Haftung der Bank aus Anlageberatung: Hinweis eines nicht termingeschäftsfähigen Kunden auf Aktienoptionsgeschäfte; Rückforderungsausschluß bei Kontokorrentverrechnung
Leitsatz
1. Ein Kreditinstitut verletzt seine Beratungspflicht nicht allein deswegen, weil es im Rahmen einer Anlageberatung einen nicht börsentermingeschäftsfähigen Kunden auf die Möglichkeit zum Abschluß von Aktienoptionsgeschäften hinweist.
2. Zur Frage, wann die Rückforderung der Leistung gem BörsG § 55 ausgeschlossen ist, wenn sie durch Verrechnung im Kontokorrent erfolgen soll.
Orientierungssatz
1. Nur das ausdrückliche Saldoanerkenntnis des nicht termingeschäftsfähigen Bankkunden in dem Bewußtsein, daß in der zugrundeliegenden Kontokorrentabrechnung Verbindlichkeiten aus Optionsgeschäften enthalten sind, schließt bei einem kreditorischen Konto die Rückforderung gemäß BörsG § 55 aus.
2. Die Verrechnung aufgrund einer antizipierten kontokorrentrechtlichen Aufrechnungsvereinbarung kann nicht als Leistung im Sinne von BörsG § 55 anerkannt werden, weil sie sich nicht auf ein bestimmtes Börsentermingeschäft bezieht (vergleiche BGH, 1987-07-13, II ZR 280/86, BGHZ 101, 296, 305).
3. Eine nachträgliche Vereinbarung, die auch in einem Saldoanerkenntnis enthalten sein kann, ist als Leistung im Sinne von BörsG § 55 zu qualifizieren, wenn sie ausdrücklich auf die Tilgung der unklagbaren Verbindlichkeiten gerichtet ist. Daß der nicht termingeschäftsfähige Schuldner dabei das Bewußtsein der Unverbindlichkeit hat, setzt BörsG § 55 nicht voraus (vergleiche RG, 1935-02-27, V 350/34, RGZ 147, 149, 153); er muß sich lediglich darüber im klaren sein, daß es sich um Verbindlichkeiten aus bestimmten Börsentermingeschäften handelt, deren Verrechnung mit seinem Guthaben er zustimmt.
4. Das nur fingierte Einverständnis des Kunden mit der Abrechnung gemäß BankAGB Nr 15, wonach die Unterlassung rechtzeitiger Einwendungen als Genehmigung gilt, entspricht nicht den Voraussetzungen von BörsG § 55 (vergleiche BGH, 1987-11-16, II ZR 24/87, BGHZ 102, 204, 207).













vorgehend LG Berlin, 8. Februar 1988, 11 O 419/87
Anschluß OLG Köln 24. Zivilsenat, 10. Dezember 1996, 24 U 50/96
Anschluß LG Berlin 15. Zivilkammer, 6. Januar 1995, 15 O 633/94
Vergleiche LG Hamburg 25. Zivilkammer, 11. März 1991, 325 O 163/90
Vergleiche OLG Karlsruhe 13. Zivilsenat, 28. Dezember 1990, 13 U 323/89
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Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Rüßmann, 8. Auflage 2017, § 387 BGB
Vergleiche BGH 2. Zivilsenat, 13. Juli 1987, II ZR 280/86
Vergleiche RG 5. Zivilsenat, 27. Februar 1935, V 350/34
Tatbestand
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Die Klägerin verlangt von der verklagten Volksbank Ersatz für beim Kauf inländischer Aktienoptionen erfolglos aufgewandte Optionsprämien.
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Am 14. Mai 1986 ließ sich die nicht börsentermingeschäftsfähige Klägerin in einer Zweigstelle der Beklagten von der Kundenberaterin W. über die Möglichkeiten der Anlage eines größeren Geldbetrages beraten. Frau W. schlug der Klägerin außer dem Kauf von Aktien vor, Kaufoptionen für Aktien zu erwerben. Diesen Rat befolgte die Klägerin und gab den Auftrag, für sie Aktien und vier Aktienkaufoptionen zu erwerben. Die Klägerin zahlte noch am 14. Mai 1986 auf ein zum Zweck des Erwerbs der Optionen neu eingerichtetes Girokonto 30.000 DM in bar ein. Die Beklagte kaufte die Optionen am 15., 16., 20. und 28. Mai 1986 und belastete das Girokonto mit den Prämien in Höhe von zusammen 6.500 DM zuzüglich Courtage und Provision. Auf dem Konto verblieb danach noch ein Guthaben.
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Die Klägerin, die die Beklagte schriftlich angewiesen hatte, ihr keine Post über das Girokonto und das Depot zuzuschicken, da sie sie selbst abholen wolle, ließ die am 15. Oktober 1986 endende Laufzeit der Optionen verstreichen, ohne von ihrem Ausübungsrecht Gebrauch zu machen.
- 4
Die Klägerin behauptet, die Kundenberaterin habe sie während eines halbstündigen Gesprächs nicht eingehend über die Risiken von Optionsgeschäften und auch nicht darüber aufgeklärt, daß die Optionsrechte innerhalb einer bestimmten Frist ausgeübt werden müßten. Sie sei deshalb überrascht gewesen, als sie im November 1986 bei der Zweigstelle der Beklagten vorgesprochen und dabei erfahren habe, daß die Optionen verfallen seien.
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Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 6.652,50 DM nebst 4% Zinsen seit dem 2. Dezember 1986 zu zahlen.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit der Behauptung, die Klägerin sei in einem etwa zweistündigen Gespräch eingehend über die Besonderheiten und Risiken des Optionsgeschäfts aufgeklärt worden.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben (vgl. WM 1989, 173). Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
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I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte für den Schaden der Klägerin wegen Verschuldens bei Vertragsschluß: Sie hätte der nicht börsentermingeschäftsfähigen Klägerin den Kauf von Aktienoptionen von vornherein nicht empfehlen dürfen. Das Börsengesetz wolle das nicht termingeschäftsfähige Publikum vor den Risiken der Börsentermingeschäfte schützen. Deshalb dürfe eine Bank nicht zum Abschluß der vom Gesetzgeber nicht gewollten Geschäfte raten. Ohne die fehlerhafte Beratung hätte die Klägerin die Optionen nicht gekauft und folglich auch die Prämien nicht verloren.
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Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden Bedenken.
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1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, bei den Aktienoptionsgeschäften der Parteien handle es sich um Börsentermingeschäfte im Sinne der §§ 50f. BörsG. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 92, 317). Die Optionsgeschäfte der Parteien sind gemäß § 52 BörsG unwirksam, weil ihnen der Termineinwand entgegensteht, da die Klägerin nicht börsentermingeschäftsfähig ist. Die daraus vom Berufungsgericht hergeleitete Rechtsfolge, daß allein schon die Empfehlung an einen nicht börsentermingeschäftsfähigen Bankkunden, Aktienoptionen zu kaufen, eine Verletzung der Beratungspflicht der Bank darstelle, ist aus Rechtsgründen nicht haltbar.
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2. Dem Standpunkt des Berufungsgerichts könnte nur zugestimmt werden, wenn es sich um verbotene Geschäfte handeln würde. Dies ist aber nicht der Fall.
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Nach § 63 Abs. 1 BörsG sind Börsentermingeschäfte in Aktien nur statthaft, soweit sie durch Rechtsverordnung zugelassen werden. Die Klägerin hat Optionen für Aktien der Hoesch AG, der Klöckner-Werke AG, der Thyssen AG und der Volkswagen AG gekauft. Optionsgeschäfte in Aktien dieser Gesellschaften sind gemäß § 1 der Börsentermingeschäfts-Zulassungsverordnung vom 10. März 1982 (BGBl. I S. 320) zulässig. Es handelt sich mithin um erlaubte Börsentermingeschäfte. Daran ändert es nichts, daß die Klägerin nicht börsentermingeschäftsfähig ist. Die rechtliche Folge der fehlenden Termingeschäftsfähigkeit ist nicht das Verbot solcher Geschäfte, sondern deren Unwirksamkeit nach Maßgabe des Börsengesetzes (§ 52 BörsG). Das bedeutet zwar, daß bei solchen Geschäften grundsätzlich keine klagbaren Verbindlichkeiten entstehen. Bei Aktienoptionsgeschäften hat dies zur Folge, daß die Bank als Stillhalterin keinen klagbaren Anspruch auf die Optionsprämien erlangt. Das Prinzip der Unverbindlichkeit ist jedoch im Börsengesetz nicht strikt durchgeführt, sondern mehrfach eingeschränkt:
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Gemäß § 55 BörsG kann das aufgrund des Geschäfts Geleistete nicht deshalb zurückgefordert werden, weil für den Leistenden eine Verbindlichkeit nach den §§ 52 bis 54 BörsG nicht bestanden hat. Hat der Kunde die (unverbindliche) Prämienforderung der Bank in wirksamer Weise beglichen, darf die Bank das Geld behalten. Ein auf die Unverbindlichkeit des Geschäfts gestützter Bereicherungsanspruch des Kunden gemäß § 812 BGB besteht in diesem Falle nicht. Das Börsengesetz schützt den Nichttermingeschäftsfähigen also nur vor der Verpflichtung zu zahlen, hindert ihn daran aber nicht und verleiht seiner Zahlung Rechtsbeständigkeit.
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Nach § 57 BörsG gilt ein erlaubtes, aber wegen fehlender Termingeschäftsfähigkeit an sich unwirksames Börsentermingeschäft als von Anfang an verbindlich, wenn der eine Teil bei oder nach dem Eintritt der Fälligkeit sich dem anderen Teil gegenüber mit der Bewirkung der vereinbarten Gegenleistung einverstanden erklärt und der andere Teil diese Leistung an ihn bewirkt hat. Der Grund für diese Regelung liegt darin, daß Börsentermingeschäfte vereinzelt zu Anlagezwecken oder zur tatsächlichen Verwendung der Ware geschlossen werden und es deswegen geboten erschien, solche wirtschaftlich dem Kassa-Handel nahestehenden Geschäfte rechtswirksam zuzulassen (vgl. BGHZ 92, 317, 324). Werden zum Beispiel bei einer Kaufoption nach deren Ausübung die den Gegenstand des Geschäfts bildenden Aktien von der Bank dem nicht termingeschäftsfähigen Kunden mit dessen Einverständnis effektiv geliefert, gilt das Optionsgeschäft als von Anfang an verbindlich mit der Folge, daß die Bank klagbare Ansprüche auf die Optionsprämie und den Kaufpreis der Aktien erlangt. In diesem Sonderfall stellt das Gesetz die Börsentermingeschäfte eines Nichttermingeschäftsfähigen rechtlich denjenigen zwischen termingeschäftsfähigen Partnern gleich.
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§ 54 BörsG ermöglicht schließlich ganz allgemein die Teilnahme des nicht börsentermingeschäftsfähigen Publikums an dem Börsenterminhandel in Wertpapieren. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann sich der termingeschäftsfähige Partner eines Börsentermingeschäfts in Wertpapieren von dem nicht termingeschäftsfähigen eine Sicherheit bestellen lassen. Ist dies wirksam nach Maßgabe der Absätze 2-6 des § 54 BörsG geschehen, kann der Termingeschäftsfähige aus der Sicherheit Befriedigung für seine unverbindlichen Forderungen suchen. Aufgrund dieser Vorschrift können Banken den Aktienoptionshandel mit nicht börsentermingeschäftsfähigen Kunden betreiben, ohne sich dem Risiko auszusetzen, die Prämienforderungen nicht durchsetzen zu können.
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Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, daß nach der Konzeption des Börsengesetzes der Nichttermingeschäftsfähige zwar durch den Termineinwand vor der besonderen Gefährlichkeit des Börsenterminhandels geschützt (vgl. dazu näher BGHZ 103, 84, 87, 88), aber keinesfalls von ihm ausgeschlossen werden soll. Dann aber kann es nicht für sich allein eine Verletzung der Beratungspflicht darstellen, wenn der Kundenberater einer Bank im Rahmen einer vom Kunden gewünschten Anlageberatung auch auf diese Geschäftsform hinweist, sofern er damit nicht den Tatbestand der Verleitung zur Börsenspekulation erfüllt, für den im vorliegenden Falle noch § 89 BörsG in der bis zum Inkrafttreten des zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität am 1. August 1986 geltenden Fassung anzuwenden ist (im Ergebnis ebenso Rehbein, EWiR § 53 BörsG 2/88, 1201).
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3. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Schutzzweck des Börsengesetzes unterlaufen, indem sie der Klägerin zur Bareinzahlung der 30.000 DM geraten und so den Termineinwand vereitelt habe, geht von der unzutreffenden Annahme aus, allein durch die Bareinzahlung vor Ausführung der Kaufaufträge sei die Klägerin in der Erhebung des Termineinwandes zumindest faktisch eingeschränkt worden (vgl. dazu unten II 2a).
- 19
4. Nach allem kann die Verurteilung der Beklagten zum Schadensersatz mit der Begründung des Berufungsurteils nicht aufrechterhalten werden.
- 20
II. Das angefochtene Urteil läßt sich auch nicht mit anderer Begründung rechtfertigen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann bei dem derzeitigen Sach- und Streitstand ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Optionsprämien zuzüglich der Nebenkosten aus ungerechtfertigter Bereicherung zwar nicht ausgeschlossen werden; für eine Verurteilung der Beklagten aus diesem Rechtsgrund reicht aber der festgestellte Sachverhalt nicht aus.
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1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin am Tage der Auftragserteilung ein Girokonto bei der Beklagten eingerichtet und darauf 30.000 DM eingezahlt. Dieses Konto belastete die Beklagte jeweils nach Abschluß der Optionsgeschäfte mit den Beträgen für die Optionsprämien und den Nebenkosten. Trotzdem verblieb ein Guthaben auf dem Konto. Das Berufungsgericht zieht daraus den Schluß, im Unterschied zur Belastung eines debitorischen Kontos seien hier die Optionsprämien durch Verrechnung mit dem Guthaben endgültig bezahlt worden; deshalb sei gemäß § 55 BörsG ihre Rückforderung ausgeschlossen. Auch dies hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
- 22
2. a) Der Rückforderungsausschluß gemäß § 55 BörsG ist nach dem in der Revisionsinstanz maßgeblichen Sachverhalt nicht schon durch die Einzahlung des Betrages von 30.000 DM auf das Girokonto eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Optionsgeschäfte noch nicht abgeschlossen. Eine Zahlung auf die noch nicht fälligen Optionsprämien in diesem Zeitpunkt wäre eine Vorauserfüllung gewesen, deren Vereinbarung rechtlich zwar zulässig gewesen wäre (BGHZ 86, 115, 119), von deren Abschluß aber bei der derzeitigen Prozeßlage nicht ausgegangen werden kann, denn bei Vorauszahlungen auf Börsentermingeschäfte spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß sie nicht zur Tilgung künftiger Schulden, sondern allenfalls als Sicherheitsleistung bestimmt sind (BGHZ 86, 115, 119). Mithin kann die Einzahlung der Klägerin nur als Sicherheitsleistung angesehen werden. Aus dieser könnte die Beklagte keine Rechte herleiten, weil sie nicht den Erfordernissen des § 54 BörsG entspricht.
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b) Die Belastungsbuchungen in Höhe der Optionsprämien auf dem Girokonto stellen für sich genommen ebenfalls keine Leistungen der Klägerin aufgrund der Optionsgeschäfte im Sinne von § 55 BörsG dar, denn eine Belastungsbuchung ist ein bloßer Realakt mit rein deklaratorischer Wirkung (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 1988 - XI ZR 67/88, WM 1988, 1717, 1719, vorgesehen zur Aufnahme in BGHZ 105, 263).
- 24
c) Für den Rückforderungsausschluß kommt daher nur eine Leistung der Klägerin auf die Optionsprämien durch Verrechnung der in das Konto eingestellten Sollposten mit dem Guthaben in Betracht. Das Berufungsgericht legt zwar nicht dar, worin es die Rechtsgrundlage für die Verrechnung sieht. Für das Revisionsverfahren kann jedoch von der naheliegendsten Möglichkeit ausgegangen werden, daß Grundlage der Verrechnung der Kontokorrentvertrag ist, der typischerweise mit dem Girovertrag verbunden ist (Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. RZ 319). Im Kontokorrentvertrag enthalten ist eine antizipierte Verrechnungsvereinbarung, die meist dahin zu verstehen ist, daß sich die Verrechnung am Ende einer Rechnungsperiode automatisch vollzieht (BGHZ 74, 253, 255). Die Verrechnung aufgrund einer antizipierten kontokorrentrechtlichen Aufrechnungsvereinbarung kann jedoch nicht als Leistung im Sinne von § 55 BörsG anerkannt werden, weil sie sich nicht auf ein bestimmtes Börsentermingeschäft bezieht (BGHZ 101, 296, 305; Canaris, Großkom. HGB 3. Aufl. § 355 RZ 78, 79; Häuser, WM 1988, 1285, 1292; Kümpel/Häuser, Börsentermingeschäfte, WM-Script 104 S. 165).
- 25
d) Dies schließt es freilich nicht aus, einer nachträglichen Vereinbarung, die auch in einem Saldoanerkenntnis enthalten sein kann, die Qualifikation als Leistung im Sinne von § 55 BörsG zuzuerkennen, wenn sie ausdrücklich auf die Tilgung der unklagbaren Verbindlichkeiten gerichtet ist (Canaris, ZIP 1985, 592, 594). Daß der nicht termingeschäftsfähige Schuldner dabei das Bewußtsein der Unverbindlichkeit hat, setzt § 55 BörsG nicht voraus (RGZ 147, 149, 153; Canaris aaO), er muß sich lediglich darüber im klaren sein, daß es sich um Verbindlichkeiten aus bestimmten Börsentermingeschäften handelt, deren Verrechnung mit seinem Guthaben er zustimmt.
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Mangels Parteivortrags dazu, ob ein Rechnungsabschluß erfolgt ist oder die Klägerin in Kenntnis der aus den Optionsgeschäften herrührenden Belastungsbuchungen ein Saldoanerkenntnis abgegeben hat, muß zugunsten der Klägerin in der Revisionsinstanz davon ausgegangen werden, daß eine ausdrückliche nachträgliche Verrechnungsvereinbarung nicht getroffen worden ist.
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Aus Nr. 15 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der gewerblichen und ländlichen Kreditgenossenschaften, die mit der entsprechenden Vorschrift der AGB der Banken identisch ist, läßt sich eine gemäß § 55 BörsG wirksame Verrechnungsvereinbarung selbst dann nicht herleiten, wenn man unterstellt, daß die Klägerin einen Rechnungsabschluß ausgehändigt erhalten und darauf geschwiegen hat. Nach dieser Klausel hat der Kunde Rechnungsabschlüsse auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse sind innerhalb eines Monats seit Zugang abzusenden. Die Unterlassung rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung. Das Einverständnis mit dem Rechnungsabschluß wird also, falls der Kunde nicht rechtzeitig Einwendungen erhebt, fingiert. In einem vergleichbaren Fall hat der Bundesgerichtshof die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Brokerunternehmens, Kontoauszüge seien endgültig, wenn sie nicht binnen 5 Tagen nach Zugang durch die Post beanstandet würden, nicht für geeignet gehalten, eine Leistung eines Nichttermingeschäftsfähigen im Sinne von § 55 BörsG durch nachträgliche Verrechnungsvereinbarung herbeizuführen. Maßgebend war dafür die an eine Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 87, 221, 226) anknüpfende Erwägung, daß aus dieser Geschäftsbedingung nur der vermutete Wille des Einverständnisses mit der aus dem Kontoauszug ersichtlichen Verrechnung abzuleiten sei, das untätige Verhalten des Kunden mithin die gleiche Wirkung haben solle, wie die Erklärung des Einverständnisses, selbst wenn dieses in Wahrheit nicht vorhanden sei. Ein solcher nur vermuteter Wille entspreche aber nicht den Voraussetzungen des § 55 BörsG (BGHZ 102, 204, 207). Diese Rechtsprechung läßt sich ohne weiteres auf die Nr. 15 AGB der Banken übertragen, weil auch hier das Einverständnis des Kunden mit der Abrechnung lediglich fingiert wird (vgl. Canaris, ZIP 1987, 885, 886; Häuser, WM 1988, 1285, 1292; Welter, WuB I G 5.14/88; a.A. Piper, ZIP 1985, 725, 727 und Koller, WM 1985, 593, 596, die der spezifischen börsenrechtlichen Problematik des § 55 BörsG nicht hinreichend Rechnung tragen).
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Aus alldem folgt, daß bei einem kreditorischen Konto, wie es hier vorliegt, nur das ausdrückliche Anerkenntnis des nicht termingeschäftsfähigen Bankkunden in dem Bewußtsein, daß in der zugrunde liegenden Abrechnung Verbindlichkeiten aus Optionsgeschäften enthalten sind, die Rückforderung gemäß § 55 BörsG ausschließen kann. Dieser Rechtslage trägt die Empfehlung von Kümpel und Häuser für die Bankpraxis Rechnung, zur unangreifbaren Vereinnahmung des Optionspreises ausnahmslos ausdrückliche Saldoanerkenntnisse einzuholen und in dem Rechnungsabschlußformular darauf hinzuweisen, daß der Abrechnung Börsentermingeschäfte zugrunde liegen (vgl. Kümpel/Häuser aaO S. 168, 169).
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e) Für den vorliegenden Rechtsstreit folgt daraus, daß der Rückzahlungsanspruch der Klägerin gemäß § 812 BGB nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht gemäß § 55 BörsG untergegangen ist. Trotzdem kann die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung der Optionsprämien nicht aufrecht erhalten werden. Da die Beklagte nach dem bisherigen Verfahrensverlauf keinen Anlaß hatte, Einzelheiten über die Abwicklung des Girokontos und eventuelle Kontoabschlüsse sowie Saldoanerkenntnisse vorzutragen, muß sie dazu noch Gelegenheit erhalten (§ 139 ZPO).
- 30
III. Der Rechtsstreit muß daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Sollte sich aufgrund anderweiter Verhandlung ergeben, daß der Rückgewähranspruch der Klägerin gemäß § 812 BGB nicht mehr besteht, wird das Berufungsgericht die angetretenen Beweise über Inhalt und Umfang der Beratung der Klägerin über die Optionsgeschäfte erheben müssen. Dabei wird es maßgeblich darauf ankommen, ob die Klägerin hinreichend darauf hingewiesen worden ist, daß die Optionen vor Ablauf der Optionsfrist durch eine Erklärung der Klägerin ausgeübt werden müssen, wenn überhaupt Gewinn erzielt werden soll, im Fall der Nichtausübung der gesamte für den Erwerb der Option eingesetzte Kapitalbetrag verloren ist und daß die Beklagte von sich aus den Kunden auf den bevorstehenden Ablauf der Optionen und seiner Erklärungsfristen nicht aufmerksam machen wird (vgl. Nummer 8 Abs. 2 der Sonderbedingungen für Optionsgeschäfte, abgedruckt in Bankrecht und Bankpraxis RZ 7/361).
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