Börsentermingeschäftsfähiger Strohmann eines nicht termingeschäftsfähigen Hintermanns
Leitsatz
Zur Einschaltung eines börsentermingeschäftsfähigen Strohmanns in den Abschluß und die Abwicklung von Börsentermingeschäften durch einen nicht börsentermingeschäftsfähigen Hintermann.












vorgehend LG Kiel, 15. November 1990, 15 O 99/89



Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Illmer, 8. Auflage 2017, § 117 BGB
● Kühle, 8. Auflage 2017, § 518 BGB
● Lafontaine, 8. Auflage 2017, § 630a BGB
● Martinek, 8. Auflage 2017, § 812 BGB
● Weinland, 8. Auflage 2017, § 164 BGB
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 4. November 1993 im Kostenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten - und insoweit aufgehoben, als der Kläger verurteilt worden ist, an den Beklagten 306.830 DM nebst Zinsen zu zahlen.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger war bis Ende 1983 Mehrheitsgesellschafter und einer der beiden Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der mittlerweile in Konkurs gefallenen T. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Gemeinschuldnerin). Mit der Klage hatte er Feststellung verlangt, daß die Gemeinschuldnerin gegen ihn keine Ansprüche im Zusammenhang mit Unterschlagungen eines früheren Buchhalters habe. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Im Wege der Widerklage begehrt der Beklagte als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin vom Kläger und dem ehemaligen Prokuristen der Gesellschaft Rückzahlung der dem Kläger zugeflossenen Kursgewinne aus zwei Devisentermingeschäften. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Der Drittwiderbeklagte, der gemeinsam mit einem der beiden Geschäftsführer zur Vertretung der Gemeinschuldnerin befugt war, schloß am 29. Oktober und am 10. November 1980 im Einvernehmen mit dem Kläger namens der Gemeinschuldnerin mit der C.-Bank in K. zwei Devisentermingeschäfte über den Kauf von 500.000 und 300.000 US-Dollar ab. Die Devisen benötigte der Kläger für einen Grundstückskauf auf den B. Da der in US-Dollar zu zahlende Kaufpreis erst im Frühjahr 1981 fällig wurde, wollte der Kläger sich gegen mögliche Kursschwankungen mit Hilfe der beiden Devisentermingeschäfte absichern. Die Geschäfte wurden über die Gemeinschuldnerin abgewickelt, weil der Kläger selbst nicht termingeschäftsfähig war. Bei Fälligkeit überwies die Bank gemäß einer Weisung des Drittwiderbeklagten vom 27. April 1981 die Dollarbeträge, die einen Kursgewinn von 306.830 DM enthielten, auf ein Konto des Klägers auf den B. Mit den Kaufbeträgen belastete sie das Konto der Gemeinschuldnerin, das der Kläger jeweils ausglich.
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Der Beklagte verlangt vom Kläger und dem Drittwiderbeklagten die Auszahlung des Kursgewinns aus den beiden Termingeschäften.
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Das Landgericht hat die Widerklage insgesamt abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr in bezug auf den Kläger im wesentlichen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit dieses den Kläger beschwert, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
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Das Berufungsgericht hat einen Bereicherungsanspruch des Beklagten gegen den Kläger bejaht. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
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Der Anspruch folge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bei den von der Gemeinschuldnerin mit der Bank abgeschlossenen Devisentermingeschäften handele es sich um "Strohmanngeschäfte", die die Gemeinschuldnerin für den Kläger abgeschlossen habe. Diese hätten Rechte und Pflichten nur zwischen ihr und der Bank begründet. Mit der Auszahlung der gekauften Dollars an den Kläger habe die Bank daher eine Leistung an die Gemeinschuldnerin erbracht. Dieser Leistung fehle im Verhältnis zwischen Kläger und Gemeinschuldnerin der Rechtsgrund. Zwischen ihnen seien mangels ordnungsgemäßer Vertretung der Gesellschaft keine wirksamen Aufträge zustandegekommen. Kläger und Drittwiderbeklagter seien nämlich wegen § 181 BGB daran gehindert gewesen, in Vertretung der Gemeinschuldnerin einen Vertrag mit dem Kläger als Vertragsgegner abzuschließen; für seine Behauptung, auch der Mitgeschäftsführer L. sei mit der Übernahme und Durchführung der Aufträge durch die Gemeinschuldnerin einverstanden gewesen, habe der Kläger keinen Beweis angetreten.
II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
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1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Bank mit der Auszahlung der Dollarbeträge an den Kläger zur Erfüllung der zwischen ihr und der Gemeinschuldnerin rechtswirksam zustandegekommenen Devisentermingeschäfte geleistet hat. Rechte und Pflichten aus diesen Geschäften sind nur zwischen der Gemeinschuldnerin und der Bank entstanden. Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß aus einem ernstlich gewollten Strohmanngeschäft der Strohmann (und nicht der Hintermann) berechtigt und verpflichtet wird (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1981 - III ZR 149/80, WM 1981, 1332, 1333; Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl. vor § 164 Rdn. 39, 43 f.; MünchKomm-Schramm, BGB, 3. Aufl. vor § 164 Rdn. 25; jeweils m.w.Nachw.).
- 11
Die Rüge der Revision, durch die nur "formelle" Zwischenschaltung der Gemeinschuldnerin sei allein der Kläger berechtigt und verpflichtet worden, greift nicht. Sie setzt voraus, daß die Geschäftsbesorgungsverträge zwischen der Gemeinschuldnerin und der Bank nur Scheingeschäfte waren und die Devisentermingeschäfte in Wahrheit zwischen dem Kläger und der Bank abgeschlossen werden sollten. Das Berufungsgericht hat die in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbare Frage, ob ein Geschäft lediglich zum Schein abgeschlossen wurde (vgl. zur Nachprüfbarkeit BGH, Urteil vom 22. Oktober 1981 aaO m.w.Nachw.), in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die von ihm vorgenommene Würdigung, die zwischen der Bank und der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Devisentermingeschäfte seien ernstlich gewollt gewesen, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Vorschieben eines Strohmannes als Vertragspartei soll in der Regel - auch wenn alle Beteiligten die Strohmanneigenschaft kennen - nicht zum Schein erfolgen. Die erklärte Rechtsfolge ist von den Beteiligten normalerweise ernstlich gewollt, weil andernfalls der erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht würde (BGH, Urteil vom 24. Januar 1980 - III ZR 169/78, WM 1980, 372, 373 m.w.Nachw.; Urteil vom 22. Oktober 1981 aaO; Beschluß vom 14. Oktober 1982 - III ZR 3/82, WM 1982, 1361). So liegt es auch hier. Die Einschaltung der Gemeinschuldnerin diente nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allein dazu, die mangelnde Termingeschäftsfähigkeit des Klägers zu überwinden. Dieser Zweck konnte jedoch nur durch ein ernstlich gemeintes Geschäft zwischen der Bank und der termingeschäftsfähigen Gemeinschuldnerin erreicht werden. Nur gegenüber der Gemeinschuldnerin konnte die Bank ihre Ansprüche durchsetzen, ohne der Gefahr des Termineinwands ausgesetzt zu sein.
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2. Dem Berufungsgericht ist des weiteren darin zuzustimmen, daß ein Bereicherungsanspruch des Beklagten gegen den Kläger nur gegeben ist, wenn letzterem die ausgezahlten Dollarbeträge im Verhältnis zur Gemeinschuldnerin nicht zustehen. Dies gilt unabhängig davon, ob man den Bereicherungsanspruch, wie im Berufungsurteil geschehen, aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB herleitet oder ihn auf § 816 Abs. 2 BGB stützt. Richtig ist auch, daß als Rechtsgrund für die Auszahlung der Dollarbeträge an den Kläger im Verhältnis zwischen ihm und der Gemeinschuldnerin ein Auftrag in Betracht kommt. Der Abschluß eines solchen Auftragsverhältnisses entspricht dem Sachvortrag des Klägers; er ist zudem für das Strohmanngeschäft typisch, bei dem der Strohmann regelmäßig wie ein mittelbarer Stellvertreter im eigenen Namen, jedoch als vom Hintermann Beauftragter im fremden Interesse und für fremde Rechnung handelt (BGHZ 31, 258, 266 f.; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1963 - VIII ZR 129/62, WM 1964, 179; Soergel/Leptien aaO vor § 164 Rdn. 39 ff.; MünchKomm-Schramm aaO vor § 164 Rdn. 24). Im Falle eines wirksamen Auftrags stünde dem Kläger als dem Auftraggeber der erzielte Kursgewinn nach § 667 BGB zu, da die Gemeinschuldnerin als Beauftragte verpflichtet gewesen wäre, ihm alles aus der Geschäftsführung Erlangte herauszugeben.
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3. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß dieser Rechtsgrund im Verhältnis zwischen Gemeinschuldnerin und Kläger wegen eines Verstoßes gegen § 181 BGB ausscheidet. Es hat nicht aufgeklärt, ob die Vereinbarungen mit dem Kläger seinerzeit ohne die Zustimmung des Mitgeschäftsführers L. der persönlich haftenden Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin getroffen worden waren. Nur dann hätte jedoch ein In-Sich-Geschäft im Sinne des § 181 BGB vorgelegen. Nach dieser Vorschrift darf der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH zwar nicht in Vertretung der GmbH & Co. KG ohne Gestattung durch die Gesellschaft mit sich selbst als Vertragsgegner einen Vertrag schließen (BGHZ 58, 115, 116; MünchKomm-Schramm aaO § 181 Rdn. 19, 33). Für die Wirksamkeit des Vertrags ist jedoch die Zustimmung des weiteren, nicht am Vertrag beteiligten, Geschäftsführers der Gesellschaft ausreichend, wenn dieser - wie hier L. gemeinsam mit dem Drittwiderbeklagten - zur Vertretung der Gesellschaft ohne den am Vertrag beteiligten Geschäftsführer befugt ist (BGH, Urteil vom 29. November 1993 - II ZR 107/92, WM 1994, 63, 65).
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Die Frage, ob L. die Vereinbarungen seinerzeit gebilligt hatte, ist zwischen den Parteien streitig. Das Berufungsgericht hat die Durchführung einer Beweisaufnahme mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe für seine Behauptung, L. habe zugestimmt, keinen ordnungsgemäßen Beweis angetreten. Dies beruht auf einer Verkennung der Beweislast. Beweispflichtig dafür, daß die Devisentermingeschäfte seinerzeit ohne Einverständnis des zweiten Geschäftsführers vereinbart und abgewickelt wurden, ist der Beklagte, der auch Beweis angetreten hat. Der Bereicherungsschuldner braucht nämlich nicht zu beweisen, daß er eine Zahlung mit Rechtsgrund erhalten hat; vielmehr trifft den Gläubiger des Bereicherungsanspruchs die Darlegungs- und Beweislast für seine Behauptung, die Zahlung sei ohne Rechtsgrund erbracht worden (BGH, Urteile vom 6. Dezember 1990 - VII ZR 98/89, NJW-RR 1991, 574, 575 und vom 9. Juni 1992 - VI ZR 215/91, NJW-RR 1992, 1214, 1216, jeweils m.w.Nachw.). Das Berufungsgericht durfte daher den Bereicherungsanspruch des Beklagten nicht ohne Durchführung einer Beweisaufnahme als begründet ansehen.
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4. Diesem Ergebnis stehen die Besonderheiten des Börsenrechts nicht entgegen.
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Die zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin vereinbarten Aufträge zur Durchführung der Devisentermingeschäfte wären zwar auch bei ordnungsgemäßer Vertretung der Gemeinschuldnerin mangels Termingeschäftsfähigkeit des Klägers gemäß §§ 52, 53 a.F. BörsG i.V.m. §§ 60, 96 a.F. BörsG zunächst unverbindlich gewesen. Devisentermingeschäfte waren nach früherem, hier maßgeblichen Recht erlaubte inoffizielle Börsentermingeschäfte, die gemäß § 53 a.F. BörsG nur Verbindlichkeit erlangten, wenn beide Vertragspartner börsentermingeschäftsfähig waren (BGHZ 104, 205, 206; 105, 263, 266; Senatsbeschluß vom 22. September 1992 - XI ZR 3/92, WM 1992, 1974 m.w.Nachw.). Gemäß § 60 BörsG erstreckt sich die Unverbindlichkeit auch auf die auf Abschluß eines Börsentermingeschäfts gerichteten Aufträge und zwar insbesondere auch auf Aufträge, die - wie hier - darauf gerichtet sind, im eigenen Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers Börsentermingeschäfte durchzuführen (Senatsurteil vom 29. März 1994 - XI ZR 31/93, WM 1994, 834, 837 m.w.Nachw.).
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Auf die Unverbindlichkeit der Aufträge und damit das Fehlen des Rechtsgrundes für die Auszahlung der gekauften Dollarbeträge an den Kläger kann sich der Beklagte jedoch wiederum nur mit Erfolg berufen, wenn Abschluß und Abwicklung der Geschäfte ohne Zustimmung des Mitgeschäftsführers L. erfolgt wären. Nur in diesem Fall wäre der Rückforderungsanspruch begründet. Bei Zustimmung des Geschäftsführers L. wären die Aufträge demgegenüber nach § 57 i.V.m. §§ 60, 96 a.F. BörsG mit Eingang der auf Termin gekauften Dollarbeträge auf dem Konto des Klägers rückwirkend verbindlich geworden: Die Dollars wären ihm mit seinem Einverständnis auf Veranlassung der hierbei wirksam vertretenen Gemeinschuldnerin überwiesen worden. Zudem lägen in diesem Fall die Voraussetzungen des § 55 a.F. BörsG vor. Danach kann das aufgrund des Geschäfts Geleistete nicht mit der Begründung zurückgefordert werden, für den Leistenden habe nach den §§ 52 bis 54 a.F. BörsG keine Verbindlichkeit bestanden. Notwendig ist nur, daß es sich um eine Leistung gehandelt hat, die zur Erfüllung einer - wenn auch unverbindlichen - Schuld erbracht worden ist (BGHZ 86, 115, 117 f.; BGHZ 105 aaO S. 269). So liegt es hier, wenn Abschluß und Abwicklung der Devisentermingeschäfte die Zustimmung des Geschäftsführers L. gefunden haben. Die Auszahlung der gekauften Dollarbeträge an den Kläger stellt dann eine der Gesellschaft zurechenbare Leistung im Sinne der genannten Vorschriften dar.
III.
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Das Berufungsurteil mußte daher, soweit es angefochten ist, aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
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