Konkludente Erledigungserklärung
Orientierungssatz
1. Bei Erledigung der Hauptsache brauchen die Parteien nicht wörtlich oder ausdrücklich die von ZPO § 91a vorausgesetzte Erklärung abzugeben. Es genügt, wenn sich ihr hierauf gerichteter Wille konkludent im Wege der Auslegung ihres prozessualen Verhaltens ermitteln läßt (so auch BGH, 1956-07-14, III ZR 29/55, NJW 1956, 1517).

vorgehend LG Hannover, 29. März 1989, 12 O 58/89
Tatbestand
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Die Klägerin hatte den Beklagten zur Freistellung von ihrer eigenen Zahlungsverpflichtung aus einem Versäumnisurteil des Landgerichts Hannover (12 O 397/88) vom 23. November 1988 auf Zahlung von 15.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 26. September 1988 an Frau I. R. in W. in Anspruch genommen. Nachdem der Beklagte nach Klagezustellung an Frau R. 15.000 DM gezahlt hatte, hat die Klägerin im Verhandlungstermin vor dem Landgericht den angekündigten Antrag "abzüglich am 3. März 1989 gezahlter 15.000 DM" gestellt und hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen, sie von ihrer Zahlungsverpflichtung aus dem Versäumnisurteil in Höhe von 4% Zinsen auf 15.000 DM seit dem 26. Februar 1988 bis 2. März 1989 freizustellen. Der Beklagte hat daraufhin erklärt, er schließe sich unter Protest gegen die Kostenlast der Erledigungserklärung an, und beantragt, den Hauptantrag abzuweisen. Er hat weiter den Hilfsantrag - ebenfalls unter Protest gegen die Kostenlast - anerkannt.
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Das Landgericht hat daraufhin mit "Anerkenntnis-Teilurteil und Urteil" den Beklagten verurteilt, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Hannover vom 23. November 1988 in Höhe von 4% Zinsen auf 15.000 DM für die Zeit vom 26. Februar 1988 bis 2. März 1989 freizustellen. Es hat die weitergehende Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
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Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß sich die Hauptsache in Höhe eines Betrages von 15.000 DM erledigt hat, und den Beklagten zu verurteilen, 4% Zinsen auf 15.000 DM seit dem 26. September 1988 an Frau R. zu zahlen.
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Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Zurückverweisung an das Berufungsgericht erstrebt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet.
I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts erreicht die Beschwer der Klägerin nicht die nach § 511 a ZPO erforderliche Berufungssumme von mehr als 700 DM. Es nimmt an, die Parteien hätten den Anspruch auf Zahlung von 15.000 DM vor dem Landgericht übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Berufung betreffe deshalb nur noch eine Zinsforderung in Höhe von etwa 250 DM.
II.
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Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
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1. Die Zinsen, die aus dem erledigten Hauptsache-Teil geltend gemacht werden und die damit als Hauptforderungen i.S. von § 4 ZPO zu berücksichtigen sind (vgl. BGHZ 26, 174), überschreiten nicht die Wertgrenze des § 511 a ZPO. Das räumt die Revision ein.
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2. Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerfrei die Erklärung der Prozeßbevollmächtigten der Parteien im Verhandlungstermin vor dem Landgericht vom 13. März 1989 als übereinstimmende Erledigungserklärung i.S. von § 91 a ZPO gewertet mit der Folge, daß die darauf entfallenden Kosten bei der Berechnung der Berufungssumme außer Betracht bleiben.
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a) Die Auslegung der prozessualen Erklärungen durch das Berufungsgericht, die der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegen (vgl. BGHZ 4, 328, 334; BGH, Urteil vom 19. Januar 1989 - IX ZR 83/88, WM 1989, 700, 702 m.w. Nachw.), hält den Angriffen der Revision stand.
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aa) Entgegen der Ansicht der Revision steht dem vorgenannten Verständnis der Prozeßerklärungen nicht das Argument entgegen, es sei zwar eine Erledigungserklärung des Beklagten, nicht aber eine entsprechende Erledigungserklärung der Klägerin protokolliert worden.
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Die Parteien brauchen nicht wörtlich oder ausdrücklich die von § 91 a ZPO vorausgesetzte Erklärung abzugeben. Es genügt, wenn sich ihr hierauf gerichteter Wille konkludent im Wege der Auslegung ihres prozessualen Verhaltens ermitteln läßt (vgl. BGHZ 21, 298 f.).
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Dem Umstand, daß die Klägerin nach Zahlung der Hauptsumme den Klageanspruch ermäßigt hat, kann hier kein anderer Sinn als der einer Erledigungserklärung beigelegt werden. Daß die Klägerin etwa die Klage insoweit mit der für sie ungünstigen Kostenfolge (§ 269 Abs. 3 ZPO) zurücknehmen wollte, kann nicht angenommen werden, zumal sie beantragt hat, die gesamten Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen. Entscheidend aber fällt ins Gewicht, daß der Beklagte unter Bezugnahme auf die Erklärung der Klägerin sich ausdrücklich deren "Erledigungserklärung" angeschlossen und die Klägerin dem nicht widersprochen hat. Noch in der Berufungsbegründung ist die Klägerin selbst davon ausgegangen, daß ihrerseits eine Erledigungserklärung vorliegt (GA 71).
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bb) Der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung der Prozeßerklärungen steht auch nicht entgegen, daß der Beklagte beantragt hat, "den Hauptantrag" ohne jede Einschränkung "abzuweisen". Daß sich dieser Antrag nur auf den nicht erledigten Teil des Hauptantrages bezog, ergibt sich - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - zwangsläufig unter Berücksichtigung der vorangegangenen beiderseitigen Erledigungserklärungen der Parteien.
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cc) Soweit die Revision sich darauf beruft, daß das maschinenschriftliche Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht hinsichtlich des Zinsbeginns im Hilfsantrag einen Übertragungsfehler enthalte und im übrigen nicht von dem Vorsitzenden, sondern von dem dienstältesten mitwirkenden Richter unterschrieben sei, kann offen bleiben, ob die aufgezeigten Mängel die Beweiskraft der Niederschrift beeinträchtigen. Die Klägerin zieht nicht in Zweifel, daß die Niederschrift die Anträge der Parteien von der hier nicht interessierenden Frage des Zinsbeginns im Hilfsantrag abgesehen zutreffend wiedergibt. Ihr Inhalt ist unstreitig.
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Daß auch das Landgericht die prozessualen Erklärungen der Parteien als übereinstimmende Erledigungserklärung verstanden hat, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt.
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b) Entgegen der Meinung der Revision war die Berufung auch nicht deshalb zulässig, weil die in erster Instanz angefallenen Prozeßkosten die Berufungssumme des § 511 a ZPO bei weitem überstiegen.
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Hat sich - wie hier - der Rechtsstreit in der Hauptsache zum Teil erledigt und wird durch Urteil über den nicht erledigten Teil der Hauptsache und zugleich über die Kosten des erledigten Teils entschieden, so ist die Berufung nur dann zulässig, wenn der nicht erledigte Teil der Hauptsache die Berufungssumme erreicht. Die Prozeßkosten, auch soweit sie durch den in der Hauptsache erledigten Teil entstanden sind, können nicht berücksichtigt werden, wie das Berufungsgericht zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Lehre entschieden hat (BGH, Beschluß vom 17. Mai 1990 - IX ZB 9/90, BGHR ZPO § 91 a Abs. 1 Satz 1 Streitwert 1 m.w.Nachw.).
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