Folgen für das Pfandrecht bei Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand ohne qualifizierte Freigabeklausel und mit unwirksamer Verwertungsregelung
Leitsatz
1. Die - unterstellte - Unwirksamkeit der Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand mangels qualifizierter Freigabeklausel rechtfertigt es unter keinem Gesichtspunkt, einer Bank ein Pfandrecht nach AGB-Banken 1986 Nr 19 Abs 2 zu versagen, wenn die für seine Begründung erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere Besitz der Bank an den Pfandsachen, gegeben sind. Eine Freigabeklausel fordert das BGB bei Pfandrechten nicht.
2. Die Unwirksamkeit der Verwertungsregelung nach AGB-Banken 1986 Nr 20 Abs 2 berührt die Wirksamkeit des Pfandrechts nach AGB-Banken 1986 Nr 19 Abs 2 nicht (AGBG § 6 Abs 1).
Orientierungssatz
Zitierungen: Abweichung BGH, 1992-03-19, IX ZR 166/91, BGHZ 117, 374; BGH, 1994-01-13, IX ZR 2/93, BGHZ 124, 371; BGH, 1994-01-13, IX ZR 79/93, BGHZ 124, 380 und BGH, 1994-02-09, VIII ZR 176/92; Fortführung BGH, 1992-07-07, XI ZR 274/91; BGH, 1994-06-14, XI ZR 210/93 und BGH, 1994-05-10, XI ZR 65/93.

















vorgehend LG Wuppertal, 31. Januar 1992, 11 O 19/91
Fortführung BGH 11. Zivilsenat, 30. Mai 1995, XI ZR 78/94




Walther Schmidt-Lademann, LM AGBG § 6 Nr 18 (7/1995) (Anmerkung)
... mehrHerberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Protz, 8. Auflage 2017, § 1204 BGB
● Protz, 8. Auflage 2017, § 1205 BGB
● Protz, 8. Auflage 2017, § 1222 BGB
Fortführung BGH 11. Zivilsenat, 10. Mai 1994, XI ZR 65/93
Abweichung BGH 8. Zivilsenat, 9. Februar 1994, VIII ZR 176/92
Abweichung BGH 9. Zivilsenat, 13. Januar 1994, IX ZR 2/93
Abweichung BGH 9. Zivilsenat, 13. Januar 1994, IX ZR 79/93
... mehr
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. September 1993 aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 73.325,55 DM zuzüglich 7% Zinsen aus 50.000 DM seit dem 12. September 1990, aus weiteren 11.000 DM seit dem 7. Februar 1991 und aus weiteren 12.325,55 DM seit dem 7. Dezember 1992 verurteilt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des Urteils der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 31. Januar 1992 in Höhe von 61.000 DM nebst Zinsen abgewiesen. Die mit der Anschlußberufung des Klägers erweiterte Klage wird in Höhe weiterer 881.818,48 DM nebst Zinsen abgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger 96% der Gerichtskosten und 88% der außergerichtlichen Kosten, die Beklagte 4% der Gerichtskosten und 12% der außergerichtlichen Kosten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Sicherungsübereignungsvertrages sowie über ein Pfandrecht der beklagten Bank an den Gegenständen eines Warenlagers. Zugrunde liegt folgender Sachverhalt:
- 2
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten gewährte der R. GmbH & Co. KG (künftig: Gemeinschuldnerin), deren Konkursverwalter der Kläger ist, im Jahre 1986 einen Kontokorrentkredit über 4,5 Millionen DM. Zugrunde lagen die AGB-Banken 1986. Als Sicherheit diente neben einer Grundschuld und einer Globalabtretung die Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand. In dem formularmäßigen Sicherungsübereignungsvertrag heißt es u.a.:
Nr. 2
- 3
"Der Gesamtwert der übereigneten Waren soll mindestens DM 1,5 Mio. freies Warenlager betragen."
Nr. 12
- 4
"Für den Fall, daß der Wert der gesamten mit diesem Vertrag bestellten Sicherheiten die in Nr. 2 des Vertrages bestimmte Deckungsgrenze wesentlich und nicht nur vorübergehend überschreiten sollte, wird die Bank auf Verlangen des Sicherungsgebers Sicherheiten nach ihrer Wahl freigeben."
- 5
Nach Fälligstellung des Kredits im September 1987 nahm die Beklagte das sicherungsübereignete Warenlager etwa zwei Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin im Einverständnis mit deren Geschäftsführer in Alleinbesitz und verwertete es. Zur Abdeckung ihrer Kreditforderung über 4.247.000 DM legte sie außerdem die Globalabtretung offen und zog abgetretene Forderungen ein.
- 6
Der Kläger hält den Sicherungsübereignungsvertrag und die Globalabtretung für unwirksam. Das Landgericht hat seiner Klage u.a. über zwei Teilforderungen in Höhe von je 61.000 DM wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Beklagten aus der Verwertung des Warenlagers sowie aus der Einziehung abgetretener Forderungen stattgegeben. Die Widerklage, mit der die Beklagte u.a. die Feststellung begehrt hat, daß die Erlöse aus der Einziehung abgetretener Forderungen und aus der Verwertung des Warenlagers ihr zustehen, hat es abgewiesen.
- 7
Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Widerklage ausdrücklich nicht angegriffen hat, war im wesentlichen erfolglos. Auf die Anschlußberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte durch Teilurteil zur Zahlung von insgesamt 1.016.144,03 DM zuzüglich Zinsen verurteilt und die erweiterte Klage wegen eines Betrages von 208.623,75 DM abgewiesen. Von dem ausgeurteilten Betrag entfallen 942.818,48 DM auf Erlöse aus der Verwertung des Warenlagers und 73.325,55 DM auf solche aus der Einziehung abgetretener Forderungen.
- 8
Beide Parteien haben das Berufungsurteil angegriffen. Der Kläger hat seine Revision nach Verweigerung von Prozeßkostenhilfe zurückgenommen. Die Revision der Beklagten hat der Senat nur in Höhe von 942.818,48 DM zuzüglich Zinsen angenommen und im übrigen gemäß §§ 554 Abs. 3 Nr. 3, 554 a ZPO als unzulässig verworfen.
Entscheidungsgründe
- 9
Im Umfang der Annahme ist die Revision der Beklagten begründet; sie führt zur Abweisung der Klage insoweit.
I.
- 10
Das Berufungsgericht hält einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Herausgabe der Erlöse aus der Verwertung des Warenlagers für gegeben. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
- 11
Der formularmäßige Sicherungsübereignungsvertrag über das Warenlager sei wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liege eine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers vor, wenn ein solcher Vertrag keine ausreichenden Vorkehrungen gegen eine Übersicherung enthalte. Hinreichend geschützt sei der Sicherungsgeber nur dann, wenn eine objektive Bezugsgröße zwischen Sicherheit und zu sichernder Forderung sowie eine Verpflichtung des Sicherungsnehmers zur Freigabe des nicht mehr benötigten Teils der Sicherheiten festgelegt sei. An einer objektiven Bezugsgröße fehle es. In Nr. 12 des Vertrages werde nur auf den Wert des Warenlagers abgestellt, nicht aber auf die Relation zwischen dessen Wert und der Höhe der gesicherten Forderungen.
- 12
Auch ein Pfandrecht habe der Beklagten an den verwerteten Waren nicht zugestanden. Das Vertragspfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken 1986 werde stillschweigend abbedungen, wenn Sachen mit bestimmter, besonderer Zweckangabe in den Besitz der Bank gelangten. Das sei hier der Fall. Die Gemeinschuldnerin habe der Beklagten den Besitz am Warenlager nicht zur Begründung eines Pfandrechts eingeräumt, sondern weil sie sich dazu aufgrund des Sicherungsübereignungsvertrages für verpflichtet gehalten habe. Abgesehen davon benachteilige die Pfandklausel die Gemeinschuldnerin entgegen Treu und Glauben unangemessen, wenn sie hier zu einem Pfandrecht der Beklagten führe. Die Nichtigkeit der Sicherungsübereignung dürfe nicht mit Hilfe eines generellen Vertragspfandrechts unterlaufen werden.
II.
- 13
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 14
1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die formularmäßige Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand ohne qualifizierte Freigabeklausel mit zahlenmäßig bestimmter Deckungsgrenze sei nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, entspricht allerdings der neueren Rechtsprechung des VIII. und IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGHZ 117, 374, 377 ff.; 124, 371 ff. = WM 1994, 419, 420 f.; 124, 380 ff. = WM 1994, 414, 416; 125, 83 ff. = WM 1994, 585, 586 f.). Diese Rechtsprechung, die insbesondere in jüngster Zeit verstärkt Kritik erfahren hat (OLG Hamm WM 1994, 1840, 1841 f.; Rellermeyer WM 1994, 1009 ff. und 1053 ff.; H. Weber WM 1994, 1549 ff.; Neuhof NJW 1994, 1763 ff.; Früh DB 1994, 1860 ff.), ist vom erkennenden Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Mai 1994 (XI ZR 65/93, WM 1994, 1283, 1284) als problematisch angesehen worden. In jenem Urteil war zwar über die Wirksamkeit einer Globalabtretung zu entscheiden. Die dort geäußerten Bedenken gelten uneingeschränkt jedoch auch, soweit die angesprochene Rechtsprechung formularmäßige Sicherungsübereignungen von Warenlagern mit wechselndem Bestand betrifft.
- 15
Einer weitergehenden Stellungnahme bedarf es dazu nicht. Die angesprochene Divergenz ist hier nicht entscheidungserheblich. Sollte die Sicherungsübereignung nichtig sein, so hätte die Beklagte nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken 1986 ein vertragliches Pfandrecht an den verwerteten Gegenständen des Warenlagers erlangt (vgl. OLG Düsseldorf WM 1993, 784, 785). Zumindest deshalb besteht der vom Kläger geltend gemachte Bereicherungsanspruch insoweit nicht.
- 16
2. Nach Nr. 19 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken 1986 dienen die in den Besitz der Bank gelangten Sachen als Pfand für alle bestehenden und künftigen Ansprüche der Bank gegen den Kunden.
- 17
a) Diese Klausel enthält unmittelbar die für die Verpfändung von Sachen notwendige Einigung nach § 1205 Abs. 1 BGB. Sie bestand in dem Zeitpunkt, in dem die Gemeinschuldnerin der Beklagten den Alleinbesitz an ihrem Warenlager einräumte, fort und führte damit ohne weiteres zur Entstehung eines Pfandrechts der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1988 - II ZR 17/87, WM 1988, 859, 862). Ein aktuelles Rechtsfolgenbewußtsein der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Besitzübergangs ist entbehrlich.
- 18
b) Der Ansicht des Berufungsgerichts, das Vertragspfandrecht sei hier stillschweigend abbedungen worden, kann nicht gefolgt werden. An das Zustandekommen einer besonderen Vereinbarung über den Ausschluß des Pfandrechts nach den AGB-Banken sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 14. März 1985 - III ZR 186/83, WM 1985, 688, 689). Ein stillschweigender Ausschluß kann nur angenommen werden, wenn der Kunde bei einem Geschäft erkennbar macht, sein Einverständnis mit der Entstehung des Pfandrechts solle für diesen Fall nicht gelten (BGHZ 61, 72, 77). Dies kann insbesondere dadurch geschehen, daß er der Bank Werte mit einer besonderen Zweckbestimmung zuleitet (vgl. Senatsurteile vom 14. November 1989 - XI ZR 97/88, WM 1990, 6, 7 und vom 25. September 1990 - XI ZR 94/89, WM 1990, 1954 m.w.Nachw.).
- 19
Hier hat die Gemeinschuldnerin bei der Übergabe des Schlüssels für ihr Warenlager nicht konkludent zum Ausdruck gebracht, an den Waren solle ein Pfandrecht der Beklagten nicht entstehen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann eine solche Erklärung nicht daraus entnommen werden, daß die Übergabe des Warenlagers zur Erfüllung des von den Vertragsparteien für wirksam gehaltenen Sicherungsübereignungsvertrages erfolgte. Darin mag zwar eine besondere Zweckbestimmung liegen, jedoch steht diese einem Pfandrecht und der Befriedigung der Beklagten daraus nicht entgegen. Die Übergabe des Warenlagers sollte vielmehr gerade dessen Verwertung durch die Beklagte ermöglichen und deren Befriedigung dienen. Darin liegt der entscheidende Unterschied zu den vom Berufungsgericht angesprochenen Fällen.
- 20
c) Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, benachteiligt Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken 1986 die Gemeinschuldnerin auch nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen. Die Wirksamkeit der Pfandklausel in den AGB-Banken und AGB-Sparkassen ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt (BGH, Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 105/82, WM 1983, 926, 927; BGH, Urteil vom 14. März 1985 - III ZR 186/83, WM 1985, 688, 689; BGH, Urteil vom 25. April 1988 - II ZR 17/87, WM 1988, 859, 862; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 7. Aufl. Anh. §§ 9 - 11 Rdn. 660).
- 21
Eine qualifizierte Freigabeklausel, wie sie der VIII. und der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bei der Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand zum Schutz des Sicherungsgebers vor einer unangemessenen Übersicherung verlangen (BGHZ 117, 374, 377 ff.; 124, 371 ff. = WM 1994, 419, 420 f.; 124, 380 ff. = WM 1994, 414, 416; 125, 83 ff. = WM 1994, 585, 586 f.), ist hier nicht erforderlich. Der Umfang des akzessorischen Pfandrechts richtet sich nach dem jeweiligen Bestand der gesicherten Forderung. Dies schließt eine Übersicherung insbesondere bei einer Verpfändung mehrerer Sachen zwar nicht aus (Göbel, Übersicherung und Freigabeklauseln in vorformulierten Kreditsicherungsverträgen S. 37; Rellermeyer WM 1994, 1053, 1059; a.A. Ganter ZIP 1994, 257). Das Gesetz nimmt eine Übersicherung des Pfandgläubigers bis zur Grenze des § 242 BGB jedoch hin. Nach § 1222 BGB haftet jede von mehreren Pfandsachen für die ganze Forderung. Solange der Pfandgläubiger nicht voll befriedigt ist, kann der Verpfänder deshalb grundsätzlich keinen der Pfandgegenstände zurückverlangen. Etwas anderes gilt nach § 242 BGB ausnahmsweise dann, wenn die Deckung der Schuld durch mehrere Sachen ersichtlich ausreicht und sich die Weigerung des Pfandgläubigers, einen Teil der Pfandsachen freizugeben als unzulässige Rechtsausübung darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1955 - I ZR 171/53, BB 1956, 159; Staudinger/Wiegand, BGB 12. Aufl. § 1222 Rdn. 2; Soergel/Mühl, BGB 12. Aufl. § 1222 Rdn. 2). Dem trägt Nr. 19 Abs. 6 Satz 2 AGB-Banken 1986 durch die Verpflichtung der Bank, auf Verlangen des Kunden Sicherungsgegenstände nach billigem Ermessen freizugeben, soweit sie diese nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt, ausreichend Rechnung.
- 22
d) Das Pfandrecht der Beklagten läßt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht mit der Erwägung verneinen, die Nichtigkeit des Sicherungsübereignungsvertrages dürfe nicht unterlaufen werden. Die - unterstellte - Unwirksamkeit der Sicherungsübereignung mangels qualifizierter Freigabeklausel rechtfertigt es unter keinem Gesichtspunkt, der Beklagten ein Pfandrecht als Sicherheit zu versagen, wenn die für seine Begründung erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere der Besitz des Pfandgläubigers, gegeben sind. Eine Freigabeklausel ist nach dem Gesetz nicht erforderlich.
III.
- 23
Das angefochtene Urteil stellt sich im Umfang der Annahme der Revision auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
- 24
1. Der vom Kläger herausverlangte Erlös aus der Verwertung des verpfändeten Warenlagers steht der Beklagten ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit der Verwertungsregelung nach Nr. 20 Abs. 2 AGB-Banken 1986 zu. Deren Nichtigkeit nach § 9 Abs. 1 AGBG berührt die Wirksamkeit des Pfandrechts der Beklagten nicht (§ 6 Abs. 1 AGBG). Der Senat hat in seinen Urteilen vom 7. Juli 1992 (XI ZR 274/91, WM 1992, 1359, 1361) und vom 14. Juni 1994 (XI ZR 210/93, WM 1994, 1613, 1614) allerdings angenommen, daß die Abbedingung gesetzlicher Pfandverwertungsregeln bei formularmäßigen Sicherungsabtretungen von Arbeitseinkommen nicht nur zur Nichtigkeit der Nr. 20 Abs. 2 AGB-Banken, sondern zur Unwirksamkeit der Abtretung insgesamt führe. Dies ist mit Rücksicht darauf geschehen, daß die Verwertungsregelung bei Lohn- und Gehaltszessionen für den Abtretenden häufig von existentieller Bedeutung ist und er insoweit nur durch die Unwirksamkeit der Abtretung insgesamt wirksam geschützt werden kann (§ 6 Abs. 3 AGBG). Davon kann bei der Verpfändung eines Warenlagers indes keine Rede sein. Dem berechtigten Interesse des Verpfänders ist schon dadurch genügt, daß an die Stelle der unwirksamen Verwertungsregelung gemäß § 6 Abs. 2 AGBG die gesetzlichen Vorschriften treten (BGHZ 124, 380 ff. = WM 1994, 414, 416; BGH, Urteil vom 28. April 1994 - IX ZR 248/93, WM 1994, 1161, 1162; OLG Hamm WM 1993, 1590, 1593, sämtlich für Sicherungsübereignungen).
- 25
2. Der Aufhebung des Berufungsurteils im Umfang der Annahme der Revision steht auch nicht der Einwand des Klägers entgegen, über den Bereicherungsanspruch der Gemeinschuldnerin aus der Verwertung des Warenlagers sei in Höhe des 61.000 DM übersteigenden Betrages rechtskräftig entschieden, weil die Beklagte die Abweisung ihrer Widerklage, daß der Verwertungserlös ihr zustehe, nicht mit der Berufung angegriffen habe. Die Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils ist durch die eingeschränkte Berufung der Beklagten in vollem Umfang gehemmt worden (vgl. BGHZ 7, 143, 144; BGH, Urteil vom 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83, WM 1985, 144). Die Beklagte war deshalb nicht gehindert, ihren Berufungsantrag, die Klage abzuweisen, auch auf den mit der Anschlußberufung erweiterten Teil der Klage zu erstrecken.
- 26
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Beklagte mit ihrer Erklärung in der Berufungsbegründung, die teilweise Abweisung der Widerklage werde nicht angegriffen, insoweit auf die Berufung verzichtet hätte (§ 514 ZPO; BGHZ 7, 143, 144 f.). Davon kann indes, auch wenn der Wortlaut der vom Senat auszulegenden prozessualen Erklärung der Beklagten dies nahelegen mag, keine Rede sein.
- 27
Die Beklagte hat die Klageforderung aus der Verwertung des Warenlagers in der Berufungsbegründung auch dem Grunde nach bestritten und damit zum Ausdruck gebracht, daß sie die Verwertungserlöse weiterhin für sich allein beanspruche. Die unterbliebene Weiterverfolgung der Feststellungswiderklage durch die Beklagte beruhte ersichtlich auf der - zunächst irrigen - Annahme, dies sei zur Durchsetzung ihres Rechtsstandpunkts nicht erforderlich. Durch die Erweiterung der Klage auf den gesamten streitigen Verwertungserlös und die Erstreckung des Abweisungsantrags der Beklagten auch auf die erweiterte Klage ist diese Ansicht nachträglich richtig geworden.
IV.
- 28
Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil daher teilweise aufzuheben und die Klage auf Herausgabe des Erlöses aus der Verwertung des Warenlagers in Höhe von 942.818,48 DM zuzüglich Zinsen abzuweisen. Davon entfallen 61.000 DM auf die Berufung und 881.818,48 DM auf die Anschlußberufung.
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