Faksimileunterschrift auf Empfangsbekenntnis
Leitsatz
1. Das schriftliche Empfangsbekenntnis des Anwalts nach ZPO § 212a muß eigenhändig unterschrieben sein. Eine durch Faksimile-Stempel hergestellte Unterschrift genügt nicht.










vorgehend LG Regensburg, 19. Mai 1988, 6 O 227/88
Gründe
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I. Der Beklagte wurde durch Urteil des Landgerichts vom 19. Mai 1988 zur Zahlung von 15.116,40 DM nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Mit einem am 27. Juli 1988 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz legte er Berufung ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung. Durch Beschluß vom 24. August 1988 versagte das Berufungsgericht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig.
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Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich der Beklagte gegen die Verwerfung der Berufung. Er macht nunmehr geltend, die Frist zur Einlegung der Berufung sei nicht versäumt worden, weil sie infolge fehlerhafter Zustellung des erstinstanzlichen Urteils nicht in Gang gesetzt worden sei. Hierzu trägt er vor, das mit dem 31. Mai 1988 datierte Empfangsbekenntnis trage nicht die Originalunterschrift seines erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, des Rechtsanwalts L.. Ein Student, der während des Urlaubs des Rechtsanwalts L. als Aushilfe tätig gewesen sei, habe das Empfangsbekenntnis mit dem 31. Mai 1988 datiert und mit einem Faksimile-Stempel "unterzeichnet".
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II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 519b Abs. 2, §§ 547, 577 ZPO) und begründet. Die Berufungsfrist ist nicht versäumt.
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1. Die sofortige Beschwerde enthält hinsichtlich der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils neues Vorbringen, das zu berücksichtigen ist. Nach § 570 ZPO kann die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden. Das gilt auch für die sofortige Beschwerde des § 519 Abs. 2 ZPO (BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 1958 - VIII ZB 15/58, VersR 1959, 236 und vom 10. Dezember 1969 - VIII ZB 43/69, VersR 1970, 184). Danach sind neue Tatsachen jedenfalls zu berücksichtigen, wenn damit die Rechtzeitigkeit der Berufung dargetan werden soll (BGH, Beschluß vom 10. Dezember 1969 aaO). Das ist hier der Fall.
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2. Nach § 516 ZPO beginnt die Berufungsfrist von einem Monat mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Danach wäre die am 27. Juli 1988 eingelegte Berufung des Beklagten nur verspätet, wenn ihm das Urteil des Landgerichts vor dem 27. Juni 1988 wirksam zugestellt worden wäre. Das ist nicht der Fall.
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Die Geschäftsstelle des Landgerichts veranlaßte gemäß § 212a ZPO die Zustellung des Urteils gegen Empfangsbekenntnis des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, des Rechtsanwalts L.. Wie der Senat durch Augenschein festgestellt hat, trägt das Empfangsbekenntnis keine eigenhändige Unterschrift, sondern einen Namenszug, der durch Stempelabdruck oder auf ähnliche Weise hergestellt sein muß. Damit fehlt es an einem wirksamen Empfangsbekenntnis.
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a) Für die Zustellung an einen Anwalt gegen Empfangsbekenntnis verlangt § 212a ZPO, ebenso wie § 198 Abs. 2 ZPO für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt, ein schriftliches, mit Datum und Unterschrift versehenes Empfangsbekenntnis des Anwalts. Dieses Empfangsbekenntnis dient nicht nur dem Nachweis der Zustellung, sondern ist, wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat, eine unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung (BGHZ 30, 299, 303ff.; 35, 236, 237; 57, 160, 162ff.; BGH, Urteile vom 14. Dezember 1976 - VI ZR 56/76, VersR 1977, 424, vom 25. Mai 1987 - II ZR 297/86, WM 1987, 1234 und vom 11. März 1987 - VIII ZR 160/86, BGHR ZPO § 212a Empfangsbekenntnis 1 = NJW 1987, 2679, 2680; BGH, Beschluß vom 12. Juni 1986 - IX ZB 39/86, VersR 1986, 1102, 1103).
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b) Die nach dem Gesetz erforderliche Unterschrift des Anwalts ist nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (zu §§ 198, 212a ZPO und § 5 Abs. 2 VwZG) eigenhändig und handschriftlich zu leisten (RGZ 151, 82, 84f.; BGHZ 30, 299, 303ff.; 57, 160, 163f.). Angesichts des insoweit übereinstimmenden Unterschriftserfordernisses in § 130 Nr. 6 und § 212a ZPO können zur näheren Bestimmung der Anforderungen an die anwaltliche Unterschrift in einem Empfangsbekenntnis keine anderen Maßstäbe angelegt werden als für bestimmende Schriftsätze (BGHZ 57, 160, 164; ebenso BAG, Urteil vom 3. Oktober 1975 - 2 AZR 339/74, AP Nr. 5 zu § 212a ZPO). Für sie ist jedoch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, daß ein Faksimile- Stempel die Unterschrift nicht ersetzt (RGZ 119, 62, 63; 151, 82, 84f.; RGSt 69, 137, 138; BGH, Beschluß vom 14. Dezember 1954 - V ZB 31/54, JR 1955, 266 mit ausführlicher Stellungnahme zur Gegenmeinung; zweifelnd gegenüber der abw. Auffassung zu § 5 Abs. 2 VwZG: BGHZ 57, 160, 164; vgl. auch BFH, Urteile vom 29. August 1969 - III R 86/68, NJW 1970, 1439 sowie vom 7. August 1974 - II R 169/70, BFHE 113, 490, 492; BSG, Urteil vom 4. August 1961 - 7/9 RV 1026/59, Praxis 1961, 539; zur Unzulässigkeit eines Beglaubigungsvermerks mit Faksimile-Stempel vgl. BGHZ 24, 116, 117 und BGH, Beschluß vom 10. Dezember 1969 - VIII ZB 43/69, VersR 1970, 184). Daran ist für die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses festzuhalten. Nur so kann sichergestellt werden, daß der Anwalt die Kenntnisnahme selbst beurkundet und dies nicht in unzulässiger Weise Dritten - etwa Kanzlei-Angestellten - überläßt (vgl. dazu BGH, Beschluß vom 21. April 1982 - IVa ZB 20/81, NJW 1982, 1650; Urteil vom 11. März 1987 - VIII ZR 160/86, BGHR ZPO § 212a Empfangsbekenntnis 1 und 2 = NJW 1987, 2679, 2680; ferner BAG, Urteil vom 3. Oktober 1975 - 2 AZR 339/74 - AP Nr. 5 zu § 212a ZPO).
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