Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf den Schuldbeitritt zum Kreditvertrag: Nichtigkeit und Heilung
Leitsatz
1. Das Verbraucherkreditgesetz ist auf den Schuldbeitritt zu einem Kreditvertrag entsprechend anwendbar.
2. Ist der Schuldbeitritt zu einem Kreditvertrag in entsprechender Anwendung des VerbrKrG § 6 Abs 1 nichtig, so tritt eine Heilung nach VerbrKrG § 6 Abs 1 S 1 nicht dadurch ein, daß der Kreditnehmer das Darlehen empfängt oder den Kredit in Anspruch nimmt.
3. Eine Heilung nach VerbrKrG § 6 Abs 2 S 1 findet auch dann nicht statt, wenn der Beitretende aus der Auszahlung des Darlehens an den Kreditnehmer mittelbar Vorteile erlangt.
















vorgehend LG Köln, 15. November 1994, 3 O 243/94
Vergleiche OLG Frankfurt 21. Zivilsenat, 21. Januar 1998, 21 U 243/97
So auch LG Köln 22. Zivilkammer, 2. Oktober 1997, 22 O 184/97
Anschluß BGH 8. Zivilsenat, 30. Juli 1997, VIII ZR 244/96
Fortführung BGH 11. Zivilsenat, 25. Februar 1997, XI ZR 49/96
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... mehrHerberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Rosch, 8. Auflage 2017, § 414 BGB
● Schwintowski, 8. Auflage 2017, § 494 BGB
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Juli 1995 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15. November 1994 abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars Dr. E. ... wird, soweit sie von der Beklagten wegen ihrer Ansprüche aus der Mithaftungserklärung der Klägerin vom 21. Januar 1992 für die Kreditverbindlichkeiten des Ehemannes der Klägerin aus den Kreditverträgen Nr. ...74 und ...75 betrieben wird, für unzulässig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde wegen Ansprüchen der beklagten Sparkasse aus einer Mithaftungserklärung der Klägerin für Kreditverbindlichkeiten ihres Ehemannes.
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Im Januar 1992 gewährte die Beklagte dem Ehemann der Klägerin für dessen seit 1989 bestehenden Garten- und Landschaftsbaubetrieb zwei Investitionskredite über insgesamt 200.000 DM. Dafür übernahm die Klägerin, die neben ihrem Studium an einer Fachhochschule im Betrieb ihres Ehemannes mithalf, am 21. Januar 1992 in einer gesonderten, von der Beklagten vorbereiteten Urkunde die Mithaftung. Angaben über die Art und Weise der Kreditrückzahlung, die Vertragsbeendigung und zu den Zinsen und Kosten des Kredits enthält die Urkunde nicht.
- 3
Aus Anlaß der Aufnahme eines eigenen Darlehens bestellte die Klägerin im September 1993 der Beklagten eine Grundschuld über 350.000 DM an ihrer Eigentumswohnung, gab ein Schuldanerkenntnis in gleicher Höhe ab und unterwarf sich in einer notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nach der getroffenen Sicherungsabrede sichern die Grundschuld und das Schuldanerkenntnis alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Ansprüche der Beklagten aus ihrer Geschäftsverbindung mit der Klägerin.
- 4
Als der Ehemann der Klägerin seinen Verpflichtungen aus den Investitionskrediten nicht mehr nachkam, ließ die Beklagte der Klägerin, die inzwischen von ihrem Ehemann getrennt lebt, eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde zustellen und kündigte die Zwangsvollstreckung daraus an.
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Mit ihrer Vollstreckungsabwehrklage begehrt die Klägerin, die Vollstreckung der Beklagten aus der notariellen Urkunde wegen aller Ansprüche aus ihrer Mithaftungserklärung vom 21. Januar 1992 für unzulässig zu erklären. Sie ist der Ansicht, die Sicherungsabrede erfasse Ansprüche der Beklagten aus der Mithaftungserklärung nicht. Überdies sei die Mithaftung nach dem Verbraucherkreditgesetz und nach § 138 BGB unwirksam.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Abänderung des landgerichtlichen Urteils.
I.
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Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht den Einwand der Klägerin, die Sicherungsabrede erfasse die Verpflichtungen aus der Mithaftungserklärung vom 21. Januar 1992 nicht, für nicht durchgreifend erachtet hat.
- 9
Im Berufungsurteil wird dazu ausgeführt, unbeschadet dessen, daß Auslegungsdivergenzen ohnehin nicht zu den von § 767 ZPO erfaßten Einwendungen gehörten, seien Forderungen aus dem Schuldbeitritt der Klägerin als "Ansprüche aus der Geschäftsverbindung" im Sinne der Sicherungsabrede anzusehen.
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Der Senat teilt zwar nicht die Bedenken des Berufungsgerichts gegen die Zulässigkeit des Einwandes der Klägerin im Rahmen des Verfahrens nach § 767 ZPO. Es geht vorliegend nicht um die Auslegung des vollstreckungsfähigen Inhaltes der Grundschuldbestellungsurkunde, sondern um die Geltendmachung eines materiellen Einwandes aus der Sicherungsabrede.
- 11
Dem Berufungsgericht ist aber darin zu folgen, daß die Ansprüche aus der Mithaftungserklärung der Klägerin vom 21. Januar 1992, deretwegen die Beklagte die Vollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde betreibt, von der Sicherungsabrede erfaßt werden. Durch die Mithaftungserklärung war bereits eine Geschäftsverbindung zwischen den Parteien begründet worden. Dementsprechend stellen auch die Ansprüche aus dieser Mithaftungserklärung "Ansprüche aus der Geschäftsverbindung" im Sinne der Sicherungsabrede dar.
II.
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Mit Erfolg wendet die Revision sich aber dagegen, daß das Berufungsgericht die Mithaftungserklärung der Klägerin nach den Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes als wirksam angesehen hat.
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1. Im Berufungsurteil wird dazu im wesentlichen ausgeführt:
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Für den Schuldbeitritt der Klägerin vom 21. Januar 1992 gelte das Verbraucherkreditgesetz. Dieses knüpfe hinsichtlich seiner Anwendbarkeit allein an die Person des Verpflichteten sowie die Art der von ihm eingegangenen Verbindlichkeit an. Deshalb seien auch im Falle der Schuldmitverpflichtung die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verbraucherkreditgesetzes in der Person des Mitverpflichteten zu prüfen. Denn das Schutzbedürfnis desjenigen, der keinen eigenen Anspruch auf Kreditgewährung erwerbe, sondern das Risiko der Belastung mit einer längerfristigen Rückzahlungsverpflichtung eingehe, sei mindestens so hoch einzuschätzen, wie das Risiko des Kreditnehmers selbst. Als Studentin sei die Klägerin zum Zeitpunkt des Schuldbeitritts Verbraucherin im Sinne des § 1 Abs. 1 VerbrKrG gewesen. Die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes habe zur Folge, daß der Schuldbeitritt als zunächst nichtig angesehen werden müsse. Die Beitrittserklärung sei nicht auf dem Finanzierungsangebot der Beklagten abgegeben worden. Die erforderlichen Hinweise nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 c) und d) VerbrKrG fehlten. Durch die Auszahlung der Darlehensmittel an den Ehemann der Klägerin sei aber gemäß § 6 Abs. 2 VerbrKrG Heilung eingetreten. Formal betrachtet habe die Beklagte zwar nur an den Ehemann der Klägerin als den alleinigen Darlehensnehmer geleistet. Diese formale Sicht werde aber den Gegebenheiten des Streitfalles nicht gerecht. Schon die eindeutige und unmißverständliche Bedingung der Beklagten, daß die Klägerin für die Darlehensrückzahlung mit einstehen müsse, zeige, daß die Klägerin in das Finanzierungskonzept so maßgebend mit einbezogen gewesen sei, daß sie nicht nur habe mithaften sollen, sondern auch mitempfangsberechtigt gewesen sei. Zwar möge es vertretbar sein, den Mithaftenden und den formellen Darlehensnehmer hinsichtlich der Wirkungen von § 6 Abs. 2 VerbrKrG unterschiedlich zu behandeln, wenn die ausgezahlte Kreditsumme ausschließlich dem Darlehensnehmer zugute komme. Davon könne im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Hier liege ein Investitionskredit für den Betrieb des Ehemannes der Klägerin vor, der die Existenz der Familie sicherstelle. Unter diesen Umständen sei der Kredit zumindest mittelbar auch der Klägerin zugeflossen und von ihr in Anspruch genommen worden.
- 15
2. Diese Ausführungen halten, soweit sie die Frage einer Heilung gemäß § 6 Abs. 2 VerbrKrG betreffen, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Schuldbeitritt der Klägerin vom 21. Januar 1992 ist gemäß § 6 Abs. 1 VerbrKrG nichtig.
- 16
a) Nicht zu beanstanden und von der Revision als ihr günstig auch nicht angegriffen ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, auf den Schuldbeitritt der Klägerin sei das Verbraucherkreditgesetz anwendbar. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß das Verbraucherkreditgesetz auf den Schuldbeitritt zu einem Kreditvertrag entsprechend anwendbar ist und die entsprechende Anwendung nicht voraussetzt, daß neben dem Beitretenden auch der Kreditnehmer Verbraucher ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 - VIII ZR 151/95, WM 1996, 1258 ff. mit zustimmender Anmerkung von Bülow EWiR 1996, 813 f. und von Pfeiffer LM § 1 VerbrKrG Nr. 5 sowie BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 - VIII ZR 213/95, WM 1996, 1781, 1782, beide Urteile zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Danach ist das Verbraucherkreditgesetz auf den hier in Rede stehenden Schuldbeitritt entsprechend anzuwenden, da die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 VerbrKrG nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Klägerin erfüllt sind.
- 17
b) Das Berufungsgericht hat daher zu Recht die Beitrittsvereinbarung vom 21. Januar 1992 an den Voraussetzungen dieser Bestimmung gemessen und ist auch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß sie dem Formerfordernis des § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG in der damals gültigen Fassung vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2840) nicht genügt. Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG a.F. war die Schriftform im Sinne des § 126 BGB einzuhalten. Gemäß § 126 Abs. 2 BGB muß bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen; bei Aufnahme mehrerer gleichlautender Vertragsurkunden genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Schon diesen Anforderungen ist hier nicht genügt. Überdies enthält die von der Klägerin unterzeichnete Mithaftungserklärung nicht alle in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VerbrKrG a.F. geforderten Angaben. Insbesondere fehlen die Angaben nach Nr. 1 c) zur Art und Weise der Kreditrückzahlung oder zur Regelung der Vertragsbeendigung und die Angaben nach Nr. 1 d) zu Zinsen und Kosten des Kredits. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob bei einem Schuldbeitritt, auf den das Verbraucherkreditgesetz entsprechende Anwendung findet, von den in § 4 Abs. 1 VerbrKrG genannten Angaben alle oder nur diejenigen erforderlich sind, die geeignet sind, dem Beitretenden über die Höhe seiner Mitverpflichtung und über die Zahlungsweise Aufschluß zu geben (für eine solche Einschränkung Ulmer/Timmann, Festschrift für Heinz Rowedder S. 503, 520 f.; MünchKomm/Ulmer, 3. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdn. 16; a.M. etwa Scholz, Verbraucherkreditverträge 2. Aufl. Rdn. 258; Münstermann/Hannes, Verbraucherkreditgesetz Rdn. 201; Hagena, Drittschutz im Verbraucherkreditrecht S. 39 ff.).
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c) Rechtsfolge der Nichteinhaltung der Form des § 4 Abs. 1 VerbrKrG ist nach dem entsprechend anzuwendenden § 6 Abs. 1 VerbrKrG die Nichtigkeit des Schuldbeitritts. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Formfehler nicht durch Auszahlung der Darlehensmittel an den Ehemann der Klägerin nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG geheilt worden.
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aa) Nach dieser Vorschrift tritt Heilung ein, "soweit der Verbraucher das Darlehen empfängt oder den Kredit in Anspruch nimmt". Die als Verbraucherin zu schützende Klägerin hat das Darlehen nicht empfangen oder in Anspruch genommen. Sie hatte als lediglich Mithaftende auch keinen Anspruch auf Gewährung des Darlehens. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe als mittelbar Begünstigte das Darlehen empfangen und in Anspruch genommen, schafft Feststellungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten, die vom Verbraucherkreditgesetz vermieden werden sollen.
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bb) Eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 2 VerbrKrG auf den Schuldbeitritt in der Weise, daß mit Auszahlung der Darlehensmittel an den Darlehensnehmer Heilung eintritt (dafür Ulmer/Timmann aaO S. 523 f. und MünchKomm/ Ulmer, 3. Aufl. § 6 VerbrKrG Rdn. 15), ist vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift her nicht gerechtfertigt. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 11/5462, S. 21) soll § 6 Abs. 2 VerbrKrG (§ 5 Abs. 2 des Entwurfs) den Verbraucherkreditnehmer, der sich auf die Nutzung des Darlehenskapitals eingestellt hat, davor schützen, gemäß § 812 BGB das Darlehenskapital sofort zurückzahlen zu müssen. Dem Kreditgeber soll dabei - anders als bei einer Lösung nach dem Modell des § 1 a Abs. 3 AbzG - nicht auferlegt werden, das Darlehen für die vereinbarte Laufzeit zinslos zur Verfügung zu stellen; vielmehr soll auch seinem Interesse an dem Erhalt von Zinsen und sonstigen Kreditkosten angemessen Rechnung getragen werden. Dieser Gesetzeszweck paßt für Fälle der vorliegenden Art nicht. Der Mithaftende soll nach den vertraglichen Vereinbarungen kein Darlehen erhalten. Für ihn kommt im Falle der Formnichtigkeit seines Schuldbeitritts eine Verpflichtung zur Rückzahlung der an den Darlehensnehmer ausgezahlten Darlehensmittel nicht in Betracht.
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cc) Schließlich würde dem mithaftenden Verbraucher der Schutz, den man ihm durch die entsprechende Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf seinen Schuldbeitritt gewähren will, weitgehend wieder entzogen, wenn man davon ausginge, Formfehler im Sinne des § 6 Abs. 1 VerbrKrG würden entsprechend § 6 Abs. 2 VerbrKrG durch Auszahlung der Darlehensmittel an den Darlehensnehmer geheilt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß dann konsequenterweise bei Auszahlung des Darlehens an den Darlehensnehmer auch die in § 7 Abs. 3 VerbrKrG getroffene, das Widerrufsrecht nach § 7 Abs. 1 VerbrKrG einschränkende Regelung auf den Beitretenden entsprechend angewandt werden müßte. Die Wirksamkeit des Widerrufs wäre danach von der Rückzahlung des Darlehens binnen einer zweiwöchigen Frist abhängig, so daß der Beitretende sein Widerrufsrecht praktisch kaum durchsetzen könnte.
III.
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Nach alledem kann die Beklagte aus der Mithaftungserklärung der Klägerin vom 21. Januar 1992 keinerlei Ansprüche herleiten. Da es insoweit an einer durch die Grundschuld und das in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde enthaltene Schuldanerkenntnis gesicherten Forderung fehlt, ist die Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde unzulässig, soweit sie von der Beklagten zur Befriedigung von Ansprüchen aus der vorgenannten Mithaftungserklärung betrieben wird. Dementsprechend waren auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufzuheben und das landgerichtliche Urteil antragsgemäß abzuändern.
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