Rechtswirkungen des fingierten Saldoanerkenntnisses im Bankrechtsverhältnis
Leitsatz
Das fiktive Saldoanerkenntnis nach AGB-Banken Nr 15 S 3 (juris: BankAGB) stellt keine rechtsgeschäftliche Genehmigung anderweitiger Verfügungen der Bank über Zahlungseingänge dar, die dem Konto gutzuschreiben waren.










vorgehend LG Saarbrücken, 7. April 1992, 8 O 561/91



Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Bork, 8. Auflage 2017, § 782 BGB
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 21. September 1993 aufgehoben und das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 7. April 1992 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 184.866,71 DM nebst folgenden Zinsen zu zahlen:
2,5% vom 30. November 1987 bis 5. Januar 1988, 2,25% vom 6. Januar 1988 bis 21. Juni 1988, 2,5% vom 22. Juni 1988 bis 7. Juli 1988, 2,625% vom 8. Juli 1988 bis 21. Juli 1988, 2,875% vom 22. Juli 1988 bis 2. August 1988, 3,25% vom 3. August 1988 bis 3. Oktober 1988, 3,375% vom 4. Oktober 1988 bis 30. Oktober 1988, 3,50% vom 31. Oktober 1988 bis 29. November 1988, 3,75% vom 30. November 1988 bis 15. Januar 1989, 3,875% vom 16. Januar 1989 bis 24. Januar 1989, 4,25% vom 25. Januar 1989 bis 9. Februar 1989, 4,375% vom 10. Februar 1989 bis 2. März 1989, 4,50% vom 3. März 1989 bis 27. April 1989, 4,75% vom 28. April 1989 bis 18. Juli 1989, 5,00% vom 19. Juli 1989 bis 9. Oktober 1989, 5,75% vom 10. Oktober 1989 bis 29. November 1989, 6,00% vom 30. November 1989 bis 18. Januar 1990, 6,25% vom 19. Januar 1990 bis 28. Februar 1990, 6,50% vom 1. März 1990 bis 2. Dezember 1990, 6,875% vom 3. Dezember 1990 bis 6. Januar 1991, 7,00% vom 7. Januar 1991 bis 30. Juli 1991, 7,25% vom 31. Juli 1991 bis 1. Dezember 1991 und 7,50% vom 2. Dezember 1991 an.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Beklagte 11/13 und die Kläger als Gesamtschuldner 2/13 zu tragen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Kläger sind Gesellschafter der G., einer in Liquidation befindlichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese Gesellschaft und die Rechtsvorgängerin der R.-Grundstücks- und Baubetreuungsgesellschaft mbH (im folgenden: R. GmbH) erwarben von der Stadt K. zum Kaufpreis von 720.000 DM ein Grundstück, um darauf ein Bauprojekt zu errichten. Der Grundstücksankauf wurde von der Beklagten durch zwei Darlehen, die der G. in Höhe von 612.000 DM und der R. GmbH in Höhe von 108.000 DM gewährt wurden, finanziert. Der Beklagten wurde zu dem Zweck der Sicherung "aller Ansprüche aus der Darlehensgewährung für die Grundstücksfinanzierung" an dem Baugrundstück eine Grundschuld in Höhe von 720.000 DM bestellt. Da sich das geplante Projekt nicht verwirklichen ließ, kaufte die Stadt K. das Grundstück zurück. Der nach Abzug von Unkosten verbliebene Kaufpreisrest in Höhe von 524.655,84 DM wurde für die G. und die R. GmbH zur Tilgung der Darlehensschulden auf ein Konto der Beklagten überwiesen. Diese brachte den Betrag am 16. Dezember 1987 den bei der Kreditgewährung für den Grundstückskauf angelegten Darlehenskonten gut, und zwar dem Konto der G. 183.655,84 DM und dem Konto der R. GmbH 341.000 DM. Von dem Darlehenskonto der R. GmbH, das zuletzt mit 156.133,29 DM im Soll stand, buchte die Beklagte am 30. Dezember 1987 den dort nach Tilgung der Darlehensschuld nicht mehr benötigten Betrag von 184.866,71 DM ab und überwies ihn zur Tilgung ihr zustehender, nicht gesicherter Forderungen auf andere debitorische Konten der R. GmbH.
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Die Kläger hatten zunächst Klage auf Zahlung von 341.000 DM erhoben. Nach teilweiser Klagerücknahme in erster Instanz beanspruchen sie noch den von der Beklagten anderweitig verbuchten Betrag in Höhe von 184.866,71 DM, da er nach ihrer Ansicht der G. hätte gutgebracht werden müssen.
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Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verurteilung der Beklagten entsprechend dem gestellten Klageantrag.
I.
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Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Kläger das landgerichtliche Urteil zulässig mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten hätten, daß insbesondere ihre Berufungsschrift den nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zu stellenden Mindestanforderungen genüge, weil sie hinreichend deutlich erkennen lasse, daß die Rechtsanwendung durch das Landgericht gerügt werde.
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Das ist entgegen der Ansicht der Revisionsgegnerin rechtlich nicht zu beanstanden. Nachdem das Landgericht die eigenmächtige Verbuchung des streitigen Betrages durch die Beklagte für rechtswidrig gehalten und die Klage nur deshalb abgewiesen hatte, weil sich die Vermögenslage der G. dadurch nicht verschlechtert habe, genügte es zur ordnungsgemäßen Berufungsbegründung, wenn die Kläger im wesentlichen diese Rechtsauffassung bekämpften (zum notwendigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vgl. z.B. Senatsurteil vom 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92 = WM 1993, 1735, 1736; BGH, Urteil vom 25. Juni 1992 - VII ZR 8/92 = NJW-RR 1992, 1340 f.).
II.
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1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung u.a. folgendes ausgeführt:
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Es sei zwischen den Parteien unstreitig, daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den mit der Klage geltend gemachten Betrag mit Verbindlichkeiten der R. GmbH zu verrechnen, die mit dem Erwerb des Grundstücks in K. nichts zu tun hatten. Dies ergebe sich aus den Vereinbarungen im Darlehensvertrag und aus der Zweckerklärung der Grundschuld. Ein entsprechender Anspruch der Kläger sei aber dadurch erloschen, daß der Kläger zu 1) als allein geschäftsführender Gesellschafter der G. der Verbuchung nur eines Teils des Grundstückskaufpreises auf dem Konto der G. zugestimmt habe. Dies sei dadurch geschehen, daß er dem ihm am 11. Januar 1988 übersandten Kontoauszug betreffend das Darlehenskonto Nr. ... der G., aus dem sich die im Dezember erfolgten Buchungen ergäben, nicht widersprochen habe. Der Kläger zu 1) habe sich auch später durch konkludentes Verhalten mit dieser Verrechnung einverstanden erklärt. Er habe nämlich im Jahre 1988 mit ihr - der Beklagten - Verhandlungen über die Ablösung seiner Bürgschaft geführt, die er für die Darlehensschuld der G. übernommen hatte. Er habe nicht behauptet, daß er anläßlich dieser Verhandlungen oder im Rahmen des später hinsichtlich der Bürgschaftsforderung abgeschlossenen Ratenzahlungsvergleiches der Verbuchung nur eines Teiles des Rückkaufpreises auf dem Darlehenskonto der G. widersprochen habe. Vielmehr habe er diese Verbuchung dadurch genehmigt, daß er als Bürge seine Zahlungen in Höhe des vollen, sich aus dem Darlehenskonto der G. ergebenden Betrages erbracht habe.
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2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Zutreffend ist allein der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den mit der Klage geltend gemachten Betrag auf Verbindlichkeiten der R. GmbH zu verrechnen.
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Die Beklagte hat, wie sie selbst einräumt, entgegen der getroffenen Sicherungsvereinbarung den ihr überwiesenen Betrag von 524.655,84 DM nicht vollständig zur Tilgung der Darlehensforderungen gegen die G. und die R. GmbH verwandt. Sie hat vielmehr eigenmächtig unter Verletzung ihrer Vertragspflicht einen Teilbetrag von 184.866,71 DM zur Tilgung sonstiger nicht gesicherter Forderungen gegen die R. GmbH verwandt, anstatt ihn der G. gutzubringen.
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b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Anspruch der Kläger auf Gutschrift der Klageforderung nicht durch ein Saldoanerkenntnis der G. erloschen.
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Das fingierte Saldoanerkenntnis nach Nr. 15 AGB-Banken a.F. führt zwar auch zum Erlöschen der im Rechnungsabschluß zu Unrecht unberücksichtigt gebliebenen Forderungen, kann aber unter den Voraussetzungen der §§ 812 ff. BGB zurückgefordert werden (BGH, Urteil vom 24. April 1985 - I ZR 176/83 = NJW 1985, 3010 f. m.w.Nachw.), bewirkt also im Ergebnis lediglich eine Beweislastumkehr zu Lasten des Kontoinhabers: Er hat darzulegen und zu beweisen, daß der Saldo falsch berechnet wurde (Senatsurteil vom 18. Juni 1991 - XI ZR 159/90 = WM 1991, 1630, 1631 m.w.Nachw.). Eine rechtsgeschäftliche Genehmigung rechtswidriger anderweitiger Verbuchung von Beträgen, die bei ordnungsmäßigem Vorgehen der Bank dem Konto hätten gutgeschrieben werden müssen, liegt darin nicht (Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 3. Aufl. § 10 Nr. 5 Rdn. 30 m.w.Nachw.). Daß die Klageforderung dem Darlehenskonto der G. zu Unrecht nicht gutgebracht wurde und deshalb der im Jahresabschluß für 1987 mitgeteilte Debetsaldo um diesen Betrag zu hoch war, ist zwischen den Parteien nicht mehr streitig.
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c) Der Anspruch der Kläger ist schließlich auch nicht dadurch erloschen, daß der Kläger zu 1) für die G. insoweit keine Ansprüche geltend gemacht hat, als die Beklagte ihn wegen der Darlehensforderung als Bürge in Anspruch nahm und einen Ratenzahlungsvergleich mit ihm abschloß. Entgegen den Ausführungen der Revision in der mündlichen Verhandlung kann nicht festgestellt werden, daß im Rahmen dieser Abmachungen eine Änderung der Zweckabrede zwischen der G. und der Beklagten getroffen wurde, daß davon auch deren Forderungen gegen die R. GmbH erfaßt sein sollten. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger zu 1) dabei nicht nur seine Interessen als Bürge wahrgenommen, sondern darüber hinaus auch für die G. als deren Vertreter Erklärungen abgegeben hat, liegen nicht vor. Selbst wenn die Interessen der Kläger als Bürgen einer Änderung der Sicherungsabrede nicht entgegengestanden haben sollten, so hat eine Änderung der Zweckabrede jedenfalls in den Äußerungen des Klägers zu 1) nicht den erforderlichen Ausdruck gefunden. Die Beklagte hat nichts vorgetragen, was einen solchen Schluß rechtfertigen könnte.
- 15
Die Kläger können mithin - nach wie vor - die Auskehrung des Betrages verlangen, über den die Beklagte eigenmächtig verfügt hat. Für diesen, sich aus dem Sicherungsverhältnis der Parteien ergebenden Anspruch ist es unbeachtlich, daß das Darlehenskonto inzwischen ausgeglichen und die Darlehensforderung durch die Bürgenrückzahlung auf den Kläger zu 1) übergegangen ist. Der Ausgleich des Kontos führt vielmehr dazu, daß den Klägern nunmehr ein Anspruch auf Zahlung zusteht.
III.
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Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und dem Klageantrag stattgeben.
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Der Zinsanspruch ist aus §§ 288 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB begründet. Allerdings kommt ein Verzugsschaden unter dem Gesichtspunkt, daß die G. den streitigen Betrag nicht sofort als Festgeld verzinslich anlegen konnte, bis zur Tilgung des Darlehens nicht in Betracht; denn bei ordnungsgemäßer Gutschrift durch die Beklagte wäre das im Debet befindliche Konto der G. insoweit ausgeglichen worden, so daß jedenfalls zunächst keine Möglichkeit der Festgeldanlage bestand. Der Verzugsschaden der Kläger besteht indessen darin, daß infolge der unterlassenen Gutschrift Sollzinsen zu zahlen waren, die die mit der Klage geltend gemachten Zinsen überstiegen. Somit waren letztere zuzusprechen (§ 308 ZPO). Für die Zeit nach Darlehenstilgung ist indes die Zinsforderung aus dem mit der Klage geltend gemachten Gesichtspunkt begründet. Der Zweck der Gesellschaft war mit dem Wiederverkauf des Grundstücks erledigt. Das bei zutreffender Buchung vorhandene Guthaben in Höhe der Klageforderung wurde für laufende Geschäfte nicht benötigt. Daß es deshalb als Festgeld angelegt worden wäre und damit die geltend gemachten Zinserträge erbracht hätte, haben die Kläger unwidersprochen vorgetragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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