Maßgeblichkeit des einer Überweisung beigefügten Auftrages für die Empfängerbank
Orientierungssatz
1. Der einer Überweisung beigefügte Auftrag ist für die Empfängerbank grundsätzlich unabhängig davon maßgeblich, ob der Überweisungsbetrag vor oder nach den einschlägigen Unterlagen bei ihr eintrifft (vergleiche BGH, 1962-02-26, II ZR 93/60, WM 4 1962, 460 und BGH, 1976-03-11, II ZR 116/74, WM 4 1976, 904).



vorgehend LG Koblenz, 15. Juni 1988, 1 O 612/87
Vergleiche BGH, 26. Februar 1962, II ZR 93/60
Tatbestand
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Die Kläger nehmen die beklagte Bank auf Rückzahlung eines ihr überwiesenen Betrags von 48.700 DM nebst Zinsen in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Kläger beabsichtigten, von dem inzwischen verstorbenen K.-H. G. dessen in B. gelegenen Grundbesitz zu erwerben. In den Grundbesitz betrieben damals mehrere Gläubiger, darunter auch die Beklagte, aufgrund verschiedener Grundpfandrechte die Zwangsversteigerung. Termin zur Versteigerung war auf den 14. Juni 1983 bestimmt.
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Am 13. Juni 1983 fanden fernmündlich Verhandlungen zwischen den Klägern, vertreten durch den Zeugen Dr. C., und der Beklagten über die Bewilligung der einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung statt. Dabei erklärte die Beklagte sich bereit, gegen Zahlung von 48.700 DM die einstweilige Einstellung zu bewilligen. Die Kläger beauftragten daraufhin noch am 13. Juni 1983 die Sparkasse B., 48.700 DM an die Beklagte zu überweisen. Auf dem Überweisungsauftrag vermerkten sie "Anzahlung auf Erwerb d. Rechte III 3 - K. 0062 u. 315 u. 316, K. 0226". Den gleichen Vermerk enthielt auch die bei der Beklagten am 14. Juni 1983 eingegangene Vorausbestätigung der Landesbank R. Girozentrale vom 13. Juni 1983. Nachdem der von den Klägern überwiesene Betrag bei der Beklagten eingetroffen war, schrieb diese ihn einem auf den Namen C. G. lautenden Konto gut und bewilligte die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung.
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Im Juli 1983 verstarb K.-H. G.. Danach gaben die Kläger ihre Absicht, den Grundbesitz zu erwerben, auf. Die Beklagte beantragte im Juni 1984 erneut die Zwangsversteigerung und erlitt bei der Versteigerung einen Ausfall von über 100.000 DM.
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Die Kläger verlangen mit der Klage, der ein am 11. September 1987 zugestellter Mahnbescheid vorausging, 48.700 DM nebst 4% Zinsen. Sie behaupten, bei der Überweisung habe es sich um eine vorschußweise Überlassung von Liquidität gehandelt; Gegenstand der zwischen den Parteien geführten Gespräche sei der mögliche Erwerb bestimmter Grundpfandrechte gewesen. Sie sind der Ansicht, inzwischen bestehe kein Rechtsgrund mehr dafür, daß die Beklagte das Geld behalte.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie behauptet, bei den Gesprächen der Parteien sei es darum gegangen, den Zahlungsrückstand des Schuldners G. zu begleichen und dadurch die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung zu ermöglichen. Nach ihrer Auffassung sind durch die Zahlung die Kredite Gs zurückgeführt worden; eine rechtsgrundlose Bereicherung liege daher nicht vor.
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Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat überwiegend Erfolg. Sie führt mit - Ausnahme eines Teils der Zinsforderung - zur Zuerkennung des Klageanspruchs.
I.
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Die Hauptforderung der Kläger ist in vollem Umfang begründet. Die Kläger können nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB von der Beklagten Rückzahlung der überwiesenen 48.700 DM verlangen.
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1. Das Berufungsgericht hält Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte nicht für gegeben. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
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Den Klägern sei es nicht gelungen, die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beweisen. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme könne nicht festgestellt werden, welche Absprachen die Parteien vor der Zahlung der 48.700 DM getroffen hätten. Auf die in dem Überweisungsauftrag enthaltene Leistungsbestimmung könnten die Kläger sich nicht berufen, weil sie keinen Beweis dafür angetreten hätten, daß der Überweisungsträger der Beklagten vor Eingang des Betrages von 48.700 DM zugegangen sei, und weil die Vorausbestätigung der Landesbank R., die die Leistungsbestimmung ebenfalls enthalten habe, die Beklagte erst nach dem Eingang des Überweisungsbetrags erreicht habe.
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2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Die Kläger hatten in ihrem Überweisungsauftrag die Beklagte - unter ihrer damaligen Bezeichnung "Bank für W." - als Überweisungsempfänger bezeichnet und in der Leistungsbestimmung zum Ausdruck gebracht, daß sie der Beklagten den Überweisungsbetrag als Anzahlung auf den Erwerb bestimmter Grundpfandrechte zur Verfügung stellten. Die Revision weist mit Recht darauf hin, daß Banken sich im Überweisungsverkehr streng an den ihnen erteilten Auftrag zu halten haben (BGH, Urteile vom 26. Februar 1962 - II ZR 93/60, WM 1962, 460, 461 und vom 11. März 1976 - II ZR 116/74, WM 1976, 904, 905) und insbesondere den Überweisungsbetrag niemandem gutschreiben dürfen, der ihnen nicht im Überweisungsauftrag als Empfänger genannt ist.
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Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß der schriftliche Überweisungsauftrag der Kläger über die zwischengeschalteten Kreditinstitute an die Beklagte gelangt ist und daß die Beklagte auch die Vorausbestätigung der Landesbank R. erhalten hat. Umstritten ist nur, ob diese Unterlagen vor oder nach dem Eingang des Überweisungsbetrages bei der Beklagten eintrafen und ob der bei der Beklagten tätige Zeuge O. von ihnen Kenntnis hatte. Darauf kommt es aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht an. Der einer Überweisung beigefügte Auftrag ist für die Empfängerbank grundsätzlich unabhängig davon maßgeblich, ob der Überweisungsbetrag vor oder nach den einschlägigen Unterlagen bei ihr eintrifft. Trifft der Betrag vorher bei ihr ein, so muß sie bis zum Eintreffen der Unterlagen zuwarten und darf bis dahin nicht über die Verwendung der Mittel entscheiden. Etwas anderes kann in einem solchen Fall nur dann gelten, wenn die Empfängerbank bereits auf anderem Wege einen bindenden Auftrag über die Verwendung der Mittel erhalten hat. Die Beweislast für eine derartige besondere, ein Abweichen vom normalen Vorgehen rechtfertigende Fallgestaltung trägt die Empfängerbank. Im vorliegenden Fall ist der Beklagten der Nachweis eines solchen vorab erteilten Auftrags nicht gelungen; das Berufungsgericht ist aufgrund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich nicht feststellen, welche Absprachen die Parteien vor der Zahlung der 48.700 DM getroffen hätten.
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Somit ist davon auszugehen, daß für die Verwendung der 48.700 DM durch die Beklagte der schriftliche Überweisungsauftrag der Kläger maßgeblich war. Danach war der Betrag für die Beklagte selbst und nicht zur Gutschrift auf dem Konto eines Dritten bestimmt. Die Beklagte als Empfängerbank war damit zugleich auch Überweisungsempfänger. Sie war deshalb auch Adressat der im schriftlichen Überweisungsauftrag unter der Rubrik "Verwendungszweck (nur für Empfänger)" eingetragenen Leistungsbestimmung (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. Rdn. 339). Mithin hat sie die 48.700 DM als Anzahlung auf den damals von den Klägern beabsichtigten Erwerb bestimmter Grundpfandrechte erhalten. An der Maßgeblichkeit dieser Leistungsbestimmung ändert es nichts, daß die Parteien dahin übereingekommen waren, daß die Beklagte nur im Falle des rechtzeitigen Eingangs der 48.700 DM die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung bewilligen werde. Es ist von keiner Seite behauptet worden, daß diese Bewilligung die Gegenleistung der Beklagten für die 48.700 DM darstellen sollte.
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Da die Kläger ihre Absicht, den Grundbesitz des verstorbenen K.-H. G. und die daran bestehenden Grundpfandrechte der Beklagten zu erwerben, inzwischen aufgegeben haben und die genannten Grundpfandrechte überdies erloschen sind, kann der mit der Leistung der Kläger an die Beklagte bezweckte Erfolg nicht mehr eintreten. Die Beklagte ist daher nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Rückzahlung der 48.700 DM verpflichtet.
II.
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Die Zinsforderung der Kläger ist nur teilweise begründet. Für eine Zinsforderung vor Zustellung des Mahnbescheids ist kein Rechtsgrund ersichtlich. Verzug kommt nicht in Betracht, weil die Kläger für keinen früheren Zeitpunkt eine Mahnung der Beklagten vorgetragen haben. Für die Zeit seit dem 11. September 1987, dem Tag der Zustellung des Mahnbescheids vom 31. August 1987 an die Beklagte, können sie jedoch nach § 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 4% jährlich verlangen.
III.
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Das Berufungsurteil konnte somit keinen Bestand haben und mußte aufgehoben werden. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, war das landgerichtliche Urteil abzuändern und der Klage im wesentlichen stattzugeben.
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