Sittenwidrige Schädigung bei Warentermingeschäften durch Schwindelfirma; internationale Zuständigkeit
Orientierungssatz
1. Hat eine amerikanische Broker-Firma einen deutschen Kunden, der beabsichtigt mit Warentermingeschäften zu spekulieren, über ihre inländische Repräsentanz als ihre Verrichtungsgehilfin einem Schwindelunternehmen zugeführt und außerdem mit dem Schwindelunternehmen ohne Kenntnis des Kunden Provisionsrückvergütungen (sog Kick-Backs) vereinbart, ist eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung iS von BGB § 826 gegeben.
2. Gem EGÜbk Art 4 (juris: VollstrZustÜbk) ist die internationale Zuständigkeit für eine Schadensersatzklage, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, nach den nationalen Rechtsvorschriften zu bestimmen, so daß nach dem hier insoweit maßgeblichen ZPO § 32 die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts an dem Handlungs- und Begehungsort der Schädigung gegeben ist.
3. Der Schaden des Kunden entsteht nicht erst durch die konkreten Verlustgeschäfte, sondern bereits durch die Hingabe von Schecks zum Zweck der Zahlung des für Warentermingeschäfte erforderlichen Einschusses, denn ein auch nur einigermaßen überlegt handelnder Kunde, hätte ein Schwindelunternehmen, wenn er davon Kenntnis hätte, nicht mit der Vermittlung und Abwicklung von Börsentermingeschäften beauftragt. Jede andere Betrachtungsweise, die etwa den Einwand des Börsengeschäften immanenten Risikos zuließe, würde dem Geschädigten die Beweislast für die Unkorrektheit der Geschäftspraktiken eines solchen Schwindelunternehmens aufbürden, das sich gerade gegen die Nachvollziehbarkeit der einzelnen Geschäftsvorgänge abschirmt und damit dem Kunden jede Chance des Nachweises von Unkorrektheiten im Einzelfall nimmt.




vorgehend LG Düsseldorf, 9. Februar 1987, 1 O 490/85
Vergleiche LG Düsseldorf 1. Zivilkammer, 27. März 2012, 1 O 170/11
Festhaltung BGH 11. Zivilsenat, 29. Juni 2010, XI ZR 308/09
Vergleiche OLG Düsseldorf 15. Zivilsenat, 23. Januar 2008, I-15 U 18/07, ...
Vergleiche BGH 11. Zivilsenat, 6. Februar 1990, XI ZR 184/88





... mehrHerberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Hönn, 8. Auflage 2017, § 675 BGB
● Matusche-Beckmann, 8. Auflage 2017, § 831 BGB
● Reichold, 8. Auflage 2017, § 826 BGB
Tenor
Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 1988 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Revision des Beklagten zu 3) wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte zu 3) die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie seine eigenen außergerichtlichen Kosten. Über die restlichen Kosten der Revision entscheidet das Berufungsgericht.
Tatbestand
- 1
Der Kläger verlangt jetzt noch von den Beklagten zu 2) und 3) Schadensersatz in Höhe eines Betrages von 266.000 DM, den er durch Geschäfte, die die Parteien übereinstimmend als Warentermingeschäfte bezeichnen, verloren hat.
- 2
Der Kläger hat die Beklagte zu 1) in der Zeit vom 27. Dezember 1983 bis Anfang 1985 beauftragt, ihm Warentermingeschäfte und Devisentermingeschäfte an US-amerikanischen Börsen zu vermitteln. Diese, eine Private Limited Company englischen Rechts mit Sitz, aber ohne Geschäftslokal in London, unterhielt lediglich in D eine "Repräsentanz", deren Leiter nach der Behauptung des Klägers die Beklagten zu 3) und 4) waren. Die Beklagte zu 1) stand mit der Beklagten zu 2), der D Inc. mit Sitz in N Y, einem der drei größten Broker-Häuser in den USA, in Geschäftsverbindung und unterhielt bei dieser ein Konto, über das sie im eigenen Namen die Geschäfte ihrer Kunden abwickelte. Die Beklagte zu 2) bediente sich als Repräsentanz in Deutschland der D GmbH (DWR GmbH) in D, an der sie selbst nicht als Gesellschafterin beteiligt ist.
- 3
Der Kläger behauptet, er habe sich zunächst an die DWR GmbH wegen des Abschlusses von Warentermingeschäften gewandt. Diese habe seine Anschrift der Beklagten zu 1) zugeleitet. Er sei alsdann vom Beklagten zu 4) fernmündlich angesprochen und zum Abschluß von Warentermingeschäften in der Form des Direktgeschäfts an Börsenplätzen in den USA überredet worden. Zu diesem Zweck zahlte der Kläger zwischen dem 27. Dezember 1983 und dem 25. Juni 1984 mittels Schecks in 8 Teilbeträgen die Summe von 266.000 DM ein. Nach den Abrechnungen, die der Kläger von der Beklagten zu 1) erhielt, war sein Geld gegen Ende 1984/Anfang 1985 verbraucht; der letzte Kontoauszug vom 6. Februar 1985 schloß mit einem Schuldsaldo zu Lasten des Klägers von 74.777,93 US-Dollar ab.
- 4
Der Kläger ist der Ansicht, er sei durch die Beklagten betrogen worden. Der Beklagte zu 4) habe ihn mit der Angabe, es bestünden realistische Gewinnchancen zwischen 40 und 60%, geworben. Er habe behauptet, die Beklagten zu 1) und 2), die bei dieser Gelegenheit vorgestellt worden seien, sowie deren Mitarbeiter besäßen große Erfahrung auf dem Termingeschäftssektor und seien in der Lage, außergewöhnliche Gewinne zu realisieren. In welcher Höhe Provisionen und sonstige Unkosten anfielen, sei ihm nicht mitgeteilt worden. Prospekte und Unterlagen der Beklagten zu 2) mit diesen Angaben habe er nicht bekommen; in den Kontoauszügen seien die Unkosten nicht aufgeschlüsselt, sondern nur das Gesamtergebnis eines jeden Geschäfts mitgeteilt worden. Er habe daher nicht erkennen können, daß die Beklagte zu 1) eine Vielzahl von Geschäften lediglich zu dem Zweck durchgeführt habe, sein Konto mit hohen Spesenbeträgen zu plündern. Aus dem Umstand, daß die Kontoführung der Beklagten zu 1) identisch mit derjenigen der Beklagten zu 2) sei, ergebe sich, daß diese Beklagten bei der Spesenreiterei einverständlich zusammengewirkt hätten. Die Beklagte zu 2) habe ferner der Beklagten zu 1) von den angefallenen Provisionen über 50.000 Dollar zurückgewährt, was dem Kläger verschwiegen worden sei. Die in Auftrag gegebenen Geschäfte habe sie nicht an der Börse plaziert. Der Beklagte zu 3) habe als Leiter der Repräsentanz der Beklagten zu 1) diese Praktiken gekannt und gebilligt, ebenso die Tätigkeit des Beklagten zu 4).
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Der Kläger hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 266.000 DM nebst 8% Zinsen seit 1. Juli 1984 zu zahlen.
- 6
Die Beklagte zu 2) hat die fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt und bestritten, daß die DWR GmbH ihre Niederlassung im Sinne von § 21 ZPO sei. Sachlich sei die Klage unschlüssig. Die DWR GmbH, für deren Handeln sie ohnedies nicht hafte, habe den Namen des Klägers nicht an die Beklagte zu 1) weitergeleitet. Die dem Kläger zugegangenen Kontoauszüge habe weder die Beklagte zu 2) noch die DWR GmbH erstellt, sondern die Beklagte zu 1). Welche Gebühren diese dem Kläger belastet habe, sei ihr nicht bekannt. Da sie mit dem Kläger nicht in vertraglichen Beziehungen stehe, sei sie nicht verpflichtet, ihm offenzulegen, welche Provisionen sie der Beklagten zu 1) berechnet und daß sie die Gelder an der Börse angelegt habe. Selbstverständlich seien die Geschäfte nach den Weisungen der Beklagten zu 1) an der Börse plaziert und die Broker-Abrechnungen im Original der Beklagten zu 1) zugesandt worden. Die Beklagte zu 1) habe monatlich einen Mengenrabatt von 40% der Kommissionen gewährt bekommen, die auf ihrem Konto bei der Beklagten zu 2) angefallen seien.
- 7
Der Beklagte zu 3) hat bestritten, Leiter der Repräsentanz der Beklagten zu 1) gewesen zu sein und den Kläger betreut zu haben. Kundenbetreuer des Klägers sei der Beklagte zu 4) gewesen. Der Kläger habe die zu zahlenden Provisionen und Unkosten aus der ihm übersandten Liste der Beklagten zu 2) gekannt. Von Spesenreiterei durch Abschluß einer Vielzahl von Geschäften könne schon deswegen keine Rede sein, weil der Kläger die Aufträge zu jedem einzelnen Geschäft selbst erteilt habe.
- 8
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Berufungsgericht hat nach Rücknahme der Berufung gegen die Beklagte zu 1) die Beklagten zu 2) und 3) antragsgemäß -- bis auf einen Teil der Zinsforderung -- verurteilt und die Berufung gegen den Beklagten zu 4) zurückgewiesen (vgl. WM 1989, 45). Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgen die Beklagten zu 2) und 3) ihre Anträge auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten zu 2) ist begründet, während das Rechtsmittel des Beklagten zu 3) erfolglos bleibt.
- 10
A. Revision des Beklagten zu 3)
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1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte zu 1) ein von vornherein auf Täuschung der Kunden angelegtes Schwindelunternehmen, das unerlaubte Geschäfte beabsichtigt hat. Dazu wurde im angefochtenen Urteil festgestellt: Bei der Beklagten zu 1) handle es sich um eine "Briefkastenfirma" ohne nennenswerte Kapitalausstattung, deren einzige bekannt gewordene Geschäftstätigkeit darin bestanden habe, in Düsseldorf eine rechtlich unselbständige "Repräsentanz" zu unterhalten. Durch diese Bezeichnung sei der unzutreffende Eindruck eines mehrgliedrigen Unternehmens hervorgerufen worden, das von einer Hauptstelle aus geleitet werde. Dieser Eindruck werde durch den Werbeprospekt der Beklagten zu 1) vertieft. Dort heiße es u.a., die Beklagte zu 1) sei ein "Team von Bankkaufmännern und Brokern" mit langjähriger Erfahrung, das über eine volkswirtschaftliche Abteilung verfüge. In Wahrheit habe es außer der Düsseldorfer Repräsentanz jedoch keinerlei Geschäftsbetrieb und auch keinen Broker gegeben. Zu Unrecht habe sich die Beklagte zu 1) auf Prospekten der Beklagten zu 2) als deren in verschiedenen Ländern Europas tätige Tochtergesellschaft bezeichnet. Mit den Kunden habe die Beklagte zu 1) die Berechnung "börsenüblicher Kommissionen" vereinbart, ohne darauf hinzuweisen, daß sie ihrerseits auf diese Kommissionen von der Beklagten zu 2) einen "Mengenrabatt" von 40% erhalte. Dadurch habe sie nicht nur ihre eigene Verdienstspanne verschleiert, da der normale Leser davon ausgehe, das Entgelt der Beklagten zu 1) beschränke sich auf Agio und Gewinnbeteiligung. Für den Kunden sei auch nicht erkennbar gewesen, daß die Beklagte zu 1) wegen der Provisionsrückvergütung ein besonderes wirtschaftliches Interesse daran gehabt habe, möglichst viele Geschäfte mit einem hohen Kommissionsanfall durchzuführen. Hinzu komme, daß die Beklagte zu 1) -- wie der vorliegende Rechtsstreit zeige -- durch ihre rechtliche Konstruktion (ausländische Gesellschaft mit unselbständiger, nicht passivlegitimierter Repräsentanz) praktisch alles getan habe, um die Durchsetzung von Ansprüchen gegen sie zu vereiteln.
- 12
Diese Feststellungen des Berufungsgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen und werden von der Revision nicht angegriffen. Wenn das Berufungsgericht aus ihnen den Schluß zieht, die Beklagte zu 1) sei als Schwindelunternehmen gegründet worden, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden und daher der weiteren revisionsrechtlichen Prüfung zugrundezulegen.
- 13
2. Nach der mit der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts war der Beklagte zu 3) zwar nicht förmlicher Geschäftsführer der Beklagten zu 1), aber faktischer Leiter ihres einzigen Geschäftsbetriebs, der "Repräsentanz" in D. Als solcher hat der Beklagte zu 3), wie das Berufungsgericht feststellt, den auf Täuschung angelegten Zuschnitt der Beklagten zu 1) gekannt, jedenfalls aber die Augen vor sich aufdrängenden Bedenken geschlossen und sich leichtfertig für eine Schwindelfirma eingesetzt. Als Leiter der Repräsentanz hätte er sich darum kümmern müssen, wer hinter ihr stehe, und die Werbung eigenverantwortlich prüfen müssen. Die Leichtfertigkeit des Beklagten zu 3) lasse auf bedingten Schädigungsvorsatz schließen. Dies läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
- 14
Da der Beklagte zu 3) in der Organisation der Beklagten zu 1) der einzige war, der deren Geschäftsbetrieb leitete, fällt es schwer anzunehmen, daß ihm die auf die Täuschung und Schädigung der Kunden angelegten Geschäftspraktiken nicht bekannt gewesen sein sollten. In der Regel liegt die Kenntnis dieser Umstände naturgemäß bei allen vor, die die verwerfliche Strategie konzipiert haben oder sie wissentlich in die Tat umsetzen (Wach, Der Terminhandel in Recht und Praxis Rdn. 330). Wenn das Berufungsgericht trotzdem zugunsten des Beklagten zu 3) annimmt, dieser habe diese Kenntnis nicht gehabt, kann es jedenfalls nicht beanstandet werden, wenn es daraus geschlossen hat, er habe die Augen vor sich aufdrängenden Bedenken verschlossen und sich deshalb gewissenlos leichtfertig für ein Schwindelunternehmen eingesetzt. Aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe ergibt sich, daß das Berufungsgericht darin, daß der Beklagte zu 3) durch leichtfertiges und gewissenloses Verhalten die auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegten Geschäfte der Beklagten zu 1) betrieben hat, einen Sittenverstoß im Sinne von § 826 BGB sieht (vgl. BGH, Urteile vom 5. März 1975 -- VIII ZR 230/73, WM 1975, 559, 560 und vom 14. April 1986 -- II ZR 123/85, WM 1986, 904, 906). Kein Rechtsfehler liegt ferner darin, daß das Berufungsgericht aus dem sittenwidrigen Verhalten des Beklagten zu 3) folgert, dieser habe zumindest mit bedingtem Schädigungsvorsatz gehandelt (BGH aaO).
- 15
3. Entgegen der Ansicht der Revision braucht für die Frage, ob dem Kläger durch das Verhalten des Beklagten zu 3) ein Schaden entstanden ist, nicht geklärt zu werden, ob der Verlust durch möglicherweise ordnungsgemäß abgewickelte Börsentermingeschäfte oder infolge der dem Kläger unbekannt gebliebenen, auf Täuschung der Kunden ausgerichteten Verhaltensweise der Beklagten zu 1) eingetreten ist. Da ein auch nur einigermaßen überlegt handelnder Kunde, wenn er davon Kenntnis hätte, ein auf Täuschung angelegtes Schwindelunternehmen nicht mit der Vermittlung und Abwicklung von Börsentermingeschäften beauftragen würde, ist der Schaden des Klägers nicht erst durch die konkreten Verlustgeschäfte, sondern schon durch die Hingabe der Schecks zum Zweck der Zahlung des Einschusses entstanden. Jede andere Betrachtungsweise, die in derartigen Fällen den Einwand ordnungsgemäßer Geschäftsabwicklung und die Berufung auf die dem Börsentermingeschäft immanenten Risiken gelten läßt, bürdet dem Geschädigten die Beweislast für die Unkorrektheit der Geschäftspraktiken eines solchen Schwindelunternehmens auf, das sich gerade gegen die Nachvollziehbarkeit der einzelnen Geschäftsvorgänge und die Rechtsverfolgung weitestgehend abschirmt und damit dem Kunden jede Chance des Nachweises von Unkorrektheiten im Einzelfall nimmt.
- 16
B. Revision der Beklagten zu 2)
I.
- 17
Die Revision rügt -- zulässigerweise (BGHZ 44, 46) -- die fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegen die Beklagte zu 2) und in diesem Zusammenhang die Verletzung von § 39 ZPO, weil das Berufungsgericht angenommen hat, die Beklagte habe sich vor dem Landgericht rügelos zur Sache eingelassen. Obgleich die Ansicht des Berufungsgerichts bedenklich erscheint, weil die Parteien in der einzigen mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ersichtlich auf ihre Schriftsätze Bezug genommen haben und dort die Beklagte zu 2) in erster Linie die Zuständigkeitsrüge erhoben hatte, braucht dieser Rüge nicht weiter nachgegangen zu werden, weil die internationale Zuständigkeit aus einem anderen Grunde gegeben ist.
- 18
Nach Art. 4 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EGÜbk) bestimmt sich, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, die Zuständigkeit der Gerichte in jedem Vertragsstaat nach seinen eigenen Gesetzen. Da die Beklagte zu 2) ihren Sitz nicht in einem Vertragsstaat des EG-Übereinkommens hat, ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach den nationalen Rechtsvorschriften zu bestimmen. Maßgeblich ist hier § 32 ZPO. Nach dem insoweit zugrundezulegenden Vorbringen des Klägers hat die Beklagte zu 2) den Kläger in sittenwidriger Weise und vorsätzlich u.a. dadurch geschädigt, daß sie ihn durch die DWR GmbH als ihre Verrichtungsgehilfin der Beklagten zu 1), einem Schwindelunternehmen, als Kunde zugeführt und außerdem mit der Beklagten zu 1) hinter seinem Rücken Provisionsrückvergütungen (sogenannte Kick-Backs) vereinbart hat (§ 826 BGB). Handlungs- und Begehungsort dieser unerlaubten Handlungen liegen jedenfalls auch in Deutschland. An der internationalen Zuständigkeit scheitert somit die Klage gegen die Beklagte zu 2) nicht, die nach zutreffender und auch vom Kläger nicht angegriffener Ansicht des Berufungsgerichts mangels vertraglicher Beziehungen nur auf unerlaubte Handlung gestützt werden kann.
II.
- 19
In der Sache hält das angefochtene Urteil der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 20
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend seiner rechtlichen Prüfung deutsches Recht zugrunde gelegt. Für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung knüpft das deutsche internationale Privatrecht in erster Linie an das materielle Recht des Tatorts an (BGHZ 87, 95, 97; st. Rspr.). Tatort ist der Handlungsort und der Erfolgsort. Letzterer liegt in der Bundesrepublik Deutschland, weil sich dort das nach dem Klagevorbringen geschädigte Vermögen des Klägers befindet. Als Handlungsort kommt der Sitz der Beklagten zu 2) in den USA und derjenige der DWR GmbH in der Bundesrepublik Deutschland in Betracht. Ob auch in einem solchen Falle das dem Verletzten günstigere Recht gilt (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1981 -- VI ZR 286/78, NJW 1981, 1606, insoweit in BGHZ 80, 199 nicht abgedruckt), braucht nicht entschieden zu werden. Der Kläger hat sich während des gesamten Rechtsstreits ausschließlich auf deutsches Recht berufen und die Beklagte zu 2) hat dies, soweit sie sich sachlich eingelassen hat, nicht gerügt. Infolgedessen muß davon ausgegangen werden, daß die Parteien bezüglich des geltend gemachten deliktischen Anspruchs einverständlich von der Geltung deutschen Rechts ausgehen und der Kläger auf die Anwendung US-amerikanischen Rechts verzichtet hat; selbst wenn dies für ihn günstiger wäre.
- 21
2. Das Berufungsgericht hält die Beklagte zu 2) gemäß §§ 826, 831 BGB für schadensersatzpflichtig, weil sie es pflichtwidrig unterlassen habe, die Vertrauenswürdigkeit der Beklagten zu 1) zu überprüfen, ehe sie Interessenten an diese vermittelte. Darin liege eine das Merkmal der Sittenwidrigkeit erfüllende bodenlose Leichtfertigkeit, die ihrerseits den Schluß rechtfertige, daß die Beklagte zu 2) die Schädigung von Kunden durch die Beklagte zu 1) in Kauf genommen habe. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
- 22
a) Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 2) in ihrer Anzeigenwerbung die Anschrift der DWR GmbH in Düsseldorf ("Büro Düsseldorf") angegeben; diese hat alsdann die Anschriften von Interessenten, darunter auch diejenige des Klägers, an die Beklagte zu 1) weitergegeben. Wenn das Berufungsgericht daraus eine Schutzpflicht zugunsten der Interessenten in dem Sinne herleitet, daß die Beklagte zu 2) sich zuvor über die Zuverlässigkeit der Beklagten zu 1) unterrichtet oder andernfalls die Vermittlung unterläßt, so ist dagegen unter den festgestellten besonderen Umständen des vorliegenden Falles nichts einzuwenden. Anlaß, den gewerblichen Vermittlern von Waren- bzw. Devisentermingeschäften zu mißtrauen, bestand deswegen, weil, wie das Berufungsgericht feststellt, zur Zeit der Gründung der Beklagten zu 1) im September 1983 seit langem bekannt war, daß auf dem deutschen Markt viele unseriöse Vermittlungsfirmen tätig waren. Was die Beklagte zu 1) anlangt, so bot schon der Umstand Anlaß zur Vorsicht, daß der für sie tätige Beklagte zu 3), der zuvor bei der DWR GmbH tätig war, innerhalb kurzer Zeit bei verschiedenen Vermittlungsfirmen beschäftigt war, die der Kläger widerspruchslos als Betrugsfirmen bezeichnet hat. Hinzu kommt, daß die Beklagte zu 1) zumindest über die DWR GmbH durch die Weiterleitung der Kundenadressen und die Überlassung von Werbeunterlagen in das Vertriebskonzept der Beklagten zu 2) eingebunden war. Die dadurch der Beklagten zu 1) gegebene Möglichkeit, mit der Seriosität der Beklagten zu 2) um Kunden zu werben, was nach der Feststellung des Berufungsgerichts der für die Beklagte zu 1) tätige Beklagte zu 4) als Telefonverkäufer auch dem Kläger gegenüber ausgenützt hat, ergab für die Beklagte zu 2) eine Garantenstellung dafür, daß es sich bei der Beklagten zu 1) nicht um ein Unternehmen handelte, das von vornherein darauf aus war, die ihm vermittelten Kunden zu schädigen.
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b) Auch wenn man mit dem Berufungsgericht in der Vermittlung der Kunden an die Beklagte zu 1) ohne vorherige Überprüfung eine die Sittenwidrigkeit erfüllende besondere Leichtfertigkeit sieht, die den Schluß auf bedingten Vorsatz erlaubt, rechtfertigt das die Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 826 BGB nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht.
- 24
Das Berufungsgericht läßt die Beklagte zu 2) aus § 826 BGB haften, weil es ihr das Verhalten der DWR GmbH als ihrer Verrichtungsgehilfin gemäß § 831 BGB zurechnet. Dies rügt die Revision im Ergebnis zutreffend als fehlerhaft.
- 25
Allerdings scheitert die Haftung der Beklagten zu 2) aus § 831 BGB nicht schon an der fehlenden Verrichtungsgehilfeneigenschaft der DWR GmbH. Der Revision ist aber zuzugeben, daß diese nicht, wie im angefochtenen Urteil, damit begründet werden kann, die DWR GmbH werde nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zu 2) als unselbständige Repräsentanz zur Kontaktpflege mit der deutschen Kundschaft unterhalten. Dieser Feststellung steht schon entgegen, daß es sich bei der deutschen Repräsentanz der Beklagten zu 2) um eine GmbH mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt, an der die Beklagte zu 2) nicht beteiligt ist. Außerdem hat das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten zu 2) im Schriftsatz vom 21. Februar 1986 (GA 101, GA 102) mißverstanden. Die Beklagte zu 2) hat dort im Rahmen der Darlegungen zu § 21 ZPO u.a. ausgeführt, die DWR GmbH sei keine mit Selbständigkeit ausgestattete Niederlassung der Beklagten zu 2). Dem stehe nicht entgegen, daß die DWR GmbH rechtlich selbständig und im Handelsregister eingetragen sei. Mit diesen Ausführungen wollte die Beklagte zu 2) geltend machen, daß die DWR GmbH keine Niederlassung im Sinne von § 21 ZPO sei, weil deren Leitung nicht das Recht habe, aus eigener Entscheidung Geschäfte für die Beklagte zu 2) abzuschließen (vgl. dazu das ebenfalls die Beklagte zu 2) betreffende Urteil des BGH vom 13. Juli 1987 -- II ZR 188/86, WM 1987, 1089 = BGHR ZPO § 21 Niederlassung 2).
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Der Umstand, daß die DWR GmbH ein rechtlich selbständiges Unternehmen ist, schließt unter den besonderen Umständen des Einzelfalles die Verrichtungsgehilfenschaft nicht aus. Entscheidend ist, ob die Hilfsperson allgemein oder doch im konkreten Fall im Einflußbereich des Geschäftsherrn steht und sich in einer gewissen Abhängigkeit zu ihm befindet. Strikte Weisungsgebundenheit ist nicht erforderlich; die Haftung des Geschäftsherrn erstreckt sich auf alle Tätigkeiten eines Gehilfen, die er im Prinzip beschränken, unterbinden oder nach Zeit, Art und Umfang näher bestimmen kann (vgl. die Nachweise bei MünchKomm-Mertens § 831 Rdn. 29). Hier ist von Bedeutung, daß der DWR GmbH die "Kontaktpflege" zu den deutschen Kunden der Beklagten zu 2) oblag und diese alle Interessenten an ihr "Düsseldorfer Büro" (die DWR GmbH) verwies. Daß die DWR GmbH sich als Repräsentanz an Richtlinien der Beklagten zu 2) zu halten hatte und diese Einfluß auf die Art und Weise der Kontaktpflege nehmen konnte, liegt auf der Hand. Dies reicht für die Feststellung aus, daß die DWR GmbH Verrichtungsgehilfin der Beklagten zu 2) war.
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Damit steht aber die Haftung der Beklagten zu 2) noch nicht fest. Dazu bedarf es u.a. der Feststellung, ob die DWR GmbH mit der Weiterleitung von Kundenadressen an die Beklagte zu 1) "in Ausführung" der ihr übertragenen Verrichtungen gehandelt hat. Die DWR GmbH konnte all das, was die Beklagte zu 1) tat, selbst und zumindest für den Kunden billiger erledigen. Es gehörte deshalb prima facie nicht zu ihren Aufgaben, Kunden, die sich auf Inserate der Beklagten zu 2) gemeldet hatten, an selbständige Anlagenvermittler zu verweisen, sondern lief an sich den Interessen der Beklagten zu 2) zuwider, weil diese damit die Interessenten möglicherweise als eigene Kunden verlor. Es kann deshalb nicht ohne weiteres angenommen werden, daß sich die DWR GmbH mit der Weiterleitung der Kundenadressen an die Beklagte zu 1) noch im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben bewegte. Das Berufungsgericht wird dazu, gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag, tatsächliche Feststellungen treffen müssen. Deshalb muß das angefochtene Urteil, soweit es die Beklagte zu 2) betrifft, aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
- 28
4. Sollte die erneute Berufungsverhandlung ergeben, daß die Weiterleitung der Adressen an die Beklagte zu 1) noch im Rahmen der der DWR GmbH übertragenen Aufgaben lag, und kann ferner festgestellt werden, daß die DWR GmbH dabei sittenwidrig und vorsätzlich gehandelt hat, was Voraussetzung für die Haftung für Hilfspersonen im Rahmen von § 826 BGB ist (MünchKomm-Mertens § 826 Rdn. 79, Steffen in RGRK, 12. Aufl. § 826 Rdn. 26, jeweils m.w.Nachw.), scheitert die Klage nicht daran, daß es an einem zurechenbaren Schaden des Klägers fehlen würde. Hier gilt vielmehr dasselbe, was zum Schaden des Klägers im Rahmen der Revision des Beklagten zu 3) ausgeführt worden ist.
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Falls die Beklagte zu 2) nicht nach §§ 826, 831 BGB haftet, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob nicht wenigstens eine Haftung für den dem Kläger durch die Kick-Back-Vereinbarung mit der Beklagten zu 1) entstandenen Schaden in Betracht kommt.
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Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zu 2) im Schriftsatz vom 14. Dezember 1987 (GA II 522, 523) erhielt die Beklagte zu 1) monatlich einen pauschalen Mengenrabatt von 40% der Kommissionen, die auf ihrem Konto bei der Beklagten zu 2) angefallen sind. Daraus ergibt sich, daß die Beklagte zu 2) bei der Abrechnung der einzelnen Aufträge der Beklagten zu 1) die vereinbarten, vollen Kommissionen in Rechnung gestellt hat, so daß diese in der Lage war, sie den Kunden weiterzugeben. Erst nach Ablauf eines Monats erhielt die Beklagte zu 1) 40% der Kommissionen gutgeschrieben. Da dies pauschal geschah, wurde das einzelne Geschäft nicht berücksichtigt. Dies entspricht dem, was in der Fachsprache als "Kick-Back" bezeichnet wird. Davon spricht man, wenn bei Direktgeschäften -- um solche handelt es sich hier -- der Broker in Absprache mit dem Vermittler höhere Kommissionen als die selbst beanspruchten ausweist, und den überschießenden Teil an den Vermittler abführt (vgl. Wach, aaO Rdn. 519). Der Vermittler ist gemäß §§ 675, 667 BGB verpflichtet, die zurückerstatteten Kommissionen dem Auftraggeber (Kunden) zurückzugewähren. Wird dem Kunden die Kick-Back-Vereinbarung verheimlicht, so können Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB in Betracht kommen, wenn der Kunde aufgrund der Täuschung über die Kosten des Geschäfts einen Schaden erlitten hat (vgl. Wach aaO). Wenn die Kick-Back-Vereinbarung zwischen Broker und Vermittler getroffen wird, kann ein kollusives Zusammenwirken naheliegen, so daß auch eine Haftung des Brokers, hier also der Beklagten zu 2), in Betracht kommt. Für die Wertung, ob die Beklagte zu 2) dabei vorsätzlich gehandelt hat, kann unter Umständen von Bedeutung sein, daß auch nach anglo-amerikanischem Recht das Kick-Back-Verfahren als "fraudulent" strafbar ist (vgl. Imo, Börsentermin- und Börsenoptionsgeschäfte, 1988 Bd. I Rdn. 1321, 1322).
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