Haftung des Scheckverpflichteten: Einwand der mangelnden Vollmacht des Ausstellers; Streitgegenstand in der Rechtsmittelinstanz bei objektiver Klagehäufung
Leitsatz
1. Der Einwand, der Scheck sei von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht ausgestellt worden, kann jedem Scheckinhaber entgegengesetzt werden.
2. Legt der Beklagte gegen ein Urteil, das einer im Wege objektiver Klagehäufung auf zwei Klagegründe gestützten Klage aus einem der Gründe stattgegeben hat, ein zulässiges Rechtsmittel ein, so fällt auch der nicht beschiedene Klagegrund der Rechtsmittelinstanz an.















vorgehend LG Bonn, 16. August 1989, 12 O 263/88

Wolfgang Grunsky, LM ZPO § 260 Nr 17 (2/1992) (Anmerkung)

Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Alfes/Eulenburg, 8. Auflage 2017, § 796 BGB
Tatbestand
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Die Klägerin ist Inhaberin eines am 10. März 1988 zugunsten der B. GmbH & Co. KG (Firma B.) ausgestellten, auf die Kreissparkasse E. gezogenen Verrechnungsschecks über 75.000 DM. Als Scheckausstellerin angegeben ist die "A.", eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der sich die Beklagte und die Firma B. zur Durchführung eines Bauvorhabens der R. zusammengeschlossen hatten. Unterzeichnet ist der Scheck nur von dem Zeugen B., damals Geschäftsführer der Firma B.. Dieser oblag nach dem schriftlichen Gesellschaftsvertrag die Vertretung der A. gegenüber Dritten; Zahlungen an Gesellschafter waren jedoch von je einem namentlich genannten Vertreter der Beklagten sowie der Firma B. zu zeichnen.
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Die Beklagte widersprach der Einlösung des Schecks gegenüber der bezogenen Kreissparkasse. Diese lehnte dessen Bezahlung deswegen sowie mangels Verfügungsberechtigung des Zeugen B. am 16. März 1988 ab und vermerkte dies auf dem Scheck.
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Die Klägerin, die den Scheck am Tage der Ausstellung von der Firma B. erhalten hat, nimmt die Beklagte sowohl als Scheckausstellerin als auch aus dem Kausalgeschäft auf Zahlung von 75.000 DM zuzüglich 270 DM Kosten und Provision sowie Zinsen in Anspruch. Sie behauptet, die Firma B. habe gegen die A. einen Zahlungsanspruch über 75.000 DM gehabt und bei Übereignung des Schecks an sie abgetreten. Nach - unstreitigem - Eingang der letzten Scheckzahlung der R. über 180.000 DM für Bauleistungen der A. hätten die Beklagte und die Firma B. durch ihre vertretungsberechtigten kaufmännischen Leiter mit Billigung der beiderseitigen Geschäftsführer vereinbart, daß davon die Firma B. 75.000 DM und die Beklagte 105.000 DM erhalten solle.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
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I. Das Berufungsgericht hat einen scheckrechtlichen Rückgriffsanspruch der Klägerin gemäß Art. 44, 45 ScheckG für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:
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Aus einem namens und in Vollmacht einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgestellten Scheck hafteten die Gesellschafter gesamtschuldnerisch auch mit ihrem persönlichen Vermögen. Daß eine BGB-Gesellschaft wie die A. nicht rechtsfähig sei, stehe einer Ausstellerhaftung der Beklagten nicht entgegen.
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Zur Ausstellung des streitigen Schecks namens der A. sei der Zeuge B. bevollmächtigt gewesen. Zwar sehe der Gesellschaftsvertrag bei Zahlungen an einen Gesellschafter gemeinschaftliche Vertretung vor. Die Beweisaufnahme habe jedoch ergeben, daß der Zeuge B. im Rahmen der Vereinbarung, die die Gesellschafter, vertreten durch die Zeugen S. und So., über die Aufteilung der Zahlung der R. getroffen hätten, zur Ausstellung des Schecks ohne Mitzeichnung der Beklagten bevollmächtigt worden sei.
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II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Auf der Grundlage der auch für das Scheckrecht bedeutsamen Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGHZ 59, 179, 184 f.; 61, 59, 68) zur Wechselrechtsunfähigkeit einer BGB-Gesellschaft könnte das Berufungsurteil schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Ausstellung des Schecks im Namen der nicht rechtsfähigen A. eine scheckrechtliche Haftung der Gesellschaft oder der Gesellschafter nicht hätte begründen können. Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum allerdings teilweise auf Ablehnung gestoßen (Baumbach/Hefermehl, Wechsel- und ScheckG 17. Aufl. WG Einl. Rdn. 20; Bülow, WechselG, ScheckG, AGB Art. 1 WG Rdn. 16; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere 12. Aufl. S. 55; Zöllner, Wertpapierrecht 14. Aufl. S. 63 f.; Richardi, Wertpapierrecht S. 125 jeweils m.w. Nachw.). Ob die Kritik berechtigt ist, bedarf hier indes keiner Entscheidung.
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2. Die vom Berufungsgericht angenommene scheckrechtliche Haftung der Beklagten scheitert jedenfalls daran, daß der Zeuge B. die A. bei der Ausstellung des Schecks zugunsten der Firma B. nicht wirksam vertreten hat. Für die Beklagte ist deshalb eine scheckrechtliche Verpflichtung nicht begründet worden. Dies muß sich auch die Klägerin als Zweiterwerberin des Schecks entgegenhalten lassen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wechsel- und ScheckG 17. Aufl. Art. 17 WG Rdn. 36, Art. 22 ScheckG Rdn. 1; Bülow, WechselG, ScheckG, AGB Art. 11 ScheckG Rdn. 2 und 6).
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Der Gesellschaftsvertrag der A. schreibt, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, für Zahlungen an einen Gesellschafter Gesamtvertretung vor. Daran ist für die Ausstellung des in Rede stehenden Schecks nichts geändert worden. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe B. für diesen Scheck wirksam Einzelzeichnungsbefugnis eingeräumt, ist, wie die Revision mit Recht rügt, mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vereinbar.
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Das Berufungsgericht hat wesentliche Teile der in Bezug genommenen Aussagen der Zeugen S., So. und B. außer acht gelassen. Der Zeuge S., kaufmännischer Leiter der Beklagten, hat ausgesagt, er habe weder Prokura noch Handlungsvollmacht. Damit ist die Feststellung des Berufungsgerichts, er sei zu der mit dem Zeugen So. von der Firma B. getroffenen Vereinbarung über die Aufteilung der Zahlung der R. nach den ihm zugewiesenen Aufgaben befugt gewesen, mangels entsprechender Bekundungen auch der anderen Zeugen nicht zu vereinbaren. Da ferner für eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht des Zeugen S. sowie für eine Genehmigung der von ihm ohne Vertretungsmacht getroffenen Vereinbarung ausreichender Vortrag fehlt, kann das Handeln des Zeugen der Beklagten nicht zugerechnet werden.
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Im übrigen findet, wie die Revision ebenfalls mit Recht rügt, auch die Annahme des Berufungsgerichts, mit der Vereinbarung über die Aufteilung der 180.000 DM habe S. dem Zeugen B. für den streitigen Scheck Einzelzeichnungsbefugnis einräumen wollen, in den Bekundungen der Zeugen keine Stütze. Der Zeuge S. hat keine entsprechende Aussage gemacht. Der Zeuge So., kaufmännischer Leiter bei der Firma B., hat bekundet, er wisse nicht, warum der Scheck in Abweichung vom A.-Vertrag und der bei früheren Zahlungen geübten Praxis nur vom Zeugen B. unterzeichnet worden sei. Letzterer hat sogar erklärt, die Mitzeichnung durch die Beklagte sei nur deshalb unterblieben, weil ihr der Scheck infolge eines Versehens eines Mitarbeiters der Firma B. nicht zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Von einer ausreichenden Bevollmächtigung des Zeugen B. zur Ausstellung des Schecks und einer scheckrechtlichen Haftung der Beklagten kann danach keine Rede sein.
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III. Auch gestützt auf einen dem Scheck zugrundeliegenden Zahlungsanspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht der Firma B. läßt sich das Berufungsurteil nicht halten (§ 563 ZPO). Das gilt allerdings nicht schon deshalb, weil der erkennende Senat über diesen Anspruch nicht befinden könnte. Zwar handelt es sich dabei um einen anderen Streitgegenstand (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1986 - II ZR 237/85, WM 1986, 1200), über den das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht entschieden hat. Gleichwohl ist das Begehren der Klägerin aufgrund der Revision der Beklagten auch insoweit Gegenstand der Revisionsinstanz geworden. Für den Fall, daß dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben ist, ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß der nicht beschiedene Hilfsantrag der höheren Instanz allein durch die Rechtsmitteleinlegung seitens des Beklagten anfällt (RGZ 77, 120, 126 f.; BGH LM § 525 ZPO Nr. 1; BGHZ 41, 38, 39 f. jeweils für die Berufungsinstanz; BGH, Urteil vom 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88, WM 1990, 890, 892 für die Revisionsinstanz). Entsprechendes muß gelten, wenn der Kläger sein Klagebegehren - wie hier - auf mehrere Gründe stützt und das Berufungsgericht einen für gegeben erachtet, ohne sich mit den anderen zu befassen.
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Ein Zahlungsanspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht der Firma B. kommt indes nach den vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen nicht in Betracht. Nach § 20.2 des Gesellschaftsvertrages, der im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben ist, sind Forderungen aus dem A.-Vertrag nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung aller Gesellschafter abtretbar. An einer solchen Zustimmung fehlt es hier. Dem Parteivorbringen läßt sich nicht entnehmen, daß jemals, insbesondere im Zusammenhang mit der hier streitigen Forderung, über die Aufhebung des Abtretungsverbots gesprochen worden ist. In der von den Zeugen So. und S. bekundeten Vereinbarung über die Aufteilung des von der R. gezahlten Betrages auf die beiden Gesellschafter kann eine wirksame Zustimmung der Beklagten zu der von der Klägerin behaupteten Abtretung oder eine Aufhebung des Abtretungsverbots, gegen dessen Wirksamkeit keine Bedenken bestehen, nicht gefunden werden. Der Zeuge S. war, wie oben ausgeführt, nicht bevollmächtigt, Erklärungen mit Wirkung für und gegen die Beklagte abzugeben.
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IV. Die Ansprüche der Klägerin erweisen sich damit als unbegründet. Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben werden. Da es weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht bedurfte, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende landgerichtliche Urteil zurückweisen.
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