist das ein wichtiger Punkt in der Diskussion zwischen Theoretikern und Empirikern, auf den ich nicht verzichten kann.

    Lassen Sie mich ein Stück weit zu Ihrem "Kern" vortasten: Wenn Sie akzeptieren, dass bei einer langfristigen Betrachtung die autonomen Ausgaben Null sind, gilt das auch für die "autonomen" Steuereinnahmen. Die Annahme, dass Steuereinnahmen letztlich (!) immer vom Einkommen einer Volkswirtschaft abhängen, ist sicherlich viel realistischer als vorauszusetzen, dass Vater Staat auch noch einem nackten Mann in die Tasche greifen kann.

    • AW: Nachjustierung

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      a) Ich habe auf Ihre Argumentation geantwortet, Sie aber nicht auf meine. b) Ihr Multiplikatorargument habe ich speziell aufgegriffen und angegriffen, weil sie fehlspezifizieren. c) Langfristig sind wir alle tot, aber im relevanten Bereich sind keineswegs alle Ausgaben einkommensproportional. d) Konstruktive Debatten verzichten auf inhaltsleere Vorhaltungen wie „Sie haben den Multiplikator auch nicht erfunden“. Ja, ich gestehe, ich war's nicht. Nicht einmal den tiefen Teller habe ich erfunden.

  • Conclusio

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    >Der Multiplikatoreffekt wird aus dem IS-Modell abgeleitet. Das verwendet durchweg Realgrößen> Na gut, da hört sich für mich der Spass auf. Man muss sich entscheiden: (a) Will man sich im theoretischen Denken üben, oder (b) ein sonderbares Gemisch zwischen Theorie und Empirie entwickeln? Einnahmen-Ausgaben-Modelle sind per definition nominal, weil es Geldflüsse sind, die hier erfasst werden! Ich finde es traurig, dass sich die ökonomische Theorie nicht einmal an elementarste Grundsätze hält. Aber das ist nicht mein Problem, so wie ich überhaupt den Eindruck habe, dass diese Lehre an ihren Ansprüchen krankt. Man kann durch theoretisches Denken nicht alles erklären, man kann nur gewisse Vorgaben leisten, innerhalb derer kausal gedacht wird. Und zu diesem Minimal-Vorgaben gehört nun einmal, dass Geldflüsse nominal sind.

    PS: Ich kann ihnen aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass das Durchdringen der nominalen Welt entlang der Gesetze der Saldenmechanik eine unheimliche Gedankenanstrengung voraussetzt, vergleichbar mit einer Schachpartie, wo man sich den Regeln fügt und Kombinationen aufbaut. Wenn die Spieler dann auch noch permanent die Regeln verlassen, und Mühle mit Schach mischen, dann wird das Ganze sinnlos. Aber wie gesagt: Das ist nicht mein Problem, wenn die Spieler daran Spass empfinden: Bitte sehr!

    A.Felsberger

  • Kritik

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    Das ganze System ("Forderungen der Haushalte = Verbindlichkeiten der Unternehmen + Verbindlichkeiten des Staates) funktioniert nur nominal: Die Unternehmen verschulden sich nominal, um Geld-Löhne und Geld-Ausgaben für Investitionsgüter zu tätigen. Die Arbeiter haben Geld-Löhne in der Hand, die Investitionsgüter werden zu Geld-Preisen kalkuliert, die Bilanz der Unternehmen wird in Geld-Grössen erstellt, der aggregierte Kapitalstock ist nominal. Die Verkaufspreise der Waren werden in Geld kalkuliert, der Gewinn ist eine Geld-Grösse! Der Staat verschuldet sich in Geld, und entschuldet sich in Geld. In dem ganzen System gibt es kein Atom "realer Grössen", nur nominale! Was treibt die ökonomische Lehre dazu sich das System "real" vorzustellen? Ist es mangelnde Einsicht, überlieferte Tradition, oder gedankliche Sklerose? Traurig für einen Aussenstehenden, so viel ist es auf jeden Fall!

    PS: Ich haba ja mit einigen (kritischen) Ökonomen über diesen "Real-Wahn" diskutiert. Sie meinen, es sei Robinson-Crusoe und sein Inselleben, der das bewirkt. Ganz nach dem Marx`schen Credo: dass die Vorstellungwelt Ricardo`s niemals über Robinson Crusoe hinausgereicht hat. Eine dürftige Erklärung für einen "Normal-Bürger". Eher würde ich schon vermuten, dass hinter dieser "Real-Welt" ein sozialistischer Wunschtraum steht: Man möchte eine einfache, übersichtliche Welt, man will sich der Geld-Realität nicht stellen. Anders ist es ja gar nicht zu erklären, dass Marx, und alle Kritiker, die ihm folgten, selbst in diese "Real-Falle" tappten. Die ökonomische Lehre ist eine Sozialistenlehre, meine Herren! Sie trachtet nach "Planbarkeit", wo keine existiert. Und mit jedem Tag wird`s schlimmer, bis wir tatsächlich dort landen, wo unser Denklen uns hinführt!

  • Zur Sache

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    @Felsberger und Ehmann: Verzeihung! Ich erlaube mir, über das IS-Modell zu diskutieren, genauer gesagt: über einen Teil des IS-Modells. Das IS-LM-Modell thematisiert das Gleichgewicht/Ungleichgewicht zwischen Güter- und Geldmarkt, darüber rede ich momentan NICHT. (Vielleicht später.) Auch interessieren mich hier keine Modelle, die sich mit den vorhandenen oder auch nicht-vorhandenen Einfluss des Geldes auf die „realen“ Strukturen befassen, das habe ich anderswo getan (F. & G. Quaas: Die Österreichische Schule der Nationalökonomie). Im Übrigen werden Forderungsströme und keine Geldströme dargestellt. Das sind ABC-Weisheiten. Darüber möchte ich hier auch nicht diskutieren. Und wenn Ihnen meine Fragestellung nicht gefällt, machen Sie doch Ihre eigene Diskussionseinheit auf! Dort werde ich Ihnen dann vielleicht antworten.

    @Scherf. Ja, ich habe Ihren Kern noch nicht getroffen. Das wusste ich auch gestern schon. Manchmal braucht man ein wenig Zeit um zu verstehen, was jemand anderes als Kern ansieht. Jedenfalls ist Ihr Kern nicht mein Kern. Mal sehen, ob es mir diesmal gelingt!

    (i) Meine Annahme war, dass die Summe aller autonomen Ausgaben in der langen Frist Null ist. Dabei habe ich mir die Möglichkeit offen gelassen, diese Annahme zu verschärfen, indem „in the long run“ – unabhängig davon, ob wir alles schon tot sind oder nicht – jeder einzelne autonome Term Null ist. Aber das wäre eine wesentlich strengere Annahme. Mein Ziel war ja, das Modell realistischer zu machen. Außerdem: Man sollte nicht sofort allzu viel in einen Ansatz hineinstecken. Deshalb bleibe ich erst einmal bei S0=0. - Wenn Sie nun die Staatseinnahmen und die Transfers in einen autonomen und einen vom Einkommen abhängigen Teil zerlegen, gehen die autonomen Terme in jene Summe ein. Was übrig bleibt sind die von mir angegebenen Strukturen.
    Im Übrigen macht es keinen Sinn, autonome Staatseinnahmen (oder Transfers) in der langen Frist anzunehmen. Wenn es autonome Staatseinnahmen gäbe, müsste es autonome Ausgaben der Volkswirtschaft geben. Was sollte das sein? Eine fortlaufende Verstaatlichung? Irgendwann ist dieser Prozess aber zu Ende, weil alles verstaatlicht ist. Und dann ist wieder s0=0.

    (ii) Sie können den Multiplikator, der streng genommen nur 1-c1 im Nenner enthält, mathematisch gesehen um die Konjunkturelastizität des Budgets erweitern. Nur handelt es sich dann nicht mehr um den Keynes-Hickschen-Multiplikator. Und wenn Sie das tun, würde ich Sie fragen, warum sich die Erweiterung nicht auch auf die anderen Elastizitäten erstreckt (Investitionen, Staatsausgaben, Nettoexporte). Machen Sie es einfach mal! Sie werden dann unter der Annahme (i) die folgende Gleichung herausbekommen: Y = m‘ * 0, wobei m‘ der von Ihnen angedachte und von mir zur Konsequenz getriebene Multiplikator ist. Das ist aber keine sinnvolle Modellierung. Hicks wusste schon, warum er in m nur c1 einbezieht. Nur so kommt etwas Interessantes heraus. Leider hat es sich empirisch nicht bewährt.

    (iii) In the long run – ich bestehe darauf, dass man diese Bedingung beachtet – verschwindet die Summe aller autonomen Terme (wohlgemerkt: alle Einnahmen und Ausgaben zusammenfassend). Ich könnte mit Ihrem dritten Kritikpunkt mitgehen, wenn ich zusätzlich annehme, dass der autonome Konsum für sich genommen gleich Null ist. Dann ist die marginale Konsumneigung gleich der Konsumquote. Ich denke, dass man das mit den vorliegenden Zahlen auch ziemlich gut bestätigen kann. Eine Schätzung der Konsumgleichung mit Vierteljahresdaten (alte VGR) von 1960 bis 2004 (RWI-Konjunkturmodell Version 61) liefert eine marginale Konsumneigung von 0,9. Die Konsumquote hat denselben Wert. Genauere Angaben (Hundertstel und Abhängigkeit vom Stützbereich) behalte ich mir vor.

    Falls jetzt noch etwas offen ist, müssten Sie es sagen. Ich denke, ich habe jetzt alle „Angriffe“ pariert. Vielen Dank für Ihre Geduld!

  • Preisverdächtig

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    Ich gratuliere Ihnen dazu, dass Sie das Multiplikatormodell mittels der Annahme, es gäbe keine vom aktuellen Sozialprodukt unabhängigen Nachfragekomponenten, so eindrucksvoll und vollständig widerlegt haben. Nun werfen wir alle Lehrbücher der Makroökonomie weg, die ausführlich Multiplikatorprozesse und ihre diversen Bestimmungsfaktoren diskutieren. Es gibt ja z.B. keine Staatsausgaben, die in relevanter Frist stabiler sind als das Sozialprodukt, keine Exporte, die nicht von unserem Sozialprodukt abhängen, keinen durch Sozialtransfers stabilisierten Konsum. Demzufolge gibt es auch keine automatischen Stabilisatoren, die ja gerade darauf gründen, dass nicht jede Nachfrage proportional zum Einkommen schwankt. Ökonomen müssen auch nicht mehr zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Effekten unterscheiden. Das nennen Sie empirische Forschung? Dann bliebe ich lieber bei schlüssiger Theorie, die auf klaren Voraussetzungen gründet. Ohne diese Basis kann es keine sinnvolle empirische Forschung geben. Ich verabschiede mich damit aus der Diskussion und spiele wieder mit Glasperlen.

  • Nach-Ruf

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    @Scherf:

    (i) Es scheint schwer zu fallen, konsequent die langfristige Perspektive einzunehmen. Es ist überhaupt nichts Neues und kann in fast jedem Makro-Buch nachgelesen werden, dass der Multiplikatoreffekt ein kurzfristig auftretendes Phänomen ist.

    (ii) Stabilisatoren sind Mechanismen, die kurzfristig wirken. Fast alle Studien, an denen ich mitgearbeitet habe und die im „Wirtschaftsdienst“ publiziert worden sind, setzen KURZFRISTIG WIRKENDE MULTIPLIKATOREFFEKTE voraus. Die Simulationsstudien zeigen aber auch, dass diese Effekte schon nach wenigen Jahren verpuffen.

    (iii) Dass Sie mir vorwerfen, ICH könnte nicht mehr zwischen verschiedenen Fristigkeiten UNTERSCHEIDEN, ist eine völlige Verdrehung der Tatsachen. Mein Beitrag baut doch gerade auf dieser Unterscheidung auf!

    (iv) Der Wegfall autonomer Terme „in the long run“ ist von mir begründet worden. Bislang haben Sie dem nicht widersprochen. Auf der anderen Seite haben Sie nicht einmal eine einzige Zeile geliefert, die beschreibt, wie es ökonomisch möglich sein soll, langfristig Ausgaben anzunehmen, die durch keinerlei Einkommen gespeist werden.

    (v) Ich verstehe aber den Ärger darüber, dass es mit der Selbstfinanzierung von zusätzlichen Staatsausgaben nicht so rosig aussieht. Und wenn der von Ihnen angenommene Multiplikator noch kleiner ist als sich aus seiner aktuellen empirischen Messung ergibt, steht es darum noch schlechter.

    @Ehmann:

    Der Zins wird ins IS-Modell (und nicht in den Multiplikator!) eingebaut, wenn man die Wirkung des Geldmarktes auf den Gütermarkt erfassen will. Ich wiederhole: Das ist nicht mein Thema! (Siehe Überschrift.) Es ist aber auch überhaupt kein Problem, die Investitionen als Funktion des Zinssatzes zu notieren. An meinen Überlegungen ändert das nichts, macht sie nur unnötig kompliziert. Aber noch wichtiger ist: Am Multiplikator ändert die Berücksichtigung des Zinssatzes ebenfalls nicht das Geringste. Dabei meine ich den Keynes-Hicks-Multiplikator. Ist es nicht traurig, dass die großen Keynes-Kenner unserer Zeit gar nicht wissen, dass der Zinssatz in dieser Weiterentwicklung überhaupt nicht vorkommt, sondern an anderer Stelle verankert wird? Ist das Denken etwa auf dem Stand von 1936 stehen geblieben?

    • AW: Nach-Ruf

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      Sie suggerieren, dass die „Effekte schon nach wenigen Jahren verpuffen“ und damit bedeutungslos sind. Das ist jedoch grob irreführend, wie u.a. die aktuellen „Erfolge“ prozyklischer Sparpolitik zeigen. Und Sie kritisieren einen Ansatz, der nie etwas anderes zum Ziel hatte, als die kurzen bis mittleren Schwankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotentials zu erklären, mit dem Argument, dass all das langfristig keine Rolle spiele. Das letzte Wort sollte daher Keynes haben: „In the long run we are all dead“.

  • Antwort

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    >Auf der anderen Seite haben Sie nicht einmal eine einzige Zeile geliefert, die beschreibt, wie es ökonomisch möglich sein soll, langfristig Ausgaben anzunehmen, die durch keinerlei Einkommen gespeist werden.> Das ist das Elend der Nationalökonomie. Deshalb helfe ich Ihnen hier noch mal auf die Sprünge. Die Netto-Verbindlichkeiten des Unternehmenssektors sind zu jeder Zeit gegeben. Dabei definiere ich: "Brutto-Verbindlichkeiten des Unternehmenssektors minus Kassa = Netto-Verbindlichkeiten des Unternehmenssektors". Wann immer der Unternehmenssektor Ausgaben für Löhne tätigt, steigen seine Netto-Verbindlichkeiten an. Denn entweder tätigt er die Lohn-Ausgaben aus der Kassa, die auf der Aktivseite steht, oder durch Zunahme von Brutto-Verbindlichkeiten (=Fremdkapital), das auf der Passivseite steht. Ergo: Alle Lohn-Ausgaben des Unternehmenssektors sind VORFINANZIERT, die Netto-Verbindlichkeiten steigen Hand in Hand mit den Lohnausgaben. Würden Sie das endlich behirnen - Sie tun es nicht, sondern weichen immer nur aus - dann müsste Ihnen einleuchten, dass NIE und NIMMER die Lohnausgaben des Unternehmenssektors abhängig von seinem Einkommen sein können. Sie werden getätigt, bevor überhaupt ein Einkommen da ist! Sie sind, in Ihren Worten: autonom, in meinen Worten: vorfinanziert. Anders bei den Arbeitern, die Empfänger dieser Lohnzahlungen sind. Ihre Ausgaben sind nun abhängig von der Höhe der Lohnzahlung (=Einkommen) und hier kann der autonome Teil tatsächlich gegen Null gehen. Conclusio: Lohn-Ausgaben des Unternehmenssektors sind vorfinanziert (und daher autonom), Konsumausgaben des Arbeiters sind einkomensabhängig.

    PS: Es scheint den Horizont eines Ökonomen zu übersteigen, dass Ausgaben der Unternehmen vorfinanziert werden. Traurig! Ich gebe ihnen diese Antwort als Nicht-Ökonom, was für Sie, Herr Quaas, nur bedeuten kann, dass Sie sie getrost übergehen können. Und Entschuldigung, dass ich mich eingeschaltet habe, die Frage war nicht an mich gerichtet!

    A.Felsberger

  • Korrektur

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    Korrektur: "Brutto-Verbindlichkeiten des Unternehmenssektors plus Kassa = Netto-Verbindlichkeiten des Unternehmenssektors".

    PS: Herr Serdna! Sie streiten sich über etwas, das völlig irrelevant ist. Ein Modell, das Geld(angebot) exogen setzt, ist wertlos. Es bestätigt nur: die Ahnungslosigkeit der Ökonomen. Sparen Sie sich ihre Kritik für andere Aufgaben, fokussieren Sie sich endlich!

  • Ermunterung und Kritik der Kritik

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    @Felsberger:
    Danke, Herr Felsberger, für den schönen Ausdruck „behirnen“. Vielleicht sollten Sie das auch mal tun, und zwar in Bezug auf das Thema: LANGFRIST- Analyse der Multiplikatortheorie. Das für Löhne vorgeschossene Geld gehört nicht in diesen Rahmen, auch wenn es sich um einen sich wiederholenden Prozess handelt. Diskutieren Sie doch auf Mises.de oder wirtschaftlichefreiheit.de weiter, dort können Sie vielleicht Ihre von Hayek stammenden Vorstellungen von der üblen Wirkung des Kredits noch unterbringen.

    @Ehmann:
    (i) Sie zitieren mich: "Der Zins wird ins IS-Modell (und nicht in den Multiplikator!) eingebaut, wenn man die Wirkung des Geldmarktes auf den Gütermarkt erfassen will."
    Sie ziehen daraus die Schlussfolgerung: „Also meinen Sie doch das IS-LM Modell ???“
    Wie bitte? Wie kommen Sie auf diese kraus-verwirrte Deutung meiner „Meinung“? Um es noch einmal zu sagen: Ich thematisiere das IS-Modell und lasse in diesem Beitrag das LM-Modell und viele andere Modelle, die man bei einer komplexen Analyse berücksichtigen müsste, außen vor. Könnten Sie das mal „behirnen“, um A. Felsberger zu zitieren? Wenn Sie gerne über etwas anderes diskutieren möchten, zum Beispiel über das Zusammenspiel von Geld- und Gütermarkt, können Sie das tun, aber in dieser Diskussionseinheit ist das sinnlos – es sei denn, Sie zeigen auf, dass die Definition des Multiplikators oder die Annahmen und Konsequenzen der entsprechenden Theorie davon betroffen sind.

    (ii) Am 22. Januar 16.17 Uhr schrieben Sie:
    „Leiten Sie Ihren Multiplikator aus dem IS Modell ab, dann hängt der Multiplikator vom Zins ab.“
    Ihren Begriffen nach kann man das IS-Modell also nicht ohne den Zinssatz denken, so dass auch der Multiplikator davon betroffen ist. Dann aber dementieren Sie wieder:
    „…aber ich habe die Behauptung, dass beim Multiplikator der Zins eine Rolle spielt nicht aufgestellt, SONDERN SIE.“

    Beide Behauptungen sind völlig falsch. Das IS-Modell kann man durchaus auch ohne den Zinssatz diskutieren, wenn man sich auf die realwirtschaftlichen Zusammenhänge konzentriert. Das habe ich in meinem obigen Beitrag getan. Aber auch wenn man den Zinssatz einbeziehen würde (Konjunktiv!), ändert sich nichts an der Definition des Multiplikators. Allerdings würde die Schätzung seiner aktuellen Größe beeinflusst. Die obigen Zahlen sind zum Beispiel so entstanden.

    (iii) Sie argumentieren, dass die Einbeziehung des Zinssatzes viel wichtiger sei als alle Multiplikatoreffekte. Da ich die entsprechenden Parameter kenne, bestreite ich das aus empirischen Gründen. Aber selbst wenn es so wäre, ist das kein Grund, sich einer Diskussion des realwirtschaftlichen Aspekts des IS-Modells zu entziehen bzw. die Diskussion auf andere Themen verlagern zu wollen, wie Sie das fortlaufend versuchen.

    @Felsberger & Ehmann: Ich muss Ihnen beiden aber auch einmal ein Lob aussprechen. Es gibt Menschen, die möchten gern Schach spielen, werfen dann aber das Schachbrett um, wenn sie merken, dass sie verlieren. SO SIND SIE NICHT. (Obwohl man bei A. Felsberger hin und wieder resignative Tendenzen bemerken kann. Vielleicht hätte er oder sie (?) wirklich mehr Freude in einem anderen Forum. Aber ich will Sie nicht vertreiben!) Um es kürzer zu formulieren: Dass Sie nicht aufgeben, finde ich gut.

    ANDERERSEITS: Eine wissenschaftliche Diskussion hat den Vorteil, dass man nicht auf Argumente eingehen muss, die nichts zur Sache tun. Ob das der Fall ist oder nicht, muss jeder Teilnehmer für sich entscheiden. Aus diesem Grund habe ich viele Ideen, die Sie einzubringen versuchen, ignoriert und werde das auch in Zukunft tun. In diesem Sinne warte ich noch auf wirklich schlagkräftige Gegenargumente, die aber wahrscheinlich eher aus dem mitlesenden Publikum kommen werden als von Ihnen. Denn Ihre Argumente haben Sie ja wiederholt vorgebracht. Sie können auch davon ausgehen, dass ich sie aufmerksam gelesen habe. Aber das meiste hat mich nur peripher tangiert.
    Ich werde also weiterhin Ihre zum Teil beleidigenden Anwürfe und krausverwirrten Einwände schmunzelnd zur Kenntnis nehmen und hoffen, dass vielleicht doch noch ein handfestes Argument kommt, aufgrund dessen ich meine eigene Argumentation ändern muss. Denn genau das war der Sinn der Übung, sich der Kritik zu stellen, um die Schwachpunkte der obigen Modifikation – nicht des Multiplikators – aber der Theorie, die sich darum herumrankt, aufzudecken.

  • Zwischenbilanz

    [ ]

    >üblen Wirkung des Kredits>. Wird ja immer besser. Jemand, der gar nicht versteht wie "Forderungen/Verbindlichkeiten" im Aggregat arbeiten, dem Saldenmechanik ganz offensichtlich ein Fremdwort ist, unterstellt mir: dass ich dies verteufle. Das ist wohl das, was man Chuzpe nennt.-)

    PS: Wie kommt man auf die Idee, dass ich "Österreicher" sein könnte? Eher habe ich in der Tradititon Sützel`s argumentiert, aber nicht einmal das scheint ihnen aufzufallen. Jedoch: Ich finde es gut, dass Sie nicht aufhören auf meine Argumente NICHT zu antworten, sondern sich stattdessen zu irgendwelchen abstrusen Behauptungen versteigen. Es beweist, dass Sie Mut haben: Ein anderer Ökonom hätte sich auf die Gefahr hin sich zu blamieren schon längst vertschüsst.

    PSS: Im übrigen: Ich trage im Schach einen internationalen Titel. Daher mein Trost, den ich für Sie habe: Wenn Sie gegen mich verlieren sollten, ist das keine Schande.-)

  • Geldmenge

    [ ]

    >Die Geldmenge ist also eine endogene Variable???> Natürlich, was sonst? Es gilt: Summe aller Forderungen/Verbindlichkeiten = Geldmenge. Dabei muss man zwischen ein- und zweistufigen Bankensystem unterscheiden. Würde die Welt nur aus einer Geschäftsbank existieren, dann gilt: Summe aller Forderungen/Verbindlichkeiten = Geldmenge. Käme zu dem GB-Sektor noch eine Notenbank dazu, dann verdoppelt sich die Geldmenge: Forderungen/Verbindlichkeiten = Geldmenge x 2. Ganz einfach, weil es sich hier um ein "zweistufiges Bankensystem" handelt.

    PS: Tippfehler "Stützel".

  • Beispiel

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    Schauen Sie, Herr Serdna: Stellen Sie sich doch einfach eine Welt mit einer Geschäftsbank vor. Alle Verbindlichkeiten, die hier existieren, sollen die Form von Anleihen tragen: Unternehmensanleihen und Staatsanleihen. Die Geschäftsbank kauft diese auf und bucht auf der Passivseite GB-Geld. Wie gross ist die GB-Geldmenge in dem System? Antwort: Exakt gleich gross wie die Forderungen/Verbindlichkeiten (Unternehmens- und Staatsanleihen). Salopp gesagt: Schuldmenge = Geldmenge.

  • Hoffnungslos

    [ ]

    @Felsberger: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem internationalen Schach-Titel! So lernt man sich langsam kennen. Sie sind also ein Anhänger der Saldenmechanik. Dann werden Sie sicher Fritz Helmedag kennen. Dann wird Sie folgendes interessieren:

    G. Quaas: Das „saldenmechanische Modell“ von Fritz Helmedag und die Empirie. In: Wirtschaftsdienst. 87. Jg. (2007) H.6. S.406-412.

    Und ausnahmsweise muss ich Herrn Ehmann recht geben: "Die Investition [aber diesmal die Bruttoinvestitionen, plus Konsum und alles andere, was Transaktionen auslöst] sorgt für die Geldmenge, nicht umgekehrt."

    Aber wir schweifen schon wieder ab...

  • Kurzfristig versus langfristig

    [ ]

    @Scherf: Schön, dass Sie wieder da sind. Entschuldigung, dass ich jetzt erst antworte, aber ich hatte Ihren Beitrag nicht bemerkt.

    (i) Ich „suggeriere“ nicht nur, dass die kurzfristigen Effekte nachlassen, sondern habe das mehrmals demonstriert. Sie lesen doch ab und zu den Wirtschaftsdienst? Dann können Sie sich die Tabellen der Simulationsstudien von Heilemann und Co ansehen und neuerdings von die von mir publizierten. Wenn Sie anderer Meinung sind, sollten Sie das in der üblichen Weise in der betreffenden Zeitschrift kritisieren.

    (ii) Welche Erfolge der aktuellen Sparpolitik meinen Sie denn? Ich sehe eher, dass diese europaweit in eine Deflation geführt hat, die dem Euro das Genick brechen kann. Aber vielleicht gehören Sie ja zu denen, die sich darüber freuen würden. In Anbetracht Ihrer Kritik an Sinn ist diese Vermutung aber nicht wahrscheinlich.

    (iii) Wenn ihr Ansatz sich im kurzfristigen Rahmen bewegt, dann trifft Sie die Argumentation in dieser Diskussionseinheit tatsächlich nicht. Dann muss ich Sie aber nochmals mit der Studie von mir und Klein (Multiplikatoren der deutschen Volkswirtschaft) konfrontieren, die im gleichen Rahmen argumentiert und zeigt, dass die Selbstfinanzierung ein Märchen ist. Sie erinnern sich? Dass ist die Studie, über die sich Ehmann lustig gemacht hat, weil der Jahresgewinn des logos-Verlages im Jahr 2012 bei 600 Euro lag. Dabei hat er nach den offiziellen Zahlen aus dem Handelsregister von 2011 das Stammkapital seiner GmbH nahezu verbraucht – unser großer Unternehmer, der die Ökonomen abschaffen will!

    (iv) Und hören Sie doch bitte auf, diesen irrelevanten Satz von Keynes zu zitieren. Für uns Menschen trifft er zu, auch wenn immer wieder Ausnahmen behauptet werden, aber wir diskutieren hier über die Volkswirtschaft. Und für die gilt der Satz einfach nicht.

  • Herr Serdna

    [ ]

    >Alles klar? Die Investition sorgt für die Geldmenge, nicht umgekehrt.> Und Sie glauben im Ernst, dass ich das bestreite? Oh Mann, oh Mann.-) Sie haben mich gefragt wie die Geldmenge bestimmt wird. Ich habe Ihnen geantwortet: durch die Schuldmenge. Und wie wird die Schuldmenge bestimmt? Durch die Netto-Verbindlichkeiten der Unternehmen + Netto-Verbindlichkeiten des Staates. Und wann erhöhen sich die Netto-Verbindlichkeiten der Unternehmen? Wenn Netto-Investiert wird. Verstanden? Logik scheint nicht die Sache von Ökonomen zu sein.

    PS: Der saldenmechanischen Identität, der Sie sich schön langsam nähern sollten, lautet: Netto-Investition = EK-Zuwachs + FK-Zuwachs des Unternehmenssektors. Mit FK-Zuwachs des Unternehmenssektors = Geldvermögens-Zuwachs der Haushalte. Klingelt`s schön langsam? Ewig habe ich nicht Zeit.-)

  • Herr Quaas

    [ ]

    >G. Quaas: Das „saldenmechanische Modell“ von Fritz Helmedag und die Empirie.> Das habe ich nicht gelesen, weil ich für so etwas keine Zeit habe. Alles, was ich denke, habe ich selbst (gemeinsam mit einem Freund) entwickelt. Sie sind sicher ein hervorragender Mathematiker und Empiriker, aber glauben Sie mir: Dort wird nichts stehen, was mich überraschen könnte. Und vieles, was ich weiss, wird dort nicht stehen.

  • Verabschiedung

    [ ]

    Meine Herren, ich sehe ein: es ist sinnlos. Hier ist niemand für ein "saldenmechanisches "Schachspiel zu gewinnen. Was ich Ihnen, Herr Serdna, mitgeben möchte: Nehmen Sie doch das Ganze nicht so wichtig! Sie sind gewiss ein "aufrechter Kämpfer", aber aus Ihrem Tonfall spricht nichts Gutes. Ich bin Wiener und immer für einen "g`sunden Schmäh`" zu haben, aber Sie gehen nach meinem Geschmack zu weit. Und nehmen Sie doch ihre "grossen Ökonomen" nicht so wichtig, es gibt keinen Grund vor denen einzuknicken. Sie sehen ja selbst auf welchem Niveau hier diskutiert wird. Nicht einmal das Ex-post-Wesen der Geld-Ersparnis wird verstanden!

    Und Sie, Heer Quaas, sind mir nicht mal unsympathisch. Irgendwie sind Sie ein witziger Kerl. Aber Ihr Glaube, auf Nichts antworten zu müssen, geht mir doch eine Spur zu weit. Meine Herren, viel Glück für die Zukunft!

    Liebe Grüsse
    A.Felsberger

  • Willkommen und Abschied

    [ ]

    @Felsberger: Danke für die Rückmeldung. Übrigens: Starker Abgang. Stimmt fast ein bisschen wehmütig. Ihr Pech ist, dass Sie bei Sützel hängen geblieben sind. Das ist so, also ob Sie alle Spiele von Botwinnik studiert hätten und damit versuchen würden, Carlsen zu schlagen. Wenn ich Ihnen als Älterer einen Rat geben darf: Sehen Sie sich die ersten 200 Seiten eines beliebigen aktuellen (!) Makrobuches an – natürlich nur, wenn Ihr tägliches Training das erlaubt. Wenn Sie dann terminologisch auf diesem Niveau einsteigen, werden Sie nicht bei jedem Satz Widerspruch erfahren. Ich würde mich freuen, mal wieder etwas von Ihnen zu hören!

    Über das „Nichts“, mit dem ich mich beschäftige, müsste ich mich selbstverständlich aufregen. Aber geschenkt! Schließlich haben Sie auch viele Stunden damit verbracht, dieses Nichts matt zu setzen.

  • Korrektur

    [ ]

    Stützel heisst der Mann. Der letzte, der versucht hat, mit dem Saldenmechanischen Modell Politikberatung zu machen, war wohl Fritz Helmedag. Inzwischen hat er davon Abstand genommen, wenn ich seine Texte richtig deute, was er sicherlich bestreiten würde.

  • Kompliment

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    Auch ein starker Abgang, Herr Quaas! Nein, ich spiele nicht mehr Schach und trainiere das auch nicht, schon seit 25 Jahren nicht mehr. Und ja: vielleicht finde ich ja mal Zeit mich mit Makroökonomie zu beschäftigen. Im Moment schaut`s schlecht aus.

    Alles Gute!
    A.F.

  • Mehr Investitionen?

    [ ]

    Ich möchte mit Ihrer Aussage nach der Gleichung 12 des Artikels beginnen:

    „Ein maximales Wachstum der Volkswirtschaft findet statt, wenn die gesamte Ersparnis in die Nettoinvestitionen fließt.“

    Der Multiplikator nach Keynes beruht darauf, dass die Produktionsfunktion der VWL nicht gilt. Das Wachstum wird also weder durch Kapitalmangel, noch durch fehlenden Arbeitseinsatz verhindert.

    Das Wachstum wird durch monetäre Zusammenhänge verhindert: Die bei einem höheren Einkommen erfolgende Ersparnis der Haushalte wäre saldenmechanisch nur durch eine höhere Verschuldung des Staates (I – T) oder des Auslands (Nex) möglich, während eine höhere Nettoinvestition mangels Kapitalmangel nicht realisiert werden kann (wegen dem großen Risiko und den geringen Renditen zusätzlicher Bruttoinvestitionen bei fehlender Güternachfrage).

    Das Einkommen wird also nicht durch Kapitalmangel limitiert, sondern durch die fehlende Möglichkeit, Ersparnisse zu bilden.

    Die folgende Aussage ist falsch:

    „Die den Output steigernde Wirkung der Nettoinvestitionen kann über die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion … erfasst werden“

    Denn um den Output zu steigern müsste das Einkommen der Ökonomie steigen und das wird verhindert, weil von den Privaten eine entsprechend höhere Ersparnis nicht zu realisieren ist. Hier gilt das Sparparadoxon, wonach das Sparen der Privaten nicht zu höheren Ersparnissen führt, sondern das Einkommen nicht steigen lässt, da mögen Sie investieren so viel Sie wollen, es fehlt makroökonomisch kein Kapital, sondern mangels höheren Einkommen (wegen der monetären Schranke!) die reale Nachfrage.

    Im Extremfall der deflationären Depression kann das nach Keynes so aussehen:

    „Der Bestand an Kapital und das Niveau der Beschäftigung werden folglich schrumpfen müssen, bis das Gemeinwesen so verarmt ist, dass die Gesamtersparnis Null geworden ist, so dass die positive Ersparnis einiger Einzelner oder Gruppen durch die negative Ersparnis anderer aufgehoben wird. In einer unseren Annahmen entsprechenden Gesellschaft muss das Gleichgewicht somit unter Verhältnissen des laissez-faire eine Lage einnehmen, in der die Beschäftigung niedrig genug und die Lebenshaltung genügend elend ist, um die Ersparnisse auf Null zu bringen.“

    Allgemeine Theorie, Berlin 1936/2006, S. 183

    Der eigentliche Hintergrund des Multiplikators wird bis heute in der VWL nicht verstanden: Es ist die Sparquote der Haushalte, die bei einem höheren Einkommen mehr sparen wollen, die ein höheres Staatsdefizit oder einen höheren Außenhandelsüberschuss über den Multiplikator zu einem höheren Einkommen der Ökonomie werden lässt.

    Das Zitat von Keynes oben behandelt das Mindesteinkommen der Ökonomie, bei dem die Ersparnis der Haushalte im Saldo Null ist. Vermutlich ist damit in der VWL der autonome Konsum gemeint, ohne dass der Sachverhalt wirklich begriffen wurde.

    Von einem dieses Mindesteinkommen übersteigenden Einkommen Y muss gespart werden können und das geht nur bei einem entsprechenden Staatsdefizit und Außenhandelsüberschuss, weil die Nettoinvestition in Krisen und Zeiten schwachen Wachstums für die Ersparnis der Privaten nicht reicht. In der Regel entspricht die Wachstumsrate des Kapitalstocks der Wachstumsrate der Wirtschaft und liegt weit unter der Sparquote der Privaten. Nur in Zeiten eines starken Booms oder nach einem Krieg mag die Nettoinvestition den Sparwünschen der Privaten zu entsprechen.

    Sonst wird das Wachstum der Einkommen durch die makroökonomisch nicht mögliche höhere Ersparnis der Haushalte limitiert:

    Y = Mindesteinkommen + T + M x ( I + (G – T) + NEx )

    Die mit Steuern finanzierten Staatsausgaben haben einen Multiplikator von 1 und sollen keine Transfers enthalten, die das Einkommen der Haushalte erhöhen, so dass davon wieder gespart werden können müsste. Das Einkommen, das dieses Mindesteinkommen und die mit Steuern finanzierten Staatsausgaben übersteigt, lässt sich mit dem Multiplikator aus der Summe der Nettoinvestition, des Staatsdefizits und der Verschuldung des Auslands berechnen)

    Die Gütermarktgleichung der VWL, bei der ein Multiplikator auf den autonomen Konsum angewendet wird, ist nach meiner Überzeugung falsch. Entweder habe ich den autonomen Konsum nicht verstanden oder die VWL nicht den Multiplikator.

    Wolfgang Waldner

  • Zur Selbstfinanzierung

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    Das eigentliche Thema der Selbstfinanzierung konjunktureller Maßnahmen hätte ich fast vergessen. Dabei zeigt es das ganze Missverständnis des Multiplikators in der VWL, wenn dieser als Ausgabenmultiplikator diskutiert wird. Man kann damit leider Keynes als Vorbild nehmen und ich habe mich schon gefragt, ob er selber seinen Multiplikator wirklich verstanden hat.

    Die zusätzliche Verschuldung des Staates ist es gerade, wodurch den Privaten höhere Ersparnisse und damit verbunden höhere Einkommen ermöglicht werden. Würden sich die expansiv gedachten Ausgaben des Staates selbst durch höhere Steuereinnahmen oder anderswo eingesparte Ausgaben finanzieren, dann könnten sie nicht expansiv sein und ein höheres Einkommen der Ökonomie bewirken.

    Das Staatsdefizit nach Keynes wirkt als konjunkturelle Maßnahme, weil die Verschuldung des Staates die makroökonomische und saldenmechanische Bedingung für privates Sparen ist (neben dem Exportüberschuss und den Nettoinvestitionen). Sich selbst finanzierende Ausgaben des Staates mögen sinnvoll und wertvoll für die Bürger und die Wirtschaft sein, es handelt sich dabei aber nicht um konjunkturell wirkende Maßnahmen, es sei denn, sie würden nebenbei die Sparquote der Privaten senken.

    Um es ganz klar zu sagen: Die Erhöhung der Staatsschulden oder der Verschuldung des Auslands braucht es für höhere Einkommen der Ökonomie, aus der die Privaten im Saldo sparen wollen und mehr sparen wollen, als nur die für die Sparwünsche mangels Kapitalmangel unzureichende Nettoinvestition.

    In Krisen wird der Kapitalstock (wie die Beschäftigung) sogar schrumpfen, wie Keynes es in meinem Zitat oben ausgeführt hat. Der Kapitalstock und auch die Menge der einsetzbaren Arbeit sind eine Funktion von Y und nicht umgekehrt.

    Wolfgang Waldner

  • Zu Waldner

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    Hier der Versuch, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

    W.: „Der Multiplikator nach Keynes beruht darauf, dass die Produktionsfunktion der VWL nicht gilt.“

    Q.: Im ökonometrischen Modell EMGE (www.forschungsseminar.de) berücksichtige ich die paradigmatisch unterschiedlichen Ansätze dahingehend, dass für die kurze Frist vor allem Nachfragegleichungen eingesetzt werden und für die lange Frist eine Produktionsfunktion. In der theoretischen Forschung (Patzelt: Ethik und Sozialwissenschaften, 1993, Heft 4, Absatz 11) interessiert es nicht, ob aus streng schulenmäßiger Sicht eine Unverträglichkeit zwischen den Erklärungsansätzen besteht; es kommt darauf an, ob die entsprechenden Theorien empirische Test überstanden haben oder nicht. Die CES-Produktionsfunktion, von der die Cobb-Douglas ein Spezialfall ist, gehört zu den ganz wenigen Funktionen mit einem Super-Fit. Wenn jemand daher kommt und mal so nebenbei erklärt, dass er „die Gütermarktgleichung der VWL für falsch“ hält, wie Sie das in Ihrer E-Mail tun, so hat er sich schon jenseits der Linie positioniert, mit der man ein wissenschaftliches Argument von der Pseudowissenschaft abgrenzt. Ihr Hinweis auf die Saldenmechanik im folgenden Absatz zeigt mir, um wie viele Jahrzehnte Sie hinterherhinken. Ich habe aber nicht die Absicht, meine Kritik an der SM hier zu wiederholen (Wirtschaftsdienst 2007, Heft 6).

    W.: „Die folgende Aussage ist falsch:
    ‚Die den Output steigernde Wirkung der Nettoinvestitionen kann über die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion … erfasst werden‘
    Denn um den Output zu steigern müsste das Einkommen der Ökonomie steigen und das wird verhindert, weil von den Privaten eine entsprechend höhere Ersparnis nicht zu realisieren ist.“

    Q.: Erstens. Wenn ich den Output durch das Volkseinkommen operationalisiere, was den meisten theoretischen Ansätzen ganz gut entspricht, dann gilt: Output = Einkommen der Volkswirtschaft. Zweitens. Wenn die Privaten sparen, aber ihre Ersparnis nicht realisieren, dann kann der Staat an ihre Stelle treten. So habe ich Keynes bisher verstanden. Das von Ihnen weiter unten erwähnte Sparparadoxon gilt in Bezug auf autonome Ausgaben und eine autonome Ersparnis; diese sind aber langfristig gesehen gleich Null.
    Nebenbei bemerkt und nicht nur an Sie adressiert: Anstatt ständig mit irgendwelchen Zitaten aus der Allgemeinen Theorie um sich zu werfen, empfehle ich, sich einfach mal einen Datensatz und ein Analysetool zu beschaffen, um die wirklichen Zusammenhänge zu studieren.

    W.: „Der eigentliche Hintergrund des Multiplikators wird bis heute in der VWL nicht verstanden:
    Es ist die Sparquote der Haushalte, die bei einem höheren Einkommen mehr sparen wollen, die ein höheres Staatsdefizit oder einen höheren Außenhandelsüberschuss über den Multiplikator zu einem höheren Einkommen der Ökonomie werden lässt.“

    Q.: Schon dass Sie zwischen monetärer und wirklicher (realisierter?) Ersparnis unterscheiden, zeigt mir, dass Sie sich nicht auf der Ebene der VGR bewegen. So auch in der folgenden Stelle:
    (Fortsetzung folgt)

  • Zu Waldner (Fortsetzung)

    [ ]

    W.: „Von einem dieses Mindesteinkommen übersteigenden Einkommen Y muss gespart werden können und das geht nur bei einem entsprechenden Staatsdefizit und Außenhandelsüberschuss, weil die Nettoinvestition in Krisen und Zeiten schwachen Wachstums für die Ersparnis der Privaten nicht reicht.“

    Q.: Die exakten Formeln finden Sie in meinem Text. Im Übrigen gilt: Investiert werden kann nur von der Ersparnis. Dass die Nettoinvestition für die Ersparnis der Privaten „reichen“ muss, stellt die Sachlage auf den Kopf.

    W.: „In der Regel entspricht die Wachstumsrate des Kapitalstocks der Wachstumsrate der Wirtschaft und liegt weit unter der Sparquote der Privaten.“

    Q.: Das besagt recht wenig.

    W.: „Die mit Steuern finanzierten Staatsausgaben haben einen Multiplikator von 1..“

    Q.: Das ist eine reine Erfindung von Ihnen. Die empirischen Ergebnisse lauten anders (Quaas, Klein: Wirtschaftsdienst 2012, Heft 10).

    W.: „Das eigentliche Thema der Selbstfinanzierung konjunktureller Maßnahmen hätte ich fast vergessen.“

    Q.: Den Eindruck habe ich auch. Aber auch dazu haben Sie wenig zu sagen, sondern wiederholen nur, was Sie bei Keynes verstanden zu haben glauben. Vielleicht sollte ich noch einmal deutlich machen, worum es in meinem Beitrag geht.

    Im Herbst 2014 haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute eine Investitionsschwäche der deutschen Volkswirtschaft diagnostiziert und einen Abschwung prophezeit. (Inzwischen haben sie bemerkt, dass sie sich grandios geirrt haben. Siehe Frühjahrsdiagnose) Ich habe im Oktober darauf hingewiesen, dass diese „Investitionsschwäche“ langfristig besteht und keinen Grund zur Panik darstellt (Ökonomenstimme, 15.10.2014). Im Dezember hat H.-W. Sinn (ifo Schnelldienst 23/2014) zwar wirtschaftspolitisch richtig, aber mit einem m.E. fehlerhaften Beweis den Forderungen nach einem sich selbst finanzierendem Konjunkturprogramm eine Absage erteilt. (Man bedenke den realen Hintergrund: Die Wachstumsschwäche in Europa.) Daraufhin hat W. Scherf (u.a. auf Ökonomenstimme, 5. Januar 2015) aufgrund derselben Theorie „bewiesen“, dass Selbstfinanzierung möglich ist. Da ich mit bloßen Kommentaren nicht überzeugen konnte, habe ich einen etwas systematischeren Beitrag verfasst, der aber auch nicht durchgedrungen ist – vielleicht, weil man dann alle Lehrbücher ändern müsste? Insbesondere habe ich gezeigt, dass der Keynes-Hicks-Multiplikator, so wie er in verschiedenen Lehrbüchern zu finden ist, bei der Frage der Selbstfinanzierung nicht anwendbar ist, weil die autonomen Ausgaben langfristig gleich Null sind. Dem hat bislang niemand ernsthaft widersprochen (11. Mai 2015). Als Ersatz habe ich die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion (in leicht angepasster Form) empfohlen, um die Frage der Selbstfinanzierung zu klären. Ich hätte übrigens nichts dagegen, eine andere Produktionsfunktion zu verwenden, die vielleicht genauere Schätzungen ermöglicht.

    Um es zusammenfassend zu sagen: Hier geht es weder um Rätselraten, was Keynes gemeint haben könnte, noch um eine prinzipielle Kritik ökonomischer Ansätze im Sinne einer erst herzustellenden (pseudowissenschaftlichen) Pluralität der Ökonomik, sondern um die Klärung eines wirtschaftspolitisch brisanten Problems. Ich bitte darum, die anderen Themen woanders, beispielsweise in einem eigenen Beitrag, zu diskutieren.

  • Ergänzungen

    [ ]

    Ergänzungen und Präzisierungen zu diesem Beitrag findet man unter:

    http://link.springer.com/article/10.1007/s10273-015-1831-x

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Autor

Georg Quaas

Georg Quaas

Schlagworte

Multiplikator, Selbstfinanzierung

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