Kreditfinanzierter Anlagevertrag: Nichtigkeit im Reisegewerbe vermittelter Darlehensverträge; Voraussetzungen für den Ausschluß des Einwendungsdurchgriffs beim finanzierten Kauf und anderen kreditfinanzierten Verträgen; vorvertragliche Aufklärungspflicht der kreditgebenden Bank bei Befürwortung eines bestimmten Anlagemodells
Orientierungssatz
Siehe Leitsatzentscheidung vom 5. Mai 1992 - XI ZR 242/91.
vorgehend LG Mainz, 2. Februar 1990, 7 O 404/86
Vergleiche OLG Celle 14. Zivilsenat, 11. Juli 1996, 14 U 207/95
Anschluß OLG Köln 12. Zivilsenat, 5. Dezember 1994, 12 U 75/94
So auch OLG Karlsruhe 14. Zivilsenat, 18. Dezember 1992, 14 U 221/91
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. Oktober 1991 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die klagende V.bank nimmt den Beklagten zu 1), einen Kraftfahrzeugmeister, als Darlehensnehmer und die Beklagte zu 2), seine Ehefrau, als Bürgin auf Rückzahlung eines Darlehens für eine inzwischen wertlose Beteiligung an der "Anlagenprogramm Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (Anlagen GbR) in Anspruch.
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Die Anlagen GbR diente ihrem Initiator B. zur Akquisition kreditfinanzierter Anlagegelder. B. hatte zu diesem Zweck das "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" entwickelt, das er als zusätzliche Altersversorgung anbieten ließ. Das Programm sah die Aufnahme eines Kredits durch den Kunden und Einlage des Kreditbetrages in die Anlagen GbR vor. Getilgt werden sollte der Kredit mit Hilfe einer anzusparenden Kapitallebensversicherung, die der Kunde auf zwölf Jahre abzuschließen und an die kreditgebende Bank abzutreten hatte. Die anfallenden Kreditzinsen und Versicherungsbeiträge sollten aus Erlösen bezahlt werden, die aus der Anlage der Darlehensvaluta vor allem in Zerobonds sowie aus der Spekulation mit Aktienindexoptionen an US-amerikanischen Börsen erzielt werden sollten. Nach Fälligkeit der Lebensversicherung und Tilgung des Darlehens sollte nach einem Werbeprospekt jedem Kunden in Form des Gesellschaftsanteils und des Lebensversicherungsbonus ohne Aufwand eigener Mittel Eigenkapital in Höhe von ca. 140% des eingesetzten Darlehens zur Verfügung stehen.
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In Vorbereitung der Akquisition vereinbarte B. im Februar 1986 mit der Klägerin die Vermittlung von Kreditkunden nach Vorprüfung der Kreditfähigkeit gegen Zahlung einer Provision in Höhe von 1% des Darlehensbetrages. Die durch eine Kapitallebensversicherung zu tilgenden Festkredite sollten von der Klägerin zu 8,5% Zinsen bei 98% Auszahlung vergeben und die Valuta auf einem bei ihr eingerichteten Konto gutgeschrieben werden, über das B. allein verfügen konnte. Die anfallenden Kreditzinsen sollten von diesem Konto vierteljährlich abgebucht werden, während die Bezahlung der Lebensversicherungsprämien durch B. direkt mit der Versicherung geregelt werden sollte. Sämtlicher Schriftverkehr zu den Kreditverträgen sollte mit der Anlagen GbR geführt werden.
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Im April 1986 nahm der Beklagte zu 1) bei der Klägerin ein von der Beklagten zu 2) selbstschuldnerisch verbürgtes Darlehen über 50.000 DM zu den vorgenannten Bedingungen auf, trat mit einem Einlagebetrag von 49.000 DM (98% von 50.000 DM) abzüglich 2% Agio der Anlagen GbR bei und schloß unter Abtretung seiner Ansprüche an die Klägerin eine Kapitallebensversicherung über 40.000 DM ab. Die vereinbarungsgemäß auf dem Konto "B. + Partner" gutgeschriebene Darlehensvaluta wurde alsbald von B. veruntreut.
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Da die Anlagen GbR weder die anfallenden Kreditzinsen noch die Lebensversicherungsbeiträge zahlte, kündigte die Klägerin das Darlehen mit Schreiben vom 10. Juli 1986 und verlangte Rückzahlung zuzüglich aufgelaufener Zinsen bis zum 30. Juli 1986.
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Mit ihrer Klage fordert sie Zahlung von 50.000 DM zuzüglich 1.086,10 DM Zinsen für die Zeit bis zum 31. Juli 1986 und 15% Zinsen für die Zeit seit dem 1. August 1986. Die Beklagten stellen eine Zahlungspflicht u.a. mit der Begründung in Abrede, der Darlehensvertrag sei wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i.V. mit § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO nichtig, da der Beklagte zu 1) für das "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" unter Aufnahme des Darlehens außerhalb der Geschäftsräume der Klägerin und des Zeugen B. geworben worden sei. Hilfsweise rechnet der Beklagte zu 1) mit einem Schadensersatzanspruch aus der Verletzung von Aufklärungspflichten auf und erhebt Eventualwiderklage in Höhe der Klageforderung.
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Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs stattgegeben und die Eventualwiderklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Klägerin Zinsen für die Zeit seit dem 1. August 1986 nur in Höhe von 4% zustehen.
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Mit der – zugelassenen – Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren und der Beklagte zu 1) seine Eventualwiderklage weiter. Die Klägerin erstrebt im Wege der Anschlußrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision und die Anschlußrevision haben Erfolg; sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
A.
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Das Berufungsgericht hat die Klagehauptforderung mit folgender Begründung für gegeben erachtet:
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Der Darlehensvertrag sei wirksam, selbst wenn er verbotenerweise im Reisegewerbe vermittelt worden sein sollte. Ein Verstoß gegen §§ 55, 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO führe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zur Nichtigkeit, wenn das Darlehen der Finanzierung des Beitritts zu einer Abschreibungsgesellschaft diene und der Darlehensnehmer damit in erster Linie steuerliche Vergünstigungen erstrebe. Entsprechendes müsse mangels Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des betreffenden Personenkreises gelten, wenn mit dem Darlehen, wie hier, die Beteiligung an der Spekulation mit Indexoptionen finanziert werden solle. Der Darlehensvertrag sei auch nicht wegen eines Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sittenwidrig. Die Gesamtbelastung des Beklagten zu 1) durch Kreditzinsen und Lebensversicherungsprämien dürfe nicht an den marktüblichen Belastungen eines Ratenkredits gemessen werden, da das Darlehen kein Verbraucherkredit sei.
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Eine Gegenforderung des Beklagten zu 1) aus Aufklärungspflichtverletzung hat das Berufungsgericht verneint und dazu ausgeführt: Auf die Verletzung einer Pflicht der Klägerin zur Aufklärung über die wirtschaftlichen Risiken des Anlageprogramms komme es nicht an, weil sich diese nicht verwirklicht hätten. Realisiert habe sich die Gefahr einer Veruntreuung des Einlagebetrages durch B. Dafür hafte die Klägerin nicht, da sie für das "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" nicht als Anlagenvermittlerin oder -beraterin, sondern ausschließlich als Darlehensgeberin aufgetreten sei, als solche keine Pflicht zur Warnung der Kunden gehabt habe und B. bei Empfangnahme der Darlehensvaluta nicht ihr Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe gewesen sei.
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Verzugszinsen hat das Berufungsgericht der Klägerin nur in Höhe von 4% zuerkannt, da ein weitergehender Verzugsschaden nicht dargelegt sei.
B.
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Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
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I. Revision der Beklagten
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1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht offengelassen, ob der Darlehensvertrag verbotenerweise im Reisegewerbe vermittelt worden ist.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt ein Verstoß gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO bei vor Inkrafttreten des Haustürwiderrufsgesetzes am 1. Mai 1986 abgeschlossenen Darlehensverträgen zur Nichtigkeit (BGHZ 71, 358, 360 ff.; Senatsurteile vom 22. Januar 1991 – XI ZR 111/90, WM 1991, 313 und vom 26. November 1991 – XI ZR 115/90, WM 1992, 8, 9). Anders hat der III. Zivilsenat nur bei Darlehen entschieden, mit denen der Beitritt des Darlehensnehmers zu einem steuersparenden Kapitalanlagemodell finanziert werden sollte (BGHZ 93, 264, 267 ff.). Der Versuch des Berufungsgerichts, diese Ausnahme auf Darlehen zur Spekulation mit Indexoptionen auszudehnen, ist abzulehnen. Die Begründung, mit der der III. Zivilsenat bestimmten Kapitalanlegern den zivilrechtlichen Schutz des § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO verwehrt hat, paßt hier nicht.
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Die Schutzbedürftigkeit von Personen, die zur Beteiligung an Optionsgeschäften Darlehen aufnehmen, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht generell verneint werden. Anders als bei Anlegern, die Steuervorteile erstreben, kann bei solchen Personen nicht davon ausgegangen werden, daß sie über ein höheres Einkommen verfügen und in der Regel wirtschaftlich und rechtsgeschäftlich nicht unerfahren sind. Zur Beteiligung an risikoreichen Optionsgeschäften werden von gewerblichen Anlagevermittlern durchaus auch wirtschaftlich wenig erfahrene Durchschnittsverdiener veranlaßt. Auch mit Rücksicht darauf hat der Bundesgerichtshof für Optionsvermittler weitreichende vorvertragliche Aufklärungspflichten für gegeben erachtet (vgl. BGHZ 80, 80, 81 f.; 105, 108, 110 ff.; BGH, Urteil vom 6. Juni 1991 – III ZR 116/90, WM 1991, 1410 f.; Senatsurteile vom 27. November 1990 – XI ZR 115/89, WM 1991, 127, 128 und vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91, WM 1992, 770, 771).
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Überdies ging es dem Beklagten zu 1) bei der Darlehensaufnahme, wie die Revision mit Recht hervorhebt, vorrangig nicht um eine Beteiligung an Optionsgeschäften, sondern um die Teilnahme an dem "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm". Dieses als zusätzliche Altersversorgung angepriesene Programm erschien, weil der Einsatz eigener Mittel nicht gefordert und das hohe Risiko verschleiert wurde, insbesondere für finanziell minderbemittelte, wirtschaftlich wenig erfahrene Kunden attraktiv. Gerade solche Kunden will § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO vor einer Beeinträchtigung ihrer Entschließungsfreiheit durch Übereilung, Irreführung oder zudringliches Verhalten reisegewerbetreibender Darlehensvermittler bewahren (vgl. BGHZ 71, 358, 361; 93, 264, 269).
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Die Nichtigkeit gemäß §§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO, 134 BGB beschränkt sich nicht auf den Vertrag mit dem Vermittler, sondern ergreift auch den vermittelten Darlehensvertrag, selbst wenn er erst nach weiteren Verhandlungen abgeschlossen wird, bei denen nicht mehr gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO verstoßen wurde (BGHZ 71, 358, 362 f.). Maßgebend ist, daß der Darlehensvertragsschluß auf die Tätigkeit des Vermittlers zurückgeht (Senatsurteil vom 26. November 1991 – XI ZR 115/90, WM 1992, 8, 9).
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b) Für die Entscheidung über die Nichtigkeit des Darlehensvertrages nach §§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO, 134 BGB kommt es somit auf die vom Berufungsgericht offengelassene Frage an, ob der Darlehensvertrag im Reisegewerbe vermittelt worden ist. Insoweit bedarf es tatrichterlicher Feststellungen insbesondere dazu, ob der Beklagte zu 1), wie er unter Beweisantritt behauptet hat, außerhalb der Geschäftsräume der Klägerin und des Zeugen B. ohne vorhergehende Bestellung von einer Vermittlerin für eine Beteiligung an dem Vorsorge-Programm unter Aufnahme eines Darlehens bei der Klägerin geworben worden ist.
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2. Die Nichtigkeit des Darlehensvertrages gemäß § 138 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht dagegen zu Recht verneint. Ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liegt angesichts des festgestellten effektiven Jahreszinses von 9,07% im April 1986 nicht vor. Anders als die Revision meint, ist insoweit nicht die Gesamtbelastung des Beklagten zu 1) durch Kreditzinsen und Lebensversicherungsprämien zu berücksichtigen. Auf diese Belastung hat der Senat bisher unter bestimmten weiteren Voraussetzungen nur bei Krediten abgestellt, mit denen der persönliche Konsum von Gütern oder Dienstleistungen finanziert oder Vorkredite, die diesem Zweck dienten, abgelöst werden sollten (BGHZ 111, 117, 120). Um ein solches mit einem marktüblichen Ratenkredit vergleichbares Darlehen handelt es sich hier nicht. Eine undifferenzierte Ausdehnung der Senatsrechtsprechung auf Kredite zur Finanzierung von Beteiligungen an Altersvorsorgemodellen, wie sie die Revision befürwortet, ist abzulehnen. Jedenfalls dann, wenn die Beteiligung an einem solchen ohne Mitwirkung der kreditgebenden Bank entwickelten Modell – wie hier – den Abschluß gerade eines Festkredit- und eines Kapitallebensversicherungsvertrages voraussetzt, ist ein solcher Kredit aus der Sicht des Kreditnehmers, auf die es insoweit entscheidend ankommt (Senatsurteile BGHZ 111, 117, 121 und vom 4. Dezember 1990 – XI ZR 340/89, WM 1991, 179, 180), mit einem Ratenkredit nicht vergleichbar und darf deshalb im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB daran nicht gemessen werden.
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3. Mit Rechtsfehlern behaftet sind demgegenüber die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des Beklagten zu 1) wegen Verletzung von Aufklärungspflichten durch die Klägerin verneint hat.
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a) Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Ansicht, auf die Verletzung einer solchen Pflicht in bezug auf die wirtschaftlichen Risiken des Anlageprojekts komme es nicht an, da sich diese nicht verwirklicht hätten. Läge eine Aufklärungspflichtverletzung vor, so ist aufgrund der Kausalitätsvermutung, die dem Aufklärungsberechtigten zugute kommt (st.Rspr.; vgl. BGHZ 61, 118, 122; Senatsurteile vom 27. November 1990 – XI ZR 115/89, WM 1991, 127, 130 und vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91, WM 1992, 770, 773), davon auszugehen, daß sich der Beklagte zu 1) an dem Anlagemodell nicht beteiligt und deshalb keinen Schaden erlitten hätte.
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Dieser Schaden liegt, anders als das Berufungsgericht offenbar annehmen möchte, nicht außerhalb des Schutzbereichs der angesprochenen Pflicht. Wer einen Anlageinteressenten über die wirtschaftlichen Risiken eines Modells umfassend und nicht lediglich hinsichtlich eines bestimmten Einzelpunkts aufzuklären hat, haftet grundsätzlich für alle mit einer nachteiligen Anlageentscheidung verbundenen Schäden (Senatsurteil vom 3. Dezember 1991 – XI ZR 300/90, WM 1992, 133, 135 m.w.Nachw., für BGHZ bestimmt; Senatsurteil vom 16. Juni 1992 – XI ZR 166/91, Urteilsumdruck S. 13, zur Veröffentlichung bestimmt), auch solche aus Untreuehandlungen des Modellinitiators. Das gilt schon deshalb, weil der Schaden nicht erst mit der Veruntreuung der Darlehensvaluta, sondern bereits mit Abschluß des Darlehensvertrages zur Beteiligung am "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" eingetreten ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 1989 – XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1049 und vom 6. Februar 1990 – XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 464; BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 – VIII ZR 14/90, WM 1991, 695, 698).
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b) Die Verneinung einer Haftung der Klägerin mit der Begründung, die Klägerin sei dem Beklagten zu 1) gegenüber ausschließlich als Darlehensgeberin und nicht als Anlagevermittlerin oder -beraterin aufgetreten, hält der Überprüfung ebenfalls nicht stand. Das Berufungsgericht hat insoweit, wie die Revision mit Recht rügt, wesentliche Umstände des Falles nicht berücksichtigt oder deren Bedeutung verkannt. Es hat deshalb rechtsfehlerhaft nicht in Erwägung gezogen, ob hier die Grundsätze zum Einwendungsdurchgriff beim finanzierten Kauf und anderen drittfinanzierten Geschäften mit gleichartiger Interessenlage eingreifen.
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aa) Beim finanzierten Kauf kann der Käufer und Darlehensnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Darlehensgeber trotz rechtlicher Selbständigkeit des Darlehensvertrages nach Treu und Glauben Einwendungen aus dem Kaufvertrag entgegensetzen, wenn Kauf- und Darlehensvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden und die Risiken des finanzierten Kaufs sonst nicht angemessen verteilt wären (BGHZ 83, 301, 303 f. m.w.Nachw.). Eine solche Einheit bilden Kauf- und Darlehensvertrag, wenn beide Geschäfte über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus derart miteinander verbunden sind, daß keines ohne das andere geschlossen worden wäre oder jeder der Verträge seinen Sinn erst durch den anderen erhält. Diese Feststellung setzt voraus, daß objektiv bestimmte Umstände (Verbindungselemente) vorliegen und dadurch subjektiv beim Darlehensnehmer – für den Darlehensgeber erkennbar – der Eindruck erweckt wird, Verkäufer und Darlehensgeber stünden ihm gemeinsam als Vertragspartner gegenüber (BGHZ 83, 301, 304; 91, 9, 11 f.; 91, 338, 341; BGH, Urteil vom 15. Januar 1987 – III ZR 222/85, WM 1987, 365, 366; Senatsurteil vom 15. Mai 1990 – XI ZR 205/88, WM 1990, 1234). Entsprechendes gilt, gleichartige Interessenlage vorausgesetzt, bei kreditfinanzierten Mitarbeiterverträgen, Arbeitnehmerbeteiligungen oder Kapitalanlagen (vgl. BGHZ 72, 92, 99 ff.; BGH, Urteil vom 17. Mai 1979 – III ZR 118/77, WM 1979, 1035, 1037 f.; BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 – III ZR 18/78, WM 1979, 1054 f.; BGH, Urteil vom 20. März 1980 – III ZR 172/78, WM 1980, 620, 621 f.).
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bb) Objektive Umstände für eine wirtschaftliche Einheit des Vertrages über den Beitritt des Beklagten zu 1) zur Anlagen GbR und des Darlehens der Klägerin liegen nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien vor. Das Darlehen war integraler Bestandteil des "Null-Einsatz-Vorsorge-Programms" der Anlagen GbR. Dessen Besonderheit bestand gerade darin, daß durch Aufnahme eines Darlehens, Einlage der Valuta in die Anlagen GbR und Spekulation mit Zerobonds und Aktienoptionen ohne Aufwand eigener Mittel Eigenkapital gebildet werden sollte. Der Beklagte zu 1) hat sich das Darlehen der Klägerin nicht "auf eigene Faust" beschafft, sondern durch Inanspruchnahme der von B., dem Initiator der Anlagen GbR, gewiesenen Kreditmöglichkeit. Der Kreditgewährung zugrunde lag zudem ein Rahmenvertrag zwischen B. und der Klägerin, der die Darlehenskonditionen festlegte, die Vorprüfung der Kreditfähigkeit der Interessenten durch B. regelte und ferner vorsah, daß der Schriftverkehr zu den Kreditverträgen nicht mit den Darlehensnehmern, sondern der Anlagen GbR geführt werden sollte. Überdies war die Darlehenssumme nach dem Darlehensvertrag nicht an den Beklagten zu 1), sondern unmittelbar auf das Konto "B. + Partner" zu überweisen. Dadurch wurde der Beklagte zu 1) von jeder freien Verfügung über das Darlehen ausgeschlossen.
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cc) Zu den weiter erforderlichen subjektiven Voraussetzungen für eine Einheit der in Rede stehenden beiden Verträge fehlen ausreichende Feststellungen des Berufungsgerichts. Eine abschließende Beurteilung der Frage, ob beim Beklagten zu 1) subjektiv der Eindruck erweckt worden ist, die Klägerin und die Anlagen GbR bzw. deren Initiator B. stünden ihm als eine einheitliche Vertragspartnerin gegenüber, ist dem erkennenden Senat nicht möglich. Zwar sind die oben angeführten objektiven Verbindungselemente ohne weiteres geeignet, dem Beklagten zu 1) einen solchen Eindruck zu vermitteln. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist jedoch nicht auszuschließen, daß sie dem Beklagten zu 1) durch mündliche, individuelle Hinweise vor Abschluß des Darlehensvertrages klargemacht hat, der Kredit werde völlig unabhängig von dem Vertrag mit der Anlagen GbR gewährt und sei deshalb ohne jede Rücksicht auf den Erfolg oder Mißerfolg des "Null-Einsatz-Vorsorge-Programms" zurückzuzahlen. Sollte die Klägerin durch unmißverständliche individuelle Hinweise, an die angesichts der hier in besonderem Maße für eine wirtschaftliche Einheit der Verträge sprechenden Verbindungselemente strenge Anforderungen zu stellen sind, Klarheit über die völlige Selbständigkeit des Darlehensvertrages sowie darüber geschaffen haben, daß das Risiko einer Beteiligung an dem von ihr nicht geprüften "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" ausschließlich beim Beklagten zu 1) liege, würde es nicht nur an einer wirtschaftlichen Einheit der Verträge fehlen (vgl. BGHZ 83, 301, 307), sondern auch an der Schutzbedürftigkeit des Beklagten zu 1).
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c) Mit Recht bekämpft die Revision weiter die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, die Klägerin hafte selbst dann nicht wegen eines Aufklärungs- oder Beratungsverschuldens auf Schadensersatz, wenn sie eine Beteiligung an dem von B. entwickelten Programm auf entsprechende Anfragen von Interessenten befürwortet hätte. Das Berufungsgericht hat außer acht gelassen, daß die anfragenden Interessenten eine solche Empfehlung nach den gesamten Umständen und Treu und Glauben nur dahin verstehen konnten, die Klägerin habe das "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" mit banküblichem kritischen Sachverstand geprüft und für in Ordnung befunden. Daß eine Bank eine Anlage nicht ohne eine solche Prüfung befürwortet, wird vom Geschäftsverkehr, der Banken regelmäßig besonderes Vertrauen entgegenbringt, ohne weiteres vorausgesetzt (vgl. BGHZ 100, 117, 122). Erweckt eine Bank Interessenten gegenüber den Eindruck, ein Anlageprogramm mit positivem Ergebnis geprüft zu haben, so hat sie die Interessenten über alle bei ordnungsgemäßer banküblicher Überprüfung erkennbaren Programmrisiken und Bedenken gegen die Bonität oder Seriosität des Initiators aufzuklären (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 1992 – XI ZR 166/91, Urteilsumdruck S. 10, 13 f., zur Veröffentlichung bestimmt).
- 31
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann eine Schadensersatzverpflichtung der Klägerin nicht mit der Begründung verneint werden, die Anfragen der Anleger seien unverbindlich gewesen und hätten nicht zu einem haftungsbegründenden Auskunfts- oder Beratungsvertrag geführt. Selbst wenn dies zuträfe, kämen jedenfalls Schadensersatzansprüche der anfragenden Anleger aus einem Verschulden der Klägerin bei den Kreditverhandlungen in Betracht. Zwar ist eine kreditgebende Bank nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über die Risiken der von ihm beabsichtigten Verwendung des Darlehens aufzuklären. Eine solche Pflicht kann sich jedoch aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergeben, etwa wenn eine Bank in bezug auf die speziellen Risiken der Anlage über einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer verfügt oder über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht (Senatsurteile vom 17. Dezember 1991 – XI ZR 8/91, WM 1992, 216, 217 und vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 902). Letzteres wäre hier geschehen, wenn die Klägerin eine kreditfinanzierte Beteiligung an dem "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" befürwortet hätte.
- 32
Unter dem Gesichtspunkt eines konkreten Wissensvorsprungs traf die Klägerin dagegen keine Aufklärungspflicht.
- 33
Entgegen der Ansicht der Revision war sie insbesondere nicht verpflichtet, über Risiken aufzuklären, die sich daraus ergaben, daß B. über die gutgeschriebene Darlehensvaluta ohne Kontrolle frei verfügen konnte. Nach den insoweit fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren der Klägerin die mangelnde Bonität und Seriosität des B. nicht bekannt. Ob sie durch Erkundigungen insoweit etwas hätte in Erfahrung bringen können, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Der Gesichtspunkt des Wissensvorsprungs verpflichtet eine Bank nur, vorhandenes, von ihr als wesentlich erkanntes Wissen zu offenbaren, nicht aber, sich einen Wissensvorsprung erst zu verschaffen (Senatsbeschluß vom 28. Januar 1992 – XI ZR 301/90, WM 1992, 602, 603; Senatsurteil vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 904).
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4. Ansprüche des Beklagten zu 1) gegen die Klägerin aus positiver Vertragsverletzung oder aus § 831 BGB im Zusammenhang mit den Untreuehandlungen des B. hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die von der Revision ohne konkrete Rüge zur Überprüfung gestellte Auffassung des Berufungsgerichts, B. sei weder Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfe der Klägerin gewesen, ist insoweit zutreffend.
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5. Nicht zu beanstanden ist unter der Voraussetzung der Wirksamkeit des Darlehensvertrages und fehlender Einwendungen des Beklagten zu 1) weiter die vom Berufungsgericht vorgenommene Abrechnung. Eine anteilige Erstattung des Disagios von 2% kann der Beklagte zu 1) nicht beanspruchen, da es sich dabei ausweislich des Darlehensvertrages nicht um ein laufzeitabhängiges Entgelt, sondern um Kapitalbeschaffungskosten der Klägerin handelt (vgl. BGHZ 111, 287, 293). Allein die Hälfte des Disagios hatte die Klägerin als Vermittlungsprovision an B. zu überweisen.
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II. Anschlußrevision der Klägerin
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Die Beschränkung der Verzugszinsen auf 4% ist mit der neuesten – nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen – Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht vereinbar. Danach kann eine Bank bei vor dem 1. Januar 1991 abgeschlossenen Verbraucherkreditverträgen als Verzugsschadensersatz, wenn – wie hier – hinreichende Angaben zur Berechnung ihrer durchschnittlichen Wiederanlagezinsen fehlen, Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank verlangen (Senatsurteile BGHZ 115, 268, 273 f. und vom 18. Februar 1992 – XI ZR 134/91, WM 1992, 566, 567). Unter der Voraussetzung der noch zu klärenden Wirksamkeit des Darlehensvertrages und fehlender Einwendungen sind der Klägerin daher höhere als die zuerkannten Verzugszinsen zuzusprechen.
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