Beschwerdewert für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Partei
Orientierungssatz
1. Es bemißt sich der Beschwerdewert für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Partei nach ihrem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheimzuhalten (so auch BGH, 1991-01-30, XII ZB 156/90, NJW 1991, 1833).
2. Das Interesse des zur Auskunft verurteilten Beklagten, von der Verweigerung der Auskunft abhängige Ansprüche des Klägers abzuwehren, ist bei der Bewertung seines Rechtsmittelinteresses auch nicht mit einem Bruchteil dieser Ansprüche zu berücksichtigen (so auch BGH, 1990-12-17, II ZR 89/90, WM IV 1991, 1317).


vorgehend LG Kiel, 13. November 1990, 11 O 517/88
Entgegen BGH 2. Zivilsenat, 21. Februar 1994, II ZB 13/93
So auch BGH 4. Zivilsenat, 8. Dezember 1993, IV ZB 14/93
So auch BGH 2. Zivilsenat, 17. Dezember 1990, II ZR 89/90
Gründe
I.
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Einsichtnahme in verschiedene Unterlagen, die Kreditverträge ihres früheren Ehemannes mit der B.bank KG betreffen. Die KG hat ihre Ansprüche an die Beklagte abgetreten, die gegen die Klägerin die Zwangsvollstreckung betreibt.
- 2
Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Beschluß vom 30. Mai 1991, zugestellt am 6. Juni 1991, als unzulässig verworfen, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 700 DM nicht übersteige. Vorher hatte es den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 100 DM festgesetzt.
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Gegen den die Berufung verwerfenden Beschluß richtet sich die am 12. Juni 1991 eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten.
II.
- 4
Die nach §§ 519 b Abs. 2, 547, 577 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht die Berufungssumme von 700 DM (§ 511 a Abs. 1 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemißt sich der Beschwerdewert für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Partei nach ihrem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheimzuhalten (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1990 - II ZR 89/90, WM 1991, 1317 und Beschluß vom 30. Januar 1991 - XII ZB 156/90, NJW 1991, 1833, jeweils m.w.Nachw.; Senatsbeschluß vom 23. Januar 1990 - XI ZB 6/89).
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Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat allein auf den für die Auskunftserteilung erforderlichen mit höchstens 100 DM zu bemessenden Aufwand abgestellt und das "Ferninteresse" der Beklagten an der Abwehr späterer, möglicherweise durch die Auskunft vorbereiteter Ansprüche unberücksichtigt gelassen.
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Diese Bewertung des Rechtsmittelinteresses, die vom Senat nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm gemäß § 3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (BGH, Beschluß vom 13. März 1985 - IVa ZB 2/85, WM 1985, 764; Beschluß vom 16. Dezember 1987 - IVb ZB 124/87, NJW-RR 1988, 836, 837), ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ihr Interesse, von der Verweigerung der Auskunft abhängige Ansprüche der Klägerin abzuwehren, bei der Bewertung ihres Rechtsmittelinteresses auch nicht mit einem Bruchteil dieser Ansprüche zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1990 aaO m.w.Nachw.); denn es wird durch die Verurteilung zur Erteilung der Auskunft, die für den Grund des Hauptanspruchs keine Rechtskraft schafft, nicht entscheidend berührt. Für die Bewertung des Abwehrinteresses bleibt deshalb, von dem hier nicht gegebenen Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen, die Vermeidung des Aufwandes an Zeit und Arbeit, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft verursacht. Diesen Aufwand hat das Berufungsgericht fehlerfrei bemessen. Tatsächliche Umstände, die zu einer höheren Bewertung führen müßten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Wenn sie in ihrer Gegenvorstellung gegen den Streitwertbeschluß des Berufungsgerichts ihr großes Interesse an der Abwehr künftiger Ansprüche der Klägerin als den nach ihrer Ansicht entscheidenden Bewertungsfaktor hervorhebt und in diesem Zusammenhang erklärt, es gehe nicht um die Herausgabe bestimmter Papiere oder Unterlagen, "die für Pfennige geschrieben oder kopiert werden können", so spricht diese eigene Bewertung dafür, daß der für die Auskunft erforderliche Aufwand mit 100 DM nicht zu niedrig bemessen wurde, daß er jedenfalls 700 DM nicht übersteigt. Der Hinweis in der Beschwerdeschrift, es handele sich um die Auskunft über drei Kreditverträge aus dem Jahre 1980, deren Beibringung schon auf den ersten Blick nicht einfach erscheine, rechtfertigt keine andere Bewertung.
- 8
Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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