Zur Verpflichtung einer Bank, die Erreichung des mit einer Schuldübernahme verfolgten Zweckes sicherzustellen
Orientierungssatz
1. Stand der Übernehmer der beim Darlehensgeber bestehenden Schuld, vor der Schuldübernahme bereits in Vertragsbeziehungen zum Darlehensgeber (Bank) und sollten die der Bank bekannten Vereinbarungen zwischen Alt- und Neuschuldner dazu dienen, dem Übernehmer Geld zur Ablösung früherer Darlehensschulden bei der Bank zu beschaffen, dann muß der Darlehensgeber (Bank) sicherstellen, daß der im Innenverhältnis zwischen Alt- und Neuschuldner verfolgte Zweck der Schuldübernahme erreicht wird.



vorgehend LG Münster, 9. Februar 1988, 4 O 422/87
Tatbestand
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Die Beklagte (Landesbausparkasse) hatte dem Streithelfer B zum Erwerb einer Eigentumswohnung ein durch Grundschuld gesichertes Bauspardarlehen gewährt. Als B die Wohnung später veräußerte, bewilligte die Beklagte die Löschung der Grundschuld, ohne eine Darlehensablösung aus dem Verkaufserlös zu fordern. Mit ihrem Einverständnis zahlte B vielmehr einen entsprechenden Teil des Erlöses auf ein Festgeldkonto bei der Volksbank R; der Rückzahlungsanspruch diente der Beklagten nunmehr - statt der Grundschuld - als Sicherheit für ihre Darlehensforderung.
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Im Dezember 1986 wandten sich B und der Kläger, die sich in ihrem gemeinsamen Schreiben als verschwägert bezeichneten, an die Beklagte und schlugen ihr eine "Darlehensübertragung" auf den Kläger vor, der mit der Kreditsumme eigene Schulden bei der Beklagten ablösen wollte; eine für diese Schulden bestellte Reallast solle dann zur Absicherung des Darlehens dienen, der Kläger selbst die persönliche Schuldhaftung übernehmen, B aus der Haftung entlassen werden. In ihrem Antwortschreiben vom 31. Dezember 1986 erklärte die Beklagte, Auszahlungsansprüche aus dem Bausparvertrag B bestünden nicht mehr; sofern eine Schuldübernahme der Restforderung aus diesem Vertrag durch den Kläger mit anschließender Umsicherung gewünscht werde, solle man sich wegen der weiteren Abwicklung mit der Stadtsparkasse R in Verbindung setzen. Dort führten B und der Kläger in der Folgezeit persönliche Verhandlungen mit dem - im ersten Rechtszug als Zeuge vernommenen - Sparkassenrat K. Am 23. März 1987 kam es bei der Sparkasse zur internen Beschlußfassung über die Restkreditschuld von 99.000 DM. In einem Formularschreiben vom gleichen Tage, das von der Sparkasse im Namen der Beklagten an den Kläger gesandt wurde, heißt es u.a.:
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"Wir bewilligen Ihnen die beantragten LBS-Kredite ..... Die Finanzierungsmittel werden von der Sparkasse im Auftrag der LBS unmittelbar ausgezahlt."
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Ein mitübersandtes Schuldanerkenntnisformular über 99.000 DM unterschrieb der Kläger am 27. März 1987, ferner eine Abtretungserklärung über eine Grundschuld von 50.000 DM. Die Sparkasse unterrichtete davon die Beklagte mit Schreiben vom 24. März 1987, überreichte ihr zugleich den "Schuldübernahmebeschluß vom 23. März 1987" und bat sie zu veranlassen, daß nunmehr das zugunsten der Beklagten bei der Volksbank Recklinghausen gesparte Guthaben von 101.200 DM freigegeben werde. Demgemäß erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 3. April 1987 gegenüber der Volksbank und B die Freigabe des Guthabens, ohne den Kläger hiervon in Kenntnis zu setzen. B ließ sich daraufhin bereits am 8. April 1987 den gesamten Kontobestand auszahlen. Dem Kläger teilte die Volksbank die Kontoauflösung erst am 4. Mai 1987 mit, nachdem er ihr am 29. April 1987 einen am 28. April 1987 gegen B erwirkten Pfändungsbeschluß hatte zustellen lassen.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihm aufgrund der Kreditbewilligung oder als Schadensersatz 99.000 DM. Mit der Klage hat er einen Teilbetrag von 50.000 DM geltend gemacht, ferner Zinsen in Höhe von 12,75% aus 40.748,90 DM und 4,5% aus 9.251,10 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Im Wege der Anschlußberufung hat die Beklagte Widerklage erhoben und die Feststellung begehrt, daß dem Kläger keine weitergehenden Ansprüche aus dem dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Schuldverhältnis zustehen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 49.500 DM nebst 4,5% Zinsen verurteilt, die Klage im übrigen abgewiesen und der negativen Feststellungswiderklage stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die volle Klageabweisung. Der Kläger wendet sich mit der Anschlußrevision gegen die teilweise Abweisung seiner Klage und gegen die Feststellung, daß ihm über die Klageforderung hinaus keine weitergehenden Ansprüche mehr zustehen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision und teilweise auch die Anschlußrevision haben Erfolg. Das angefochtene Urteil mußte, soweit es der Klage stattgegeben und die Zinsmehrforderung abgewiesen hat, aufgehoben, die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
I.
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Das Berufungsgericht hat in Höhe der Verurteilung einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung der Beklagten bejaht und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte sei - trotz des Wortlauts des Formularschreibens vom 23. März 1987 - zwar nicht zur Auszahlung eines Darlehensbetrags verpflichtet gewesen, wohl aber dazu, im Interesse des Klägers dabei mitzuwirken, daß dieser einen Kapitalbetrag von 99.000 DM aus dem Guthaben bei der Volksbank erhielt. Sie habe ihre Verpflichtung schuldhaft verletzt, indem sie dieses Guthaben allein zugunsten B freigegeben habe, ohne vorher beim Kläger nachzufragen. Dadurch sei dem Kläger ein Schaden von 99.000 DM entstanden. Diesen Betrag habe er von B beanspruchen können. Den - vom Kläger bestrittenen - gegenteiligen Vortrag des Streithelfers über seine internen Vereinbarungen mit dem Kläger habe sich die Beklagte nicht zu eigen gemacht; außerdem fehlten ausreichende Substantiierung, Belege und Beweisantritt. Die Hälfte des Schadens müsse der Kläger aber gemäß § 254 Abs. 1 BGB selbst tragen, weil er es versäumt habe, die Beklagte ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß eine Freigabe nur zu seinen Gunsten erfolgen solle. Einen höheren Zinssatz als 4,5% habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.
II.
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Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.
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1. Es ist materiell-rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen eine Vertragspflichtverletzung der Beklagten gegenüber dem Kläger bejaht hat.
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Vergeblich macht die Revision geltend, das Berufungsgericht überspanne die vertraglichen Nebenpflichten des Darlehensgebers gegenüber einem Schuldübernehmer, wenn es vom Gläubiger verlange, er müsse sicherstellen, daß der im Innenverhältnis zwischen Alt- und Neuschuldner verfolgte Zweck der Schuldübernahme erreicht werde. Die Auffassung der Revision mag zutreffen, wenn sich ein Gläubiger im Regelfall einer bloßen Schuldübernahme auf die nach §§ 414, 415 BGB nötigen Erklärungen beschränkt hat. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht hier jedoch aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls dazu gekommen, weitergehende Vertragspflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger zu bejahen: Der Kläger stand bereits vor der Schuldübernahme in Vertragsbeziehungen zur Beklagten. Die hier streitigen Vereinbarungen vom März 1987 sollten dazu dienen, dem Kläger Geld zur Ablösung früherer Darlehensschulden bei der Beklagten zu beschaffen. Das war der Beklagten auch bekannt, nämlich aus dem gemeinsamen Schreiben des Klägers und B vom Dezember 1986, aber auch aus den anschließenden Verhandlungen beider mit dem Zeugen K, dessen Wissen und Erklärungen sich die Beklagte zurechnen lassen muß, weil sie selbst - in ihrem Schreiben vom 31. Dezember 1986 - den Kläger wegen der weiteren Abwicklung an die Sparkasse R verwiesen hatte. Aufgrund der Erklärungen K und des Schreibens der Sparkasse vom 23. März 1987 war die Beklagte nach der - revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden - Auslegung des Tatrichters zwar nicht verpflichtet, dem Kläger nach Unterzeichnung von Schuldanerkenntnis und Grundschuldabtretung ein neues Darlehen von 99.000 DM auszuzahlen, wohl aber ihn zu unterstützen, diesen Betrag von dem Festgeldkonto bei der Volksbank zu erhalten, das der Beklagten zur Sicherheit abgetreten oder verpfändet worden war. Die Beklagte mußte damit rechnen, daß der Kläger von ihr im Vertrauen auf die Erklärungen der Sparkasse ein Tätigwerden in seinem Interesse erwartete. Darin, daß sie diese Erwartung enttäuschte, lag eine schuldhafte Vertragsverletzung. Die Beklagte hätte zwar, da B das Festgeldkonto angelegt und ihr den Rückzahlungsanspruch zur Sicherheit abgetreten oder verpfändet hatte, nicht allein eine Auszahlung zugunsten des Klägers veranlassen können, sondern hätte dazu der Zustimmung B bedurft. Die Beklagte war aber verpflichtet, B um diese Zustimmung zu bitten, und durfte, wenn B sie verweigerte, diesem nicht einfach das Geld überlassen, sondern mußte zumindest den Kläger benachrichtigen, damit er aufgrund seiner Vereinbarungen mit B dessen Zustimmung hätte erzwingen oder rechtzeitig das Guthaben bei der Volksbank pfänden können, wie er es tatsächlich, aber verspätet am 28./29. April 1987 versucht hat.
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2. Mit Recht rügt die Revision jedoch, das Berufungsgericht habe dazu, in welcher Weise und Höhe dem Kläger durch die Vertragspflichtverletzung der Beklagten ein Schaden entstanden ist, keine hinreichenden Feststellungen getroffen und insoweit erhebliches Tatsachenvorbringen des Beklagten verfahrensfehlerhaft übergangen.
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Auch ohne ausdrückliche Urteilsfeststellungen liegt allerdings die Annahme nahe, daß das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, B habe das von ihm abgehobene Kontoguthaben unter Verstoß gegen seine Vereinbarungen mit dem Kläger vollständig für sich verbraucht, der - verspätete - Versuch des Klägers, seine Ansprüche gegen B zwangsweise durchzusetzen, sei bisher vergeblich geblieben.
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Demgegenüber hatte B aber bereits im ersten Rechtszuge als Streithelfer der Beklagten vorgetragen, er habe ursprünglich mit dem Kläger vereinbart, an ihn 60% der noch bei der Beklagten valutierenden Summe auszuzahlen; nach Auflösung des Volksbankkontos habe er dem Kläger am 9. April 1987 dann vereinbarungsgemäß nur rund 50% des Guthabens = 49.400 DM gezahlt, die vom Kläger erwartete Zahlung weiterer 10.000 DM aber damals nicht mehr erbringen können. Dieser Vortrag ihres Streithelfers war der Beklagten, da er nicht im Widerspruch zu ihrem eigenen Vorbringen stand, gemäß § 67 2. Halbsatz ZPO ohne weiteres zuzurechnen. Darüber hinaus hat sich die Beklagte in der Berufungsinstanz auch ausdrücklich auf die Darstellung ihres Streithelfers zum Innenverhältnis zwischen ihm und dem Kläger berufen und B zum Beweise als Zeugen benannt. Das Berufungsgericht hat dieses Vorbringen zu Unrecht übergangen. Weitergehende Substantiierung konnte von der Beklagten nicht verlangt werden, da sie aus eigener Kenntnis über die Vereinbarungen und Zahlungen im Verhältnis B - Kläger nichts wußte. Das Berufungsgericht durfte daher nicht davon ausgehen, dem Kläger sei unstreitig durch die Vertragspflichtverletzung der Beklagten ein Schaden in Höhe von 99.000 DM entstanden. Mit Recht verweist die Revision darauf, daß grundsätzlich der Kläger für Entstehung und Höhe des Schadens beweispflichtig ist und daß ihm, soweit er von der Beklagten Schadensersatz erhält, nicht auch noch ein entsprechender Zahlungsanspruch gegen B verbleiben darf.
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3. Soweit dem Kläger durch die Vertragspflichtverletzung ein Schaden entstanden ist, hält die Entscheidung des Berufungsgerichts, der Kläger müsse davon gemäß § 254 BGB die Hälfte selbst tragen, den - von Revision und Anschlußrevision mit gegensätzlichem Ziel geführten - Angriffen stand.
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Der Schaden war wesentlich darauf zurückzuführen, daß in den mündlichen Verhandlungen mit K und in den schriftlichen Vertragserklärungen der Parteien nicht eindeutig geklärt worden war, auf welche Weise dem Kläger der ihm zugedachte Betrag aus dem Volksbankkonto zufließen sollte. Da Kläger wie Beklagte sich aufgrund der verbleibenden Unklarheit darauf verließen, der jeweils andere werde allein die nötigen Maßnahmen zur Erreichung des erstrebten Ziels treffen, erhielt B die Möglichkeit, das Guthaben ohne Wissen des Klägers abzuheben und vereinbarungswidrig darüber zu verfügen. Für die erwähnte Unklarheit und ihre Folgen waren beide Parteien verantwortlich. Auch der Kläger hätte den Schaden vermeiden können, wenn er sich vor der Schuldübernahme von B dessen Rechte aus dem Guthaben bei der Volksbank im vereinbarten Umfang hätte abtreten lassen und dafür gesorgt hätte, daß die Beklagte und die Volksbank davon rechtzeitig unterrichtet wurden. Die tatrichterliche Abwägung, die der Verursachung und dem Verschulden auf beiden Seiten gleiches Gewicht beimißt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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4. Die Anschlußrevision hat nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Teilabweisung der Zinsforderung richtet. Die Beklagte hat den Zinsanspruch zwar pauschal dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Der Kläger hatte als Beleg aber eine Zinsbescheinigung der Stadtsparkasse R vom 15. Mai 1987 vorgelegt, nach der er für eine Kontosaldoschuld von 40.748,90 DM Zinsen in Höhe von insgesamt 12,75% zahlen mußte. Wenn die Beklagte die Richtigkeit dieser Angaben, insbesondere auch für die Zeit nach Verzugseintritt am 4. Juni 1987, bestreiten wollte, hätte sie entsprechend substantiierte Einwendungen erheben müssen; das war ihr angesichts ihrer engen Verbindung zur Zinsgläubigerin durchaus möglich und zuzumuten.
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