Vollmachtsmißbrauch bei Grundschuldabtretung zur Sicherung von Drittschulden
Leitsatz
1. Zur Frage des Vollmachtsmißbrauchs bei der Abtretung einer Grundschuld zur Sicherung von Drittschulden.














vorgehend LG Kleve, 20. April 1990, 3 O 504/89



Tatbestand
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Die beklagte Sparkasse gewährte im März 1981 drei Darlehensnehmern ein Darlehen in Höhe von 300.000 DM, das am 30. Juni 1981 zurückzuzahlen gewesen wäre und das noch in Höhe von 210.315,85 DM offen ist.
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Zur Sicherung dieses Darlehens diente der Beklagten eine Grundschuld in Höhe von 300.000 DM, die auf dem Grundstück der Schwiegermutter des Klägers, T. G., in S. eingetragen war. Diese Grundschuld hatte der als ihr Vertreter auftretende Sohn der Eigentümerin, H.-J. G., an die Beklagte zur Sicherheit übertragen. Die Eigentümerin hatte ihren Sohn durch eine notariell beurkundete Vollmacht vom 6. November 1980 ermächtigt, ihren Grundbesitz mit Grundpfandrechten zu belasten und auch bereits eingetragene Rechte abzutreten. Die notarielle Vollmacht hat folgenden Wortlaut:
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"Ich bevollmächtige hiermit meinen Sohn H.-J. G., wohnhaft B.-Straße ... in S., den Grundbesitz zum Zwecke der Finanzierung mit Grundpfandrechten - Hypotheken oder Grundschulden - zu belasten samt Zinsen und Nebenleistungen und mich mit dinglicher Wirkung, aber nicht persönlich, gegenüber dem jeweiligen Gläubiger der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen.
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Mein Sohn ist ermächtigt, alle zur Durchführung dieser Grundpfandrechtsbestellungen erforderlichen Bewilligungen und Anträge gegenüber dem Grundbuchamt abzugeben; dazu gehören auch Abtretungserklärung bezüglich bereits eingetragener Rechte und Bewilligung und Antrag bezüglich der Löschung von Vorlasten und Änderung der Rangverhältnisse."
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Unter Verwendung dieser Vollmacht hatte der Sohn drei Eigentümergrundschulden über je 300.000 DM auf dem Grundbesitz seiner Mutter eintragen lassen, von denen er dann die erste als Sicherheit für das oben genannte Darlehen an die Beklagte abtrat. Am 23. März 1981 unterzeichnete er in Vertretung der Grundstückseigentümerin eine formularmäßige Zweckerklärung zugunsten der Beklagten.
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Das Darlehen diente der Ersteigerung des Grundbesitzes einer Firma HE. GmbH durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der auch der Sohn der Sicherungsgeberin angehörte. Der Gewinn aus der Weiterveräußerung des zu ersteigernden Grundbesitzes sollte zwischen den Gesellschaftern geteilt werden. Die Beklagte überwies die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäß auf ein Notaranderkonto "i.S. K./G.". Die Ablösung dieses kurzfristig gewährten Darlehens sollte durch die Go. Versicherung erfolgen. Dazu kam es jedoch nicht.
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Grundschuldabtretung an die Beklagte. Der Kläger, dem die Eigentümerin ihre Ansprüche abgetreten hat, fordert von der Beklagten die Übertragung der Grundschuld, hilfsweise die Bewilligung der Löschung. Er ist der Ansicht, daß die Vollmacht zur Grundstücksbelastung nur dem eigenen Kreditbedarf der Eigentümerin für geschäftliche Zwecke habe dienen sollen. Er behauptet, die Grundschuld sei von dem Bevollmächtigten abredewidrig ohne Wissen seiner Mutter zur Sicherung fremder Darlehensschulden an die Beklagte abgetreten worden, jedenfalls sei von der Vollmacht rechtsmißbräuchlich Gebrauch gemacht worden und die Beklagte habe dies erkennen müssen.
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Die Beklagte bestreitet dies. Sie hält die Abtretung der Grundschuld und die Sicherungsvereinbarung für wirksam.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
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1. Das Berufungsgericht gelangt zu dem Ergebnis, daß der Bevollmächtigte bei der Übertragung der Grundschuld an die Beklagte für diese erkennbar seine Vollmacht mißbraucht habe, mit der Folge, daß die Eigentümerin nicht wirksam gebunden worden und der Rückgewähranspruch gerechtfertigt sei.
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Es ist der Ansicht, die Vollmachtsurkunde sei auf der Grundlage ihres Wortlautes auszulegen. Soweit danach der Grundbesitz zum Zwecke der Finanzierung belastet werden könne, sei ungedeckter Kreditbedarf angesprochen gewesen, jedoch nicht notwendig der der Eigentümerin. Fremder Kreditbedarf sei nicht ausdrücklich ausgeschlossen gewesen. Die Vollmacht decke daher nicht nur die Bestellung der Eigentümergrundschuld, sondern auch die Übertragung der Grundschuld an die Beklagte. Die Verwendung der Grundschuld für das Fremddarlehen sei jedoch ersichtlich rechtsmißbräuchlich gewesen. Es habe sich um einen hohen Darlehensbetrag gehandelt. Was die Grundstückseigentümerin mit den Darlehensnehmern und ihren Vorhaben zu tun gehabt habe, sei nicht ersichtlich gewesen. Die Abschätzung der Risiken bei der Darlehensgewährung habe allein bei der Beklagten gelegen. Die Verteilung der Risiken sei ganz ungewöhnlich zugunsten der Beklagten und zu Lasten der Vollmachtgeberin geregelt gewesen. Die Notwendigkeit einer Rückfrage beim Vertretenen habe sich geradezu aufgedrängt, weil der Beklagten im Zusammenhang mit der vorgesehenen endgültigen Ablösung des Darlehens durch die Go. Versicherung erkennbar gewesen sei, daß die langfristigen Finanzierungsmittel eigenen Kreditbedarf der Grundstückseigentümerin decken sollten. Mit der Änderung des Sicherungszwecks der Grundschuld zugunsten der Darlehensnehmer der Beklagten sei in ersichtlich verdächtiger Weise von der Vollmacht Gebrauch gemacht worden, die eine Rückfrage bei der Grundstückseigentümerin habe notwendig erscheinen lassen.
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2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Das Berufungsgericht hat lediglich zugunsten der Beklagten unterstellt, daß die Grundschuldabtretung inhaltlich durch die notarielle Vollmacht gedeckt war. Soweit es sich damit - trotz der Ausführungen zur Reichweite der eingeräumten Vertretungsmacht - einer endgültigen Entscheidung enthalten hat, kann der Senat diese nachholen, da weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1990 - V ZR 223/89, NJW 1991, 1180 m.w.Nachw.).
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Entgegen der Auffassung des Klägers richtet sich die Auslegung der notariellen Vollmacht im vorliegenden Fall nicht nach den für die Innenvollmacht entwickelten Grundsätzen. Bei der in einer Urkunde verlautbarten und nach außen kundgemachten Vollmacht ist grundsätzlich auf die sich aus dem Wortlaut der Urkunde ergebenden Verständnismöglichkeiten des Geschäftsgegners abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1991 - XI ZR 218/90, NJW 1991, 3141). Daß der Beklagten darüber hinaus für den Umfang der Vollmacht bedeutsame Umstände bekannt gewesen wären, wird nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Dem Wortlaut der Urkunde läßt sich nicht entnehmen, wessen Finanzbedarf durch die Belastung des Grundstücks gedeckt werden sollte. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Grundpfandrechte Dritten zur Befriedigung eigenen Kreditbedarfs zur Verfügung gestellt werden. Da es sich um eine notarielle Urkunde handelt, kann der Geschäftsgegner davon ausgehen, daß etwaige die Vertretungsmacht einschränkende Zweckvorstellungen des Vollmachtgebers klar zum Ausdruck gebracht worden wären. Der letzte Absatz der Vollmacht bezieht im übrigen Abtretungserklärungen hinsichtlich bereits eingetragener Rechte ausdrücklich ein.
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b) Rechtliche Bedenken bestehen bereits gegen die Feststellung, der Sohn der Grundstückseigentümerin habe von der ihm erteilten Vollmacht abredewidrigen Gebrauch gemacht.
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Das Berufungsgericht stützt dieses Ergebnis allein auf die Aussage der am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits erheblich interessierten Grundstückseigentümerin und ihres Sohnes. Es hat bei der Beweiswürdigung den sonstigen Prozeßvortrag außer acht gelassen und sich insbesondere nicht mit den Hintergründen des finanzierten Geschäfts auseinandergesetzt. Letztlich kann diese das Innenverhältnis zwischen der Vollmachtgeberin und ihrem Sohn betreffende Frage jedoch offenbleiben.
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c) Denn selbst wenn ein abredewidriger Gebrauch der Vollmacht unterstellt wird, geht das angefochtene Urteil jedenfalls zu Unrecht davon aus, daß mit der Abtretung der Grundschuld zur Sicherung des von der Beklagten gewährten Darlehens von der Vollmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht wurde.
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aa) Das Berufungsgericht hat bei der Anwendung der Grundsätze über die Beachtlichkeit eines Mißbrauchs der Vertretungsmacht durch den Bevollmächtigten wesentliche Gesichtspunkte nicht hinreichend berücksichtigt.
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Der Vertretene hat grundsätzlich das Risiko eines Vollmachtsmißbrauchs zu tragen. Dem Geschäftsgegner obliegt im allgemeinen keine besondere Prüfungspflicht, ob und in welchem Umfang der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von seiner nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen. Der Vertretene ist aber gegen einen erkennbaren Mißbrauch der Vertretungsmacht im Verhältnis zum Vertragsgegner dann geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so daß beim Vertragsgegner begründete Zweifel entstehen mußten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich nach den Umständen des Falles die Notwendigkeit einer Rückfrage des Vertragsgegners beim Vertretenen vor Vertragsschluß geradezu aufdrängte (st.Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1966 - VII ZR 125/66, NJW 1966, 1911; BGHZ 50, 112, 114; BGH, Urteil vom 10. Dezember 1980 - VIII ZR 186/79, WM 1981, 66, 67; Urteil vom 14. Mai 1986 - IVa ZR 146/85, WM 1986, 1061, 1062; Urteil vom 18. Mai 1988 - IVa ZR 59/87, NJW 1988, 3012, 3013; Urteil vom 8. März 1989 - IVa ZR 353/87, WM 1989, 1068, 1069).
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bb) Diese massive Verdachtsmomente voraussetzende "objektive Evidenz" des Mißbrauchs (vgl. dazu MünchKomm/Thiele, 2. Aufl. § 164 Rdn. 105) ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zu verneinen.
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Die kreditgebende Bank hat ein legitimes Eigeninteresse an der Absicherung ihrer Kredite. Sie prüft diese nicht im Interesse des Kunden oder des Sicherungsgebers und ist deshalb über die Folgen der Kreditsicherung auch nicht allgemein aufklärungspflichtig (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977). Es ist nicht ungewöhnlich, daß jemand sein Grundstück als Sicherungsobjekt für Kredite Dritter verpfändet. Dabei ergibt sich - wie bei jeder Stellung von Sicherheiten für Schulden Dritter - notwendigerweise die vom Berufungsgericht als verdachterregend bewertete Verlagerung des Kreditrisikos vom Darlehensgeber auf den Sicherungsgeber. Dieser Umstand legt demgemäß entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für sich allein den Verdacht eines Mißbrauchs der Vertretungsmacht bei der Sicherheitenbestellung durch einen Bevollmächtigten noch nicht nahe.
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Auch sonstige Umstände sprechen nicht für einen Mißbrauch. Die Beklagte kannte die Sicherungsgeberin nicht; diese war nicht ihre Kundin. Aus dem Wortlaut der der Beklagten bekannten notariellen Vollmacht ergab sich, daß Vertreter der Sicherungsgeberin deren Sohn war und die Vollmacht eigens zu dem Zweck erteilt wurde, das Grundstück zu Finanzierungszwecken belasten zu können. Das gesicherte Darlehen wurde nur für etwa drei Monate gewährt und sollte - wie der Beklagten von der Go. Versicherung bestätigt worden war - alsbald durch ein Darlehen über 650.000 DM abgelöst werden. Der Umstand, daß die Sicherungsgeberin eigenen Kreditbedarf für ihr Grundstück und ihr Textilgeschäft hatte, mußte ebenfalls keine Zweifel der Beklagten an der ordnungsgemäßen Ausübung der Vollmacht auslösen, zumal sie über die Hintergründe des durch die Grundschuld gesicherten Fremddarlehens nichts Näheres wußte und sich darum auch nicht zu kümmern brauchte. Die Darlehensvaluta sollte auf ein Notaranderkonto überwiesen werden, das u.a. durch den Namen des Sohnes gekennzeichnet war. Sein Verhalten erschien daher unverdächtig, zumal er ohnehin die finanziellen Angelegenheiten für seine betagte Mutter erledigte. Greifbare Anhaltspunkte für die Annahme, er wolle diese hintergehen, waren für die Beklagte nicht vorhanden. Eine Rückfrage bei der Vollmachtgeberin drängte sich unter den gegebenen Umständen nicht auf.
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2. Da sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand der Einwand des Rechtsmißbrauchs als unbegründet erweist und weiterer Parteivortrag, der zu einem anderen Ergebnis führen könnte, nicht zu erwarten ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Die Klage erweist sich danach als unbegründet.
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