Haftungsfreistellung von Vertragspartner, Aussteller und früheren Gläubigern durch Wechselforfaitierung
Leitsatz
Eine ohne Zusatz getroffene Vereinbarung über die "Forfaitierung" eines Wechsels enthält für den Fall der Uneinbringlichkeit einen schuldrechtlich wirkenden Verzicht des Forfaiteurs auf die Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen nicht nur gegen seinen Vertragspartner, sondern auch zugunsten des Ausstellers und anderer früherer Wechselgläubiger.











vorgehend LG Weiden, 11. Februar 1993, 1 O 1097/92
Vergleiche BFH 1. Senat, 2. März 2010, I R 44/09
Vergleiche FG Berlin 7. Senat, 9. Dezember 2003, 7 K 7106/03
Vergleiche FG Berlin 7. Senat, 9. Dezember 2003, 7 K 7136/02
Vergleiche BFH 1. Senat, 8. November 2000, I R 37/99
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Jochen Marly, LM WG Art 9 Nr 42 (12/1994) (Anmerkung)

Uwe Eyles, WiB 1994, 788-789 (Anmerkung)
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Schinkels, 8. Auflage 2017, § 328 BGB
● Toussaint, 8. Auflage 2017, § 257 BGB
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Bank, nimmt die Beklagte, eine Maschinenfabrik, als Ausstellerin mehrerer Wechsel in Anspruch, die von einer italienischen Handelsgesellschaft angenommen und bei Fälligkeit nicht bezahlt worden sind. Die Beklagte versah die an eigene Order ausgestellten Wechsel, denen ein Exportgeschäft zugrunde lag, jeweils mit einem Blankoindossament und diskontierte sie bei ihrer Hausbank. Diese bat die Klägerin mit Schreiben vom 15. März 1991 unter Bezugnahme auf ein Telefongespräch, die beigefügten Wechsel "zum vereinbarten Diskontsatz von 10,5% p.a. plus Respekttage zu forfaitieren". Die Klägerin rechnete das Geschäft gegenüber der Hausbank entsprechend ab. Anschließend stellte letztere der Beklagten die gewünschte Forfaitierung unter Rückvergütung des bereits erhaltenen Diskonts von 10,7 bzw. 10,75% mit 12,5% in Rechnung.
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Die Beklagte macht geltend, durch die Forfaitierung, die ihre Hausbank lediglich vermittelt habe, habe sich die Klägerin ihrer Rückgriffsansprüche begeben.
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Das Landgericht hat der im Wechselprozeß erhobenen Klage über 580.909,85 DM zuzüglich Zinsen und Wechselprovision durch Vorbehaltsurteil stattgegeben. Nach Abstandnahme der Klägerin vom Wechselverfahren in der Berufungsinstanz hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin, das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen und für vorbehaltlos zu erklären.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet.
I.
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Das Berufungsgericht hat einen Rückgriffsanspruch der Klägerin aus Art. 9 Abs. 1 WG verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
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Die Haftung des Wechselausstellers lasse sich zwar nicht durch einen Vermerk auf dem Wechsel ausschließen, wohl aber durch eine schuldrechtliche Vereinbarung mit dem Wechselinhaber. Eine solche Vereinbarung sei in dem Forfaitierungsvertrag enthalten, gleichgültig, ob die Hausbank der Beklagten deren Haftungsfreistellung ausdrücklich gefordert habe und ob der Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten oder aber mit deren Hausbank zustande gekommen sei. Im letztgenannten Falle liege ein Vertrag zugunsten der Beklagten vor. Unter "Forfaitierung", einer bei Exportfinanzierungen banküblichen Handelsklausel, verstünden Praxis und Schrifttum, wie dem Berufungsgericht nach Studium der Fachliteratur aus eigener Sachkunde bekannt sei, bei Wechseln allgemein den Ankauf durch ein Finanzierungsinstitut unter Verzicht auf Rückgriffsansprüche gegen den Exporteur und Wechselaussteller. In diesem Sinne sei die Forfaitierung auch hier zu verstehen. Die Hausbank, die die Forfaitierung der Beklagten besonders in Rechnung gestellt habe, sei zweifellos davon ausgegangen, daß die Forfaitierung durch die Klägerin eine Haftungsfreistellung der Beklagten bedeute. Auch für die Klägerin habe es nahegelegen, daß die Hausbank, die die Wechsel nicht indossiert habe und deshalb daraus nicht hafte, das Forfaitgeschäft nicht im eigenen, sondern im Interesse der Beklagten abschließe.
II.
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Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
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1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Hausbank der Beklagten bei der Forfaitierungsvereinbarung mit der Klägerin im eigenen Namen oder aber als Vertreterin der Beklagten aufgetreten ist und ob sie eine Haftungsfreistellung der Beklagten ausdrücklich gefordert hat. Zugunsten der Revision ist davon auszugehen, daß die Hausbank die Vereinbarung im eigenen Namen abgeschlossen hat und über einen Rückgriffsverzicht der Klägerin zugunsten der Beklagten nicht gesprochen worden ist.
- 9
2. Die so getroffene Forfaitierungsvereinbarung enthält einen Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung ihrer Rückgriffsansprüche aus Art. 9 Abs. 1 WG gegen die Beklagte. Dies ergibt die Auslegung der Vereinbarung nach § 157 BGB, die der Senat selbst vornehmen kann, da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - IX ZR 79/90, WM 1991, 558, 559; BGH, Urteil vom 21. Oktober 1992 - VIII ZR 99/91, WM 1993, 114, 115 m.w.Nachw.). Ob, wie das Berufungsgericht angenommen hat, sogar ein Handelsbrauch besteht, daß die forfaitierende Bank auf jeden Rückgriff gegen ihren Vertragspartner und gegen frühere Forderungsinhaber verzichtet, kann dahinstehen.
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a) Auszugehen hat die Auslegung vom Begriff "Forfaitierung". So wie er im Verkehr unter Banken üblicherweise gebraucht wird, mußte ihn grundsätzlich auch die Klägerin verstehen, als sie von der Hausbank der Beklagten gebeten wurde, die von der Beklagten ausgestellten Wechsel zu "forfaitieren".
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aa) Der ohne einschränkende Zusätze verwendete Begriff "Forfaitierung", der seinen Ursprung in der französischen Sprache hat ("acheter forfait" bedeutet "in Bausch und Bogen kaufen"), hat nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts in Praxis und Schrifttum einen eindeutigen Inhalt. Er kennzeichnet eine bestimmte Art von (Export-)Finanzierung, nämlich die Diskontierung später fällig werdender (Wechsel-)Forderungen vor allem aus Außenhandelsgeschäften durch eine Bank unter Übernahme des Bonitätsrisikos. Daß dem Begriff "Forfaitierung" damit ein Regreßverzicht der Bank für den Fall immanent ist, daß die diskontierte Forderung wirtschaftlich nicht durchsetzbar ist, entspricht allgemeiner Meinung (vgl. etwa OLG Hamburg ZIP 1983, 46, 47; Canaris, Bankvertragsrecht 2. Aufl. Rdn. 1583; Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. (7) BankGesch. VI 3 A; Graf v. Westphalen, Rechtsprobleme der Exportfinanzierung 3. Aufl. S. 483; Nielsen BuB Bd. III 5/213).
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bb) Auch die Revision sieht dies nicht anders, meint jedoch, der Verzicht der Bank beschränke sich auf Regreßansprüche gegen ihre Vertragspartnerin, die Hausbank der Beklagten, ein Rückgriff auf die Beklagte als frühere Inhaberin der forfaitierten Wechselforderung werde dadurch nicht ausgeschlossen. Damit kann die Revision nicht durchdringen.
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Die Beteiligung mehrerer Banken an einem Forfaitgeschäft ist nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts gängige Praxis (vgl. Häusermann, Forfaitierungsgeschäfte im Dienste mittelfristiger Exportfinanzierung 2. Aufl. S. 279; Finger BB 1969, 765). Die Hausbanken von Exporteuren treten dabei, um den Forfaiteur sowie ihre Vermittlungsprovision nicht offenlegen zu müssen und künftigen Direktgeschäften ihres Kunden mit dem Forfaiteur vorzubeugen, heute üblicherweise nicht mehr als Vermittler auf. Sie versuchen vielmehr, soweit ihnen eine Eigenforfaitierung untunlich erscheint, die von ihren Kunden gewünschte Forfaitierung im eigenen Namen am Forfaitierungsmarkt zu platzieren (vgl. Nielsen BuB Bd. III 5/214). Den Hausbanken geht es dabei, wie den mit den Verhältnissen vertrauten Forfaiteuren bekannt ist, gerade auch darum, mit Hilfe der Forfaitierung einen Rückgriff auf ihren Kunden auszuschließen. Die Literatur, die solche Fälle berücksichtigt, definiert den Begriff "Forfaitierung" deshalb einhellig als Ankauf später fällig werdender Forderungen unter Ausschluß des Rückgriffs auf frühere Forderungsinhaber (vgl. Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen 39. Aufl. S. 478; Banklexikon (Gabler), 10. Aufl. Stichwort "Forfaitierung"; Palyi/Quittner, Enzyklopädisches Lexikon für Geld-, Bank- und Börsenwesen S. 591; Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, 2. Aufl. Stichwort "Forfaitierung"; Martinek, Moderne Vertragstypen Bd. I S. 241 f.; Graf v. Westphalen, Rechtsprobleme der Exportfinanzierung 3. Aufl. S. 483; Nielsen BuB Bd. III 5/213; Häusermann, Forfaitierungsgeschäfte im Dienste der mittelfristigen Exportfinanzierung 2. Aufl. S. 14, 145; Schultz-Meister AWD 1972, 230; Gerth ZGesKredW 1979, 576; Gmür in Jahrbuch für Betriebswirte 1983, 235).
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b) Nichts spricht dafür, daß die Vertragsparteien den Begriff "Forfaitierung" übereinstimmend anders verstanden hätten, insbesondere die Klägerin hätte annehmen dürfen, der Hausbank der Beklagten gehe es nur um ihre eigene Haftungsfreistellung, nicht aber um die der Beklagten. Die Hausbank hat die Forfaitierung der Wechsel mit der Beklagten erst im Anschluß an die Forfaitierung durch die Klägerin vereinbart. Daraus ergibt sich deutlich, daß sie die Forfaitierungsvereinbarung mit der Klägerin in dem oben dargelegten verkehrsüblichen Sinne verstanden hat. Zur Haftungsfreistellung allein der Hausbank hätte es einer Forfaitierung der Wechsel durch die Klägerin nicht bedurft. Es hätte für die Hausbank vielmehr ausgereicht, die Wechsel ohne eigenes Indossament an die Klägerin zu veräußern. Die Klägerin hatte danach keinerlei Grund zu der Annahme, die Hausbank gebrauche den Begriff "forfaitieren" bei ihrem Vertragsantrag in einem anderen als dem verkehrsüblichen Sinne.
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Sollte die Klägerin den Begriff dennoch abweichend von dem objektiven Erklärungswert verstanden haben, läge ihrerseits ein Irrtum vor. Ob dieser zur Anfechtung des Forfaitgeschäfts nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigen würde, bedarf keiner Entscheidung, da eine Anfechtung nicht erfolgt ist. In der Klage kann eine solche schon deshalb nicht gesehen werden, weil Anfechtungsgegner nach § 143 Abs. 1 und 2 BGB nicht die Beklagte, sondern deren Hausbank als Vertragspartnerin der Klägerin ist.
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3. Gegen die Wirksamkeit des in der Forfaitierungsvereinbarung enthaltenen Verzichts der Klägerin auf die Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen gegen die Beklagte bestehen keine Bedenken.
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a) Art. 9 Abs. 2 WG bestimmt zwar, daß die Haftung des Ausstellers nicht durch einen Vermerk auf dem Wechsel ausgeschlossen werden kann. Ein schuldrechtlich wirkender Verzicht des Wechselgläubigers auf einen Regreß gegen den Aussteller wird dadurch jedoch nicht ausgeschlossen. Ein solcher Verzicht gewährt dem Aussteller eine Einwendung gemäß Art. 17 WG (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht 2. Aufl. Rdn. 1583; Baumbach/Hefermehl, WG und ScheckG 18. Aufl. Art. 9 WG Rdn. 3).
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b) Nach § 328 BGB ist zwar ein Erlaßvertrag zugunsten Dritter nicht möglich. Die Wirksamkeit eines Vertrages, durch den ein Gläubiger auf die Inanspruchnahme eines Dritten verzichtet, begegnet danach jedoch keinen Bedenken (vgl. RGZ 127, 126, 128 f.; BGH, Urteil vom 18. September 1957 - V ZR 209/55, LM § 328 BGB Nr. 15).
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c) Die von einer Mindermeinung vertretene Ansicht, ein solcher Verzicht könne bei einer Forfaitierungsvereinbarung wirksam nur ausdrücklich und schriftlich erfolgen, da keine internationale Branchenusance bestehe, die eine mündliche Vereinbarung anerkenne (Schultz-Meister AWD 1972, 230; s. auch Graf v. Westphalen, Rechtsprobleme der Exportfinanzierung 3. Aufl. S. 489), findet im Gesetz jedenfalls dann keine Stütze, wenn Partner des Forfaitgeschäfts - wie hier - Banken mit Sitz in Deutschland sind.
III.
- 20
Die Revision der Klägerin war danach zurückzuweisen.
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