Darlegungs- und Beweislast bei Rückzahlungsansprüchen aus Darlehen und aus ungerechtfertigter Bereicherung
Orientierungssatz
1. Die Verpflichtung zur Rückzahlung von Darlehen setzt außer der Auszahlung der Valuta voraus, daß der Darlehensgeber die Einigung über die Hingabe als Darlehen beweist und einen von dem Darlehensnehmer behaupteten anderen Rechtsgrund ausschließt (vergleiche BGH, 1985-06-10, III ZR 178/84, NJW 1986, 2571 und BGH, 1982-10-28, III ZR 128/81, NJW 1983, 931 und BGH, 1976-05-24, III ZR 63/74, WM IV 1976, 974).
2. Wer Rückzahlungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend macht, muß beweisen, daß ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung nicht vorlag. Dabei kann er sich aber darauf beschränken, die vom Bereicherungsempfänger behaupteten Rechtsgründe auszuräumen (vergleiche BGH, 1982-10-21, VII ZR 369/80, WM IV 1983, 14).
vorgehend LG Aachen, 18. Januar 1985, 43 O 191/84
Vergleiche BGH 3. Zivilsenat, 28. Oktober 1982, III ZR 128/81
Vergleiche BGH 7. Zivilsenat, 21. Oktober 1982, VII ZR 369/80
Vergleiche BGH 3. Zivilsenat, 24. Mai 1976, III ZR 63/74
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 22. April 1988 aufgehoben, soweit die Klage in Höhe von 33.312,45 DM nebst Zinsen abgewiesen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin war die deutsche Vertriebsgesellschaft der Beklagten, die in Indien ein Unternehmen zur Herstellung von Textilien betreibt und die zu 50% an der Klägerin beteiligt war. Die Klägerin verlangt den Ersatz von Aufwendungen, die sie für die Beklagte erbracht haben will. Sie hat behauptet, sie habe im Auftrag der Beklagten 76.105,27 DM Honorare an Designer gezahlt, weil die Beklagte wegen devisenrechtlicher Bestimmungen die Ansprüche der Designer nicht unmittelbar habe ausgleichen können. Weiter habe sie der Beklagten 63.313,62 DM Prozeß- und Anwaltskosten für deren Rechtsstreitigkeiten in Deutschland vorgestreckt. Schließlich sei sie in vielen Einzelfällen für die Beklagte, deren Mitarbeiter und deren Geschäftspartner mit insgesamt 50.270,90 DM in Vorleistung getreten.
- 2
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 183.156,97 DM nebst Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Der Senat hat die Revision der Klägerin nur insoweit angenommen, als die Klage in Höhe von 33.312,45 DM nebst Zinsen abgewiesen wurde (Anspruch aus Hingabe der Schecks über 7.000 DM am 5. Februar 1980 und 20.000 DM im April 1980 und aus der Überweisung von 6.312,45 DM am 29. März 1982). In diesem Umfang erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 3
Die Revision führt, soweit sie angenommen worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
- 4
1. Die Klägerin übersandte der Beklagten am 5. Februar 1980 einen Scheck über 7.000 DM und Anfang April 1980 einen weiteren Scheck über 20.000 DM. Beide Schecks wurden von der Beklagten zum Einzug gegeben und dem Konto der Klägerin belastet. Am 29. März 1982 überwies die Klägerin der Beklagten 6.312,45 DM. Die Klägerin behauptet: Sie habe die Schecks auf telefonische Bitten der Beklagten übersandt. Forderungen der Beklagten hätten insoweit nicht bestanden. Auch der Überweisung der 6.312,45 DM habe keine Forderung der Beklagten zugrunde gelegen. In allen Fällen habe es sich um Vorleistungen gehandelt. Eine Verrechnung mit Forderungen der Beklagten sei nie erfolgt.
- 5
Das Berufungsgericht meint, aus diesem Vorbringen der Klägerin lasse sich kein Rückzahlungsanspruch herleiten. Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 6
2. Welche Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, richtet sich nach der rechtlichen Einordnung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen, die Rechtsgrund der Zahlungen der Klägerin waren.
- 7
Da eine Schenkung unstreitig nicht vorliegt, kommen nur Darlehensgeschäfte oder in Erfüllungsabsicht und in Erwartung späterer Gegenleistungen erbrachte Zahlungen in Betracht (vgl. Ballhaus in BGB-RGRK 12. Aufl. vor § 607 Rdn. 36; Westermann in MünchKomm. 2. Aufl. BGB § 607 Rdn. 84). Wenn es – wie die Klägerin behauptet – Gegenleistungen nicht gegeben hat, ist die Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet, unabhängig davon, wie man die Zahlungen der Klägerin rechtlich bewertet.
- 8
a) Die Verpflichtung zur Rückzahlung von Darlehen setzt außer der hier unstreitigen Auszahlung der Valuta voraus, daß die Klägerin die Einigung über die Hingabe als Darlehen beweist und einen von der Beklagten behaupteten anderen Rechtsgrund ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1987 – III ZR 120/86, BGHR BGB § 607 – Beweislast 1; Urteil vom 10. Juni 1985 – III ZR 178/84, NJW 1986, 2571; Urteil vom 28. Oktober 1982 – III ZR 128/81, NJW 1983, 931; Urteil vom 24. Mai 1976 – III ZR 63/74, WM 1976, 974 f.).
- 9
Für die darlehensweise Hingabe der Schecks spricht der in der Berufungserwiderung unter Beweis gestellte Vortrag der Klägerin, sie habe sich auf Bitten der Beklagten bereit erklärt, 27.000 DM zur Verfügung zu stellen, ohne daß ein Verwendungszweck vereinbart worden sei. – Der Vortrag der Klägerin und die damit verbundenen Beweisantritte reichen auch aus, den von der Beklagten behaupteten Rechtsgrund für die Scheckübersendungen und die Überweisung auszuschließen. Die Klägerin ist dem Vorbringen der Beklagten, die Leistungen seien zum Ausgleich ganz bestimmter Forderungen aus Warenlieferungen erfolgt, mit der Behauptung entgegengetreten, die von der Beklagten vorgelegten Rechnungen, deren Ausgleich die Zahlungen angeblich dienen sollten, seien sämtlich gefälscht. Sie hat insbesondere mit Schriftsätzen vom 19. Juni 1985 (GA 113 ff.) sowie vom 17. Februar 1986 (GA 199 ff.) nähere Umstände dargelegt, aus denen sich die Tatsache der Fälschung ergeben könnte. Sollte sich dieser Vortrag als richtig erweisen, so wäre der von der Beklagten behauptete Rechtsgrund der Zahlungen ausgeräumt und die Beklagte zur Rückzahlung der Darlehen verpflichtet (§ 607 Abs. 1 BGB).
- 10
b) Auch wenn die Klägerin der Beklagten keine Darlehen gegeben haben sollte, sondern die Zahlungen in Erwartung vertraglicher Gegenleistungen zur Erfüllung eigener, später fällig werdender Verbindlichkeiten geleistet hätte, können Rückzahlungsansprüche der Klägerin nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden; denn wenn keine Gegenleistung durch die Beklagte erfolgt ist, so kann die Klägerin die Vorschüsse als ungerechtfertigte Bereicherung zurückverlangen (vgl. Ballhaus in BGB-RGRK 12. Aufl. vor § 607 Rdn. 36 m.w.Nachw.). Zwar muß die Klägerin beweisen, daß ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung nicht vorlag. Dabei kann sie sich aber darauf beschränken, die von der Beklagten als Bereicherungsempfänger behaupteten Rechtsgründe auszuräumen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1982 – VII ZR 369/80, WM 1983, 14 f. m.w.Nachw.). Insoweit gilt nichts anderes als für den Darlehensanspruch.
- 11
3. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr den entsprechenden Beweisangeboten der Parteien zu den hier erörterten Ansprüchen nachzugehen haben wird.
Permalink
-
Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten:
https://www.juris.de/perma?d=KORE600058911