Inhalt der Revisionsbegründung gegen eine kassatorische Entscheidung wegen unzulässiger Zurückverweisung
Leitsatz
1. Gegen eine kassatorische Entscheidung nach ZPO § 539 kann mit der Revision nur in der Form des ZPO § 554 Abs 3 Nr 3 Buchst b geltend gemacht werden, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt sei.
2. Hierbei kann die Rüge zulässigerweise auch so lauten, daß die ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung (verfahrens-)fehlerhaft sei, weil das Berufungsgericht bei korrekter Anwendung des materiellen Rechts selbst in der Sache hätte entscheiden müssen.
3. Allein in dem Umstand, daß mit der Revision die Anwendung des materiellen Rechts beanstandet wird, kann keine den Anforderungen des ZPO § 554 Abs 3 Nr 3 Buchst b genügende Rüge zu ZPO § 539 gesehen werden.






vorgehend LG Magdeburg, 5. Oktober 1994, 8 O 1343/94
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 28. November 1995 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 487.304,46 DM
Gründe
I.
- 1
Die Parteien streiten um die Erstattung von Zinszahlungen, die die Klägerin für Altkreditschulden des früheren VEB A. erbracht hat. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Ersturteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung mit der Begründung an das Landgericht zurückverwiesen, daß entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen und angebotene Beweise verfahrensfehlerhaft nicht erhoben worden seien. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten.
II.
- 2
Die Revision ist unzulässig, da sie keine ordnungsgemäße Begründung enthält (§§ 554 Abs. 3 Nr. 3 b, 554 a ZPO).
- 3
1. Das Berufungsgericht hat nicht in der Sache entschieden, sondern das landgerichtliche Urteil aufgrund nach seiner Auffassung gegebener Verfahrensfehler gemäß § 539 ZPO aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen diese kassatorische Entscheidung, die beide um eine Sachentscheidung nachsuchenden Parteien beschwert (Senatsurteil vom 30. Oktober 1990 - XI ZR 173/89, NJW 1991, 704), kann mit der Revision nur geltend gemacht werden, daß die ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung gegen das Gesetz verstößt (BGH, Urteile vom 24. Februar 1983 - IX ZR 35/82, NJW 1984, 495, vom 19. Oktober 1989 - I ZR 22/88, NJW-RR 1990, 480 und vom 21. Oktober 1992 - XII ZR 125/91, NJW-RR 1993, 442). Es kann somit nur - und zwar in der Form des § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO - gerügt werden, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt sei. Hierfür müssen die Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben sollen, in den wesentlichen Punkten genau und bestimmt angegeben werden (BGHZ 14, 205, 209 und Urteil vom 24. Februar 1983 - IX ZR 35/82, aaO).
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2. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht.
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a) Die Beklagte hat die Anwendung des § 539 ZPO nicht gerügt. Die dem Revisionsvorbringen vorangestellte allgemeine Rüge der Verletzung formellen Rechts, insbesondere des § 286 ZPO, genügt in diesem Zusammenhang nicht. Die Frage der Zurückverweisung wird in der Revisionsbegründung nicht einmal angesprochen; die Vorschrift des § 539 ZPO bleibt unerwähnt. Die Revisionsbegründung setzt sich vielmehr ausschließlich mit den - für das weitere Verfahren nicht bindenden (vgl. BGHZ 31, 358, 364) - sachlich-rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts zur Auslegung des § 12 Abs. 2 SpTrUG und zum Vorliegen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses auseinander.
- 6
b) Zwar kann eine Rüge zu § 539 ZPO zulässigerweise auch so lauten, daß die nach dieser Vorschrift ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung (verfahrens-)fehlerhaft sei, weil das Berufungsgericht bei korrekter Anwendung des materiellen Rechts selbst in der Sache hätte entscheiden müssen, mithin für ein Vorgehen nach § 539 ZPO mangels Entscheidungserheblichkeit des angenommenen Verfahrensverstoßes überhaupt kein Raum bestanden habe (vgl. BGHZ 31, 358, 364). Aber auch für eine solche Deutung gibt die Revisionsbegründung keinen genügenden Anhalt. Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang insbesondere nicht auf die Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 19. Oktober 1989 (I ZR 22/88, NJW-RR 1990, 480) berufen. In dem dort entschiedenen Fall hatte die Revision immerhin konkret beanstandet, daß das Berufungsgericht den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen hatte, und zudem ausdrücklich die Auffassung vertreten, das Berufungsgericht hätte bei richtiger Anwendung des materiellen Rechts eine eigene Sachentscheidung zu ihren Gunsten treffen müssen. Damit bestand dort für die Annahme einer (konkludenten) Verfahrensrüge eine noch tragfähige Grundlage. Anders verhält es sich jedoch hier. Im vorliegenden Fall müßte allein aus dem Umstand, daß die Revision die vom Berufungsgericht angestellten materiellrechtlichen Überlegungen als unrichtig beanstandet, auf eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge zu § 539 ZPO geschlossen werden. Dies würde jedoch nach Auffassung des Senats zu einer nicht mehr hinnehmbaren Aushöhlung des Begründungserfordernisses nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO führen.
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