Rechtsmittelbeschwer des zu Auskunft und Rechnungslegung Verurteilten
Leitsatz
1. Bei einer Verurteilung auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung richtet sich die Rechtsmittelbeschwer des Beklagten grundsätzlich nur nach dessen mit der Auskunft und Rechnungslegung verbundenen Aufwand.








vorgehend LG Düsseldorf, 2. Oktober 1991, 5 O 564/88
Entgegen BGH 2. Zivilsenat, 21. Februar 1994, II ZB 13/93
Tatbestand
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Der Kläger hat Auskunft und Rechnungslegung darüber begehrt, ob und wie die Beklagten seit dem 1. Februar 1978 über bestimmte Wertpapiere und evtl. erzielte Erlöse verfügt haben; er hat außerdem die Herausgabe solcher Erlöse und der sich noch in einem den Beklagten zugänglichen Wertpapierdepot bei der D. Bank AG in D. befindenden Wertpapiere verlangt.
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Durch Teilurteil vom 2. Oktober 1991 hat das Landgericht dem Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren entsprochen und das Herausgabeverlangen gegen die Beklagte zu 2) wegen anderweitiger Rechtshängigkeit abgewiesen. Den Angaben des Klägers entsprechend hat das Landgericht den Gegenstandswert des Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens auf 10.000 DM festgesetzt.
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Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Nachdem sie zunächst behauptet hatten, über den Inhalt des Wertpapierdepots sei seit dem Februar 1978 nicht verfügt worden, haben sie ihren Vortrag dahin berichtigt, daß über einen Teil der vom Kläger im Klagantrag aufgeführten Wertpapiere in den Jahren 1981 und 1986 verfügt worden sei. Nach Hinweis auf sich daraus ergebende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung mangels Erreichens der notwendigen Beschwer hat das Berufungsgericht seinen Beschluß vom 9. April 1992, durch den der Streitwert für die Berufungsinstanz auf 10.000 DM festgesetzt worden war, korrigiert, den Streitwert auf 500 DM festgesetzt und die Berufung durch Urteil als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Streitwert richte sich nach dem Interesse der Beklagten, die geforderten Informationen nicht zu geben. Dabei sei hier auf den mit der Auskunft bzw. Rechnungslegung verbundenen Zeit- und Arbeitsaufwand, nicht aber auf die vom Kläger letztlich begehrte Leistung, die Wertpapier- und Erlösherausgabe, abzustellen. Den Aufwand für die Auskunftserteilung und Rechnungslegung hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der von den Beklagten behaupteten Verfügungen in den Jahren 1981 und 1986 auf 500 DM bemessen.
II.
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Das Urteil hält der rechtlichen Überprüfung stand.
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der das Berufungsgericht gefolgt ist, bemißt sich der Wert der Beschwer für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Partei - dasselbe gilt für die Verurteilung zur Rechnungslegung (vgl. Senatsbeschluß vom 28. Februar 1989 - XI ZR 102/88 - nicht veröffentlicht; ferner BGH, Beschluß vom 20. Februar 1992 - IX ZB 69/89 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 19) - nach ihrem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im wesentlichen darauf abzustellen, welchen Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand die Erteilung der Auskunft erfordert und ob - was vorliegend nicht in Betracht kommt - ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse besteht (vgl. z.B. BGH, Beschluß vom 28. November 1990 - VIII ZB 27/90 - WM 1991, 657; Beschluß vom 10. Juni 1991 - II ZR 66/91 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 11; Senatsbeschluß vom 8. Oktober 1991 - XI ZB 5/91 - BGHR ZPO § 2 Beschwerdegegenstand 20; Beschluß vom 11. Dezember 1991 - IV ZR 49/91 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 16; Beschluß vom 24. März 1993 - XII ZB 6/93 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 21; jeweils mit Nachweisen). Das Interesse des zur Auskunft Verurteilten, schon im Verfahren über den Auskunftsanspruch eine günstige Entscheidung über den Hauptanspruch zu erzielen, ist bei der Bemessung des Beschwerdewertes schon wegen der insoweit fehlenden Rechtskraft einer solchen Entscheidung nicht zu berücksichtigen (Senatsbeschluß vom 8. Oktober 1991 aaO; ferner BGH, Beschluß vom 9. Oktober 1989 - II ZB 4/89 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 9). Im Gegensatz dazu ist das Interesse des Klägers an der Erlangung der Auskunft regelmäßig höher zu bewerten als das des Beklagten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juni 1986 - IVb ZB 25/86 -; vom 10. Juni 1991 - II ZR 66/91 -; vom 27. November 1991 - VIII ZR 37/91 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 1, 11 und 13), weil es vom Leistungsinteresse bestimmt wird: Der Kläger ist zur Durchsetzung seines Leistungsanspruchs auf die Auskunft angewiesen (st.Rspr.: BGH, Beschluß vom 8. Juli 1987 - IVb ZB 3/87 - und vom 16. Dezember 1987 - IVb ZB 124/87 - BGHR ZPO § 2 Beschwerdegegenstand 3 und 5).
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Diese Zusammenhänge verkennt die Revision, wenn sie unter Berufung auf Art. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG meint, es sei wirklichkeitsfremd und werde "von keinem Außenstehenden geglaubt", daß nur der Aufwand an Zeit und Kosten bei Bemessung der Beschwer des verurteilten Beklagten berücksichtigt werde, statt auf die vom Kläger letztlich angestrebte Leistung abzustellen und so eine Gleichbehandlung der Parteien zu gewährleisten (vgl. dazu BGH, Beschluß vom 27. November 1991 aaO). Inwieweit diese seit langem gefestigte Rechtsprechung "das Rechtsstaatsprinzip in bezug auf das Postulat der Rechtsmittelklarheit unberücksichtigt" läßt, ist nicht erkennbar.
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Ohne Erfolg wendet sich die Revision deshalb gegen die unterschiedliche Bemessung des Streitwerts in erster Instanz, der mit 10.000 DM nach dem Klägerinteresse festgesetzt worden ist, und die Festsetzung der Beschwer. Die Ansicht, das Berufungsgericht habe angesichts der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung die Zulässigkeit des Rechtsmittels hinzunehmen, verkennt, daß die Zulässigkeit der Berufung sich nicht nach dem erstinstanzlichen Streitwert, sondern nach der mit dem Urteil verbundenen Beschwer des Rechtsmittelführers richtet (vgl. BGH, Beschluß vom 11. Dezember 1991 aaO). Deshalb liegt auch darin, daß das Berufungsgericht mangels Vortrags der Beklagten zunächst für die Berufungsinstanz ebenfalls den Streitwert von 10.000 DM zugrunde gelegt und diese unrichtige Festsetzung pflichtgemäß korrigiert hat, nachdem sich aufgrund des Beklagtenvortrags der Zeit- und Kostenaufwand für die Auskunftserteilung abschätzen ließ, entgegen der Ansicht der Revision, kein "eklatanter Verstoß gegen die Rechtssicherheit" und gegen Art. 20 Abs. 3 GG.
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2. Das Berufungsgericht ist zutreffend von den der ständigen Rechtsprechung entsprechenden Grundsätzen ausgegangen und hat den für die Beschwer der Beklagten maßgeblichen Zeit- und Arbeitsaufwand auf 500 DM, also auf einen 1.200 DM nicht übersteigenden Betrag bemessen.
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Diese Bewertung des Rechtsmittelinteresses, die nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm nach § 3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschluß vom 8. Oktober 1991 aaO mit Nachweisen; BGH, Beschluß vom 24. März 1993 aaO und vom 31. März 1993 - XII ZR 67/92 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 22), ist nicht zu beanstanden. Nach ihrem eigenen Vorbringen haben die Beklagten nur festzustellen, über welche Wertpapiere aus einem im Klagantrag vorgegebenen Bestand sie bzw. ihre Rechtsvorgänger in den Jahren 1981 und 1986 verfügt haben und welche Erlöse erzielt worden sind. Der damit verbundene Aufwand ist vom Berufungsgericht nicht ermessensfehlerhaft geschätzt worden.
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Die Revision will demgegenüber bewertet sehen, daß "detaillierte" Auskunft über einen Zeitraum von 15 Jahren verlangt werde. Da nur der den Beklagten entstehende Aufwand zu bemessen ist und sie Verfügungen nur in den Jahren 1981 und 1986 behaupten, ist von den Beklagten durch Vergleich des ihnen bekannten Depotbestandes mit der Auflistung im Klagantrag lediglich festzustellen, über welche Papiere verfügt und welcher Erlös dafür in den Jahren 1981 und 1986 erzielt worden ist; die Auskunft im übrigen beschränkt sich, da nach dem Vortrag der Beklagten sonst nicht verfügt worden ist, auf einen Satz. Deshalb ist das von der Revision vorgelegte Schreiben der D. Bank AG über die Kosten der Ermittlung von "Depot- und Kontobewegungen der letzten 15 Jahre" für die Wertbemessung unbrauchbar, zumal nicht entscheidend ist, welche Kosten durch Einschaltung eines Dritten entstehen, wenn der Auskunftspflichtige die Auskunft im wesentlichen ohne sonderlichen Aufwand selbst erteilen kann (vgl. BGH, Beschluß vom 22. Februar 1989 - IVb ZB 5/89 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 20 S. 2).
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