Zahlung des Konkursverwalters an den Grundschuldgläubiger: Leistung auf Grundschuld oder gesicherte Forderung; Grundlage eines Ersatzanspruchs des Grundstückseigentümers gegen Dritten bei Zahlung auf eine die Forderung gegen diesen sichernde Grundschuld
Leitsatz
1. Im Konkurs des Grundstückseigentümers werden Zahlungen des Konkursverwalters an den Gläubiger einer Grundschuld grundsätzlich auf die Grundschuld und nicht auf die durch sie gesicherte Forderung geleistet. Das gilt unabhängig davon, ob der Gemeinschuldner oder ein Dritter Schuldner der gesicherten Forderung ist. Eine anderslautende Anrechnungsvereinbarung zwischen Gemeinschuldner und Grundschuldgläubiger steht dem nicht entgegen.
2. Zahlt der Grundstückseigentümer auf eine Grundschuld, die der Sicherung einer Forderung gegen einen Dritten dient, so beantwortet sich die Frage, ob er von diesem Ersatz verlangen kann, grundsätzlich nach dem Rechtsverhältnis, das der Zurverfügungstellung der Grundschuld zur Sicherung der Forderung zugrunde lag, und nicht nach Bereicherungsrecht.














vorgehend LG Stuttgart, 27. Dezember 1991, 9 O 709/90





Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Kerwer, 8. Auflage 2017, § 366 BGB
Tatbestand
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Der Kläger als Konkursverwalter über das Vermögen der S. GmbH in M. (im folgenden: Gemeinschuldnerin) verlangt von der Beklagten Erstattung eines Betrags, den er an die Bankhaus S. KG (im folgenden: Bankhaus) gezahlt hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Gemeinschuldnerin kaufte im Jahre 1987 von J. B., dem Vater der Beklagten, eine Eigentumswohnung in M. Diese war mit zwei Grundschulden in Höhe von 87.000 DM und 113.000 DM zugunsten einer Bausparkasse belastet. Beide Grundschulden wurden an J. B. und sodann von ihm an das Bankhaus abgetreten. J. B. gab gegenüber dem Bankhaus eine Sicherungszweckerklärung ab, nach der die Grundschulden zur Sicherung der Forderungen des Bankhauses gegen ihn oder gegen die Beklagte dienen sollten. Anschließend räumte die Gemeinschuldnerin dem Bankhaus eine weitere Grundschuld in Höhe von 100.000 DM an der Eigentumswohnung ein und bestimmte in einer Sicherungszweckerklärung, daß die Grundschuld zur Sicherung der Ansprüche des Bankhauses gegen die Beklagte dienen sollte. Beide Sicherungszweckerklärungen enthielten die formularmäßige Bestimmung, daß alle Zahlungen ausschließlich auf die durch die Grundschuld gesicherten Forderungen geleistet würden und eine Verrechnung mit Zinsen und Kapital der Grundschuld nur erfolge, wenn hierüber mit der Bank eine besondere schriftliche Vereinbarung getroffen worden sei.
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Unter den Parteien ist streitig, ob die Beklagte im Auftrag der Gemeinschuldnerin den von dieser geschuldeten Kaufpreis für die Eigentumswohnung an J. B. gezahlt und zu diesem Zweck bei dem Bankhaus Kredit aufgenommen hat.
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Im Jahre 1988 fiel die Gemeinschuldnerin in Konkurs. Im Zuge der Abwicklung des Konkursverfahrens verkaufte der Kläger die Eigentumswohnung zum Preise von 350.000 DM. Von diesem Kaufpreis zahlte der Käufer auf Anweisung des Klägers 325.000 DM an das Bankhaus, das 314.854 DM mit einer diesen Betrag übersteigenden Darlehensverbindlichkeit der Beklagten verrechnete.
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Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von 325.000 DM nebst Zinsen. Er vertrat zu Beginn des Rechtsstreits die Ansicht, die Darlehensforderung des Bankhauses gegen die Beklagte sei gemäß § 1192 Abs. 1, § 1143 Abs. 1 BGB auf ihn übergegangen. Inzwischen stützt er seinen Anspruch auf § 812 BGB.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 314.854 DM nebst Zinsen stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger verlangt mit seiner Anschlußrevision die ihm vom Berufungsgericht aberkannten 10.146 DM nebst Zinsen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Anschlußrevision des Klägers bleibt dagegen erfolglos.
I.
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1. Das Berufungsgericht hält einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB in Höhe von 314.854 DM für gegeben. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
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Die Beklagte habe dadurch, daß der Käufer der Eigentumswohnung an das Bankhaus 325.000 DM bezahlt und dieses dem Darlehenskonto der Beklagten 314.854 DM gutgeschrieben habe, auf Kosten des Klägers bzw. der Konkursmasse etwas ohne rechtlichen Grund erlangt. In diesem Vorgang sei eine Leistung des Klägers zu sehen, durch die die Beklagte in Höhe von 314.854 DM bereichert sei. Dabei könne dahinstehen, ob die Zahlung nur auf die Grundschulden erfolgt sei oder ob dadurch die persönliche Forderung der Bank gegen die Beklagte habe getilgt werden sollen und getilgt worden sei. Bei einer Zahlung nur auf die Grundschulden habe die Beklagte jedenfalls insoweit einen vermögensmäßigen Vorteil erlangt, als die Bank nunmehr nach Treu und Glauben gehindert sei, die Beklagte aus der Darlehensforderung in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte habe den Vorteil aus der Leistung des Klägers auch ohne rechtlichen Grund erlangt. Dabei könne dahinstehen, ob die Beklagte gegen die Gemeinschuldnerin einen Anspruch auf Aufwendungsersatz oder auf Freistellung von ihrer Verbindlichkeit bei der Bank gehabt habe. Ein solcher Anspruch habe sich nämlich mit der Konkurseröffnung in eine einfache Konkursforderung verwandelt, die nur noch durch Anmeldung zur Konkurstabelle geltend zu machen gewesen sei und der Beklagten keine Rechte gegenüber dem Kläger gewährt habe.
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2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
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a) Die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob die dem Kläger zuzurechnende Zahlung des Grundstückskäufers an das Bankhaus auf die Grundschulden oder auf die persönliche Forderung des Bankhauses gegen die Beklagte geleistet wurde, ist dahin zu beantworten, daß eine Zahlung auf die Grundschulden vorliegt. Im Konkurs eines Grundstückseigentümers, der zugleich Schuldner der durch eine Grundschuld gesicherten Forderung ist, werden Zahlungen des Konkursverwalters an den Grundschuldgläubiger nach allgemeiner Meinung stets auf die Grundschuld und nicht auf die durch sie gesicherte Forderung geleistet, weil der Konkursverwalter nur das mit der Grundschuld verbundene Absonderungsrecht zu berücksichtigen hat (Gerhardt ZIP 1980, 165, 166 f.; Gaberdiel, Kreditsicherung durch Grundschulden, 5. Aufl., Rdn. 12.1.4; Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld, 2. Aufl., Rdn. 585; Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 44 Rdn. 19; Kilger/Schmidt, 16. Aufl., KO § 47 Anm. 9; Hess, 4. Aufl., KO § 47 Rdn. 6). Für den hier vorliegenden Fall des Konkurses eines Grundstückseigentümers, der nicht zugleich Schuldner der durch die Grundschuld gesicherten Forderung ist, kann nichts anderes gelten. Eine anderslautende Anrechnungsvereinbarung zwischen Gemeinschuldner und Grundschuldgläubiger bindet den Konkursverwalter nicht (Gerhardt, Gottwald, Kilger/Schmidt und Hess je aaO). Die Frage, ob ein Konkursverwalter im Wege einer ausdrücklichen Tilgungsbestimmung von der genannten Regel abweichen kann (vgl. dazu Gerhardt aaO S. 167), braucht hier nicht entschieden zu werden. Für eine solche ausdrückliche Tilgungsbestimmung des Klägers ist nichts vorgetragen.
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b) Da die vom Kläger veranlaßte Zahlung auf die Grundschuld erbracht wurde, liegt darin nur eine Leistung an das Bankhaus. Im Verhältnis zur Beklagten liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Leistung vor, die eines rechtlichen Grundes bedürfte. Die Beantwortung der Frage, ob der zahlende Grundstückseigentümer vom Schuldner der gesicherten Forderung Ersatz verlangen kann, richtet sich in solchen Fällen nach dem Rechtsverhältnis, das der Zurverfügungstellung der Grundschuld als Sicherheit für die Verbindlichkeiten des Schuldners zugrunde lag (Gaberdiel aaO Rdn. 10.1.5 und 12.4.2; Clemente aaO Rdn. 259). Für Bereicherungsansprüche ist daneben grundsätzlich kein Raum. Sie können nur in Betracht kommen, wenn bereits die Grundschuld ohne Rechtsgrund zur Verfügung gestellt wurde.
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Für solche aus dem Grundverhältnis sich ergebenden Erstattungsansprüche hat der Kläger nichts vorgetragen, obwohl das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen hatte, im Innenverhältnis habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht die Beklagte, sondern die Gemeinschuldnerin für die Begleichung der gesicherten Forderungen verantwortlich sein sollen.
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3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Insbesondere kann der Kläger aus einer möglicherweise bestehenden - durch einen Treuhänder vermittelten - Gesellschafterstellung der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin nichts für sich herleiten. Die §§ 32a, 32b GmbHG können im vorliegenden Fall schon deshalb keine Anwendung finden, weil es hier weder um einen Rückgewähranspruch der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin (§ 32a GmbHG) noch darum geht, eine von der Gemeinschuldnerin vor Konkurseröffnung erbrachte Rückgewährleistung an die Beklagte (§ 32b GmbHG) rückgängig zu machen.
II.
- 15
Da Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte bereits dem Grunde nach nicht bestehen, ist seine mit der Anschlußrevision geltend gemachte weitere Forderung ebenfalls unbegründet.
III.
- 16
Das Berufungsurteil mußte daher insoweit aufgehoben werden, als es der Berufung des Klägers gegen das klageabweisende landgerichtliche Urteil stattgegeben hat. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, war das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wiederherzustellen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
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