Umschuldungskredit: Prüfung der rechtlichen Wirksamkeit der abzulösenden Vorkredite im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit einer externen Umschuldung
Leitsatz
1. Der Bankmitarbeiter oder Vermittler, dem die Prüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit einer externen Umschuldung obliegt (vgl BGH, Urteil 1987-11-05, III ZR 98/86, WM IV 1988, 181, 182/183 zu III; ferner BGH, 1988-03-24, III ZR 30/87, BGHZ 104, 102, 106/107), muß dabei die Nichtigkeit eines Vorkredits berücksichtigen, wenn er sie positiv kennt, sonst aber allenfalls dann, wenn und soweit im Zeitpunkt der Umschuldung die entscheidenden Rechtsfragen von der Rechtsprechung bereits so eindeutig, umfassend und endgültig geklärt sind, daß die Nichtigkeit und deren Rechtsfolgen sich ihm auf den ersten Blick aufdrängen.













vorgehend LG Duisburg, 20. Oktober 1987, 11 O 493/86



Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Jäger, 8. Auflage 2017, § 655c BGB
● Nassall, 8. Auflage 2017, § 138 BGB
Ergänzung BGH 3. Zivilsenat, 5. November 1987, III ZR 98/86
Tatbestand
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Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der W.-Bank, die den Klägern 1980 einen Ratenkredit gewährt hatte. Der Darlehensantrag vom 26. September 1980, den die Bank mit Schreiben vom 8. Oktober 1980 annahm, enthielt folgende Berechnung:
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Kreditbetrag 65.000,-- DM
Versicherung 3.693,-- DM
fremde Kosten (Makler) 1.950,-- DM
eigene Auslagen 975,-- DM
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Finanzierungsbetrag 71.618,-- DM
Kreditgebühr 67.378,20 DM
Antragsgebühren 1.625,-- DM
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Darlehensbetrag 140.621,20 DM.
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Der effektive Jahreszins war mit 20,69% angegeben.
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Von den 65.000 DM Nettokredit wurden nur 5.200 DM ausgezahlt, 59.800 DM vereinbarungsgemäß zur Ablösung von 5 Vorkrediten an vier andere Banken überwiesen, die davon noch insgesamt (1.183 DM + 689,48 DM + 183,38 DM + 51,05 DM + 531,46 DM =) 2.638,37 DM an die Kläger zurückleiteten, weil die genauen Ablösungssummen jeweils etwas niedriger waren als die aus dem Kredit überwiesenen Beträge.
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Die Zinsen der - in den Jahren 1977 bis 1980 aufgenommenen - Vorkredite lagen teils unter, teils über den Zinsen des neuen Kredits; die gesamte Kreditratenbelastung der Kläger betrug vor der Ablösung zuletzt monatlich 1.986 DM, die durchschnittliche Restlaufzeit der Vorkredite noch rund 35 Monate.
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Der neue Kredit sollte ab 1. November 1980 mit einer ersten Rate von 1.256,20 DM und 95 Folgeraten von je 1.467 DM getilgt werden. Die Kläger zahlten darauf bis Mai 1986 insgesamt 100.779,54 DM. Die Beklagte verrechnete einen Teil davon auf zusätzlich entstandene Nebenkosten (Stundungsgebühren, Verzugszinsen etc.) und machte per 15. Mai 1986 noch eine Restforderung von 52.573,69 DM geltend. Die Kläger verweigerten weitere Zahlungen mit der Begründung, der Kreditvertrag verstoße gegen § 138 Abs. 1 BGB. Mit der Klage haben sie die Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages und die Rückzahlung von 33.933,04 DM verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 23.001,07 DM verurteilt, die Zahlungsklage im übrigen aber wegen Verjährung abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die volle Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts.
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I. Das Berufungsgericht hat, soweit es der Klage stattgegeben hat, zur Begründung ausgeführt: Der Kreditvertrag sei gemäß § 138 BGB sittenwidrig. Ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ergebe sich zwar noch nicht aus dem Vergleich des effektiven Vertragszinses mit dem Marktzins und aus den sonstigen Kreditbedingungen. Hinzu komme aber, daß die Beklagte den Kredit von der Ablösung der Vorkredite abhängig gemacht und so der neue Kredit ganz überwiegend der Umschuldung gedient habe. Dadurch seien zwar die monatlichen Zahlungsverpflichtungen der Kläger um rund 500 DM gesenkt, Laufzeit und Gesamtbelastung aber weit mehr als verdoppelt worden. Unter diesen Umständen habe die Bank auch die rechtliche Wirksamkeit der Vorkreditverträge prüfen und die Kläger darüber aufklären müssen, daß die Umschuldung für sie wirtschaftlich ganz unvernünftig gewesen sei; die abgelösten Kredite seien nämlich zum Teil zinsgünstiger gewesen, zum Teil aber - für einen Bankangestellten oder Makler offensichtlich - sittenwidrig, so daß die Kläger dafür überhaupt keine Gebühren hätten zahlen müssen. Die Beklagte habe wegen der Nichtigkeit des Kreditvertrags gemäß § 812 BGB nur den Nettokreditbetrag und die Hälfte der Restschuldversicherungskosten - insgesamt also 66.846,50 DM - zurückverlangen können. Daraus ergebe sich eine Zuvielzahlung der Kläger von (100.779,54 DM - 66.846,50 DM =) 33.933,04 DM.
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II. Soweit das Berufungsgericht den Darlehensvertrag vom 26. September/8. Oktober 1980 für nichtig erachtet hat, hält das angefochtene Urteil der revisionsgerichtlichen Überprüfung - der die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB in vollem Umfang unterliegen (BGH, Urteil vom 24. September 1987 - III ZR 188/86 = WM 1987, 1354 zu II m.w.Nachw.) - nicht in allen Punkten stand.
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1. Objektiv gehört zum Tatbestand des wucherähnlichen Ratenkreditgeschäfts nach der Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, der sich der erkennende Senat anschließt und von der auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Wichtigste Bewertungsgrundlage ist dabei ein Vergleich des effektiven Vertragszinses mit dem marktüblichen Effektivzins (Urteile vom 24. März 1988 - III ZR 24/87 und 30/87 = WM 1988, 647 und BGHZ 104, 102, 104).
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a) Nach der Berechnung des Berufungsgerichts überstieg hier der Vertragszins mit 22,92% den Marktzins von 13,5% absolut um 9,42 Prozentpunkte, relativ um 69,78%. Diese Berechnung folgt - rechtlich wie mathematisch - der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 24. März 1988 aaO) und wird auch von der Beklagten mit der Revision nicht angegriffen.
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Soweit die Kläger bei der Berechnung des effektiven Vertragszinses als Kreditkosten auch die wirtschaftlichen Nachteile der Ablösung der Vorkredite berücksichtigt wissen wollen, ist ihnen das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Der Bundesgerichtshof hat bereits in seiner Kettenkredit-Entscheidung BGHZ 99, 333, 336 den Effektivzins für den neuen Kreditvertrag isoliert, also allein aufgrund der Konditionen dieses Vertrages, berechnet und die auf dem Vorkredit beruhenden Belastungen des Kreditnehmers außer Betracht gelassen, obwohl der Vorkredit damals von derselben Bank stammte (sog. interne Umschuldung). Im vorliegenden Fall, in dem die abgelösten Kredite von anderen Banken gewährt worden waren (sog. externe Umschuldung), können die Zinszahlungen der Kreditnehmer an diese Banken erst recht nicht beim Äquivalenzvergleich für den Ablösungskredit zu Lasten des neuen Kreditgebers berücksichtigt werden.
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b) Der relative Zinsunterschied von 69,78% hat dem Berufungsgericht mit Recht zur Feststellung eines Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nicht ausgereicht. Der Bundesgerichtshof bejaht ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung grundsätzlich erst dann, wenn der Vertragszins rund doppelt so hoch ist wie der Marktzins (Urteile vom 24. März 1988 aaO); damit wird insbesondere auch den Unterschieden Rechnung getragen, die in der Kosten- und Risikostruktur zwischen Teilzahlungsbanken und den - den Marktzins wesentlich mitbestimmenden - Universalkreditinstituten bestehen (Urteil vom 8. Juli 1982 - III ZR 60/81 = WM 1982, 921 zu 2. a.E.; BGHZ 98, 174, 177). Da es sich bei dem Erfordernis der Überschreitung um 100% nicht um eine starre Grenze, sondern nur um einen Richtwert handelt, ist die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch noch zu billigen, wenn die relative Zinsdifferenz zwischen 90% und 100% liegt und die von der Bank festgelegten sonstigen Kreditbedingungen die Belastung des Kreditnehmers ins Untragbare steigern (BGHZ 104, 102, 105 m.w.Nachw.). Bei einem relativen Zinsunterschied von weniger als 90% hat der Bundesgerichtshof dagegen ein auffälliges Mißverhältnis regelmäßig verneint (BGHZ aaO). Der hier vorliegende Zinsunterschied von nur 69,78% reicht auch unter Berücksichtigung der in mehreren Punkten gegen das AGB-Gesetz verstoßenden weiteren Darlehensbedingungen nicht aus, den Gesamtvertrag als sittenwidrig erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Urteile vom 5. März 1987 - III ZR 43/86 = WM 1987, 613, 615; vom 24. März 1988 - III ZR 24/87 = WM 1988, 647, 649; vom 6. Oktober 1988 - III ZR 94/87 = WM 1989, 4, 5/6; Beschlüsse vom 26. Mai 1988 - III ZR 133/87 - S. 3 und vom 21. März 1989 - III ZR 114/88 - S. 3/4), zumal die zu beanstandenden AGB-Regelungen über die Verzugsfolgen kein erhöhtes Gewicht haben, da ein Verzugseintritt aufgrund der Angaben, die in der Selbstauskunft der Kläger über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht worden waren, nicht nahelag (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1989 - III ZR 77/88 = WM 1989, 1675, 1676/77; Beschluß vom 28. September 1989 - III ZR 10/89 = WM 1989, 1718, 1719).
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c) Auch dem absoluten Zinsunterschied ist hier kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Der Bundesgerichtshof hat bisher zu der vielfach vertretenen Auffassung, in Hochzinsphasen komme einer bestimmten absoluten Zinsdifferenz - etwa von 12 Prozentpunkten - eine ähnliche Richtwertfunktion zu wie sonst dem relativen Unterschied von 100% (Nachw. BGHZ 104, 102, 106), nicht abschließend Stellung genommen. Er hat lediglich entschieden, daß eine solche zusätzliche Regelgrenze jedenfalls nicht bereits bei 11,5 Prozentpunkten anzusetzen wäre (Urteil vom 13. Juli 1989 - III ZR 77/88 = WM 1989, 1675, 1677 zu II 2.), daß aber im Einzelfall ein absoluter Unterschied von 13,58 Prozentpunkten - bei einer relativen Zinsdifferenz von nur 83,72% - für eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB genügen kann, wenn außerdem der Kredit zu wesentlichen Teilen der Ablösung zinsgünstigerer anderer Darlehen diente (BGHZ 104, 102, 106). Im vorliegenden Fall liegt der absolute Zinsunterschied mit 9,42 Prozentpunkten erheblich unter der kritischen Grenze.
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2. Allerdings diente - wie im Fall des Urteils BGHZ 104, 102 - der streitige Kredit ganz überwiegend der Ablösung früherer Darlehen bei anderen Banken; von den 65.000 DM Nettokreditsumme standen den Klägern letztlich nur rund 7.800 DM (5.200 DM + 2.638,37 DM) zur Deckung zusätzlichen Kreditbedarfs zur Verfügung.
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Bei der Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 Abs. 1 BGB hat der Bundesgerichtshof der Tatsache, daß ein Kredit zu wesentlichen Teilen der externen Umschuldung diente, nicht nur in der zitierten Entscheidung BGHZ 104, 102, sondern auch in seinem Urteil vom 5. November 1987 - III ZR 98/86 (= WM 1988, 181) wesentliche Bedeutung beigemessen. Danach darf eine Bank ihr Anliegen, durch Umschuldung alleinige Gläubigerin ihres Kreditnehmers zu werden, nicht ohne Rücksicht auf dessen wirtschaftliche Belange durchzusetzen suchen. Bietet sie ihm das neue Darlehen zu Bedingungen an, die so deutlich hinter den Konditionen der Vorkredite zurückbleiben, daß die Ablösung wirtschaftlich unvertretbar ist, so kann ihr Umschuldungsverlangen - insbesondere, wenn die Bank den Kunden nicht über die Nachteile der Umschuldung aufklärt - entscheidend zu dem Sittenwidrigkeitsverdikt beitragen.
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Auch diese Überlegung vermag hier aber eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht zu rechtfertigen, jedenfalls wenn man die Prüfung, in welchem Maße die Umschuldung hier die Kläger benachteiligte, auf die wirtschaftlichen Gesichtspunkte beschränkt und von der rechtlichen Wirksamkeit der Vorkredite ausgeht. Hier waren nämlich - anders als in den Fällen der zitierten Urteile (BGHZ 104, 102 und vom 5. November 1987 aaO), wo alle Vorkredite erheblich niedriger zu verzinsen waren als der zu ihrer Ablösung aufgenommene Kredit - von den insgesamt fünf abgelösten Krediten nur zwei (WE.-Teilzahlungsbank: 18,62% Effektivzins, 7.468,54 DM Restschuld; D. Bank: 8,15%, 12.817 DM Restschuld) billiger als der (mit 22,92% zu verzinsende) neue Kredit. Die übrigen drei Vorkredite - auf die auch der größere Teil der Ablösungssumme entfiel - waren dagegen teurer (N.-Bank: 26,56%, 10.304,52 DM Restschuld; DS.-Bank: 31,18%, 21.816,62 DM Restschuld und 25,46%, 4.748,95 DM Restschuld). Insgesamt konnte durch die Umschuldung - ebenfalls im Unterschied zu den Entscheidungen BGHZ 104, 102 und vom 5. November 1987 aaO - die monatliche Belastung der Kreditnehmer trotz des Zusatzkredits von rund 7.800 DM ganz erheblich, nämlich um rund 500 DM (= 25%), gesenkt werden. Soweit damit - als notwendige Folge der Tilgungsstreckung - eine Verlängerung der Laufzeit und eine Steigerung der Gesamtkreditkosten verbunden war, kann das nicht zu Lasten der Bank gehen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1989 - III ZR 276/88 = WM 1990, 136, 137 zu II 2 b).
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Bei zusammenfassender Würdigung ihrer Vor- und Nachteile erscheint dem erkennenden Senat die Umschuldung jedenfalls nicht als wirtschaftlich unvertretbar für die Kläger. Der streitige Kreditvertrag kann daher auch unter diesem Aspekt nicht als objektiv sittenwidrig beurteilt werden. Ebenso fehlt es insoweit an einer zum Schadensersatz verpflichtenden Aufklärungspflichtverletzung der Bank (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1989 aaO S. 138 zu IV).
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3. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB letztlich nur deswegen bejaht, weil es im Rahmen der Frage nach der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der Umschuldung auch die rechtliche Wirksamkeit der Vorkredite überprüft hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, zumindest bei den beiden Darlehen der DS.-Bank sei deren Sittenwidrigkeit für einen sachkundigen Bankangestellten oder Makler auf den ersten Blick offensichtlich gewesen, die Ablösung sittenwidriger Kredite aber sei immer wirtschaftlich unvernünftig, weil sich die Kreditnehmer dadurch des Rechts begeben hätten, den Kreditbetrag für die vereinbarte Laufzeit zinsfrei zu nutzen.
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Dieser Begründung vermag der erkennende Senat in entscheidenden Punkten nicht zu folgen:
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a) Zu der Frage, ob und wieweit eine Bank im Rahmen einer externen Umschuldung gegenüber dem Kreditnehmer verpflichtet ist, die rechtliche Wirksamkeit der abzulösenden Vorkredite zu prüfen und zu berücksichtigen, hat der Bundesgerichtshof bisher nicht ausdrücklich Stellung genommen. Im Schrifttum ist die Frage umstritten: Canaris (WM 1986, 1453, 1457) verneint grundsätzlich eine Pflicht der Bank, sich die Vertragsunterlagen eines mit einer anderen Bank abgeschlossenen Vorkredits vorlegen zu lassen und diesen auf seine Vereinbarkeit mit § 138 BGB zu überprüfen (ebenso Emmerich/Münstermann WM-Script: Aktuelle Probleme des Ratenkredits 1989 S. 20). Gröner/Köhler (Verbraucherschutzrecht in der Marktwirtschaft S. 86) meinen, selbst bei Vorlage des Altvertrags sei das Kreditinstitut grundsätzlich nicht zur rechtlichen Überprüfung auf eine mögliche Unwirksamkeit verpflichtet; wenn die Unwirksamkeit aber auch einem durchschnittlichen Kreditsachbearbeiter sozusagen "ins Auge springe", trotzdem aber eine zumutbare Aufklärung des Kunden unterbleibe, komme allein eine Haftung aus culpa in contrahendo in Betracht, Sittenwidrigkeit sei dagegen allenfalls im Falle einer Kollusion zwischen Vorkreditgeber und Kreditinstitut zu erwägen (aaO S. 83). Derleder (JZ 1983, 81, 82, zustimmend Meiwes Probleme des Ratenkreditvertrags 3. Aufl. S. 142) bejaht die Verpflichtung einer Bank gegenüber einem geschäftlich unerfahrenen Kunden, sich die Vertragsunterlagen zeigen zu lassen und bei Wirksamkeitsbedenken den Kreditnehmer auf die Zweifel an der Höhe der abzulösenden Schuld hinzuweisen. Auch nach Derleders Auffassung führt ein Verstoß gegen diese Aufklärungspflicht aber nicht zur Nichtigkeit des neuen Darlehensvertrags, sondern nur zu einem Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo. Schmelz (NJW-Schriften 49 - Verbraucherkredit - Rdn. 164) meint, die Aufklärungspflicht bestehe nicht erst, wenn sich die Sittenwidrigkeit des Vorvertrags aufdränge, sondern schon dann, wenn sie für die umschuldende Bank erkennbar sei.
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b) Nach Auffassung des erkennenden Senats kann die Unwirksamkeit eines Vorkredits für den Kreditgeber des Neukredits bei einer externen Umschuldung nicht belastendere Rechtsfolgen haben als bei einer internen. Sogar dort, also bei Identität des Kreditgebers, hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 99, 333, 336/337) eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf den neuen Kredit nur dann für geboten erachtet, wenn der Kreditgeber die Nichtigkeit des Erstvertrags positiv gekannt und mit dem neuen Kreditvertrag das Ziel verfolgt hat, sich den unberechtigten Gewinn aus dem sittenwidrigen Erstvertrag zu sichern. Daneben werden im Urteil BGHZ 99, 337 Fälle für denkbar gehalten, in denen die Kreditkonditionen des Folgevertrags schon bei isolierter Betrachtung auf der Grenze des nach § 138 Abs. 1 BGB Erlaubten liegen und in denen dann der Umstand, daß der Vertrag auch der Ablösung eines sittenwidrigen alten Vertrags dient, im Rahmen der Gesamtwürdigung den Ausschlag gibt.
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Diese speziellen Voraussetzungen liegen hier nicht vor: Positive Kenntnis der Beklagten oder des Maklers von der Unwirksamkeit der Vorkredite oder gar ein kollusives Zusammenwirken mit den damaligen Kreditgebern ist nicht festgestellt. Die Konditionen des Umschuldungskredits nähern sich bei isolierter Betrachtung auch noch nicht der kritischen Grenze des § 138 Abs. 1 BGB (vgl. oben zu 1.).
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Bei der internen Umschuldung berücksichtigt die Rechtsprechung allerdings die Nichtigkeit eines Vorkredits bei der Beurteilung des Folgekreditvertrags in der Weise, daß der Inhalt des zweiten Vertrags der Rechtslage, die sich aus der Nichtigkeit des ersten ergibt, nach den Grundsätzen über das Fehlen der Geschäftsgrundlage gemäß § 242 BGB angepaßt wird; dem Kreditgeber stehen Ansprüche aus dem zweiten Vertrag nur in dem Umfange zu, in dem die Parteien solche Ansprüche billigerweise auch dann begründet hätten, wenn sie die Nichtigkeit des Erstvertrags und deren Auswirkungen auf ihre Rechtsbeziehungen gekannt hätten (BGHZ 99, 333; Urteil vom 3. Dezember 1987 - III ZR 103/86 = WM 1988, 184). Auf diese Weise wird vermieden, daß der Kreditgeber den Vorteil behält, der ihm im Widerspruch zur wahren Rechtslage aus der Ablösung zugeflossen ist.
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Bei einer externen Umschuldung ist es nicht möglich, auf die gleiche Weise einen Interessenausgleich herbeizuführen. Die Ablösungssumme ist nicht dem Kreditgeber des neuen Kredits, sondern einer anderen Bank zugute gekommen. Hier fällt der Umstand, daß die Parteien des neuen Kreditvertrags den Umschuldungsbedarf des Kreditnehmers zu hoch angenommen haben, grundsätzlich in dessen Risikobereich und rechtfertigt daher keine Anpassung gemäß § 242 BGB zu Lasten des Kreditgebers (Canaris WM 1986, 1456/1457). Der Kreditnehmer muß sich, soweit er das Darlehen zur Ablösung in Wahrheit nicht bestehender Zins- und Kostenansprüche verwendet hat, auf seine Bereicherungsansprüche gegen den Kreditgeber des abgelösten Kredits verweisen lassen.
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Etwas anderes kann - wie erörtert - dann gelten, wenn der neue Kreditgeber positive Kenntnis von der Nichtigkeit des Vorkreditvertrags hatte. Der positiven Kenntnis darf aber nicht das Kennenmüssen nach den gleichen Maßstäben gleichgestellt werden, die von der Rechtsprechung für den subjektiven Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts beim Kreditgeber entwickelt worden sind. Dort besteht bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen eine - widerlegliche - Vermutung dafür, daß der Kreditgeber sich der Einsicht in die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit leichtfertig verschlossen hat (BGHZ 98, 174, 178). Wenn es um die Beurteilung eigener Kreditverträge geht, muß eine Bank das Risiko, daß ihre Vertragskonditionen der späteren Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB nicht standhalten, selbst tragen, auch wenn die Maßstäbe dafür im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Rechtsprechung im einzelnen noch nicht festgestellt worden waren; hinsichtlich ihrer eigenen Kreditkostenansprüche genießt die Bank gegenüber der Fortentwicklung der Rechtsprechung keinen Vertrauensschutz (BGH, Urteil vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82 = WM 1983, 951). Der Schuldvorwurf richtet sich, wenn es um die Beurteilung der eigenen Kreditkonditionen geht, nicht so sehr gegen die einzelnen Bankmitarbeiter und Vermittler, sondern gegen die Organe der Bank, die für die Festsetzung der Zinssätze und der sonstigen Vertragsbedingungen verantwortlich sind und entweder selbst über die nötigen Rechtskenntnisse verfügen oder sich entsprechend beraten lassen können.
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Anders liegt es jedoch, wenn von dem einzelnen Bankmitarbeiter oder Vermittler verlangt werden soll, er habe - im Rahmen der im Einzelfall ihm obliegenden Prüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit einer Umschuldung - auch die rechtliche Wirksamkeit von Verträgen, die von den Kunden früher mit anderen Banken geschlossen worden waren, überprüfen, die Kunden über die sich aus jenen Kreditverhältnissen ergebenden Ansprüche aufklären und beraten, notfalls sogar auf den eigenen Vertragsschluß über den Umschuldungskredit verzichten müssen. Wenn überhaupt, kann eine solche Pflicht allenfalls bejaht werden, wenn und soweit im Zeitpunkt der Umschuldung die entscheidenden Rechtsfragen von der Rechtsprechung bereits so eindeutig, umfassend und endgültig geklärt sind, daß die Nichtigkeit der Vorkredite und deren Rechtsfolgen für die Kunden sich einem Bankmitarbeiter oder Vermittler bei Prüfung der Vertragsunterlagen auf den ersten Blick aufdrängen; er darf dann nicht seine Augen verschließen.
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Diese Voraussetzungen mögen heute zu bejahen sein, wenn - wie hier bei den Vorkrediten der DS.-Bank - die geforderten Kreditgebühren von 0,95% bzw. 0,9% p.M. weit über dem Schwerpunktzins von 0,33% bzw. 0,32% liegen. Im Zeitpunkt der Umschuldung aber waren für einen Bankmitarbeiter oder Vermittler die Sittenwidrigkeit derartiger - vorher ohne seine Mitwirkung geschlossener - Kredite und deren Rechtsfolgen noch nicht mit der Eindeutigkeit erkennbar, die im vorliegenden Zusammenhang gefordert werden muß. Zwar hatte der Bundesgerichtshof in der Zeit von der Jahreswende 1978/ 79 (Urteil vom 9. November 1978 - III ZR 21/77 = WM 1979, 225) bis zum Sommer 1980 (zuletzt Urteile vom 10. April 1980 - III ZR 59/79 = WM 1980, 892; 17. April 1980 - III ZR 96/78 = WM 1980, 860; 10. Juli 1980 - III ZR 177/78 = WM 1980, 1111) vielfach bereits Ratenkreditverträge gemäß § 138 Abs. 1 BGB für nichtig erklärt, weil eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Vertragsumstände sie als sittenwidrig erscheinen ließ. Es fehlten damals aber noch eindeutige Vorgaben dafür, wie beim Zinsvergleich - als Hauptkriterium des auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung - im einzelnen vorzugehen war, welche sonstigen Umstände neben den AGB noch berücksichtigt werden mußten und welches Gewicht den einzelnen Beanstandungen im Rahmen der Gesamtwürdigung zukommen sollte. Entscheidende Punkte sind erst in den folgenden Jahren schrittweise geklärt worden, insbesondere auch die Frage, wie Vermittlungs- und Restschuldversicherungskosten beim Zinsvergleich zu berücksichtigen sind, ob bestimmte Zinsdifferenzen als Richtwerte für die Feststellung eines auffälligen Mißverhältnisses dienen können und ob insoweit für Niedrig- oder Hochzinsphasen Sonderregelungen gelten (vgl. insbesondere BGHZ 80, 153; Urteile vom 8. Juli 1982 - III ZR 60/81 = WM 1982, 921; vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82 = WM 1983, 551; vom 2. Oktober 1986 - III ZR 130/85 und 163/85 = WM 1986, 1517, 1519; BGHZ 104, 102 und vom 24. März 1988 - III ZR 24/87 = WM 1988, 647).
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Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann es der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn Makler und Kreditsachbearbeiter hier von der rechtlichen Wirksamkeit der Vorkredite ausgingen. Dann aber ist es nicht gerechtfertigt, den Kreditvertrag der Parteien als sittenwidrig zu beurteilen. Damit entfällt auch ein Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der vereinbarten Kreditkosten. Die Klage mußte in vollem Umfang abgewiesen werden.
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