Persönliche Haftung des Unternehmensberaters für Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens bei Vertragsverhandlungen, hier: Anspruch gegen Unternehmenssanierer bei Darlehensverhandlungen
Leitsatz
1. Ein Unternehmensberater, der die Geschäftsführung eines sanierungsbedürftigen Unternehmens übernimmt und bei Vertragsverhandlungen, die er als Vertreter des Unternehmens mit Dritten führt, auf seine früheren Sanierungserfolge hinweist, kann damit besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen und deswegen bei Pflichtverletzungen selbst aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haften.
2. Ein Unternehmenssanierer, der bei Kreditverhandlungen besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, darf dem Verhandlungspartner Umstände, die seine Eignung für die Sanierungsaufgabe in Frage stellen (Vorstrafe wegen Betrugs, eidesstattliche Versicherung nach ZPO § 807, Fälschung von Dienstzeugnissen), nicht verschweigen.
















vorgehend LG Düsseldorf, 15. Juli 1987, 2 O 96/86
Fortführung BGH 11. Zivilsenat, 18. September 1990, XI ZR 77/89


Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Bergmann, 8. Auflage 2017, § 714 BGB
● Lapp, 8. Auflage 2017, § 311 BGB
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 2) auf Schadensersatz wegen eines Darlehens in Anspruch, das sie der inzwischen in Konkurs gefallenen Tapetenfabrik H. und T. GmbH + Co. KG (im folgenden: H.) gewährt hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Klägerin ist die Ehefrau des alleinigen Kommanditisten der H., der gleichzeitig der einzige Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist und alleiniger Geschäftsführer des Unternehmens war. Sie war bei der H. als Verkaufssachbearbeiterin tätig.
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Die H. geriet spätestens Anfang 1983 in eine krisenhafte Vermögens- und Finanzsituation. Der Ehemann der Klägerin wandte sich daraufhin an verschiedene Unternehmensberatungsgesellschaften und führte Verhandlungen über den Abschluß von Sanierungsberatungsverträgen. Im Februar 1984 kam es zu Gesprächen mit der Beklagten zu 1) über die Möglichkeit einer Unternehmenssanierung. Anläßlich einer Unterredung am 9. Februar 1984 stellte der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 1) dem Ehemann der Klägerin den Beklagten zu 2), einen bei der P. AG angestellten Unternehmensberater, vor. Die Beklagte zu 1), ein Tochterunternehmen der P. AG, beabsichtigte, den Beklagten zu 2) im Rahmen eines Beratungsvertrages als Zeitmanager bei der H. einzusetzen. Bei der Darstellung seines beruflichen Werdeganges im Rahmen dieser Unterredung beeindruckte der Beklagte zu 2) die Anwesenden durch die Schilderung seiner Sanierungserfolge.
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Am 10./14. Februar 1984 schlossen die H. und die Beklagte zu 1) einen Beratungsvertrag. Darin verpflichtete sich die Beklagte zu 1), die H. bei der Sanierung des Unternehmens zu beraten, und zwar in der Form eines vom Beklagten zu 2) wahrzunehmenden Zeitmanagements. Die Aufgabe des Beklagten zu 2) sollte darin bestehen, die laufenden Geschäfte des Unternehmens zu führen und ein Sanierungskonzept zur Vorlage bei den Hausbanken zu erstellen. Die für diese Tätigkeit erforderliche Generalvollmacht erteilte der Ehemann der Klägerin unter dem 21. Februar 1984.
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In der Folgezeit führte der Beklagte zu 2) die Geschäfte des Unternehmens und erarbeitete ein Sanierungskonzept, das er auch den Vertretern der Banken erläuterte. Bei den Gesprächen mit den Banken ging es im wesentlichen um die Verbesserung der Liquiditätslage des Unternehmens durch Kredite in Höhe von 500.000 DM und die Bereitstellung von 200.000 DM aus privaten Mitteln. Den letztgenannten Betrag zahlte die Klägerin im März 1984 an die H.. Sie schloß mit der durch ihren Ehemann vertretenen H. unter dem 1. April 1984 einen als "Mitarbeiterdarlehen" bezeichneten schriftlichen Darlehensvertrag.
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Im August 1984 erfuhren die Klägerin und ihr Ehemann, daß der Beklagte zu 2) bereits im Oktober 1981 die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO geleistet hatte und seit April 1980 rechtskräftig wegen Betruges vorbestraft war. Außerdem stellte sich heraus, daß die Zeugnisse, die ihm früher betreute Unternehmen ausgestellt hatten, teilweise gefälscht waren. Daraufhin beurlaubte die Beklagte zu 1) den Beklagten zu 2).
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Ende Oktober 1984 wurde der Konkurs über das Vermögen der H. eröffnet. Die Klägerin erhielt von ihrem Darlehen nichts zurück und hat keine Aussicht auf eine auch nur teilweise Rückzahlung.
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Die Klägerin macht den Beklagten zu 2) neben der Beklagten zu 1) für den Verlust des Darlehens verantwortlich. Sie behauptet, sie habe nach Verhandlungen mit dem Beklagten zu 2) nur im Vertrauen auf dessen Leistungsfähigkeit und Integrität sowie auf dessen Versicherung, das Darlehen könne als "Mitarbeiterdarlehen" konkursfest ausgestaltet werden, der H. ein Darlehen von 200.000 DM gewährt. Außerdem macht sie geltend, ihr Schadensersatzanspruch sei auch deshalb begründet, weil beide Beklagten bei den Verhandlungen mit der H. über einen Beratungsvertrag gegen ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten verstoßen und diese Pflichten eine Schutzwirkung zu ihren - der Klägerin - Gunsten entfaltet hätten. Ferner beruft die Klägerin sich auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung sowie nach den Grundsätzen der Schadensliquidation im Drittinteresse.
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Die Klägerin hat beantragt, beide Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat durch Teilurteil die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht verneint Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Offenbarungspflichten bei der Anbahnung des zwischen H. und der Beklagten zu 1) geschlossenen Beratungsvertrags, der Verletzung eines mit der Klägerin stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrags, des Verschuldens bei Abschluß des Darlehensvertrags und der Schadensliquidation im Drittinteresse. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.
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II. 1. Das Berufungsgericht ist allerdings im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2) nicht auf eine Verletzung von Offenbarungspflichten bei der Anbahnung des zwischen H. und der Beklagten zu 1) geschlossenen Beratungsvertrags stützen kann. Der Beklagte zu 2) war zwar bei einer Besprechung im Rahmen der Vertragsverhandlungen anwesend und hat nach entsprechender Aufforderung seinen beruflichen Werdegang dargestellt sowie seine angeblichen Sanierungserfolge hervorgehoben. Er war jedoch weder Partei des in Aussicht genommenen Beratungsvertrags noch nahm er an den Verhandlungen als Vertreter oder als sonstiger Sachwalter der Beklagten zu 1) teil. Diese war bei den Verhandlungen mit der H. vielmehr durch ihren damaligen Geschäftsführer L. vertreten. Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen gegen den Beklagten zu 2) kommen schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Auf die Frage, ob etwaige im Rahmen der Vertragsverhandlungen zwischen der Beklagten zu 1) und der H. bestehenden Verhaltenspflichten eine Schutzwirkung auch zugunsten der Klägerin entfalten könnten, kommt es daher nicht an.
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2. Erfolglos bleiben die Angriffe der Revision gegen die Verneinung von Ansprüchen der Klägerin wegen Verletzung eines stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrags.
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Das Berufungsgericht hat die vom Beklagten zu 2) bestrittene Behauptung der Klägerin als zutreffend unterstellt, der Beklagte zu 2) habe ihr erklärt, der Darlehensrückzahlungsanspruch sei konkursfest und gehe den Ansprüchen der Banken vor. Unter Würdigung der Funktion als Gehilfe der Beklagten zu 1) und letztlich der H., in der der Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin auftrat, hat das Berufungsgericht jedoch festgestellt, die Klägerin habe nicht davon ausgehen dürfen, daß der Beklagte zu 2) für die Richtigkeit seiner Angaben persönlich einstehen wolle. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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III. Mit Recht beanstandet die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei den Verhandlungen über den Darlehensvertrag verneint hat. Bei dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kann ein solcher Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) nicht ausgeschlossen werden.
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1. Die Klägerin hat folgendes vorgetragen und unter Beweis gestellt: Sie habe sich seit dem Sommer 1983 geweigert, der H. weitere Darlehen zu gewähren, weil sie aus verschiedenen Gründen kein Vertrauen mehr gehabt habe, daß ihr Ehemann die Lage des Unternehmens noch zum Besseren wenden könne. Dann habe jedoch der Beklagte zu 2) als Vertreter der H. mit ihr über die Gewährung des Darlehens verhandelt. Unter seinem Einfluß habe sie sich zur Gewährung des Darlehens bereit gefunden. Ausschlaggebend dafür sei zum einen ihr Vertrauen in die Eignung des Beklagten zu 2) zur Sanierung der H. gewesen. Dieses Vertrauen habe darauf beruht, daß ihr Ehemann ihr die Schilderungen des Beklagten zu 2) über seine angeblichen Qualifikationen und Sanierungserfolge weitererzählt habe, aber auch auf dem persönlichen Eindruck, den der Beklagte zu 2) auf sie gemacht habe, wobei er ihr gegenüber ebenfalls auf frühere Sanierungserfolge hingewiesen habe. Zum anderen habe der Beklagte zu 2) ihre Bedenken gegen eine Darlehensgewährung auch dadurch zerstreut, daß er der Wahrheit zuwider behauptet habe, ihr Darlehen sei als "Mitarbeiterdarlehen" konkursfest und ihre Rückzahlungsansprüche gingen den Forderungen der Banken vor. Ohne das Auftreten des Beklagten zu 2) wäre sie unter keinen Umständen bereit gewesen, der H. ein weiteres Darlehen zu gewähren. Andererseits hätte sie, wenn sie wahrheitsgemäß über die Vergangenheit des Beklagten zu 2) und seine mangelnde Eignung für die Sanierungsaufgabe unterrichtet worden wäre, sich ebenfalls nicht zur Darlehensgewährung an die H. entschlossen.
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2. Geht man von dem Vortrag der Klägerin aus, so steht ihr gegen den Beklagten zu 2) ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen über das Darlehen zu.
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a) Der Beklagte zu 2) führte die Darlehensvertragsverhandlungen mit der Klägerin als Vertreter der H.. Werden Vertragsverhandlungen von einem Vertreter geführt, so richten Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen sich grundsätzlich nach § 278 BGB gegen den Vertretenen und nicht gegen den Vertreter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ausnahmsweise jedoch auch ein Vertreter aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen persönlich haften, wenn er entweder dem Vertragsgegenstand besonders nahesteht und bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichsam in eigener Sache handelt oder wenn er gegenüber dem Verhandlungspartner in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt hat (BGHZ 56, 81, 83ff.; 63, 382; 88, 67, 68ff.; Urteile vom 9. Oktober 1986 - II ZR 241/85, WM 1987, 77, 78; vom 11. Oktober 1988 - X ZR 57/87, WM 1988, 1888, 1889; Senatsurteile vom 3. Oktober 1989 - XI ZR 157/88, WM 1989, 1715, 1716f.; vom 17. Oktober 1989 - XI ZR 173/88, WM 1989, 1923). Eine die persönliche Haftung des Vertreters begründende Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens liegt nicht schon dann vor, wenn dieser über die für seine Tätigkeit erforderliche Sachkunde verfügt und darauf hinweist (BGHZ 88, 67, 69f.; Senatsurteile vom 3. und 17. Oktober 1989 je aaO). Erforderlich ist vielmehr, daß er dem Kunden zusätzlich in zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der Kunde dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut (Senatsurteil vom 3. Oktober 1989 aaO).
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Im vorliegenden Fall ist der Beklagte zu 2) als Unternehmensberater mit der Aufgabe, das Unternehmen zu sanieren, tätig geworden. Er hat die laufenden Geschäfte geführt und ein Sanierungskonzept ausgearbeitet. Ein mit der Sanierung beauftragter Unternehmensberater nimmt jedenfalls dann, wenn er die Geschäftsführung des sanierungsbedürftigen Unternehmens übernimmt, typischerweise persönliches Vertrauen in Anspruch. Das gilt zum einen im Hinblick auf seine außerordentlichen unternehmerischen Fähigkeiten, weil er sich anheischig macht, das Unternehmen aus den Schwierigkeiten zu führen, die die bisherige Unternehmensleitung nicht zu bewältigen vermochte. Dasselbe gilt aber auch hinsichtlich seiner persönlichen Zuverlässigkeit, weil diese in den Augen aller Beteiligten unabdingbare Voraussetzung dafür ist, das in der Regel bereits erschütterte oder zumindest gefährdete Vertrauen zu dem sanierungsbedürftigen Unternehmen wiederherzustellen oder zu festigen. Insbesondere für diejenigen, die bisher nicht mehr bereit waren, dem Unternehmen Kredite zu gewähren, kommt es bei der Entscheidung über die Einräumung neuen Kredits wesentlich auf das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und persönliche Integrität des Sanierers an.
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Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß der Beklagte zu 2) durch den Hinweis auf seine bisherigen angeblichen Sanierungserfolge in besonderem Maße persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat. Er hat sich nach dem Vortrag der Klägerin ihr gegenüber als erfolgreicher Unternehmenssanierer ausgegeben. Außerdem muß er im Verhältnis zu ihr die noch weitergehende Schilderung seiner angeblichen Sanierungserfolge, die er gegenüber ihrem Ehemann abgegeben hatte, gegen sich gelten lassen, weil er damit rechnen mußte, daß sie von ihrem Mann darüber unterrichtet worden war.
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Auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin ist daher davon auszugehen, daß der Beklagte zu 2) bei den Darlehensverhandlungen mit der Klägerin besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat. Dadurch hat er nach dem Vorbringen der Klägerin die Vertragsverhandlungen und deren Ergebnis entscheidend beeinflußt, weil die Klägerin ihm - im Gegensatz zu ihrem Ehemann - eine Sanierung des Unternehmens zutraute und in seinen besonderen Fähigkeiten eine gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für Bestand und Erfüllung des Darlehensvertrages sah. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin der H. das Darlehen langfristig und ohne kalendermäßig festgelegte Tilgungsregelung zur Verfügung gestellt hat, während die Tätigkeit des Beklagten zu 2) als Sanierer der H. ungeachtet der im Beratungsvertrag vom 10./14. Februar 1984 enthaltenen Verlängerungsmöglichkeit insgesamt nur für einen begrenzten Zeitraum vorgesehen war. Nach dem Vortrag der Klägerin waren Bestand und Erfüllung eines etwaigen Darlehensvertrages in ihren Augen allein durch die damalige Krise der H. gefährdet. Für sie bot der Beklagte zu 2) daher dadurch, daß er diese Krise zu überwinden versprach, die Gewähr für Bestand und Erfüllung des Darlehensvertrages.
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Die Klägerin hat daher dargetan, daß ihr gegenüber bei den Verhandlungen über die Darlehensgewährung nicht nur der Beklagten zu 1), sondern auch dem Beklagten zu 2) vorvertragliche Verhaltenspflichten oblagen.
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b) Diese vorvertraglichen Pflichten hat der Beklagte zu 2) nach dem Vortrag der Klägerin verletzt. Dabei kommt es auf die umstrittene Frage, ob er bei der Unternehmensleitung schwerwiegende Fehler begangen hat und für den Mißerfolg der Sanierung verantwortlich war, nicht entscheidend an. Sollte der Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen haben, so wäre er verpflichtet gewesen, auf die negativen Umstände in seiner Vergangenheit hinzuweisen. Es war für ihn erkennbar, daß diese Umstände für die Entschließung der Klägerin über die Darlehensgewährung eine entscheidende Rolle spielen konnten.
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Der Annahme einer Offenbarungspflicht des Beklagten zu 2) steht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. März 1954 (II ZR 248/53, LM BGB § 276 (Fb) Nr. 1) nicht entgegen. In dem genannten Urteil wurde eine Pflicht zur Offenbarung von Verfehlungen, die mit dem vertraglich übernommenen Pflichtenkreis in keinem unmittelbaren Zusammenhang standen, verneint. Im vorliegenden Fall geht es hingegen mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Betrugs, der Ablegung der eidesstattlichen Versicherung und der Zeugnisfälschung um Punkte, die den Beklagten zu 2) für die Tätigkeit als Unternehmenssanierer und damit auch für die Rolle eines Garanten für die Sicherheit des in Aussicht genommenen Darlehens der Klägerin an die H. von vornherein ungeeignet erscheinen ließen. Darüber mußte er die Klägerin aufklären, als er ihr persönliches Vertrauen in Anspruch nahm.
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c) Die Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) war nach dem Vorbringen der Klägerin ursächlich für den ihr entstandenen Schaden. Ihr Darlehen an die H. ist unstreitig verloren. Nach ihrer Behauptung hätte sie zum einen der H. das Darlehen ohne das Hinzutreten des Beklagten zu 2) unter keinen Umständen gewährt und zum anderen auch dann von der Hingabe des Darlehens abgesehen, wenn sie erfahren hätte, daß der Beklagte zu 2) Dienstzeugnisse gefälscht hatte, wegen Betrugs vorbestraft war und die eidesstattliche Versicherung geleistet hatte.
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3. Da der Beklagte zu 2) das anspruchsbegründende Vorbringen der Klägerin bestreitet und insbesondere in Abrede stellt, mit ihr vor der Hingabe des Darlehens überhaupt Verhandlungen geführt zu haben, kommt es für die Begründetheit des gegen ihn gerichteten Klageanspruchs darauf an, wessen Darstellung zutrifft. Dazu hat das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen. Das wird bei der erneuten Prüfung der Sache durch das Berufungsgericht nachzuholen sein. Sollte dabei eine Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten zu 2) festgestellt werden, so käme es weiter auf die Frage der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden der Klägerin an. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, daß der wegen unterlassener Beratung oder Aufklärung in Anspruch Genommene für das Verhalten der Gegenpartei im Falle zutreffender Beratung oder Aufklärung dann die Beweislast trägt, wenn es für diese nur eine bestimmte Möglichkeit "aufklärungsrichtigen" Verhaltens gab (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 - XI ZR 29/89, BB 1990, 515, 516 m.w.Nachw.).
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4. Vom Ergebnis der weiteren Sachaufklärung durch das Berufungsgericht hängt es auch ab, ob Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder nach § 826 BGB in Betracht kommen. Ansprüche nach den genannten Vorschriften hängen allerdings hinsichtlich des subjektiven Tatbestands von weitergehenden Voraussetzungen ab als ein Anspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen. Vorsatz ist jedoch nur für alle Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB erforderlich; bei § 826 BGB kann für die Annahme sittenwidrigen Handelns ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten genügen (Senatsurteil vom 3. Oktober 1989 - XI ZR 157/88, WM 1989, 1715, 1717 m.w.Nachw.).
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