Sorgfaltspflicht der Bank - Einziehung eines Geschäftszwecken dienenden Inhaberverrechnungsschecks über Privatgirokonto
Leitsatz
1. Die Einziehung eines erkennbar kaufmännischen Zwecken dienenden Inhaberverrechnungsschecks über ein durch die Kontonummer als solches ausgewiesenes Privatgirokonto ist kein ungewöhnlicher Vorgang, der für sich allein nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Verdacht nahelegt, der Scheck könne abhanden gekommen sein.
Orientierungssatz
1. Zitierung: Abgrenzung BGH, 1987-01-12, II ZR 187/86, WM IV 1987, 337.














vorgehend LG Duisburg, 23. Juli 1987, 8 O 46/87



Tatbestand
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Die Klägerin fordert von der beklagten Sparkasse Schadensersatz, weil diese bei der Hereinnahme eines Verrechnungsschecks zur Einziehung grob fahrlässig nicht erkannt habe, daß der Scheck der Klägerin abhanden gekommen war.
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Der Geschäftsführer der Klägerin stellte am 10. September 1986 einen auf die Volksbank B. eG H. gezogenen Inhaberverrechnungsscheck in Höhe von 8.607,47 DM zugunsten der S. GmbH in M. aus, um damit eine offene Rechnung zu bezahlen. Am nächsten Tag wurde der Scheck unter der Adresse des begünstigten Unternehmens zur Post gegeben. Er kam jedoch dort nicht an, sondern geriet auf bisher ungeklärte Weise in den Besitz eines Herrn R. H. in O., der bei der Beklagten ein Girokonto unterhielt. H. reichte den Scheck bei der Beklagten ein, ließ den Betrag auf seinem Konto gutschreiben und hob ihn später ab.
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Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte in Höhe des Scheckbetrages auf Schadensersatz, da ihre Angestellten bei der Scheckannahme die fehlende Berechtigung des Einreichers grob fahrlässig nicht erkannt hätten. Aus der Nummer seines Girokontos sei erkennbar gewesen, daß es sich um ein Privatkonto gehandelt habe. Außerdem hätten sich Verdachtsmomente für die fehlende Berechtigung zur Einlösung eines ersichtlich Geschäftszwecken dienenden Schecks auch aus den finanziellen und persönlichen Verhältnissen des Einreichers ergeben, die den Angestellten der Beklagten bekannt gewesen seien.
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Die Beklagte bestreitet nicht, daß private Girokonten bei ihr achtstellige, Geschäftsgirokonten dagegen sechsstellige Nummern tragen und damit für ihre Schalterbediensteten jeweils als solche erkennbar sind. Sie ist jedoch der Ansicht, daß dieser Umstand allein - wenn nicht weitere Verdachtsmomente hinzutreten - nicht zur Annahme einer groben Fahrlässigkeit ihrer Angestellten führen könne. Diese hätten den Einreicher im übrigen nicht gekannt und daher auch nichts über seine persönlichen oder finanziellen Verhältnisse gewußt, die möglicherweise Anlaß zu Mißtrauen hätten geben können.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils stattgegeben (OLG Düsseldorf WM 1988, 1188 = WuB I D 3. - 13.88 mit ablehnender Anmerkung von Stützle). Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
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1. Das Berufungsgericht ist in seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, daß der frühere Scheckinhaber, dem der Scheck abhanden gekommen ist, von dem Erwerber nach §§ 990, 989 BGB i.V. mit Art. 21 ScheckG Schadensersatz verlangen kann, wenn diesem beim Erwerb des Schecks infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, daß er zum Besitz des Schecks nicht berechtigt war, und er ihn nicht mehr herausgeben kann. Es gelangt zu dem Ergebnis, die Beklagte habe bei der Entgegennahme des Schecks ihre Pflichten grob fahrlässig verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein Kreditinstitut zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, die Berechtigung des Scheckinhabers nachzuprüfen, wenn nicht ganz besondere Umstände den Verdacht nahelegen, der Scheck könne abhanden gekommen sein. Dabei sei in der Regel die Verschiedenheit von Scheckeinreicher und Empfänger kein Umstand, der Verdacht erregen müßte. Hier lägen jedoch besondere Umstände vor. Das Konto des Einreichers sei durch die achtstellige Kontonummer als Privatkonto gekennzeichnet gewesen. Deshalb seien die Grundsätze anzuwenden, die der Bundesgerichtshof für die Einziehung eines erkennbar kaufmännischen Zwecken dienenden Schecks über ein Sparkonto aufgestellt habe (BGH, Urteil vom 12. Januar 1987 - II ZR 187/86, WM 1987, 337).
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2. Diese Auffassung des Berufungsgerichts wird von der Revision mit Recht beanstandet.
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Die Frage, ob die fehlende Kenntnis der mangelnden Verfügungsbefugnis des Scheckeinreichers im Einzelfall auf grober Fahrlässigkeit des Erwerbers beruht, kann allerdings als tatrichterliche Würdigung im Revisionsrechtszug nur in beschränktem Umfang nachgeprüft werden (BGH, Urteile vom 12. Januar 1987 - II ZR 187/86, WM 1987, 337, 338 sowie vom 13. Juni 1988 - II ZR 295/87, WM 1988, 1296). Die das angefochtene Urteil tragende Erwägung, die Einziehung eines erkennbar kaufmännischen Zwecken dienenden Inhaberverrechnungsschecks über ein als solches gekennzeichnetes Privatgirokonto sei für sich allein so ungewöhnlich, daß der Verdacht auf die fehlende Berechtigung des Einreichers naheliege, hält jedoch bereits im Ausgangspunkt rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Zu Unrecht überträgt das Berufungsgericht die in dem Urteil des II. Zivilsenats vom 12. Januar 1987 (aaO) für die Einziehung eines geschäftlichen Zwecken dienenden Schecks über ein Sparkonto angestellten Erwägungen auf die Einziehung eines derartigen Schecks über ein als solches gekennzeichnetes privates Girokonto. Der II. Zivilsenat ist in der genannten Entscheidung davon ausgegangen, daß die Einziehung von kaufmännischen Zwecken dienenden Schecks über ein Sparkonto "äußerst ungewöhnlich" ist. Er hat dabei in erster Linie auf die Besonderheiten des Sparkontos, vor allem auch auf die eingeschränkte Verfügbarkeit des Sparguthabens, und auf die Tatsache abgestellt, daß Sparkonten, die geschäftlichen Zwecken dienen, selten sind. Allerdings hat er in derselben Entscheidung hinsichtlich eines weiteren, über das private Girokonto des Einreichers eingezogenen Schecks ausgeführt, bei dem Schalterbeamten habe grundsätzlich kein Verdacht aufzukommen brauchen, da der Kontonummer nicht ohne weiteres anzusehen sei, daß es sich nicht um ein Geschäftskonto handele (aaO S. 339). Aus dieser Formulierung läßt sich nicht der Umkehrschluß ziehen, ein solcher Verdacht dränge sich auf, wenn die Kontonummer den privaten Charakter des Girokontos erkennen lasse. Der II. Zivilsenat hat in seiner Entscheidung an dem Grundsatz festgehalten, daß bei einem Inhaberscheck die Verpflichtung des Kreditinstituts zur Prüfung der Berechtigung des Scheckeinreichers erst beginne, wenn ganz besondere Umstände nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Verdacht nahelegen, der Scheck könne abhandengekommen sein. Die Annahme, die Einziehung eines Geschäftsschecks über ein Privatgirokonto sei ebenso oder auch nur annähernd so verdächtig wie diejenige über ein Sparkonto und deshalb als ein solcher ganz besonderer Umstand zu werten, ist nicht gerechtfertigt.
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Das private Girokonto unterscheidet sich in der Verzinsung und in der Verfügbarkeit des Guthabens grundsätzlich nicht von einem Geschäftskonto. Die Einziehung von Schecks über ein Girokonto ist - anders als die über ein Sparkonto - ein alltäglicher Vorgang. Er wird nicht allein dadurch - mit der Folge erhöhter Prüfungspflichten - ungewöhnlich, daß ein kaufmännischen Zwecken dienender Scheck über ein erkennbar privates Girokonto eingezogen werden soll. Die Zweckbestimmung eines Girokontos richtet sich nach den Vorstellungen des Inhabers. Selbst wenn bei der Eröffnung unterschiedliche Kontonummern für private und geschäftliche Konten vergeben werden, läßt sich aus der Kontonummer nicht entnehmen, ob der Inhaber sich an die ursprüngliche Zweckbestimmung hält. Ein Geschäftsmann kann durchaus Gründe haben, Schecks, die seinen Betrieb betreffen, über sein Privatkonto einzuziehen und private Bankgeschäfte über sein Geschäftskonto abzuwickeln. Andererseits kann auch der private Kunde über Einkünfte aus freiberuflicher Nebentätigkeit oder aus Gelegenheitsgeschäften verfügen, ohne dies seinem Kreditinstitut mitteilen zu müssen. Die Unterscheidung zwischen Geschäfts- und Privatgirokonten ist daher nicht so eindeutig, daß allein die ursprünglich den Verwendungszweck kennzeichnende Kontonummer als Anknüpfungspunkt für Verdachtsmomente bei der Hereinnahme von Geschäftsschecks dienen könnte. Erhöhte Prüfungspflichten bei solchen Fallgestaltungen würden deshalb nicht nur die Anforderungen an die Sorgfalt des Kreditinstituts überspannen, sie wären schon wegen ihrer Häufigkeit darüber hinaus geeignet, die Scheckeinziehung erheblich zu beeinträchtigen, ohne in aller Regel verdachterregende Umstände zu erbringen.
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3. Das Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat konnte in der Sache nicht selbst entscheiden, da der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif ist. Die Klägerin hat behauptet, daß sich die fehlende Berechtigung des Einreichers zur Einlösung des Schecks auch aus seinen finanziellen und persönlichen Verhältnissen ergeben habe, die den Bediensteten der Beklagten bekannt gewesen seien. Das Berufungsgericht hat hierzu von seinem Standpunkt aus keine Feststellungen zu treffen brauchen. Das wird nachzuholen sein. Durch die Entscheidung des Senats ist das Berufungsgericht nicht gehindert, im Rahmen der Gesamtwürdigung als weiteren Umstand auch zu berücksichtigen, daß das Konto des Einreichers der Kontonummer nach privaten Zwecken diente.
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