Haftung der GmbH für zur Begleichung von Gesellschaftsschulden hingegebenen Privatscheck ihres Geschäftsführers und Alleingesellschafters
Leitsatz
1. Aus einem vom Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH auf sein Privatkonto gezogenen und ohne einen Vertretungszusatz unterschriebenen Scheck wird die Gesellschaft nicht schon deshalb nach den Grundsätzen über die Zurechnung unternehmensbezogener Geschäfte scheckrechtlich verpflichtet, weil der Scheck zur Begleichung von Gesellschaftsschulden hingegeben wurde.














vorgehend LG Hamburg, 28. September 1990, 5 O 451/89



Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Kerwer, 8. Auflage 2017, § 364 BGB
● Weinland, 8. Auflage 2017, § 164 BGB
Tatbestand
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Die Klägerin ist im Besitz eines Schecks über 100.000 DM, den die Beklagte am 24. September 1989 in Alanya/Türkei ausgestellt, auf den 28. September 1989 vordatiert und auf ihr Konto bei der C.bank in H. gezogen hat. Diese hat den Scheck, als er ihr am 5. Oktober 1989 vorgelegt wurde, nicht bezahlt, weil die Beklagte ihn inzwischen hatte sperren lassen. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Scheckausstellerin auf Zahlung der Schecksumme nebst Zinsen und Kosten in Anspruch. Sie hat im Scheckprozeß ein Vorbehaltsurteil über 100.000 DM nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens aber 6%, seit dem 5. Oktober 1989, und 334,30 DM Scheckunkosten erwirkt. Im Nachverfahren hat die Beklagte beantragt, das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ihren Einwendungen gegen die Klageforderung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Beklagte war Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin der S. GmbH H. (im folgenden: S.-GmbH), die Reisen, vor allem in die Türkei, vermittelte und organisierte. Die Klägerin hatte sich u.a. verpflichtet, für die S.-GmbH Hotels und Rundreisen zu buchen und deren Kunden zu betreuen. Nachdem zwei von der S.-GmbH am 20. August 1989 ausgestellte und der Klägerin zur Begleichung offener Forderungen übergebene Schecks über insgesamt 70.000 DM am 4. September 1989 zu Protest gegangen waren, kam es am 24. September 1989 in Alanya zwischen dem Vertreter der Klägerin So. und der Beklagten in Gegenwart des Zeugen B. zu einem Gespräch, dessen Inhalt im einzelnen streitig ist. Im Verlaufe dieser Unterredung stellte die Beklagte drei auf ihr privates Konto bei der C.bank H. gezogene, auf den 28. September, 6. Oktober und 13. Oktober 1989 vordatierte Schecks über je 100.000 DM aus und übergab sie So.. Die S.-GmbH hat am 29. September 1989 die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen beantragt.
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Die Beklagte hat behauptet: Sie habe die Schecks sperren lassen, da sie persönlich gegenüber der Klägerin keine Verpflichtung eingegangen sei. Sie habe alle Erklärungen als Geschäftsführerin für die S.-GmbH abgegeben, auch wenn sie das bei der Scheckausstellung nicht durch einen entsprechenden Zusatz deutlich gemacht habe. Sie habe versehentlich ihre persönlichen Scheckformulare statt solcher der S.-GmbH verwendet. Über diesen Irrtum und die Schecksperre habe sie mit Schreiben vom 26. September 1989 die Klägerin unterrichtet und damit ihre Willenserklärung angefochten. - Die Klägerin hat demgegenüber behauptet, die Beklagte habe bei dem Gespräch am 24. September 1989 zugesagt, für die Forderungen der Klägerin gegenüber der S.-GmbH mit ihrem persönlichen Vermögen einzustehen, um den sonst angedrohten sofortigen Abbruch der Geschäftsbeziehungen durch die Klägerin zu verhindern. Sie habe deshalb bewußt Privatschecks ausgestellt.
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Das Landgericht hat das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt. Das Berufungsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage unter Aufhebung des Vorbehaltsurteils abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist weitgehend begründet. Sie führt, von einem geringfügigen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs abgesehen, zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
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Das Berufungsgericht hat u.a. ausgeführt: Der Klägerin stehe kein Rückgriffsanspruch gemäß §§ 12, 40, 45 ScheckG zu. Zwar sei die Beklagte zur Zeit der Scheckbegebung geschäftsfähig gewesen und habe sich auch nicht in einem Irrtum befunden. Die streitige Scheckverpflichtung treffe jedoch als sogen. unternehmensbezogenes Geschäft im Zweifel die S.-GmbH. Deren Schulden hätten unstreitig durch den Scheck ausgeglichen werden sollen, auch sei der Klägerin die Geschäftsführerstellung der Beklagten bekannt gewesen. Eine Eigenhaftung der Beklagten als Scheckausstellerin käme deshalb nur in Betracht, wenn die Parteien nachweislich eine persönliche Verpflichtung der Beklagten vereinbart hätten oder wenn die besonderen Umstände des Falles den Schluß erlaubten, daß die Beklagte mit der Ausstellung und Übergabe des Schecks sich selbst habe verpflichten wollen. Der Beweis dafür habe der Klägerin oblegen; er sei jedoch nicht erbracht. Durch die Zeugenaussage B. sei der unternehmensbezogene Charakter des Scheckbegebungsvertrages nicht widerlegt worden.
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Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
II.
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1. Das Berufungsgericht hat allerdings ohne Rechtsfehler deutsches Recht angewendet, da die Parteien dieses übereinstimmend ihren Ausführungen zugrunde gelegt und damit eine Vereinbarung hinsichtlich der Rechtsanwendung getroffen haben (vgl. BGH, Urteile vom 1. April 1974 - II ZR 74/73 = NJW 1974, 558 und vom 12. Dezember 1990 - VIII ZR 332/89 = NJW 1991, 1292, 1293 m.w.Nachw.).
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2. Das Berufungsgericht bürdet aber der Klägerin in fehlerhafter Anwendung des Grundsatzes der Zurechenbarkeit unternehmensbezogenen Handelns zu Unrecht die Beweislast dafür auf, daß der Scheckbegebungsvertrag zwischen den Parteien und nicht zwischen der Klägerin und der S.-GmbH zustande gekommen sei.
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Wer - wie die Beklagte es behauptet - im fremden Namen handelt, muß dies erkennbar zum Ausdruck bringen. Das Gesetz rechnet ihm sonst eine von ihm abgegebene rechtsgeschäftliche Willenserklärung als Erklärung im eigenen Namen zu (§ 164 Abs. 2 BGB). Er hat daher zu beweisen, daß er entweder ausdrücklich im Namen des Vertretenen handelte oder sein Vertreterwille erkennbar aus den Umständen zu entnehmen war (BGHZ 85, 252, 258 f. m.w.Nachw.; BGH, Urteil vom 15. Mai 1991 - VIII ZR 212/90 = NJW 1991, 2958).
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Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen ausdrückliche Erklärungen, die ein Handeln der Beklagten für die S.-GmbH ausweisen, nicht vor. Die Beklagte hat solche Hinweise nicht behauptet.
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Auch die Umstände der Scheckbegebung ergeben nicht, daß die Beklagte für die S.-GmbH gehandelt hat.
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Für die Ermittlung des Inhalts der Scheckerklärung kommt es in erster Linie auf die Scheckurkunde an. Daneben sind hier allerdings auch - wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgeht - außerhalb dieser Urkunde liegende Umstände zu berücksichtigen. Abgesehen davon, daß die sonst für die Auslegung einer Scheckurkunde geltenden Einschränkungen im Verhältnis zwischen Aussteller und erstem Schecknehmer, also den Parteien des Begebungsvertrages, ohnehin nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 23. Oktober 1990 - XI ZR 113/89 = NJW-RR 1991, 229, 230), sind bei der hier vorzunehmenden Auslegung des Scheckbegebungsvertrages die für die Auslegung der Scheckurkunde möglicherweise geltenden Einschränkungen nicht zu machen; denn insoweit gilt die allgemeine Regel, daß unter Berücksichtigung aller außerhalb der Scheckurkunde liegenden Umständen der Inhalt der Parteierklärungen zu ermitteln ist (vgl. BGHZ 64, 11, 14 ff. zum Wechselbegebungsvertrag).
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Aus dem hier streitigen Scheck ergibt sich - was auch das Berufungsgericht nicht verkennt - kein Anhaltspunkt für ein Vertreterhandeln. Daß die Beklagte einen auf ihr Privatkonto gezogenen Scheck mit ihrem Namen ohne einen auf ein Vertretungsverhältnis hinweisenden Zusatz (§ 35 Abs. 3 GmbHG) unterschrieben hat, spricht im Gegenteil für eine eigene Verpflichtung. Erhebliche Tatsachen, aus denen sich etwas anderes ergeben könnte, hat die Beklagte nicht einmal vorgetragen. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, einen - vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeschlossenen - Irrtum bei der Wahl des Scheckformulars zu behaupten und den Vortrag der Klägerin zur ausdrücklichen Mithaftung für die Schulden der S.-GmbH zu bestreiten.
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Auch wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, daß sie - wie der von der Klägerin zum Beweis ihres Vorbringens benannte Zeuge B. bekundet hat - bei dem Gespräch am 24. September 1989 darauf hingewiesen hat, daß die Schecks derzeit nicht gedeckt seien, weil die S.-GmbH Geld nur bekommen könne, wenn sie weiter arbeiten könne, so ergibt sich daraus noch nicht mit hinreichender Deutlichkeit, daß sie bei der Scheckbegebung die GmbH verpflichten wollte. Die vom Zeugen B. wiedergegebene Äußerung wäre auch bei einer beabsichtigten Ausstellung von Eigenschecks nicht sinnwidrig, wenn man berücksichtigt, daß die Vermögenslage der Klägerin als Alleingesellschafterin der S.-GmbH und damit die Deckung ihrer Privatschecks entscheidend von der weiteren Existenz der GmbH abhingen.
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Die vom Berufungsgericht festgestellten sonstigen Umstände können nicht die Annahme begründen, daß der Scheckbegebungsvertrag als unternehmensbezogenes Geschäft zwischen der Klägerin und der S.-GmbH zustandegekommen und die Klägerin für die von ihr behauptete persönliche Verpflichtung der Beklagten beweispflichtig sei. Wenn der Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter einer GmbH deren Gläubiger zur Begleichung von Gesellschaftsschulden einen auf sein Privatkonto gezogenen Scheck ausstellt, so rechtfertigt dies allein nicht die Anwendung des Grundsatzes der Zurechenbarkeit eines unternehmensbezogenen Geschäfts. Es bleibt vielmehr seine Sache, im Streitfall darzulegen und zu beweisen, daß er dabei im Namen der Gesellschaft gehandelt hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - besondere Umstände ein persönliches Geschäft als zumindest ebenso möglich erscheinen lassen wie eines der GmbH. Das ergibt sich aus folgendem:
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Die Anwendung der Grundsätze über betriebsbezogene Geschäfte ändert nichts an dem für das Vertretungsrecht geltenden Offenkundigkeitsprinzip. Auch in diesen Fällen muß der Vertragsgegner (das Unternehmen) für den Geschäftspartner von vornherein eindeutig erkennbar sein. Die Besonderheit liegt lediglich darin, daß das Auseinanderfallen zwischen dem Vertragsschließenden und der Vertragspartei dem Geschäftsgegner verborgen bleibt, z.B. weil der Geschäftsgegner den Vertreter für den Betriebsinhaber hält (BGHZ 62, 216, 221; 64, 11, 15; 92, 259, 268). Nur wenn das Geschäft in dem Sinne unternehmensbezogen ist, daß es eindeutig mit einem bestimmten Handelsunternehmen abgeschlossen und ersichtlich der Inhaber dieses Unternehmens Vertragspartner werden sollte, wird der tatsächliche Inhaber Vertragspartner ohne Rücksicht darauf, wen der Abschließende für den Inhaber gehalten hat (BGHZ 62, 216, 222; 92, 259, 268 m.w.Nachw.). Es handelt sich bei diesem Grundsatz nicht um eine Beweis-, sondern um eine Auslegungsregel, die voraussetzt, daß der Handelnde sein Auftreten für ein Unternehmen hinreichend deutlich macht (BGH, Urteil vom 15. Januar 1990 - II ZR 311/88 = WM 1990, 600). Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind - insbesondere etwa das zum Vertragspartner bestimmte Unternehmen ausdrücklich genannt ist - trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß eine eigene Verpflichtung des Vertragsschließenden gewollt war (BGH, Urteil vom 24. Juni 1991 - II ZR 293/90 = WM 1991, 1505 f.).
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Von einer solchen Fallgestaltung kann hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die Rede sein.
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Bei der Scheckbegebung handelt es sich um keinen Vertrag, bei dem es dem Geschäftspartner wegen der ausbedungenen Leistungspflichten - insbesondere wenn sie typischerweise in den Geschäftsbereich des Unternehmens fallen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1983 - II ZR 283/82 = WM 1984, 197) - entscheidend darauf ankommt, mit dem Unternehmen zu kontrahieren. Der erfüllungshalber gegebene Scheck stellt ein der Barzahlung entsprechendes Zahlungssurrogat dar (vgl. BGHZ 44, 178, 179 f.), das den Grundanspruch unberührt läßt und dem Gläubiger bei Begebung durch Dritte einen zusätzlichen Schuldner verschafft. Bei einem derart neutralen Leistungscharakter ist jedenfalls ein besonderer Unternehmensbezug nicht ohne weiteres erkennbar.
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Gegen eine Scheckverpflichtung der S.-GmbH spricht hier auch noch folgendes: Der den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Scheck wurde im Rahmen einer Besprechung ausgestellt, zu der die Beklagte in die Türkei gereist war, weil kurz zuvor von der S.-GmbH ausgestellte Schecks zu Protest gegangen waren und die Klägerin aus diesem Grunde ihre Leistungen für die GmbH einzustellen drohte. Die S.-GmbH war zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, die offenen Forderungen zu begleichen. Ob sie - wie die Beklagte behauptet - Anfang September 1989 über Bankguthaben verfügte, ist unerheblich, denn die den Anlaß der Besprechung bildenden Scheckproteste wurden am 4. September 1989 erhoben; fünf Tage nach der Ausstellung des hier streitigen Schecks stellte die GmbH Konkursantrag. Nichts spricht unter diesen Umständen dafür, daß die Beklagte mit der Ausstellung des Schecks auf ihr Privatkonto die zahlungsunfähige S.-GmbH verpflichten wollte und dies für die Klägerin trotz Fehlens eines entsprechenden ausdrücklichen Hinweises selbstverständlich gewesen wäre. Die Annahme, daß der Klägerin in der Person der Beklagten ein weiterer Schuldner zur Verfügung stehen sollte, liegt nach den Gesamtumständen zumindest ebenso nahe. Allein die Tatsache, daß die Beklagte - wie die Klägerin wußte - alleinige Inhaberin und Geschäftsführerin der S.-GmbH war und es bei der Scheckhingabe um die Begleichung von Schulden der GmbH ging, vermag weder einen fehlenden Vertretungswillen der Beklagten noch den hinreichend deutlichen Hinweis auf einen solchen Willen zu ersetzen. Sie ist unter den gegebenen Verhältnissen kein Umstand, aus dem sich eine Scheckhingabe im Namen der S.-GmbH ergibt.
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Die Beklagte ist deshalb insoweit nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig für ein Handeln der S.-GmbH. Sie hat dazu - wie ausgeführt - nicht einmal Erhebliches vorgetragen.
III.
- 22
Da das Berufungsgericht auch die Geschäftsfähigkeit der Beklagten zur Zeit der Scheckhingabe ohne Rechtsfehler bejaht hat und weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und das landgerichtliche Urteil im wesentlichen wiederherstellen. Der geltend gemachte Zinsanspruch war allerdings nicht in vollem Umfang zuzuerkennen. Die Klägerin kann als Inhaberin des Schecks im Wege des Rückgriffs aber nur 6% Zinsen verlangen, da der Scheck nicht im Inland ausgestellt wurde (§ 45 Nr. 2 ScheckG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
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