Kreditkündigung wegen unzureichender Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers
Orientierungssatz
1. Nach KWG § 18 (juris: KredWG) sind Kreditinstitute verpflichtet, sich bei Krediten über 100.000 DM die wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen zu lassen und den Kredit während der gesamten Laufzeit zu überwachen. Dabei müssen sie sich nachhaltig um die Vorlage entsprechender Jahresabschlüsse bzw eines Vermögensstatus mit ergänzenden Angaben bemühen und die weitere Kreditgewährung von einer solchen Vorlage abhängig machen, den Kredit also kündigen, wenn ihnen die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht durch das Verhalten ihres Kunden unmöglich gemacht wird.
2. Hat ein Kreditinstitut bei Krediten von 2,4 Millionen DM den Kreditnehmer insgesamt acht mal dringend und zum Teil unter Fristsetzung und Erläuterung seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert, so kann es den Kredit kündigen, wenn der Kreditnehmer auf die letzte Vorlageaufforderung mit Kündigungsandrohung und Fristsetzung eine unzureichende Antwort gibt (die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich seit der Kreditvergabe nicht geändert); ohne die angeforderten Unterlagen vorzulegen.




vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 12. Dezember 1991, 10 O 3199/91
Vergleiche OLG Hamm 31. Zivilsenat, 3. Februar 1997, 31 U 32/96




Tatbestand
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Der Kläger begehrt Feststellung der Unwirksamkeit einer Kreditkündigung.
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Die Beklagte gewährte dem Kläger im September 1988 drei Kredite in Höhe von insgesamt 2,4 Millionen DM, die durch Abbuchung der am Ende jeden Kalendervierteljahres fälligen Raten von einem Kontokorrentkonto ohne Kreditrahmen zu tilgen waren. Nach den Kreditbedingungen konnte die Beklagte die Kredite bei Verstoß des Klägers gegen dessen Vertragspflicht, jederzeit Einblick in seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu gewähren, fällig stellen.
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Ab März 1989 kam der Kläger seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr ordnungsgemäß nach: Das Kontokorrentkonto stand mit Beträgen bis zu fast 80.000 DM - von wenigen Ausnahmen abgesehen - ständig im Soll. Die Beklagte mahnte immer wieder die Rückführung des Sollstandes an und forderte darüber hinaus in einer Reihe von Schreiben vom Kläger dringend die Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, die Vorlage der Jahresabschlüsse für 1987, 1988 und 1989, zumindest Datev-Auswertungen, der Einkommensteuerbescheide für 1988 und 1989 sowie aktuelle Vermögens- und Schuldenaufstellungen. Mit Schreiben vom 19. Dezember 1990 erläuterte die Beklagte noch einmal ihre Verpflichtung zur Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse, wies auf ihre bisherigen vergeblichen Mahnungen zur Vorlage zeitnaher Unterlagen hin, forderte nochmals Bilanzen und Einkommensteuerbescheide an und setzte unter Kündigungsandrohung eine Frist bis zum 1. Februar 1991. Der Kläger teilte daraufhin am 15. Januar 1991 mit, daß sich "in den wirtschaftlichen Verhältnissen gegenüber dem Zeitpunkt der Kreditvergabe" nichts geändert habe; Einkommensteuerbescheide und Bilanzen lägen noch nicht vor.
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Daraufhin kündigte die Beklagte am 8. Februar 1991 die Kreditverträge und forderte den Kläger auf, den noch mit 2.348.137,54 DM offenen Kredit zurückzuführen.
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Das Landgericht hat die auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
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Das Berufungsgericht hat die Kreditkündigung als unwirksam angesehen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger sei zwar wiederholt vergeblich zur Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse angehalten worden. Dabei handele es sich allerdings größtenteils um in längeren zeitlichen Zwischenräumen vorgebrachte Aufforderungen, die in aller Regel die Übersendung von Kontoauszügen und/oder die Aufforderung, Rückstände bei den vierteljährlichen Raten abzutragen, betroffen hätten; die Schreiben seien meist mit einfachem Brief versandt worden; die zumeist zwei oder drei Zeilen umfassende Bitte um Übersendung von Unterlagen sei durchwegs nur beiläufig formuliert gewesen. Die Nichtbeantwortung derartiger Schreiben sei kein "sofortiger" Kündigungsgrund. Die auf das die Kündigung androhende Schreiben vom 19. Dezember 1990 gegebene Antwort des Klägers befriedige "zwar auch nicht voll", hätte aber ebenfalls nicht zur Kündigung führen dürfen, weil keine überprüfbaren Unterlagen zur Verfügung standen und für eine vom Kläger zu fertigende Aufstellung eine Nachfrist hätte gesetzt werden müssen.
II.
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Diese Beurteilung hält einer Überprüfung nicht stand. Die von der Beklagten am 8. Februar 1991 ausgesprochene Kündigung ist wirksam.
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1. Grundlage der Kündigung ist Nr. 8.2.2 in Verbindung mit Nr. 7 der vereinbarten Darlehensbedingungen. Danach konnte die Beklagte die Kredite sofort fällig stellen, wenn der Kläger seine Verpflichtung, Einblick in seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu gewähren, nicht erfüllte.
- 10
Nach § 18 KWG ist ein Kreditinstitut verpflichtet, sich bei Krediten über 100.000 DM die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, aber auch von Steuererklärungen u.a., offenlegen zu lassen und den Kredit während der gesamten Laufzeit zu überwachen, um bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse Vorsorge treffen zu können (vgl. Jährig/Schuck/Rösler/ Woite, Handbuch des Kreditgeschäfts, 1990, S. 342 f.). Die Kreditinstitute sind verpflichtet, sich nachhaltig um die Vorlage entsprechender Jahresabschlüsse bzw. eines Vermögensstatus mit ergänzenden Angaben (vgl. Jährig/Schuck/ Rösler/Woite, aaO, S. 498 ff.) zu bemühen und die weitere Kreditgewährung von einer solchen Vorlage abhängig zu machen, den Kredit also zu kündigen, wenn ihnen die Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung durch das Verhalten ihres Kunden unmöglich gemacht wird.
- 11
2. Gegen seine Verpflichtung zur Vorlage zeitnaher Unterlagen, die eine objektive Beurteilung seiner Vermögensverhältnisse zuließen, hat der Kläger nachhaltig und beharrlich verstoßen. Die Beklagte, die wegen dieses Verhaltens ihr Kreditrisiko nicht mehr beurteilen konnte, hat deshalb die Kredite wirksam fällig gestellt.
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Die Beklagte hat seit dem 17. August 1989 achtmal dringend und z.T. unter Fristsetzung und Erläuterung ihrer gesetzlichen Verpflichtung derartige Unterlagen angefordert. Der Kläger hat darauf nicht entsprechend reagiert und sich auch nicht um die angeforderten Unterlagen bemüht. Erst auf die Kündigungsandrohung vom 19. Dezember 1990 antwortete er mit der unzureichenden Erklärung, es habe sich an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gegenüber dem Zeitpunkt der Kreditvergabe nichts geändert. Das zu beurteilen war Sache der Beklagten, die sich - wie sich aus der Erläuterung ihrer gesetzlichen Verpflichtung ergab - auf solche vagen Erklärungen schon mit Rücksicht auf das Unvermögen des Klägers, seinen Verpflichtungen aus dem Kreditverhältnis pünktlich nachzukommen, nicht verlassen durfte.
- 13
Das Berufungsgericht versucht, die an den Kläger gerichteten Vorlageaufforderungen der Beklagten und damit die beharrliche Nichterfüllung vertraglicher Pflichten durch den Kläger zu bagatellisieren. Dafür besteht nach ihrer Häufigkeit und ihrem eindeutigen Inhalt kein Anlaß. Es kann insbesondere keine Rede davon sein, daß die Aufforderungen nur beiläufig, formelhaft und nur gelegentlich der Übersendung von Kontoauszügen ausgesprochen waren: Sie waren regelmäßig als dringende und unmißverständliche Bitte unter Hinweis auf den Sinn der Aufforderung und z.T. unter Fristsetzung vorgetragen. Daß die Beklagte - elfmal - zusätzlich die Rückführung der Kontoüberziehung anmahnte, weist auf ein weiteres die Kreditkündigung möglicherweise ebenfalls rechtfertigendes Fehlverhalten des Beklagten hin, ändert aber ebensowenig etwas an dem Gewicht der Aufforderungen zur vertragsgemäßen Vorlage zeitnaher Vermögensunterlagen wie der Umstand, daß die Aufforderungen "mit einfachem Brief" versandt worden sind.
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Daß die Beklagte schließlich auf die unzureichende Antwort des Klägers auf ihre Kündigungsandrohung mit dem Ausspruch der Kündigung reagierte, ist nicht zu beanstanden. Dabei spielt keine Rolle, daß der Kontosollstand in diesem Zeitpunkt zurückgeführt war. In ihrem Schreiben vom 19. Dezember 1990 hatte die Beklagte unter Hinweis auf ihre sich aus § 18 KWG ergebende Verpflichtung für die Vorlage der schon mehrfach angeforderten Vermögensunterlagen eine Frist gesetzt und bei ungenutztem Fristablauf die Kündigung aus diesem Grund und nicht wegen eines Kontosollstandes angedroht. Die Beklagte hat, wie die Vorgeschichte zeigt, in kaum zu verantwortender Weise Langmut gezeigt und dem Kläger genügend Gelegenheit zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen gegeben. In dieser Situation bestand für eine Nachfristsetzung, soweit man eine solche nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung überhaupt für erforderlich halten kann, kein Grund.
III.
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Auf die Revision war das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die klagabweisende Entscheidung des Landgerichts wiederherzustellen (§ 565 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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