Mithaftung des Ehegatten für Bankdarlehen: Verbotene Einbeziehung des Ehegatten in Darlehensverhandlungen in der Ehewohnung des Interessenten; Unwirksamkeit der unbegrenzten gegenseitigen Formularvollmacht über gemeinsames Kontokorrentkreditkonto; sittenwidrig veranlaßte Mithaftung des einkommens- und vermögenslosen Ehegatten
Leitsatz
1. Hat eine Bank mit einem Darlehensinteressenten ohne Einverständnis seiner Ehefrau einen Hausbesuch vereinbart, so liegt im Verhältnis zur Ehefrau keine "vorhergehende Bestellung" iS des GewO § 55 vor. Es verstößt daher gegen GewO § 56 Abs 1 Nr 6, wenn der Bankvertreter auch die Ehefrau in die Vertragsverhandlungen einbezieht und sie zur Übernahme der Mithaftung veranlaßt.
2. Beantragen mehrere Personen gemeinsam die Bewilligung eines Kontokorrentkredits und seine Abwicklung über ein Gemeinschaftskonto mit Einzelzeichnungsberechtigung, so verstößt eine Formularklausel, in der sich die Antragsteller gegenseitig bevollmächtigen, in unbegrenzter Höhe weitere Verbindlichkeiten zu Lasten des gemeinschaftlichen Kontos einzugehen, gegen AGBG §§ 3, 9 Abs 1.
3. Zur Frage, unter welchen Umständen es als sittenwidrig zu bewerten ist, wenn eine Bank bei Bewilligung eines Betriebskredits die einkommens- und vermögenslose Ehefrau des Betriebsinhabers zur Übernahme der Mithaftung veranlaßt.
Orientierungssatz
1. Die finanzielle Überforderung des Darlehensnehmers kann es jedenfalls zusammen mit anderen Geschäftsumständen rechtfertigen, einem Darlehensvertrag aufgrund einer Gesamtwürdigung die rechtliche Wirksamkeit zu versagen (vergleiche BGH, 1989-03-16, III ZR 37/88, WM IV 1989, 595; BVerfG, 1990-02-07, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469).




























vorgehend LG Würzburg, 28. März 1988, 2 O 2131/87
Vergleiche OLG Nürnberg 12. Zivilsenat, 8. März 1999, 12 W 547/99
Fortführung BGH 11. Zivilsenat, 11. März 1997, XI ZR 50/96
Vergleiche OLG Düsseldorf 24. Zivilsenat, 31. Oktober 1996, 24 W 13/96
Vergleiche BGH 11. Zivilsenat, 26. April 1994, XI ZR 184/93
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... mehrHerberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Junker, 8. Auflage 2017, § 312 BGB
Vergleiche BGH 3. Zivilsenat, 16. März 1989, III ZR 37/88
Tatbestand
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Die 1958 geborene Beklagte und ihr früherer Ehemann sind Griechen, wohnen aber schon seit längerer Zeit in Deutschland. Ihre Ehe, aus der zwei - 1974 und 1977 geborene - Kinder stammen, wurde während des Rechtsstreits geschieden. Die Beklagte erhält für sich und die bei ihr lebenden Kinder Sozialhilfe. Auch während der Ehe war sie nicht berufstätig. Ihr Ehemann arbeitete zunächst als Pelznäher in einer N. Firma. 1981 machte er sich selbständig und betrieb ein Pelzhandelsgeschäft. Dafür unterhielt er bei der Klägerin zunächst ein Einzelkonto. Später benötigte er für eine Geschäftserweiterung Kredit. Auf seine Veranlassung erschien am 12. Juni 1984 der Zeuge W. als Vertreter der Klägerin in der damaligen ehelichen Wohnung der Beklagten. Beide Eheleute unterschrieben dort einen Antrag auf einen Betriebsmittelkredit von 50.000 DM. Zur Abwicklung des Kredits wurde das bestehende Einzelkonto in ein gemeinschaftliches Geschäftskontokorrentkonto mit Einzelzeichnungsberechtigung umgewandelt. In dem am 15. Juni 1984 von beiden Eheleuten unterzeichneten Antragsformular heißt es u.a.:
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"Jeder von uns ist berechtigt, Verbindlichkeiten zu Lasten des gemeinschaftlichen Kontos einzugehen."
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Anfang 1985 bewilligte die Klägerin eine Erhöhung des Betriebsmittelkredits um 15.000 DM; der entsprechende Antrag wurde am 5. Februar 1985 wiederum von beiden Eheleuten unterschrieben. Später überzog der Ehemann der Beklagten den eingeräumten Kreditrahmen beträchtlich, so daß sich per 30. April 1986 ein Schuldsaldo von 132.981,08 DM ergab. Im Mai 1986 kündigte die Klägerin das Kreditverhältnis. Nach Verwertung von Sicherheiten hat sie mit der Klage von der Beklagten - als Gesamtschuldnerin mit ihrem früheren Ehemann - die Zahlung von 126.196,38 DM nebst 14,25% Zinsen verlangt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Hauptforderung auf 118.189,49 DM ermäßigt und nur noch Zinsen zwischen 8% und 9% verlangt. In diesem Umfang hat das Oberlandesgericht die Verurteilung der Beklagten bestätigt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.
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1. Das Berufungsgericht ist, ohne den Inhalt der Vertragsformulare im einzelnen zu würdigen, davon ausgegangen, daß sich daraus eine gesamtschuldnerische Haftung beider Eheleute ergibt. Die Beklagte war sich dieser Bedeutung ihrer Unterschrift nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch bewußt.
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Über die Rügen, mit denen sich die Revision gegen diese Auslegung der Vertragsurkunden und die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wendet, braucht nicht entschieden zu werden. Auch wenn man nämlich mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, daß die Erklärungen der Beklagten darauf gerichtet waren, die Mithaftung für die bewilligten Kredite zu übernehmen, muß die Klage aus anderen Gründen ohne Erfolg bleiben.
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2. Die im Juni 1984 vereinbarte Mithaftung der Beklagten ist wegen Verstoßes gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO gemäß § 134 BGB nichtig.
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Unstreitig war der Bankvertreter W. am 12. Juni 1984 mit dem Kreditantrag in der ehelichen Wohnung der Beklagten erschienen. Er besichtigte zunächst mit dem Ehemann dessen Warenlager. Dann veranlaßten beide die - zuerst ablehnende - Beklagte mit der Erklärung, anders sei eine Kreditgewährung nicht möglich, schließlich doch, den Kreditantrag mitzuunterschreiben.
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Ein Verstoß gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO scheidet nicht etwa deswegen aus, weil der Bankvertreter den Hausbesuch vorher mit dem Ehemann der Beklagten abgesprochen hatte. Im Verhältnis zur Beklagten lag darin keine "vorhergehende Bestellung" im Sinne des § 55 Abs. 1 GewO. Eine solche Bestellung muß vom späteren Verhandlungs- und Vertragspartner selbst oder seinem Stellvertreter ausgehen, nicht von einem am Abschluß interessierten Dritten (BGH, Urteil vom 5. März 1987 - III ZR 43/86 = WM 1987, 613, 615 zu III, 1 m.w. Nachw.). Der Ehemann handelte hier nicht in wirksamer Vertretung der Beklagten, als er mit W. den Hausbesuch vereinbarte. Er hatte ihr zwar das Erscheinen des Bankvertreters vorher angekündigt, aber nicht ihr Einverständnis damit erlangt, daß dieser auch mit ihr Kreditvertragsverhandlungen führte. Die Beklagte ließ vielmehr noch bei Beginn ihres Gesprächs mit W. deutlich werden, daß sie mit dem Geschäft ihres Mannes nichts zu tun haben und den Kreditantrag nicht mitunterschreiben wollte.
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Wenn der Bankvertreter sich unter diesen Umständen nicht auf die Verhandlungen und den Vertragsschluß mit dem Ehemann beschränkte, sondern die Beklagte trotz ihrer Weigerung umzustimmen versuchte, so brachte er sie damit in eben die Situation, vor der sie durch § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO geschützt werden soll. Daß der Ehemann der Beklagten den Bankvertreter dabei unterstützte, rechtfertigt dessen Tätigwerden gegenüber der Beklagten nicht.
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3. Soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 65.000 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist, scheiden die Kreditvereinbarungen vom Juni 1984 und Februar 1985 als Anspruchsgrundlage aus. Die Klägerin kann sich gegenüber der Beklagten insoweit auch nicht auf die Mitunterzeichnung des Kontoänderungsantrags vom 15. Juni 1984 stützen, dessen Formularbedingungen die Bestimmung enthalten, daß jeder Einzelzeichnungsberechtigte eines Gemeinschaftskontos auch berechtigt ist, Verbindlichkeiten zu Lasten des gemeinschaftlichen Kontokorrentkontos einzugehen, für die nach Nr. 2 (3) der AGB-Banken alle Mitinhaber als Gesamtschuldner haften.
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Die in dieser Bestimmung liegende Bevollmächtigung der Kontoinhaber untereinander zur gegenseitigen Mitverpflichtung (Liesecke WM 1961, 546, 553; Schaudwet, Bankenkontokorrent und AGB S. 86) wird im Schrifttum einengend ausgelegt; danach beschränkt sich die Vollmacht auf vorübergehende Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen, berechtigt aber nicht zu Kreditaufnahmen oder -erweiterungen in unbegrenzter Höhe (Liesecke aaO; Bruchner/Bunte, Aktuelle AGB-rechtliche Fragen im Bankgeschäft S. 156/157, 158 m.w.Nachw.).
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Das Berufungsgericht folgt dieser Auffassung nicht, wenn es die vom Ehemann bewirkte Erhöhung des Schuldsaldos auf das Doppelte des bewilligten Kreditbetrags als von der Vollmacht der Beklagten gedeckt ansieht. Bei einer derartig weiten Auslegung hält die vorliegende Klausel der Überprüfung nach den Bestimmungen des AGB-Gesetzes nicht stand:
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a) Zu bejahen sind dann schon die Voraussetzungen des § 3 AGBG. Nach den Umständen des Vertragsschlusses brauchte die Beklagte nicht damit zu rechnen, daß das Kontoänderungsformular eine so weitgehende Vollmachterteilung enthielt. Anlaß der Umwandlung des Einzelkontos in ein Gemeinschaftskonto war die Darlehensgewährung über 50.000 DM. Aus der Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagten seien bei dieser Gelegenheit die Begriffe Gemeinschaftskonto und Einzelzeichnungsberechtigung erläutert worden, ergibt sich nicht, daß der übrige Formularinhalt, insbesondere auch die hier streitige Klausel, besprochen worden ist; der Zeuge W., auf dessen Aussagen das Berufungsgericht seine Feststellungen stützt, hat sich hieran im Gegenteil gerade nicht erinnern können. Die streitige Klausel war in dem umfangreichen, sehr eng und klein gedruckten Text des Antragsformulars in keiner Weise hervorgehoben worden. Danach muß es als verbotene Überrumpelung gewertet werden, wenn die Klägerin aus diesen Formularbedingungen das Recht herleiten will, die Beklagte nicht nur für die Rückzahlung der ausdrücklich bewilligten Kredite in Anspruch zu nehmen, sondern auch für von ihrem Ehemann veranlaßte und von der Klägerin geduldete Kontobelastungen, die den vereinbarten Kreditrahmen weit überschreiten.
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b) Im übrigen hält die streitige Klausel in der Auslegung des Berufungsgerichts auch der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG nicht stand. Durch AGB-Klauseln, in denen sich mehrere Darlehensnehmer gegenseitig bevollmächtigen, weitere Darlehen füreinander aufzunehmen, werden die Kreditnehmer unangemessen benachteiligt, weil ihnen dadurch unkalkulierbare Haftungsrisiken aufgebürdet werden; das ist für Ratenkreditverträge allgemein anerkannt (BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 - III ZR 72/88 = WM 1989, 1086, 1087 zu 2a mit zahlreichen Nachweisen). Für den vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten.
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4. Alle vertraglichen Vereinbarungen der Parteien sind in der - vom Berufungsgericht gebilligten - Auslegung der Klägerin auch wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Beklagte wurde durch die von der Klägerin geforderte Mithaftung für die Geschäftskreditschulden ihres Ehemanns in sittenwidriger Weise finanziell überfordert. Das gilt für den ersten Kredit von 50.000 DM ebenso wie für dessen spätere Aufstockung um 15.000 DM und die Kontoänderung, die nach den AGB der Klägerin zur unbeschränkten Haftung der Beklagten für alle künftigen Kontoüberziehungen des Ehemanns führen sollte.
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a) Die Beklagte übernahm mit diesen Vereinbarungen Verpflichtungen, die sie, wenn nicht völlig unwahrscheinliche Veränderungen ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eintreten, niemals wird erfüllen können. Sie verfügte bei Abschluß der Vereinbarungen 1984/1985 als nicht berufstätige Hausfrau über keine eigenen Einkünfte und kein nennenswertes Vermögen. Eine Verbesserung war damals nicht zu erwarten und hat sich bisher auch nicht ergeben; nach ihrer Scheidung muß die Beklagte nunmehr allein ihre 1974 und 1977 geborenen Kinder betreuen; sie erhält Sozialhilfe. Falls ihr in der Zukunft mit zunehmendem Alter der Kinder eine entgeltliche Arbeitstätigkeit möglich sein sollte, wird ihr Arbeitseinkommen aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse voraussichtlich so gering sein, daß ihr in absehbarer Zeit keine Tilgung der durch Verzinsung ständig wachsenden Schuld möglich sein wird; das war auch bei Abschluß der Vereinbarungen bereits vorauszusehen. Die Beklagte lebt als Griechin in Deutschland, sie hat nur ganz kurze Zeit eine deutsche Schule besucht und keine abgeschlossene Berufsausbildung, da sie sehr früh heiratete und bereits mit 16 Jahren ihr erstes Kind bekam.
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b) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Kreditvertrag mit Rücksicht auf die Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie nicht allein deswegen als sittenwidrig und daher nichtig zu erachten, weil der vermögenslose Darlehensnehmer die übernommenen Zahlungsverpflichtungen voraussichtlich nie oder nur unter besonders günstigen Bedingungen erfüllen kann (Urteile vom 28. Februar 1989 - IX ZR 130/88 = BGHZ 107, 92; vom 16. März 1989 - III ZR 37/88 = WM 1989, 595; vgl. ferner Urteile vom 19. Januar 1989 - IX ZR 124/88 = WM 1989, 245; vom 16. März 1989 - IX ZR 171/88 = WM 1989, 667 und vom 16. November 1989 - III ZR 236/88 = WM 1990, 59).
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Die zitierten Urteile, insbesondere die des IX. Zivilsenats, sind im Schrifttum, aber auch von Instanzgerichten teilweise sehr heftig kritisiert worden (vgl. Reinicke/Tiedtke ZIP 1989, 613; Honsell JZ 1989, 495 und EWiR § 138 BGB 2/90, 129; Wochner BB 1989, 1354; Schwintowski ZBB 1989, 91; Reifner ZIP 1990, 427; LG Münster NJW 1990, 1668, 1669, 1671). Wie weit diese Kritik berechtigt ist, braucht hier nicht umfassend geprüft und abschließend entschieden zu werden. Im vorliegenden Fall zumindest bejaht der erkennende Senat die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB aus folgenden Gründen:
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c) Bereits im Urteil des III. Zivilsenats vom 16. März 1989 aaO ist anerkannt worden, daß die finanzielle Überforderung des Darlehensnehmers jedenfalls zusammen mit anderen Geschäftsumständen es rechtfertigen kann, einem Darlehensvertrag aufgrund einer Gesamtwürdigung die rechtliche Wirksamkeit zu versagen. Die Privatautonomie ist ein Strukturelement der freiheitlichen Gesellschaftsordnung; in ihrem Rahmen getroffene Regelungen hat der Staat grundsätzlich zu respektieren (BVerfG, Beschluß vom 7. Februar 1990 - 1 BvR 26/84 = NJW 1990, 1469, 1470). Wie das Bundesverfassungsgericht jedoch in der zitierten Entscheidung betont hat, sind Beschränkungen der Privatautonomie unentbehrlich, insbesondere wenn einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht hat, daß er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen kann. In solchen Fällen gestörter Vertragsparität ist der Richter zur Anwendung des § 138 BGB und anderer Generalklauseln, die als Übermaßverbote wirken, verpflichtet (BVerfG aaO). Dabei muß allerdings stets beachtet werden, daß jede Begrenzung der Vertragsfreiheit zum Schutze des einen Teils gleichzeitig in die Freiheit des anderen eingreift; den konkurrierenden Rechtspositionen ist ausgewogen Rechnung zu tragen (BVerfG aaO).
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d) Insbesondere folgende Umstände rechtfertigen es hier, die auf Verlangen der Klägerin zustande gekommenen Vereinbarungen über die Mithaftung der Beklagten gemäß § 138 Abs. 1 BGB als nichtig zu bewerten:
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aa) Die streitigen Kredite waren allein für den Gewerbebetrieb des Ehemanns bestimmt; der Ehemann hatte sich an die Klägerin gewandt, weil er sein Pelzhandelsgeschäft erweitern wollte. Die Beklagte war an den unternehmerischen Entscheidungen ihres Mannes nicht beteiligt; sie kümmerte sich - wie dem Bankvertreter W. nach seiner Zeugenaussage bekannt war - überhaupt nicht um das Geschäft, sondern betreute nur den Haushalt und die Kinder. Mag der Gewerbebetrieb letztlich auch dazu dienen, dem Ehemann die Erfüllung seiner Familienunterhaltspflichten zu ermöglichen oder zu erleichtern, so flossen der Beklagten persönlich doch aus der Kreditgewährung keine unmittelbaren Vorteile zu.
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bb) Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an einer Mithaftung der Beklagten ist nicht anzuerkennen. Eine Erfüllung der Darlehensnehmerverpflichtungen konnte sie nur vom Ehemann erwarten, nicht von der Beklagten, die bei Vertragsschluß weder über eigenes Einkommen noch Vermögen verfügte und aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse auch in überschaubarer Zukunft nicht wesentlich zur Schuldtilgung würde beitragen können. Der Klägerin erwuchsen also, wenn sie trotzdem - ihrem Antragsformular folgend, also gewohnheitsmäßig - die Forderung nach einer persönlichen Mithaftung der Ehefrau erhob, daraus kaum greifbare Vorteile. Das Ziel, eventuellen Vermögensverschiebungen vom Kreditnehmer auf den Ehepartner vorzubeugen (vgl. v. Rottenburg ZHR 1989, 162, 172), ist keine Rechtfertigung für die ohne konkreten Anlaß regelmäßig erhobene Forderung nach voller Mithaftung; gegen dolose Vermögensverschiebungen bieten das Anfechtungsgesetz und § 826 BGB angemessenen Schutz.
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cc) Die Klägerin konnte ihre trotzdem erhobene Forderung nach einer Mitverpflichtung der Beklagten nur durchsetzen, indem sie die Kreditgewährung an den Ehemann davon abhängig machte und diesen dadurch veranlaßte, seinen auf der ehelichen Bindung beruhenden Einfluß auf die Beklagte für die Durchsetzung der Forderung der Klägerin einzusetzen. Nach ihrer - bei der persönlichen Anhörung vor dem Landgericht gegebenen - Schilderung gab die Beklagte ihre anfängliche Weigerung, den Kreditantrag vom 12. Juni 1984 mitzuunterschreiben, erst auf, nachdem ihr Ehemann ihr erklärt hatte, sie könne ihm mit ihrer Unterschrift ihre Liebe beweisen.
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Aufgrund einer Gesamtwürdigung aller gegebenen Umstände sind die Vereinbarungen, auf die das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten gestützt hat, als sittenwidrig zu bewerten. Es kann nicht hingenommen werden, daß Banken die Gewährung von Krediten an verheiratete Kreditnehmer ohne konkreten rechtfertigenden Grund auch dann von einer unbeschränkten persönlichen Mitverpflichtung seiner Ehefrau abhängig machen, wenn diese nach ihren persönlichen Verhältnissen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, sich von den übernommenen, sogar nach einer Scheidung weiter bestehenden Belastungen jemals aus eigener Kraft wieder zu befreien.
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