Globalabtretung: Wirksamkeit trotz unwirksamer Verwertungsregelung in BankAGB; Kreditrahmen als Maßstab für Deckungsgrenze; sittenwidrige Gläubigergefährdung durch Globalzession eines Spediteurs
Leitsatz
1. Die Unwirksamkeit der Verwertungsregelung nach AGB-Banken 1986 Nr 20 Abs 2 (juris: BankAGB) berührt die Wirksamkeit einer Globalabtretung nicht (AGBG § 6 Abs 1).
2. Das berechtigte Sicherungsinteresse des Kreditgebers, dem bei der Bemessung der Deckungsgrenze für eine Globalabtretung Rechnung getragen werden darf, bestimmt sich nach dem eingeräumten Kreditrahmen und nicht lediglich nach dessen aktueller Inanspruchnahme.
3. Zu den Voraussetzungen einer sittenwidrigen Gläubigergefährdung durch Globalabtretung eines Spediteurs.















vorgehend LG Freiburg (Breisgau), 9. Juni 1994, 12 O 3/94




Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Beckmann, 8. Auflage 2017, § 930 BGB
● Nassall, 8. Auflage 2017, § 138 BGB
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 4. Zivilsenat in Freiburg - vom 8. Dezember 1994 aufgehoben und das Teilurteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Freiburg vom 9. Juni 1994 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Globalabtretung.
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Die beklagte Volksbank gewährte der W. Spedition GmbH (künftig: Gemeinschuldnerin), deren Konkursverwalter der Kläger ist, Kredit. Als Sicherheit diente u.a. die formularmäßige Globalabtretung vom 18. Dezember 1992. Darin heißt es u.a.:
Nr. 4
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"Der realisierbare Wert der abgetretenen Forderungen (Sicherungswert) muß unter Anrechnung weiterer der Bank gestellter Sicherheiten mit ihrem jeweiligen Sicherungswert 120% der jeweils bestehenden - auch bedingten und befristeten - Ansprüche gemäß Nr. 1 und der nicht ausgenutzten Kreditzusagen der Bank gegenüber dem Schuldner betragen (Deckungsgrenze). ..."
Nr. 14
- 4
"Die Bank ist verpflichtet, ihre Rechte aus diesem Vertrag freizugeben, wenn sie wegen aller ihrer damit gesicherten Ansprüche gegen den Schuldner befriedigt ist. Die Bank hat auf Verlangen des Sicherungsgebers nach ihrer Wahl ihre Rechte aus diesem Vertrag oder etwaige andere ihr gestellte Sicherheiten bereits teilweise vorher freizugeben, soweit die in Nr. 4 vereinbarte Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend überschritten wird."
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Ergänzend verweist die Globalabtretung auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten. Diese entsprechen den AGB-Banken 1986. Deren Nr. 20 Abs. 2 lautet:
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"Einer Androhung der Verwertung, der Innehaltung einer Frist und der Ausbedingung sofortiger Barzahlung des Kaufpreises bedarf es nicht. Eine Abweichung von der regelmäßigen Art des Pfandverkaufs kann nicht verlangt werden. Die Bank wird nach Möglichkeit Art, Ort und Zeit der Verwertung mitteilen, sofern nicht die Benachrichtigung untunlich ist."
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Der Kläger ist der Ansicht, die Globalabtretung sei aus mehreren Gründen unwirksam: Die Verwertungsregelung benachteilige die Gemeinschuldnerin unangemessen, da sie die Offenlegung der Globalzession und Einziehung der abgetretenen Forderungen ohne vorherige Androhung erlaube. Die Freigabeklausel genüge den Anforderungen nicht, weil sich die Deckungsgrenze auch nach den nicht ausgenutzten Kreditzusagen der Beklagten bestimme. Außerdem sei die Globalabtretung wegen Gläubigergefährdung sittenwidrig, da die Gemeinschuldnerin auch als Abfertigungsspediteur tätig gewesen sei und die von ihr beauftragten Frachtführer damit gerechnet hätten, sich wegen ihrer Forderungen gegebenenfalls aus den Ansprüchen der Gemeinschuldnerin gegen die Versender befriedigen zu können.
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Der Kläger hat im Rahmen einer Stufenklage beantragt, die Nichtigkeit der Globalabtretung festzustellen sowie die Beklagte zu verurteilen, über die Beträge Auskunft zu geben, die sie aufgrund der Globalzession eingezogen habe, und diese nach Auskunftserteilung herauszugeben.
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Das Landgericht hat dem Feststellungs- und dem Auskunftsantrag durch Teilurteil stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet; sie führt zur Abweisung der Klage insgesamt.
I.
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1. Die im Rahmen der Stufenklage erhobene Zwischenfeststellungsklage hält das Berufungsgericht für begründet, da die Globalabtretung nichtig sei:
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Die Verwertungsregelung in Nr. 20 Abs. 2 AGB-Banken halte der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG nicht stand. Der Sicherungsgeber habe bei einer stillen Zession ein dringendes, schützenswertes Interesse daran, rechtzeitig vor der Offenlegung und Einziehung benachrichtigt zu werden. Wie bei einer formularmäßigen Sicherungsabtretung aller Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis habe die Unwirksamkeit der Verwertungsregelung auch bei einer Globalabtretung deren Nichtigkeit insgesamt zur Folge. Auch für einen Kaufmann sei die Verwertungsregelung von existentieller Bedeutung. Die Offenlegung der Globalzession signalisiere den im Wirtschaftsleben beteiligten Dritten, daß der Zedent nicht mehr in der Lage sei, die Kredite dem Tilgungsplan entsprechend zurückzuführen. Der Zedent verliere damit seine Kreditwürdigkeit, auf der die wirtschaftliche Existenz eines Kaufmanns beruhe.
- 13
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsurteils. Die Verwertungsregelung in Nr. 20 AGB-Banken benachteiligt die Gemeinschuldnerin unangemessen (§ 9 Abs. 1 AGBG), weil sie eine Offenlegung der Globalabtretung ohne vorherige Androhung erlaubt (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 1995 - XI ZR 8/94, WM 1995, 1264, 1266 m.w.Nachw.).
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b) Die Nichtigkeit der Verwertungsklausel hat jedoch nicht die Unwirksamkeit der Globalzession insgesamt zur Folge (§ 6 Abs. 1 AGBG). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können die Grundsätze der Entscheidung des erkennenden Senats vom 7. Juli 1992 (XI ZR 274/91, WM 1992, 1359, 1361) zur Nichtigkeit von Lohn- und Gehaltsabtretungen mit unangemessener Verwertungsregelung nicht auf formularmäßige Globalzession übertragen werden. Dies hat der Senat in seiner - nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen - Entscheidung vom 27. Juni 1995 (XI ZR 8/94, WM 1995, 1264, 1266) näher dargelegt und seine Ansicht mit Urteil vom 21. November 1995 (XI ZR 255/95, Urteilsumdruck unter II. 3., zur Veröffentlichung bestimmt) bekräftigt. Von dieser Beurteilung abzuweichen, geben die Begründung des Berufungsurteils und die Revisionserwiderung keinen Anlaß. Beide berücksichtigen nicht hinreichend, daß die Nichtigkeit einer einzelnen AGB-Klausel nur unter den engen Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 AGBG zur Unwirksamkeit der Globalzession insgesamt führt. Anders als bei einer Lohn- oder Gehaltsabtretung, deren Offenlegung ohne Androhung die Sicherheit des Arbeitsplatzes des Zedenten gefährdet, seine Kreditwürdigkeit in Frage stellt und vor allem seine private Lebensführung sofort unmittelbar stark beeinträchtigt, stellt das Festhalten an der Globalzession für die Gemeinschuldnerin, eine mit der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöste GmbH, keine unzumutbare Härte dar. Ihren berechtigten Interessen wird schon dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß anstelle der unwirksamen Verwertungsklausel die gesetzlichen Vorschriften über die Pfandverwertung (§§ 1273 Abs. 2, 1234 BGB) treten (§ 6 Abs. 2 AGBG; vgl. BGHZ 124, 380, 391 f.; BGH, Urteil vom 28. April 1994 - IX ZR 248/93, WM 1994, 1161, 1162 für Sicherungsübereignung; BGH, Urteil vom 30. Mai 1995 - XI ZR 78/94, WM 1995, 1219, 1220 f. für Singularabtretung; BGH, Urteil vom 27. Juni 1995 aaO S. 1266 für Globalabtretung).
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3. Die Entscheidung über die Zwischenfeststellungsklage stellt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
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a) Die Globalabtretung ist auch dann wirksam, wenn man mit der neueren Rechtsprechung des VII., VIII. und IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGHZ 109, 240, 245 ff.; 117, 374, 377 ff.; 120, 300, 302 f.; 125, 83, 87; zuletzt BGH, Urteil vom 9. November 1995 - IX ZR 179/94, zur Veröffentlichung bestimmt), gegen die der erkennende Senat insbesondere in seinen Urteilen vom 10. Mai 1994 (XI ZR 65/93, WM 1994, 1283, 1284) und 17. Januar 1995 (XI ZR 192/93, BGHZ 128, 295 ff. = WM 1995, 375, 376) Bedenken geäußert hat, die Festlegung einer angemessenen konkreten Deckungsgrenze sowie einer ermessensunabhängig ausgestalteten Pflicht zur Freigabe überschießender Deckung als Wirksamkeitserfordernis ansieht.
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Die Globalzession enthält in Nr. 14 Satz 2 eine strikte Freigabepflicht und mit 120% der jeweils gesicherten Ansprüche der Beklagten in Nr. 4 Satz 1 eine angemessene konkrete Deckungsgrenze. Daß als gesicherte Ansprüche auch nicht ausgenutzte Kreditzusagen der Beklagten berücksichtigt werden, ist nicht zu beanstanden. Das berechtigte Sicherungsinteresse der Beklagten bestimmt sich grundsätzlich nach dem eingeräumten Kreditrahmen und nicht lediglich nach dessen aktueller Inanspruchnahme. Die Ausschöpfung gegebener Kreditzusagen durch die Gemeinschuldnerin mußte die Beklagte nämlich grundsätzlich jederzeit hinnehmen, ohne besondere Sicherheiten verlangen zu können. Wird der eingeräumte Kreditrahmen (teilweise) nicht mehr benötigt, kann der Kunde darauf verzichten und so auf die Deckungsgrenze Einfluß nehmen. Die Annahme des Klägers, die Beklagte habe die Kreditzusage mit Wirkung für die Deckungsgrenze einseitig willkürlich erhöhen können, trifft nicht zu. Eine wirksame Erhöhung setzt eine Vereinbarung voraus.
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b) Die Globalabtretung ist auch nicht wegen sittenwidriger Gläubigergefährdung nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB). Eine solche Gefährdung hat das Oberlandesgericht Hamm (NJW- RR 1987, 235 ff.), auf dessen Entscheidung sich der Kläger zu stützen versucht, im Falle der Abtretung aller Forderungen eines Abfertigungsspediteurs an eine kreditgebende Sparkasse angenommen. Der entschiedene Fall wies die Besonderheit auf, daß der Zedent, wie die Sparkasse wußte, ausschließlich als Abfertigungsspediteur tätig war, also Frachtgut nicht selbst beförderte, und die eingeschalteten Frachtführer, wie der Sparkasse ebenfalls bekannt war, ihre Forderungen gegen ihn mit Rücksicht auf seine Ansprüche gegen die Versender kreditierten. Diese Besonderheiten liegen hier nicht vor.
- 20
Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers war die Gemeinschuldnerin lediglich "auch" als Abfertigungsspediteur tätig. Sie besaß nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten sechs Fernverkehrskonzessionen, ausweislich der Sicherheitenaufstellung vom 18. Dezember 1992 zahlreiche Fahrzeuge und beförderte Frachtgut weit überwiegend selbst. Daß Frachtführer Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin mit Rücksicht auf deren Ansprüche gegen Versender kreditierten, ist in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen worden. Von einer rechtlich relevanten Täuschung der Frachtführer über die Kreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin kann danach schon in objektiver Hinsicht keine Rede sein. Abgesehen davon fehlt zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB jegliches Vorbringen. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung erhobene Rüge aus § 139 ZPO hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).
II.
- 21
1. Die Auskunftsklage erachtet das Berufungsgericht ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit der Globalabtretung für begründet. Sei diese nichtig, folge die Auskunftspflicht der Beklagten aus §§ 816 Abs. 2, 409, 242 BGB, andernfalls aus dem Abtretungsvertrag.
- 22
2. Auch diese Beurteilung ist von Rechtsirrtum beeinflußt. Den Auskunftsanspruch macht der Kläger im Rahmen der erhobenen Stufenklage als bloßes Hilfsmittel zur Bezifferung der Zahlungsklage aus § 816 Abs. 2 BGB geltend. Ein solches Auskunftsbegehren ist nur begründet, wenn und soweit vom Bestehen des Zahlungsanspruchs, dessen Durchsetzung die Auskunft dienen soll, ausgegangen werden kann (BGHZ 97, 188, 193; BGH, Urteil vom 23. November 1994 - IV ZR 124/93, BGHZ 128, 54 ff. = WM 1995, 27, 29). Das ist hier nicht der Fall.
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Ein Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB steht der Gemeinschuldnerin nicht zu. Die Globalzession ist, wie dargelegt, wirksam. Die Beklagte hat die abgetretenen Forderungen daher als Berechtigte eingezogen. Daß die vereinnahmten Beträge die gesicherten Forderungen der Beklagten übersteigen und von ihr deshalb nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB herausgegeben werden müßten, hat der Kläger nicht geltend, geschweige denn - wie mindestens erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1987 - IX ZR 57/86, WM 1987, 1127; BGH, Urteil vom 11. Juni 1990 - II ZR 159/89, WM 1990, 1844, 1847; Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. §§ 259, 260 Rdn. 25, 28) - wahrscheinlich gemacht.
III.
- 24
Über die Klage, nach Auskunftserteilung die vereinnahmten Beträge herauszugeben, haben die Vorinstanzen zwar noch nicht entschieden. Dies steht der beantragten Abweisung auch der Zahlungsklage durch den Senat aber nicht entgegen; denn mit Abweisung der Zwischenfeststellungsklage steht rechtskräftig fest, daß die Globalabtretung wirksam ist mit der Folge, daß der mit der Zahlungsklage geltend gemachte Bereicherungsanspruch nicht besteht (vgl. BGHZ 30, 213, 215; 94, 268, 275).
IV.
- 25
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
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