Sittenwidriger Verbraucherkredit: Äquivalenzvergleich des mit einer Kapitallebensversicherung verbundenen Festkredits durch Gegenüberstellung der Belastung aus Festkreditzins und Versicherungsprämie einerseits und der marktüblichen Belastung aus einem Ratenkredit mit Restschuldversicherung andrerseits; Aufklärungspflicht der Bank über spezielle Risiken der Vertragskombination
Leitsatz
1. Erhält ein Verbraucher statt eines Ratenkredits einen mit einer Kapitallebensversicherung verbundenen Festkredit, so kann seine Gesamtbelastung aus Kreditzinsen und Versicherungsprämie beim Effektivzinsvergleich gemäß BGB § 138 Abs 1 der marktüblichen Belastung aus einem Ratenkredit mit Restschuldversicherung gegenübergestellt werden.
2. Auch wenn die Vertragsverbindung nach dem Ergebnis des Zinsvergleichs und der Gesamtwürdigung nicht sittenwidrig erscheint, kann der Kreditnehmer von der Bank Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluß verlangen, wenn er nicht über die speziellen Nachteile und Risiken der Vertragsverbindung aufgeklärt worden ist (im Anschluß an BGH, 1989-03-09, III ZR 269/87, WM IV 1989, 665).
















vorgehend LG Hamburg, 10. April 1987, 6 O 6/86
Abgrenzung OLG Stuttgart 6. Zivilsenat, 12. Februar 2001, 6 U 150/00
Anschluß OLG Koblenz 10. Zivilsenat, 16. Juni 2000, 10 U 1483/99




Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Hönninger, 8. Auflage 2017, § 358 BGB
● Nassall, 8. Auflage 2017, § 138 BGB
Tatbestand
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Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Volksbank H. N. e.G., gewährte der Beklagten mit Vertrag vom 15. Juni/6. Juli 1978 einen Kredit, der auf Verlangen der Bank mit einer Kapitallebensversicherung verbunden war. Der Kredit von 20.000 DM war auf 12 Jahre befristet und während dieser Laufzeit tilgungsfrei. Die Beklagte hatte lediglich die variabel vereinbarten Zinsen, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 9% betrugen, und die Prämien für die gleichzeitig bei einem Versicherungsunternehmen abgeschlossene Kapitallebensversicherung zu zahlen, mit deren nach 12 Jahren fälliger Versicherungssumme der Kredit zurückgeführt werden sollte. Zu diesem Zweck waren sämtliche Rechte aus dem Versicherungsvertrag auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin übertragen.
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Mit dem Kredit wurden nach Abzug eines Disagios von 600 DM drei Vorkredite (9.414,10 DM) abgelöst, ein Autokauf (8.624 DM), die Übernahme eines Geschäftsanteils von 400 DM, Zinsen und Versicherungsprämie für Juli 1978 (274,90 DM) finanziert und Telefon- (15 DM) und Maklergebühren (672 DM) bezahlt.
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Die Beklagte, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses monatlich 1.600 DM netto verdiente, zahlte zunächst monatlich, wie vereinbart, 150 DM Zinsen und 139,90 DM Versicherungsprämie; letztere wurde von der Klägerin an das Lebensversicherungsunternehmen weitergeleitet. In der Folgezeit erhöhten sich die monatlich zu zahlenden Zinsen im Jahre 1982 auf über 270 DM, sanken bis zum Jahre 1984 auf ca. 200 DM monatlich, um im Jahre 1985 wieder auf über 220 DM monatlich zu steigen.
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Da die Beklagte ihren Zahlungspflichten nicht mehr nachkam, stellte die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 1985 das Darlehen fällig und begehrte von dem Lebensversicherungsunternehmen die Auszahlung des Rückkaufswertes, der 10.792,08 DM betrug. Den Stand des Darlehens (20.954,39 DM), die noch auflaufenden Zinsen, die auf den übernommenen Geschäftsanteil anfallenden Dividenden und den Rückkaufswert stellte sie in ein Abwicklungskonto ein und errechnete einen Restanspruch von 10.239,16 DM, den sie klageweise geltend gemacht hat. Demgegenüber beruft sich die Beklagte auf Sittenwidrigkeit des Darlehensgeschäfts und das Bestehen von Gegenansprüchen aus Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über die Risiken der Vertragskombination.
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Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Die Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt und im Wege der Widerklage Rückzahlung von 9.246,17 DM verlangt. Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Widerklage abgewiesen. Gegen dieses Grund- und Teilurteil richtet sich die Revision der Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag und die Widerklage weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
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Gegen die Versäumung der Revisionsfrist ist der Beklagten - nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die danach zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung des angefochtenen Urteils ausgeführt: Der Darlehensvertrag der Parteien sei nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Bei der Prüfung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung könne dahinstehen, ob den Gesamtleistungen der Kreditnehmerin aus der vereinbarten Kombination von Festkredit und Kapitallebensversicherung trotz der völlig andersartigen Vertragsgestaltung die Kosten eines marktüblichen Ratenkredits gegenübergestellt werden könnten. Die Vergleichbarkeit scheitere jedenfalls daran, daß es im Zeitpunkt der Kreditaufnahme auf dem Markt keinen Konsumentenratenkredit zu den von der Beklagten gewünschten Konditionen gegeben habe. Nach Auskunft der Handelskammer H. seien solche Kredite nämlich im Juli 1978 nur mit einer Höchstlaufzeit von 72 Monaten angeboten worden. Innerhalb dieser Zeit jedoch habe ein Darlehen von 20.000 DM nicht in Monatsraten von 290 DM getilgt werden können. Zu höheren Monatsleistungen aber sei die Beklagte, wie sie im ersten Rechtszug gemäß § 288 ZPO bindend zugestanden habe, nicht bereit gewesen. Weil es günstigere Kreditmöglichkeiten mit so niedriger monatlicher Tilgung nicht gegeben habe, entfalle auch ein Schadensersatzanspruch der Beklagten aus vorvertraglichem Beratungsverschulden.
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II. Gegen diese Begründung wendet sich die Revision mit Recht.
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1. Das Berufungsgericht stützt die Annahme eines (vorweggenommenen) Geständnisses allein darauf, daß es in der Klageerwiderung heißt, es sei der Beklagten darum gegangen, "annähernd DM 20.000 zu erhalten und eine monatliche Belastung von ca. DM 290 zu haben". Aufgrund dieses Parteivortrags durfte das Berufungsgericht nicht davon ausgehen, die Beklagte habe als Vertragsinhalt eine monatliche Belastung von höchstens 290 DM verbindlich vorgegeben. Vielmehr machen die relativierenden Einschränkungen "annähernd" und "ca." deutlich, daß es sich nur um die Erläuterung der ursprünglichen Erwartungen für die Kreditbedingungen, um das Abstecken eines ersten Verhandlungsrahmens handeln sollte, nicht aber um ein unumstößliches Limit für die monatliche Belastung. Auch der Vermittler und die Klägerin selbst können die Äußerungen der Beklagten nur so verstanden haben. Sonst hätten sie der Beklagten keine Vertragskombination mit einem variablen Kreditzins anbieten dürfen, bei der die anfängliche Monatsbelastung in der damaligen Niedrigzinsphase zwar nur 290 DM betrug, bei der aber Zinssteigerungen jederzeit möglich und zu erwarten waren, tatsächlich auch bereits vor Ablauf eines Jahres eintraten und schließlich sogar zu einer Steigerung der monatlichen Gesamtbelastung auf über 400 DM führten.
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2. Gegen die Richtigkeit der Auskunft der Handelskammer H. erhebt die Revision Einwendungen, die das Berufungsgericht nach der - aus anderen Gründen notwendigen - Zurückverweisung prüfen kann. Einer Entscheidung des Senats bedarf es insoweit nicht; das Berufungsgericht durfte, selbst wenn es dieser Auskunft folgte, nicht zu der Feststellung kommen, die Kreditbedürfnisse der Beklagten hätten mit einem damals erhältlichen Konsumentenratenkredit nicht befriedigt werden können. Nach dieser Auskunft wurden nämlich im Juli 1978 von Sparkassen und Großbanken solche Kredite mit Laufzeiten bis zu 72 Monaten zum Effektivzinssatz von 7,95% angeboten. Die Beklagte benötigte zur Ablösung der drei Vorkredite und für den Pkw-Kauf insgesamt 18.038,10 DM Nettokredit. Dieser Betrag hätte sich nach dem - hier als richtig zu unterstellenden - Vortrag der Beklagten bei Abschluß einer Restschuldversicherung um 729 DM auf 18.767,10 DM erhöht. Der Bruttokredit hätte danach - bei Berechnung von 2% Bearbeitungsgebühr und 0,32% p.M. Kreditgebühr (diese Gebühren ergeben den von der Handelskammer H. genannten Effektivzins von 7,95%) - insgesamt 23.466,38 DM betragen, die monatliche Ratenbelastung 325,92 DM. Eine solche Monatsrate war zwar um knapp 36 DM höher als die Anfangsbelastung aufgrund der vereinbarten Vertragskombination. Damit lag sie aber durchaus noch in dem von der Beklagten genannten Verhandlungsrahmen, insbesondere wenn man deren Monatseinkommen von 1.600 DM netto und den Vorteil berücksichtigt, daß die Ratenkreditbelastung konstant blieb, während bei der Vertragskombination mit Zinserhöhungen gerechnet werden mußte, deren Ausmaß nicht zu überblicken war.
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3. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann daher nicht dahingestellt bleiben, ob die Belastung aus Festkreditzinsen und Kapitallebensversicherungsprämien mit der Belastung aus einem marktüblichen Ratenkreditvertrag verglichen werden kann oder ob ein solcher Vergleich aus Rechtsgründen, wegen der völlig andersartigen Vertragsgestaltung, ausscheidet.
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Der Bundesgerichtshof hat sich mit dieser Frage im Rahmen der Prüfung des § 138 Abs. 1 BGB erstmals im Urteil vom 14. Januar 1988 - III ZR 249/86 = WM 1988, 364 befaßt, eine abschließende Entscheidung dort jedoch nicht getroffen. Im Urteil vom 9. März 1989 (III ZR 269/87 = WM 1989, 665) hatte der III. Zivilsenat in einem vergleichbaren Fall über einen Ersatzanspruch des Kreditnehmers wegen Aufklärungspflichtverletzung bei Vertragsschluß zu befinden. Er hat dort ausgeführt, die Kombination von Konsumentenkredit und Kapitallebensversicherung sei von ihrem wirtschaftlichen Zweck her mit dem üblichen Ratenkreditvertrag durchaus vergleichbar; von der schutzwürdigen Interessenlage des Kreditnehmers her bedürfe es der Rechtfertigung, wenn eine Bank den Kreditwunsch eines Kunden zum Anlaß nehme, die Kreditvergabe mit dem Abschluß einer Kapitallebensversicherung zu verknüpfen, obwohl ein Versicherungsbedürfnis nicht bestehe und die Vertragskombination für den Kreditinteressenten wirtschaftlich ungünstiger sei als ein marktüblicher Ratenkredit, mit dem der verfolgte Zweck ebensogut zu erreichen sei.
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Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung des III. Zivilsenats an. Er bejaht in Fortführung dieser Rechtsprechung auch die Frage, ob im Rahmen der Prüfung des § 138 Abs. 1 BGB die Belastungen aus einer Vertragskombination von Festkredit und Kapitallebensversicherung an den marktüblichen Belastungen eines Ratenkreditvertrags gemessen werden können, jedenfalls dann, wenn - wie hier - folgende Voraussetzungen vorliegen (vgl. dazu Schmelz NJW-Schriften 49 - Verbraucherkredit - Rdn. 529f.; Schmelz/Klute NJW 1988, 3113, 3114):
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a) Es handelt sich um einen Verbraucherkredit, mit dem der persönliche Konsum von Gütern oder Dienstleistungen finanziert oder Vorkredite, die diesem Zweck dienten, abgelöst werden sollen.
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b) Kreditvertrag und Lebensversicherung werden gleichzeitig abgeschlossen und bilden eine wirtschaftliche Einheit; das kommt insbesondere darin zum Ausdruck, daß der Kreditgeber die Kreditgewährung von dem Versicherungsabschluß abhängig macht, sich alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag abtreten läßt und die an ihn zu zahlenden Versicherungsprämien an die Versicherung weiterleitet.
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c) Die Laufzeit von Kredit und Lebensversicherung stimmt - zumindest annähernd - überein; vereinbarungsgemäß wird nach Ablauf dieser Zeit (oder im Todesfall) der - vorher tilgungsfreie - Festkredit aus der Versicherungssumme getilgt.
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Liegen diese Voraussetzungen vor, so stehen Bank und Versicherer dem Kreditnehmer gemeinsam wie der Vertragspartner eines Ratenkreditvertrags gegenüber. Aus der Sicht des Kreditnehmers besteht wirtschaftlich kein Unterschied zwischen einem marktüblichen Ratenkredit und einem Kredit mit Kapitallebensversicherung. In beiden Fällen hat er als Ausgleich für die Auszahlung der Nettokreditsumme in der vereinbarten Laufzeit monatliche Leistungen zu erbringen. Daß diese Leistungen in einem Fall Zinsen und Tilgung beinhalten, im anderen Zinsen und Prämien, mit denen ein "Guthaben" angespart wird, ist aus der Sicht des Kreditnehmers von nachrangiger Bedeutung. Sein Interesse konzentriert sich darauf, welche Gesamtlast er jeweils zu tragen hat. Daran hat sich der zur Feststellung der Sittenwidrigkeit notwendige Vergleich zu orientieren, wenn auch besondere Vorteile eines Vertragstyps nicht außer Betracht bleiben können.
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4. Dem Vergleich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beim Ratenkredit die effektiven Jahreszinssätze zugrunde zu legen (BGHZ 104, 102, 104f.; Senatsurteil vom 20. Februar 1990 - XI ZR 195/88 = WM 1990, 534). Da die Vertragskombination von Festkredit und Kapitallebensversicherung für den Kreditnehmer wie ein Ratenkredit mit Monatsraten in Höhe von Zinsen und Prämien wirkt, ermöglicht auch für sie eine entsprechende Effektivzinsberechnung den Vergleich mit einem marktüblichen Ratenkredit. Jedenfalls, wenn - wie hier - Vertragskombination und Vergleichsmarktkredit in Laufzeit und Monatsbelastung nicht übereinstimmen, erscheint eine Gegenüberstellung der Effektivzinssätze geboten (so auch Reifner ZIP 1988, 817, 819; a. A. Kohte ZBB 1989, 130, 139).
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a) Dabei muß der Berechnung des effektiven Vertragszinses der bei Vertragsschluß vereinbarte anfängliche Zinssatz zugrundegelegt werden. Die - der Bank vorbehaltene - Änderungsmöglichkeit kann nur im Rahmen der abschließenden Gesamtwürdigung berücksichtigt werden.
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b) Da die Lebensversicherungsprämien neben den - der Kapitalsammlung zur späteren Tilgung dienenden - Sparanteilen auch Risikoanteile enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1988 aaO zu II 3 a), ist ein Vergleich mit einem marktüblichen Ratenkredit ohne Restschuldversicherung nur möglich, wenn die Prämienbelastung um diese Risikoanteile gekürzt wird (BGH aaO). Da die Feststellung der Anteilshöhe aber praktische Schwierigkeiten bereitet (vgl. Schmelz aaO Rdn. 538; Kohte ZBB 1989, 130, 139), ist vorgeschlagen worden, die dem Kreditnehmer durch die Lebensversicherung für den Todesfall erwachsenden Vorteile dadurch auszugleichen, daß beim Marktzins die Kosten für eine angemessene Restschuldversicherung addiert werden (z.B. Schmelz aaO Rdn. 554; Schmelz/Klute NJW 1988, 3113, 3117f.; Kohte ZBB 1989, 130, 139; OLG Celle WM 1989, 847, 849). Wenn die Beklagte hier diesen Weg wählt, sind dagegen grundsätzliche Bedenken nicht zu erheben. Insbesondere kann nicht eingewandt werden, der Risikoanteil bei der Kapitallebensversicherung decke die volle Versicherungssumme, die Restschuldversicherung jedoch nur die jeweils noch offene Schuld ab. Dabei wird übersehen, daß auch bei der Kapitallebensversicherung das abgesicherte Risiko nur in der Differenz zwischen dem angesammelten Kapital und der Versicherungssumme besteht (vgl. Reifner ZIP 1988, 817, 820).
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c) Belastungsmindernd zu berücksichtigen sind auch sonstige Vorteile, die dem Kreditnehmer aus der Vertragskombination von Festkredit und Kapitallebensversicherung erwachsen. Im Urteil des III. Zivilsenats vom 14. Januar 1988 aaO werden in diesem Zusammenhang Gewinnbeteiligung und Steuervergünstigungen genannt.
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aa) Zumindest hinsichtlich der Gewinnbeteiligung schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des III. Zivilsenats - trotz der daran geäußerten Kritik (Schmelz/Klute NJW 1988, 3113, 3116f.; Schmelz aaO Rdn. 544ff.; Kohte ZBB 1989, 130, 138; OLG Celle WM 1989, 847, 849f.) - an. Der Versicherungsnehmer hat insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 87, 346, 353/354) zwar gegen die Versicherung keinen Anspruch in von vornherein bestimmter Höhe. Dennoch läßt sich unter Zugrundelegung der bei Vertragsschluß erkennbaren Umstände hypothetisch schätzen, in welchem Umfang der Versicherungsnehmer mit einer Überschußbeteiligung rechnen kann; davon ist auszugehen. Die verbleibende Unsicherheit über die tatsächliche Geschäftsentwicklung des Versicherers in der Folgezeit muß - ebenso wie die Möglichkeit von Zinsänderungen - im Rahmen der Gesamtwürdigung berücksichtigt werden. Bereits in die Effektivzinsberechnung einzubeziehen ist dagegen der Umstand, daß die Überschußbeteiligung dem Kreditnehmer in jedem Fall erst am Ende der Versicherungszeit zufließt, während er die Versicherungsprämien bereits vorher voll zu zahlen hat (vgl. Reifner ZIP 1988, 820/821).
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bb) Ob bei zu erwartenden Steuervorteilen nach den gleichen Grundsätzen zu verfahren ist wie bei der Überschußbeteiligung (dagegen: Reifner VuR 1986, 6, 10f.; Schmelz aaO Rdn. 548ff.; Kohte ZBB 1989, 130, 138; dafür: Reifner ZIP 1988, 817, 821f.), braucht nicht entschieden zu werden, wenn bei der Beklagten die Grenzen für den Abzug von Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 3 EStG bereits durch die Sozialversicherungsbeiträge ausgeschöpft wurden; zu diesem Ergebnis ist das Berufungsgericht in seinem Prozeßkostenhilfebeschluß vom 22. Oktober 1986 gekommen (WM 1986, 1431).
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d) Eine abschließende Berechnung des effektiven Vertragszinses ist dem Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht möglich. Sie muß dem Berufungsgericht überlassen bleiben. Da das gebräuchliche Tabellenwerk von Sievi/Gillardon/Sievi Ratenkredite mit Laufzeiten über 120 Monate nicht behandelt und da außerdem die Berücksichtigung einer erst bei Laufzeitende zu erwartenden Überschußbeteiligung besondere rechnerische Schwierigkeiten bereitet, liegt für das Berufungsgericht die Notwendigkeit nahe, sich hierbei sachverständiger Hilfe zu bedienen, um das Berechnungsergebnis nachvollziehbar begründen zu können.
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5. Bei der abschließenden Gesamtwürdigung sind - neben unbillig belastenden Kredit-AGB der Bank und der Tatsache, daß der Kredit teilweise der Umschuldung eines zinsgünstigeren Vorkredits diente (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 1990 - XI ZR 195/88 = WM 1990, 534, 535), - auch die vertragsspezifischen Nachteile und Risiken zu berücksichtigen, die sich aus der Kombination mit einer Kapitallebensversicherung ergeben; dabei fällt erschwerend ins Gewicht, daß diese Nachteile für einen durchschnittlichen Kreditinteressenten nicht durchschaubar sind (BGH, Urteil vom 9. März 1989 aaO zu II 2 a; vgl. ferner eingehend Kohte aaO S. 131/132, 134ff., 139/140).
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6. Falls das Ergebnis des Zinsvergleichs und der Gesamtwürdigung nicht ausreicht, um die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB zu bejahen, kommt ein Gegenanspruch der Beklagten auf Schadensersatz in Betracht, wenn die Bank es schuldhaft versäumt hat, dafür zu sorgen, daß die Kreditnehmerin bei den Vertragsverhandlungen über die spezifischen Nachteile und Risiken der Kombination von Festkredit und Kapitallebensversicherung aufgeklärt wurde; insoweit kann auf das BGH-Urteil vom 9. März 1989 aaO verwiesen werden. Ist ein Vermittler eingeschaltet, der für das Kreditinstitut tätig ist oder sich ihm überlassener, für die Vertragskombination vorgesehener Formulare des Kreditinstituts bedient, so ist dessen Verschulden bei Unterlassen der gebotenen Aufklärung nach § 278 BGB zurechenbar. Ist der Vermittler kein Erfüllungsgehilfe, hat das Kreditinstitut in eigener Verantwortung die Erfüllung der Aufklärungspflicht zur Vermeidung eines Ersatzanspruches zu überprüfen bzw. nachzuholen.
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Während ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB zum Wegfall aller vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten führt und der Bank nur Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung beläßt, besteht der ersatzfähige Schaden bei einer - für den Vertragsschluß kausalen - Aufklärungspflichtverletzung der Bank in der Differenz zwischen den von der Kreditnehmerin tatsächlich aufgewendeten Kosten und denjenigen Kreditkosten, die ihr bei Abschluß eines Ratenkreditvertrags - mit Restschuldversicherung - zu marktüblichen Bedingungen entstanden wären (zur Berechnung im einzelnen vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1989 aaO).
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