Internationales Devisenrecht und IWF: Einklagbarkeit von Wechselforderungen aus dem internationalen Kapitalverkehr
Leitsatz
Art VIII Abschn 2 (b) IWF-Ü (juris: IMFAbk) erfaßt vorbehaltlich der Ausnahmebestimmung des Art VII Abschn 3 (b) IWF-Ü und der Übergangsregelung des Art XIV Abschn 2 IWF-Ü nur Devisenkontrollbestimmungen, die mit Zustimmung des Internationalen Währungsfonds eingeführt worden sind, nicht aber Beschränkungen des internationalen Kapitalverkehrs, die ausnahmslos einer Zustimmung des Fonds nicht bedürfen.














vorgehend LG Passau, 24. Mai 1988, 3 O 10/85


Geimer, LM Internationaler Währungsfonds, Abkommen üb. - Nr 9 (8/1994) (Anmerkung)


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Tatbestand
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Die Klägerin, eine deutsche Raiffeisen-Volksbank, nimmt den Beklagten, einen österreichischen Staatsbürger, als Aussteller eines von B. angenommenen Wechsels an eigene Order über 1.000.000 DM in Anspruch. Der in Deutschland ausgestellte Wechsel wurde der Klägerin, die dem Beklagten einen Kontokorrentkredit in gleicher Höhe gewährt hatte, sicherungshalber indossiert. Mangels Zahlung ging er zwei Tage nach Fälligkeit (29. März 1982) zu Protest.
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Nach Zustellung eines Wechselmahnbescheids am 27. November 1984 und Übergang in den Urkundenprozeß hat die Klägerin ein rechtskräftig gewordenes Urkunds-Anerkenntnis- Vorbehaltsurteil über den streitigen Betrag zuzüglich Zinsen, Wechselunkosten und Wechselprovision Zug um Zug gegen Herausgabe des quittierten Wechsels erwirkt. Im Nachverfahren macht der Beklagte vor allem geltend: Die Klage sei unzulässig, weil die streitige Forderung wegen Verstoßes gegen österreichische Devisenkontrollbestimmungen nach Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 des Bretton Woods-Abkommens vom 1./22. Juli 1944 über den internationalen Währungsfonds (IWF-Ü) unklagbar sei. Schon bei Eingehung der Wechselverbindlichkeit, für die eine Bewilligung der Österreichischen Nationalbank nicht vorliegt, sei er österreichischer Deviseninländer gewesen. Außerdem sei die Klageforderung bis zur Ausschöpfung aller Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Beitreibung des Wechselanspruchs gegen die Akzeptantin gestundet; sie sei im übrigen verjährt.
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Das Landgericht hat sein Urkunds-Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet.
I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
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Die Klage sei zulässig; die allgemeinen Prozeßvoraussetzungen, zu denen die Klagbarkeit einer Forderung nach Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Ü gehöre, seien durch das rechtskräftige Vorbehaltsurteil für das Nachverfahren bindend festgestellt. Das Vorbehaltsurteil beruhe insoweit nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel im Urkundenprozeß.
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Die Klage sei auch begründet. Die Wechselverbindlichkeit des Beklagten, eines österreichischen Deviseninländers, unterfalle zwar Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Ü. Sie sei als Devisenkontrakt im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren und laufe § 14 Abs. 1 des österreichischen Devisengesetzes (DevG), einer übereinkommenskonformen Devisenkontrollbestimmung, zuwider. Die wechselmäßige Haftung des Beklagten werde dadurch jedoch nicht berührt. Lediglich an der gerichtlichen Rechtsverfolgung sei die Klägerin nach Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Ü gehindert gewesen. Auch die Einrede der Verjährung greife nicht durch. Mangels Klagbarkeit sei die Verjährung der Wechselforderung in entsprechender Anwendung des § 203 BGB bis zum Eintritt der Rechtskraft des Vorbehaltsurteils gehemmt gewesen, so daß die einjährige Verjährungsfrist nach Art. 70 Abs. 2 WG nie begonnen habe.
II.
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Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
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1. Sie rügt vor allem, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß die für die Anwendung des Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Ü bedeutsamen Tatsachen erstmals im Nachverfahren vorgetragen worden seien. Die Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils reiche auch in bezug auf allgemeine Prozeßvoraussetzungen nicht weiter als das Vorbringen des Beklagten im Vorverfahren. Abgesehen davon habe das Berufungsgericht zu Unrecht nicht in Erwägung gezogen, gegen Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Ü verstoßende Devisenkontrakte in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 55, 334, 337 f.; BGH, Urteil vom 31. Januar 1991 - III ZR 150/88, WM 1991, 1009, 1011) nicht prozessual als unklagbar anzusehen, sondern materiellrechtlich als unvollkommene Verbindlichkeit zu begreifen (vgl. Ebke, Internationales Devisenrecht S. 293 - 308).
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2. Ob diesen Angriffen der Revision zu folgen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Eine durchsetzbare Wechselforderung der Klägerin gegen den Beklagten besteht in jedem Falle, weil Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 des IWF-Übereinkommens, dem sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Republik Österreich beigetreten sind, hier nicht eingreift.
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a) Die angeführte Vorschrift hat in der englischen Originalfassung folgenden Wortlaut:
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"Exchange contracts which involve the currency of any member and which are contrary to the exchange control regulations of that member maintained or imposed consistently with this Agreement shall be unenforceable in the territories of any member."
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Die amtliche Übersetzung dieser Bestimmung in die deutsche Sprache lautet:
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"Aus Devisenkontrakten, welche die Währung eines Mitglieds berühren und den von diesem Mitglied in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen aufrechterhaltenen oder eingeführten Devisenkontrollbestimmungen zuwiderlaufen, kann in den Hoheitsgebieten der Mitglieder nicht geklagt werden."
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Völkerrechtlich ist allein die englische Fassung verbindlich, da der Internationale Währungsfonds bisher keine der Übersetzungen in fremde Sprachen anerkannt hat (BGHZ 116, 77, 83; BGH, Urteil vom 8. November 1993 - II ZR 216/92, WM 1994, 54).
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b) Die streitige Wechselverpflichtung des Beklagten fällt zwar unter den Begriff der "Devisenverträge" ("exchange contracts") im Sinne dieser Vorschrift, da sie Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz der Republik Österreich haben kann (vgl. BGHZ 116, 77, 83; BGH, Urteil vom 27. April 1970 - II ZR 12/69, WM 1970, 785, 786; BGH, Urteil vom 8. November 1993 - II ZR 216/92, WM 1994, 54, 55). Die Klagbarkeit kann entgegen der Ansicht der Revision aber nicht verneint werden, weil die Wechselverpflichtung keiner Devisenkontrollbestimmung zuwiderläuft, die in Übereinstimmung mit dem IWF-Übereinkommen aufrechterhalten oder eingeführt worden ist ("are contrary to the exchange control regulations of that member maintained or imposed consistently with this Agreement"). § 14 Abs. 1 DevG, wonach die Einräumung von Krediten an Ausländer, die Aufnahme von Krediten bei Ausländern, die Übernahme von sonstigen Geldverpflichtungen gegenüber Ausländern und die Bestellung von Sicherheiten für ausländische Gläubiger der Bewilligung der österreichischen Nationalbank bedürfen, ist keine solche Devisenkontrollbestimmung.
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aa) Nach Art. VIII Abschn. 2 (a) IWF-Ü dürfen vorbehaltlich der Übergangsregelung des Art. XIV Abschn. 2 IWF-Ü sowie einer hier nicht einschlägigen Ausnahmebestimmung Zahlungen und Übertragungen für laufende internationale Geschäfte nur mit Zustimmung des Fonds Beschränkungen unterworfen werden. Eine Zustimmung zu § 14 Abs. 1 DevG hat die Republik Österreich nach Mitteilung des Internationalen Währungsfonds nicht eingeholt. Die angesprochene Übergangsregelung ist hier ohne Belang, da Österreich die Verpflichtungen aus Art. VIII Abschn. 2, 3 und 4 IWF-Ü bereits mit Wirkung vom 1. August 1962 übernommen und die Übergangsregelung für aufrechterhaltene Devisenbeschränkungen damit ihre Wirksamkeit verloren hat (Art. XIV Abschn. 1 Satz 1 IWF-Ü).
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bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann § 14 Abs. 1 DevG auch nicht als übereinkommenskonforme Devisenkontrollbestimmung im Sinne des Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Ü angesehen werden. Das Berufungsgericht meint, zustimmungsbedürftig seien nach Art. VIII Abschn. 2 (a) IWF-Ü nur Devisenbestimmungen über Restriktionen bei der Durchführung von Zahlungen und Überweisungen zur Erfüllung internationaler Geschäfte, nicht aber Beschränkungen bei der Aufnahme von Krediten im Ausland und bei der Bestellung von Sicherheiten für ausländische Gläubiger, wie sie § 14 Abs. 1 DevG enthalte. Wenn § 14 Abs. 1 DevG nach Art. VIII Abschn. 2 (a) IWF-Ü nicht zustimmungsbedürftig ist, weil er, wovon nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, sich nicht auf Zahlungen für laufende internationale Geschäfte bezieht, so greift auch Art. VIII Abschn. 2 (b) IWF-Ü nicht ein. Erfaßt werden von dieser Vorschrift vorbehaltlich der Ausnahmebestimmung des Art. VII Abschn. 3 (b) IWF-Ü und der Übergangsregelung des Art. XIV Abschn. 2 IWF-Ü nur Devisenkontrollbestimmungen, die mit Zustimmung des Fonds eingeführt worden sind, nicht aber Beschränkungen des internationalen Kapitalverkehrs, die ausnahmslos einer Zustimmung des Fonds nicht bedürfen.
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Art. VIII Abschn. 2 (a) und (b) IWF-Ü stehen, wie in dem bereits erwähnten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1993 - II ZR 216/92 (WM 1994, 54, 55) näher ausgeführt ist, in einem sehr engen Text- und systematischen Zusammenhang. Unter der gemeinsamen programmatischen Überschrift "Vermeidung von Beschränkungen laufender Zahlungen" ("Avoidance of restrictions on current payments") wird unter (a) das grundsätzliche Verbot ausgesprochen, den laufenden Zahlungsverkehr ohne Zustimmung des Fonds Beschränkungen zu unterwerfen, und unter (b) die Durchsetzung derjenigen Beschränkungen geregelt, die in Übereinstimmung mit dem Abkommen stehen. Nichts spricht nach dem Wortlaut des Art. VIII Abschn. 2 (b) IWF-Ü dafür, daß entgegen der eindeutigen Überschrift und abweichend von Art. VIII Abschn. 2 (a) IWF-Ü nicht nur übereinkommenskonforme Beschränkungen des laufenden Zahlungsverkehrs, sondern auch im freien Ermessen der Mitgliedsstaaten stehende Restriktionen anderer Geschäfte des internationalen Verkehrs von Art. VIII Abschn. 2 (b) IWF-Ü erfaßt und in allen Mitgliedsstaaten durchgesetzt werden sollen.
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Versuche im Schrifttum (vgl. Ebke, Internationales Devisenrecht S. 245 f.; ders. RIW 1993, 613, 621 f.; Rüßmann WM 1983, 1126, 1127; Geimer EWiR 1991, 485, 486), unter Berufung auf die Zielsetzung des IWF-Übereinkommens Verträge des internationalen Kapitalverkehrs, insbesondere Kreditverträge, in den Anwendungsbereich des Art. VIII Abschn. 2 (b) IWF-Ü einzubeziehen, übersehen die besondere Bedeutung, die dem Wortlaut bei der Auslegung multilateraler Abkommen im Interesse einer einheitlichen Anwendung zukommt (BGHZ 52, 216, 220; 84, 339, 343), und sind mit dem Sinn und Zweck des IWF-Übereinkommens sowie der Regelung des Art. VIII Abschn. 2 (b) IWF-Ü nicht vereinbar. Nach Art. I (iv) und Art. IV Abschn. 1 dient das IWF-Übereinkommen u.a. dem Ziel, wachstumshemmende Devisenverkehrsbeschränkungen zu beseitigen und den Kapitalverkehr zu erleichtern. Beschränkungen der Freiheit, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, sind in das Abkommen nicht aufgenommen worden, da die vertragsschließenden Staaten zu einem entsprechenden Verzicht auf einen Teil ihrer Souveränität nicht bereit waren. Die Annahme, sie hätten sich gleichwohl verpflichten wollen, beliebigen Kapitalverkehrskontrollen eines jeden Mitgliedsstaates zur Durchsetzung zu verhelfen, entbehrt jeder Grundlage (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1993 - II ZR 216/92, WM 1994, 54, 56; Ebenroth/Woggon IPRax 1993, 151, 152 f.).
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cc) An der Auslegung, daß Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Ü auf Beschränkungen laufender Zahlungen ohne Zustimmung des Fonds sowie alle Restriktionen des internationalen Kapitalverkehrs nicht anwendbar ist, ist der erkennende Senat durch das Urteil BGHZ 116, 77 f. nach § 132 Abs. 2 GVG nicht gehindert. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist in jener Entscheidung zwar davon ausgegangen, bei einem Betriebsmittelkredit einer deutschen Bank an eine griechische Aktiengesellschaft handele es sich um einen Devisenkontrakt im Sinne des Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Ü (aaO S. 83). Das genannte Urteil beruht aber nicht auf dieser Ansicht (aaO S. 84 unter II 2.). Außerdem ist der Entscheidung nicht zu entnehmen, ob der Betriebsmittelkredit dem internationalen Kapitaltransfer oder aber nach Art. XXX (d) IWF-Ü dem laufenden Zahlungsverkehr zuzurechnen war (Ebenroth/Woggon IPRax 1993, 151).
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3. Da Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Ü nicht eingreift, erweist sich die - ohnehin bedenkliche - Ansicht des Berufungsgerichts, mangels Klagbarkeit der Wechselforderung sei deren Verjährung in entsprechender Anwendung des § 203 BGB bis zum Eintritt der Rechtskraft des Vorbehaltsurteils gehemmt gewesen, ebenfalls als unrichtig.
III.
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Die Auffassung des Berufungsgerichts, die wirksam begründete Wechselforderung der Klägerin sei nicht verjährt, stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
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Die Verjährung der Verpflichtung des Beklagten aus dem in Deutschland ausgestellten Wechsel richtet sich, wovon auch die Parteien einvernehmlich ausgehen, nach deutschem Recht (Art. 93 Abs. 2 WG). Gemäß Art. 70 Abs. 2 WG verjähren Ansprüche gegen den Aussteller (Art. 9 Abs. 1 WG) in einem Jahr seit dem Tag fristgerechten Protestes, hier dem 31. März 1982. Diese Frist war bei der verjährungsunterbrechenden Zustellung des Wechselmahnbescheids am 27. November 1984 noch nicht abgelaufen, da die Verjährung bis zum 28. Februar 1984 gehemmt war (§ 202 Abs. 1 BGB).
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Nach dem Vorbringen des Beklagten, das sich die Klägerin hilfsweise zu eigen gemacht hat, hatte er mit dieser vereinbart, daß sie ihn erst nach erfolgloser Durchführung der Zwangsvollstreckung gegen die Akzeptantin aus dem Klagewechsel in Anspruch nehmen dürfe. Die Unpfändbarkeitsbescheinigung des Gerichtsvollziehers datiert vom 28. Februar 1984. Da der Beklagte nach der behaupteten Vereinbarung bis zu diesem Zeitpunkt zur Verweigerung der Leistung berechtigt war, greift seine Einrede der Verjährung nicht durch.
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