(Kontosperrbefugnis der Bank gemäß AO 1977 § 154: Formale und materielle Kontenwahrheit; Irrelevanz der Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten)
Leitsatz
1. AO § 154 (juris: AO 1977) soll ausschließlich die formale Kontenwahrheit gewährleisten. Ob der angegebene Inhaber das Konto für eigene oder für fremde Rechnung führt (materielle Kontenwahrheit), ist unerheblich.
2. Die Identifikationspflicht nach GWG § 8 (juris: GwG) erweitert den Anwendungsbereich des AO § 154 Abs 3 (Kontosperre) nicht.


















vorgehend LG Bielefeld, 18. Mai 1993, 21 O 67/93
Vergleiche VG Aachen 5. Kammer, 5. Februar 2007, 5 K 345/06
Anschluss OLG Hamm 31. Zivilsenat, 6. Februar 2006, 31 U 133/05
Vergleiche FG Düsseldorf 4. Senat, 27. Juli 2005, 4 K 2596/03 Erb
Vergleiche FG Düsseldorf 6. Senat, 29. Oktober 2002, 6 K 5596/99 K, BB
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Walther Schmidt-Lademann, LM AbgO 1977 Nr 20 (4/1995) (Anmerkung)

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Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. November 1993 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Auszahlung eines Kontoguthabens von 25.000 DM.
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Die Beklagte hatte das Konto am 13. Juni 1991 auf Antrag der Klägerin nach Feststellung der Personalien auf deren Namen eingerichtet. Zugleich hatte sie die Personalien des Sohnes der Klägerin, den diese als Kontobevollmächtigten benannt hatte, in die bei ihr geführte Bevollmächtigtendatei aufgenommen.
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Am Tage der Kontoeröffnung reichte die Klägerin zwei Schecks über 3.000 DM und 7.500 DM ein. Die weiteren Haben-Umsätze in Höhe von 171.400 DM beruhten bis auf eine Ausnahme durchweg auf der Einreichung von Schecks durch den Kontobevollmächtigten. Er allein nahm auch Barabhebungen von dem Konto vor; Belastungen durch Überweisungen erfolgten nicht.
- 4
Die Beklagte sah hierin einen Verstoß gegen das Gebot der Kontenwahrheit und verfügte am 23. Juli 1991 eine Kontosperre gemäß § 154 Abs. 3 AO. Sie weigert sich, das bestehende Guthaben ohne Zustimmung des Finanzamtes auszuzahlen.
- 5
Die Klägerin verlangt Auszahlung. Sie ist der Meinung, § 154 AO diene allein der formalen Kontenwahrheit, die durch die Angabe der richtigen Namen gewahrt sei.
- 6
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet.
I.
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Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit einer Kontosperre gemäß § 154 Abs. 3 AO verneint. Zur Begründung seiner Entscheidung (abgedruckt WM 1994, 108) hat es ausgeführt:
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§ 154 Abs. 1 AO erfasse nicht den Fall der ausschließlichen Nutzung des Kontos durch einen bevollmächtigten Dritten, der der Bank wahrheitsgemäß bei Kontoeröffnung benannt worden sei. Nach dem Wortlaut des § 154 AO sei das Gebot der Kontenwahrheit dadurch erfüllt, daß die Klägerin als gegenüber der Beklagten berechtigte Gläubigerin das Konto unter ihrem richtigen Namen eröffnet habe. Die Vorschrift solle - wie schon die Vorgängervorschrift des § 163 Reichsabgabenordnung (RAO) - allein die formale Kontenwahrheit gewährleisten. Dies entspreche auch dem Zweck der Norm, die verhindern wolle, daß die Nachprüfung der steuerlichen Verhältnisse durch die Verwendung falscher oder erdichteter Namen erschwert werde. Dem sei Genüge getan: Aufgrund der Angaben der Klägerin sei die Bank bei einem entsprechenden Auskunftsersuchen in der Lage, Kontoinhaberin und Kontobevollmächtigten zutreffend zu benennen. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung des § 154 AO sei auch nicht im Interesse einer wirksameren Nachprüfung der steuerlichen Verhältnisse möglich, weil § 154 Abs. 1 AO die Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit (§ 379 Abs. 2 Nr. 2 AO) regele.
II.
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Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
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1. Das Oberlandesgericht hat zu Recht das Bestehen eines Zahlungsanspruchs der Klägerin aus dem Girovertrag bejaht. Nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin Kontoinhaberin und damit Gläubigerin des Bankguthabens. Kontoinhaber wird, wer bei der Kontoerrichtung der Bank gegenüber als Forderungsberechtigter auftritt oder bezeichnet wird. Unter besonderer Berücksichtigung des Einzelfalls ist zu prüfen, wer nach dem erkennbaren Willen des die Kontoeröffnung Beantragenden Gläubiger der Bank werden sollte (BGHZ 21, 148, 150; Senatsurteil vom 10. Oktober 1989 - XI ZR 117/88 = WM 1990, 537, 538 und Urteil vom 9. Dezember 1993 - IX ZR 100/93 = WM 1994, 459 f., zum Abdruck in BGHZ 124, 298 bestimmt, jeweils m.w.Nachw.). Das ist hier die Klägerin. Sie hat das Konto auf ihren eigenen Namen ohne Zusatz eines fremden Namens errichtet (vgl. zur Maßgeblichkeit dieser Gesichtspunkte BGH, Urteil vom 9. Februar 1972 - VIII ZR 128/70 = WM 1972, 383; Urteil vom 21. Oktober 1982 - VII ZR 369/80 = WM 1983, 14, 15; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. Rdn. 155). Aus wessen Mitteln die eingezahlten Gelder stammten, ist demgegenüber ebenso unerheblich (BGHZ 21 aaO; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1966 - II ZR 290/63 = WM 1966, 1246, 1248; Urteil vom 9. Februar 1972 aaO) wie der Umstand, daß auf dem Konto Geldbeträge verbucht wurden, die steuerlich möglicherweise einem Dritten - dem Bevollmächtigten - zuzuordnen sind. Dies ist auch bei jedem offenen oder verdeckten Treuhandkonto der Fall, ohne daß hierdurch die Kontoinhaberschaft des Treuhänders in Frage gestellt würde (BGHZ 61, 72, 78; BGH, Urteil vom 22. September 1975 - II ZR 51/74 = WM 1975, 1200; Senatsurteil vom 25. September 1990 - XI ZR 94/89 = WM 1990, 1954 f.; Urteil vom 4. März 1993 - IX ZR 151/91 = WM 1993, 1106, 1107 m.w.Nachw.; Philipowski in Kohlmann, Strafverfolgung und Strafverteidigung im Steuerstrafrecht, S. 150). Der Umstand, daß das Konto nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im weiteren Verlauf allein zu Zwecken des Kontobevollmächtigten genutzt wurde, ändert an der Kontoinhaberschaft nichts. Für sie ist allein entscheidend, wer bei der Kontoerrichtung als Forderungsberechtigter nach außen erkennbar aufgetreten ist (BGHZ 61 aaO; BGH, Urteile vom 22. September 1975 aaO, 1201 sowie vom 10. Oktober 1989 und 9. Dezember 1993 aaO m.w. Nachw.; Canaris aaO, Rdn. 163). Das aber war die Klägerin.
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2. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die begehrte Auszahlung unter Hinweis auf § 154 AO zu verweigern.
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a) Die Voraussetzungen für eine Kontosperre gemäß § 154 Abs. 3 und 1 AO liegen nicht vor. Die Klägerin hat weder bei der Errichtung des Kontos einen falschen Namen verwendet, noch hat sie Buchungen unter einem falschen Namen vornehmen lassen. Sie hat vielmehr ihren eigenen Namen als Kontoinhaberin korrekt angegeben. Sie hat darüber hinaus auch ihren Sohn als Kontobevollmächtigten zutreffend benannt. Die umstrittene Frage, ob sich die Legitimationspflicht nach § 154 AO nur auf den Kontoinhaber bezieht (so etwa Kühn/Kutter/Hofmann, AO 16. Aufl. § 154 Anm. 2; Tipke/Kruse, AO 9. Aufl. § 154 Rdn. 5; Hamacher, DB 1987, 1324 und Philipowski, WM 1992, 721, 765 jeweils m.w.Nachw.; wohl auch RFHE 24, 203, 205 und FG Düsseldorf, Sparkasse 1968, 263) oder auch auf den Kontobevollmächtigten (so Anwendungserlaß zur AO vom 24. September 1987 - S 0062 - 1 - 33 1, DB 1987 Beil. 23 in der Fassung des BMF-Schreibens vom 8. Oktober 1991 - IV A 5 - S 0062 - 15/91, DB 1991, 2462; L. Becker, Der Bankenerlaß, S. 54; Klein/Orlopp, AO 4. Aufl. § 154 Anm. 3; Baum in Koch/Scholtz, AO 4. Aufl. § 154 Rdn. 8; Carl/Klos, wistra 1990, 41, 45, DStZ 1991, 24, 26 ff., NWB Fach 2, S. 5635, 5638 und Klos, StBP 1992, 53, 55 m.w.Nachw.), kann hier daher offenbleiben.
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b) Die Revision meint, die Voraussetzungen für eine Kontosperre seien dennoch gegeben, da das Konto dem Zahlungsverkehr des Bevollmächtigten unter dem Namen der Klägerin gedient habe: Materieller Kontoinhaber sei daher der Bevollmächtigte, auf dessen Namen das Konto und insbesondere die Buchungen hätten lauten müssen. Sobald die Bank von der fehlenden Identität zwischen formaler und materieller Kontoinhaberschaft erfahren habe, sei sie zur Kontosperre verpflichtet gewesen.
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Nach dieser gelegentlich auch in der Literatur vertretenen Auslegung des § 154 AO muß der Kontoinhaber materiell Berechtigter des Guthabens sein. Gehören die Vermögenswerte nicht ihm, sondern dem Kontobevollmächtigten, ist nach dieser Auffassung der Bevollmächtigte der eigentliche Kontoinhaber, auf dessen Namen das Konto richtigerweise lauten müsse, weil der Name des formalen Kontoinhabers zur Verschleierung steuerlicher Geschäftsvorfälle mißbraucht werde (F.J. Müller, Bankinformationen für Volksbanken und Raiffeisenbanken, Jg. 1978, Heft 6, 26 ff., 27; F.J. Müller- Brühl, Die Legitimationsprüfung und andere Steuerthemen für Banken, 6. Aufl. Rdn. 34, 36 und 8. Aufl. Rdn. 1/113; so wohl auch Fülbier/Aepfelbach, Das Geldwäschegesetz S. 118; Lammerding, Abgabenordnung 11. Aufl. S. 449 und Speich, FR 1963, 398, 399).
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Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. In Übereinstimmung mit der weit überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist davon auszugehen, daß § 154 AO allein die formale Kontenwahrheit schützt (vgl. etwa Ax/Fuchs/Große, AO 13. Aufl. Rdn. 348; Kühn/Kutter/Hofmann aaO Anm. 1; Möllinger, AO S. 182; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO 9. Aufl. § 154 Rdn. 5; Gast-de Haan in Franzen/Gast/Samson, Steuerstrafrecht 3. Aufl. § 379 AO Rdn. 36; Kohlmann, Steuerstrafrecht 5. Aufl. § 379 AO Rdn. 50; Aden, Banken, Konten und Kredite, Rdn. 88, 94; Herrler, Die Mitwirkung der Banken bei der Besteuerung von Bankkunden, S. 8; Carl, NSt 1991/20 Haftung-Darstellung 1, S. 21; Hamacher, DB 1987 aaO, 1325 und Handbuch der steuerlichen Betriebsprüfung - HBP - Fach 4750, 1, 4 f.; Mösbauer, INF 1990, 7; Philipowski, WuB I B 1-1.94; Vortmann, ZIP 1990, 1386, 1387; in diesem Sinne auch RGZ 152, 262, 267, RFHE 24 aaO, FG Düsseldorf aaO, 264). Ihr ist bereits dann Genüge getan, wenn diejenigen, die gegenüber der Bank auftreten, dies unter ihrem richtigen Namen tun (Philipowski, WuB aaO; Gast-de Haan in Franzen u.a. aaO Rdn. 38). § 154 AO verlangt nur, daß keine falschen oder erdichteten Namen verwendet, nicht aber, daß die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Beziehungen erkennbar gemacht werden (Aden aaO Rdn. 94; Kühn/Kutter/Hofmann aaO; Trzaskalik in Hübschmann u.a. aaO Rdn. 7, 9; Gast-de Haan in Franzen u.a. aaO; Hamacher, DB 1987 aaO; ders. in HBP aaO, 5, 8; Philipowski in Kohlmann aaO, 144, 150; ders., WM 1992, 721, 724; Mösbauer, NStZ 1990, 475, 476; ders., wistra 1991, 41, 45; Schwarz/Dumke, AO 1991 § 154 Rdn. 6).
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aa) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut und der Systematik des § 154 AO. Die Vorschrift verbietet in Abs. 1 nicht den Mißbrauch richtiger Namen, sondern allein die Verwendung eines falschen oder eines erdichteten Namens. Ein Name ist nach einhelliger Meinung nur falsch, wenn er einen anderen als den Verfügungsberechtigten bezeichnet (vgl. Becker/Riewald/Koch, RAO 9. Aufl. § 163 Anm. 2 (2); Gast-de Haan in Franzen u.a. aaO; Koch/Scholtz aaO Rdn. 3; Kohlmann aaO Rdn. 56; Kühn/Kutter/Hofmann aaO; Müller-Brühl aaO 8. Aufl. Rdn. 1/112; Schwarz/Dumke aaO Rdn. 5; Tipke/Kruse aaO Rdn. 2). Wer Verfügungsberechtigter ist, bestimmt sich aber nicht nach den zugrundeliegenden Beziehungen im Innenverhältnis oder den wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern allein nach der formalen Rechtsposition des Kontoinhabers gegenüber der Bank.
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Für diese Auslegung spricht auch der systematische Zusammenhang mit der dem Abs. 1 auf Seiten des Kontoführers korrespondierenden Vorschrift des § 154 Abs. 2 AO. Auch den Kontoführer trifft danach nicht die Pflicht, die Berechtigung des Gläubigers oder die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse festzustellen. Er muß sich lediglich Gewißheit über die Person und Anschrift des Verfügungsberechtigten verschaffen (Herrler aaO, S. 8, 128; Mösbauer, NStZ 1990 aaO; Steuer, WM-Festgabe für Hellner vom 9. Mai 1994, 78, 81).
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bb) Die Entstehungsgeschichte des § 154 AO bestätigt, daß die Vorschrift allein die formale Kontenwahrheit gewährleistet.
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§ 154 AO ist im wesentlichen die Nachfolgevorschrift des § 163 RAO (BT-Drucks. VI/1982 S. 123 zu § 84). Schon diese Norm wurde seinerzeit lediglich als Garantie der formalen Kontenwahrheit verstanden (RFHE 24 aaO; FG Düsseldorf aaO, 263; Barske, RAO 8. Aufl. S. 184; E. Becker, RAO 7. Aufl. S. 511; Becker/Riewald/Koch aaO Anm. 1; Hamacher, DB 1987 aaO; Liesecke, WM 1975, 214, 220). Die Bank hatte sich Gewißheit über die Person des Verfügungsberechtigten zu verschaffen (RGZ 152 aaO, 266 f.; RFHE 24 aaO), um dem Finanzamt Auskunft darüber geben zu können, wer über die von ihr verwalteten Vermögenswerte verfügte (Becker/Riewald/Koch aaO Anm. 3). Keinesfalls verbot § 163 RAO, daß der (richtig bezeichnete) Kontoinhaber für Rechnung eines anderen tätig wurde (Barske aaO); der Grundsatz materieller Kontenwahrheit galt nicht (Liesecke aaO 222).
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An diesem Inhalt der Legitimationsprüfung sollte sich durch die AO 1977 nichts ändern. Die Materialien weisen aus, daß der Gesetzgeber auch bei der Neuregelung nur die bereits durch § 163 RAO garantierte formale Kontenwahrheit im Auge hatte. Nach der amtlichen Begründung (BT-Drucks. VI/1982 aaO, 7/79, S. 93) sollte § 154 AO weiterhin allein die korrekte Identifikation der gegenüber dem Kontoführer Verfügungsberechtigten sicherstellen. Bezüglich dieser Personen sollte der Kontoführer durch die Neueinführung des § 154 Abs. 2 Satz 2 AO stets auskunftsfähig sein (vgl. Stellungnahme des Finanzausschusses BT-Drucks. 7/4292, S. 32 zu § 154).
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cc) Die Revision meint, eine über die Garantie der bloßen formalen Kontenwahrheit hinausgehende Auslegung des § 154 AO werde gleichwohl durch Sinn und Zweck der Vorschrift gefordert: Diese wolle verhindern, daß sich das kontoführende Kreditinstitut an einer Verschleierung von Vermögenswerten zum Zwecke der Steuerhinterziehung beteilige. Eine Kontosperre müsse deshalb bereits gerechtfertigt sein, wenn ein Dritter - sei es auch unter richtigem Namen - das Konto für seine Zwecke benutze.
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Diese Auslegung würde über den klaren Wortlaut des § 154 AO hinausgehen. Sie stößt - wie das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben hat - schon im Hinblick auf das strafrechtliche Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) auf Bedenken, weil § 154 Abs. 1 AO die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit (§ 379 Abs. 2 Nr. 2 AO) regelt (vgl. BGHZ 105, 362, 365 zu §§ 55, 56 GewO). Aber auch Sinn und Zweck des § 154 AO erfordern keine erweiternde Auslegung. Die Vorschrift soll nur verhindern, daß die Nachprüfung steuerlicher Verhältnisse durch die Verwendung falscher Namen erschwert oder unmöglich gemacht wird (BT- Drucks. VI/1982 aaO). Die Bank soll jederzeit den Finanzbehörden auf Anfrage darüber Auskunft geben können (§ 154 Abs. 2 Satz 2 AO), über welche Konten eine Person verfügungsberechtigt ist (BT-Drucks. 7/4292 aaO; Aepfelbach, WuB I D 1-5.85; L. Becker aaO, S. 56, 59, 61; Carl/Klos, wistra 1990, 41; Gröger/Scholl, AO § 154 Rdn. 6; Herrler aaO, S. 128; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler aaO Rdn. 2; ders. DB 1994, 550, 551; Müller-Brühl aaO 8. Aufl. Rdn. 1/17; Philipowski, WM 1992 aaO, 723). Dies setzt voraus, daß die handelnden Personen ihren Namen wahrheitsgemäß angegeben haben (Carl/Klos, wistra 1990 aaO, 42 und DStZ 1991 aaO), damit die Finanzbehörden nicht irregeführt werden, wenn sie vom Bestehen eines Kontos erfahren haben. Diesem Ziel wird jedenfalls dann Rechnung getragen, wenn die Bank - wie hier - in Übereinstimmung mit dem Anwendungserlaß zur AO vom 24. September 1987 in der Fassung des BMF-Schreibens vom 8. Oktober 1991 (aaO) zugleich die Angaben über den Kontobevollmächtigten zutreffend festgehalten hat und weitergeben kann (vgl. Philipowski WM 1992 aaO, 725; Carl/Klos, wistra 1990 aaO, 45). Die Finanzbehörde erfährt in diesem Fall bei einer entsprechenden Anfrage von der Verfügungsmöglichkeit beider Personen und kann ihre weiteren Ermittlungen darauf einstellen.
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Das schließt zwar für einen Kontobevollmächtigten nicht die Möglichkeit aus, dem Fiskus dadurch Gelder vorzuenthalten, daß er - um das Risiko der Entdeckung eines Kontos herabzusetzen - als Kontoinhaber eine Person mit geringem Vermögen und Einkommen auswählt, bei der üblicherweise keine steuerliche Prüfung vorgenommen wird. Dies vermag eine erweiternde Auslegung des § 154 AO jedoch nicht zu rechtfertigen. Hätte der Gesetzgeber verhindern wollen, daß dem Fiskus dadurch Gelder vorenthalten werden, daß der materiell Berechtigte das Konto eines anderen benutzt, hätte er dies ausdrücklich verbieten und entsprechende Mitteilungspflichten der Banken einführen können (Philipowski, WM 1992 aaO, 726). Das ist jedoch nicht geschehen. § 154 AO hindert nicht, daß der richtig bezeichnete Kontoinhaber für Rechnung eines anderen tätig wird (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann aaO). Das zeigt schon die Tatsache der Zulässigkeit von Treuhandkonten. Gerade bei ihnen fallen formelle und materielle Berechtigung auseinander. Gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO werden die Guthaben steuerlich dem Treugeber zugerechnet. Die hieraus folgende Möglichkeit, durch das Vorschieben von Strohleuten oder Treuhändern aus steuerlichen Gründen Vermögenswerte zu verschleiern, ist allgemein bekannt (vgl. Philipowski, WuB aaO; ders., WM 1992 aaO, 724 ff.). Gleichwohl hat der Gesetzgeber weder selbständige Meldepflichten des Treunehmers zu Lebzeiten des Treugebers angeordnet noch entsprechende Mitteilungspflichten der Kreditinstitute. Die Ermittlung der materiellen Berechtigung in steuerlicher Hinsicht ist vielmehr Sache der Finanzbehörden - § 159 AO - (Hamacher, DB 1987 aaO; ders. in HBP aaO, 5; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler aaO, Rdn. 7; Philipowski in Kohlmann aaO, 150; ders., WM 1992 aaO, 724 f.), denen die Aufklärung der steuerlichen Sachverhalte obliegt (§ 88 AO). Dies dient dem Interesse eines reibungslosen Bankverkehrs und schränkt den Schutzzweck des § 154 AO ein.
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3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 8 des Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz - GWG) vom 25. Oktober 1993 (BGBl. I 1770 ff.). Die Kreditinstitute sind danach zwar neuerdings verpflichtet, bei Eröffnung eines Kontos nach dem wirtschaftlich Berechtigten zu fragen (§ 8 Abs. 1 GWG). Eine Kontosperre läßt sich hieraus jedoch bei einem Auseinanderfallen von wirtschaftlicher Berechtigung und formaler Rechtsstellung schon deshalb nicht rechtfertigen, weil das Geldwäschegesetz dafür keine Ermächtigung enthält.
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Die Vorschrift des § 8 GWG führt auch nicht zu einer veränderten Auslegung des § 154 AO. Sie erweitert den Inhalt dieser Regelung nicht. Die durch § 8 GWG angeordnete Identifikationspflicht ist selbständig und tritt neben die Pflichten des § 154 AO (Philipowski, WuB aaO; Matthiesen, Der Kriminalist 1994, 117, 122; Obermüller, Kriminalistik 1992, 361 f.; Fülbier/Aepfelbach aaO, S. 76; Schroeter, Sparkasse 1992, 373, 375; Hofstede, Stbg 1993, 554, 555; Ungnade, WM 1993, 2105, 2106). Die Zielrichtung der beiden Vorschriften ist unterschiedlich: Während die in § 154 AO enthaltene Identifikationspflicht aus steuerlichen Gründen zugunsten des Fiskus angeordnet ist (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1973 - II ZR 138/72 = WM 1974, 154, 155; OLG Hamm, WM 1985, 1159, 1160; Aden aaO Rdn. 86; Canaris aaO Rdn. 124; Carl/Klos, NWB aaO, S. 5638; Trzaskalik aaO; vgl. auch BT-Drucks. 12/2704 zu § 2 Abs. 4, S. 13), will das Geldwäschegesetz den Strafverfolgungsbehörden Anhaltspunkte für Geldwäschetransaktionen verfügbar machen (vgl. BT-Drucks. 12/2704, S. 1 und 2, 12/2747, S. 3, 12/4795 und 12/5298, S. 1). Für diesen speziellen Zweck der Bekämpfung der Geldwäsche hat der Gesetzgeber die bestehenden Pflichten der Banken hinsichtlich der Frage der wirtschaftlichen Berechtigung des Kunden erweitert (BT-Drucks. 12/2704 zu § 8, S. 16). Da aber die Einbeziehung Privater in die Mithilfe bei der Strafverfolgung ausschließlich im Interesse der effektiven Bekämpfung der Geldwäsche erfolgt und nicht etwa, um eine allgemeine Verbesserung der Erkenntnisquellen der Strafverfolgungsbehörden zu erreichen (BT-Drucks. 12/2704 zu § 10, S. 16 f. und 12/2747 zu Nr. 13 und 14, S. 3; Matthiesen, Der Kriminalist 1994, 213; Schroeter, Sparkasse 1992, 327, 331), müssen die mit diesem Gesetz geschaffenen verbesserten Strafverfolgungsmöglichkeiten auf die Verfolgung der Geldwäsche beschränkt bleiben (BT-Drucks. 12/2704 aaO; Matthiesen aaO; Schroeter, Sparkasse 1992, 373, 378). Dies sieht § 10 GWG ausdrücklich vor.
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4. Da die Voraussetzungen für eine Kontosperre nicht vorliegen und die Bank auch nicht anderweitig bei Verdacht einer Steuerhinterziehung befugt ist, die Auszahlung des Guthabens zu verweigern, ist sie zu Recht zur Zahlung verurteilt worden. Die Revision war daher zurückzuweisen.
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