Haftung für Fehlbuchung im beleggebundenen Überweisungsverkehr: Maßgeblichkeit der Empfängerbezeichnung; verschuldensunabhängige Rückerstattungspflicht der Empfängerbank; rechtsmißbräuchliche Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs; mithaftungsbegründende Zurechenbarkeit von Untreuehandlungen von Hilfspersonen des Auftraggebers; Haftungsquotierung
Leitsatz
1. Im beleggebundenen Überweisungsverkehr ist bei Divergenzen zwischen dem Namen des Empfängers und dem angegebenen Konto die Empfängerbezeichnung maßgebend.
2. Bei Fehlleitung eines Überweisungsbetrages hat die Empfängerbank einen Vorschußbetrag gemäß BGB § 667 ohne Rücksicht auf ein Verschulden zurückzuerstatten. Ob die abweichende Haftungsregelung gemäß AGB-Banken Nr 4 Abs 3 S 3 (juris: BankAGB) idF vom 1. Januar 1986 mit AGBG § 9 vereinbar ist, bleibt offen.
3. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückerstattung eines weisungswidrig verwandten Vorschußbetrages verstößt gegen Treu und Glauben, wenn die weisungswidrige Erledigung des Überweisungsauftrags die Interessen des Auftraggebers nicht verletzt.
4. Ein allgemeiner Rechtssatz mit dem Inhalt, ein Geschäftsherr müsse sich strafbare Handlungen, die Hilfspersonen zu seinem Nachteil begehen, nach BGB §§ 254, 278 nicht zurechnen lassen, ist - in Abweichung von BGH, 1989-10-03, XI ZR 163/88, BGHZ 108, 386, 392 - nicht anzuerkennen.
5. Zur Frage der Haftungsquotierung bei der Fehlleitung eines Überweisungsbetrages durch die Empfängerbank im Falle einer vorsätzlich falschen Empfängerangabe durch Erfüllungsgehilfen und verfassungsmäßig berufene Vertreter des Auftraggebers.
Orientierungssatz
1. Zitierung zu Leitsatz 1: Festhaltung BGH, 1987-03-09, II ZR 238/86, WM IV 1987, 530.
2. Zitierung zu Leitsatz 2: Festhaltung BGH, 1983-06-13, II ZR 226/82, BGHZ 87, 376.
3. Zitierung zu Leitsatz 3: Festhaltung BGH, 1980-02-04, II ZR 119/79, WM IV 1980, 587.























vorgehend LG Darmstadt, 4. April 1989, 18 O 603/88



Jörg Lauer, ZAP Fach 8, 115-116 (Anmerkung)
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Kerwer, 8. Auflage 2017, § 362 BGB
● Matusche-Beckmann, 8. Auflage 2017, § 831 BGB
● Pfeiffer, 8. Auflage 2017, § 242 BGB
● Rüßmann, 8. Auflage 2017, § 254 BGB
● Seichter, 8. Auflage 2017, § 278 BGB
Vergleiche BGH 2. Zivilsenat, 9. März 1987, II ZR 238/86
Vergleiche BGH 2. Zivilsenat, 13. Juni 1983, II ZR 226/82
Vergleiche BGH 2. Zivilsenat, 4. Februar 1980, II ZR 119/79
Tatbestand
- 1
Die Klägerin nimmt die beklagte Volksbank aus abgetretenem Recht der M., Zweigniederlassung F., (M.-Bank) im Zusammenhang mit einem fehlgeleiteten Überweisungsbetrag auf Zahlung in Anspruch.
- 2
Am 14. Juli 1987 erteilte S., ein ungetreuer Mitarbeiter der Klägerin, in deren Namen und Vollmacht der M.-Bank telefonisch den Auftrag, 2.150.000 DM von einem Konto der Klägerin auf das Konto Nr. 15077700 bei der Beklagten zu überweisen. Nach Behauptung der Klägerin gab er sie als Überweisungsempfängerin an. Inhaberin des vorgenannten Kontos war indes nicht die Klägerin, sondern die C. GmbH (C.-GmbH).
- 3
Die M-Bank führte den Auftrag noch am gleichen Tage im beleggebundenen Überweisungsverkehr aus. Sie stellte der Beklagten den Überweisungsbetrag zur Verfügung und übermittelte der Klägerin eine Belastungsanzeige. In dieser und in ihrem Auftrag an die Beklagte gab die M.-Bank als Überweisungsempfängerin die Klägerin und als Empfängerkonto Nr. 15077700 an. Die Beklagte schrieb den überwiesenen Betrag ebenfalls noch am 14. Juli 1987 ohne Rückfrage bei der M-Bank oder der Klägerin der C.-GmbH auf deren Konto Nr. 15077700 gut. Die C.-GmbH überwies das Geld umgehend an eine englische Firma. Dieser bedienten sich S. sowie zwei weitere ungetreue Mitarbeiter der Klägerin, der Prokurist E., Leiter der Finanzabteilung, und der u.a. für die Kontrolle von Bankbelegen zuständige Buchhalter Ma., zur Weiterleitung des Betrages auf ihnen zugängliche Bankkonten.
- 4
Außer dem telefonischen erhielt die M-Bank auch einen schriftlichen von E. und S. unterzeichneten Überweisungsauftrag der Klägerin vom 14. Juli 1987. In diesem ist die C.-GmbH als Überweisungsempfängerin angegeben.
- 5
Die Klägerin hat behauptet, der schriftliche Auftrag sei bei der M.-Bank erst am 22. Juli 1987 und damit nach Weiterleitung des Gutschriftsbetrages durch die C.-GmbH eingegangen.
- 6
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von 2.150.000 DM zuzüglich Zinsen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 7
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
- 8
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
- 9
Der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht der M.-Bank ein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des ihr zur Verfügung gestellten Überweisungsbetrages gemäß §§ 398, 675, 667 BGB zu. Die Beklagte habe den Auftrag der M.-Bank, den überwiesenen Betrag dem Konto der Klägerin gutzuschreiben, durch Vornahme der Gutschrift auf dem Konto der C.-GmbH weisungswidrig ausgeführt. Auf den Gesichtspunkt rechtmäßigen Alternativverhaltens könne die Beklagte sich nicht berufen. Es stehe nicht fest, daß die Beklagte auf Rückfrage bei der M.-Bank oder der Klägerin die Auskunft erhalten hätte, der Überweisungsbetrag solle der C.-GmbH gutgeschrieben werden.
- 10
Die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Die vorgenommene Gutschrift verletzte schutzwürdige Interessen der Klägerin. Der überwiesene Betrag sei nicht an denjenigen gelangt, der ihn nach dem Willen der Klägerin habe erhalten sollen. Auf den Willen ihrer ungetreuen Mitarbeiter komme es nicht an. Deren Verhalten müsse sie sich nicht zurechnen lassen. Auch ein Mitverschulden der Klägerin liege deshalb nicht vor.
II.
- 11
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
- 12
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Die Voraussetzungen der §§ 675, 667 BGB für einen Rückerstattungsanspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht der M.-Bank liegen vor.
- 13
a) Die Beklagte ist von dem Auftrag der M.-Bank, den vorschußweise überwiesenen Betrag auf dem - nicht existierenden - Konto der Klägerin mit der Nummer 15077700 gutzuschreiben, durch Vornahme der Gutschrift auf dem Konto der C.-GmbH mit dieser Nummer abgewichen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im beleggebundenen Zahlungsverkehr bei Divergenzen zwischen Empfängerbezeichnung und Kontonummer die Empfängerbezeichnung maßgebend, weil der Name eine wesentlich sicherere Individualisierung ermöglicht (BGHZ 108, 386, 390 f.; BGH, Urteil vom 9. März 1987 - II ZR 238/86, WM 1987, 530, 531 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 9. Juli 1991 - XI ZR 72/90, WM 1991, 1452, 1458).
- 14
b) Den weisungswidrig verwandten Vorschußbetrag hat die Beklagte ohne Rücksicht auf ein Verschulden zurückzuerstatten. Daß die Beklagte die Verfügungsgewalt über den Betrag verloren hat, ist entgegen der Ansicht der Revision ebenso ohne Belang wie die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten aus § 280 BGB oder aus positiver Vertragsverletzung vorliegen. Die abweichende Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 11. November 1968 - II ZR 228/66, WM 1968, 1378, auf die sich die Revision insbesondere beruft, ist spätestens seit dem Urteil desselben Senats vom 28. November 1977 - II ZR 122/76, WM 1978, 367 überholt. In der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs herrscht Einigkeit darüber, daß die Empfängerbank bei Fehlleitung eines Überweisungsbetrages nach § 667 BGB und damit verschuldensunabhängig auf Rückzahlung des Vorschusses haftet (BGHZ 87, 376, 380; 108, 386, 388).
- 15
An dieser Haftung ändert Nr. 4 Abs. 3 Satz 3 AGB-Banken in der Fassung vom 1. Januar 1986, wonach eine Bank bei Fehlleitung einer Überweisung nur für grobes Verschulden verantwortlich ist, wenn sie zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Fehlleitung unternommen hat, hier nichts. Dabei kann offenbleiben, ob diese Risikoabwälzung mit § 9 AGBG vereinbar ist (bejahend: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 6. Aufl. Anh. §§ 9-11 Rdn. 156, 159; verneinend: Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 332; MünchKomm/Hüffer, BGB 2. Aufl. § 783 Rdn. 46; Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. (8) AGBBanken 4 Anm. 3 C; Hettich/Thieves/Timmann/Windhöfel BB 1990, 2347, 2348; Blaurock/Andre ZBB 1990, 83, 87; Parthe EWiR 1990, 37, 38). Die Beklagte hat nämlich zumutbare Vorkehrungen zur Vermeidung der Fehlleitung unterlassen. Sie hat weder bei ihrer Auftraggeberin, der M.-Bank, noch bei der Klägerin telefonisch Rückfrage gehalten, obwohl sie die Divergenz zwischen Empfängerbezeichnung und Kontonummer erkannt hat. Die nach Vorbringen der Beklagten erfolgte Anfrage bei der C.-GmbH, ob sie den Überweisungsbetrag erwarte, war nicht ausreichend. Der Inhalt des Auftrags der M.-Bank konnte dadurch nicht zuverlässig geklärt werden.
- 16
c) Den Einwand der Beklagten, eine Rückfrage bei der M.-Bank oder der Klägerin hätte zu der Auskunft geführt, der Überweisungsbetrag solle - wie geschehen - dem Konto der C.-GmbH gutgeschrieben werden, hat das Berufungsgericht nicht durchgreifen lassen. Der damit geltend gemachte Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist im Schadensersatzrecht entwickelt worden. Ob er auch bei einem Rückerstattungsanspruch aus § 667 BGB Beachtung verdient, kann dahingestellt bleiben. Die Begründung des Berufungsgerichts, es stehe nicht fest, daß die Beklagte auf eine Rückfrage die vorgenannte Auskunft erhalten hätte, trägt insoweit die getroffene Entscheidung. Die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens liegt bei der Beklagten (vgl. BGHZ 29, 176, 187; 61, 118, 123 f.). Die auf § 286 ZPO gestützten Rügen der Revision, das Berufungsgericht habe die Lebenserfahrung sowie Vorbringen der Beklagten außer acht gelassen, sind unbegründet (§ 565 a ZPO).
- 17
2. Im Ergebnis zutreffend ist weiter die Annahme des Berufungsgerichts, die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs verstoße nicht gegen Treu und Glauben.
- 18
a) Ein solcher Verstoß liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn die weisungswidrige Auftragserledigung das Interesse des Auftraggebers nicht verletzt (Urteil vom 11. November 1968 - II ZR 228/66, WM 1968, 1368; Urteil vom 4. Februar 1980 - II ZR 119/79, WM 1980, 587, 589). Das ist insbesondere der Fall, wenn der mit der Überweisung verfolgte Zweck trotz der Fehlbuchung erreicht worden ist (Urteil vom 31. Januar 1974 - II ZR 3/72, WM 1974, 274, 275) oder wenn die von der Empfängerbank vorgenommene Gutschrift nur gemessen am Auftrag der Überweisungsbank, nicht aber gemessen an dem ihres Auftraggebers eine Fehlbuchung ist (Urteil vom 11. März 1976 - II ZR 116/74, WM 1976, 904, 906).
- 19
b) Entgegen der Ansicht der Revision ist der letztgenannte Fall hier nicht gegeben. Wie bereits dargelegt, stimmen die Empfängerbezeichnungen in dem telefonischen Auftrag der Klägerin an die M.-Bank und dem Auftrag der M.-Bank an die Beklagte nach dem unwiderlegten Vorbringen der Klägerin überein. Die von der Beklagten auf dem Konto der C.-GmbH vorgenommene Gutschrift war deshalb auch gemessen am Auftrag der Klägerin eine Fehlbuchung. Daß ihr ungetreuer Mitarbeiter S. die vorgenommene Gutschrift wünschte, der Überweisungszweck aus seiner Sicht also erreicht wurde, hindert die Klägerin nach Treu und Glauben nicht, aus der ihre Interessen verletzenden Fehlbuchung Konsequenzen zu ziehen und den abgetretenen Rückerstattungsanspruch der M.-Bank geltend zu machen. Das Verhalten der Mitarbeiter der Klägerin ist, soweit es für die Fehlbuchung ursächlich geworden und der Klägerin zuzurechnen ist, im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen. Diese für Schadensersatzansprüche geltende Vorschrift ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist, auf Rückerstattungsansprüche aus §§ 675, 667 BGB entsprechend anwendbar (BGHZ 87, 376, 380; 108, 386, 391; Senatsurteil vom 9. Juli 1991 - XI ZR 72/90, aaO). Daß nach den Regeln des Überweisungsverkehrs zwischen den Parteien kein unmittelbares Rechtsverhältnis bestand, ist ohne Belang, denn die M.-Bank hat bei der Weiterleitung des Überweisungsauftrags an die Beklagte im Interesse und für Rechnung der Klägerin gehandelt (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1977 - II ZR 122/76, WM 1978, 367, 368).
- 20
3. Nicht gefolgt werden kann indes der Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich in bezug auf die Fehlleitung des Überweisungsbetrages kein Mitverschulden anrechnen lassen, bei den zum Nachteil der Klägerin begangenen strafbaren Handlungen hätten ihre Mitarbeiter nicht als Hilfspersonen der Klägerin gehandelt. Das Berufungsgericht engt den Anwendungsbereich des § 278 BGB, auf den § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB verweist, über Gebühr ein.
- 21
Allerdings hat der erkennende Senat in einem Fall, in dem ein ungetreuer Kommunalbeamter die Fehlleitung von Überweisungsbeträgen durch eine Bank veranlaßt hatte, ausgeführt, der Beamte habe bei den zum Nachteil der klagenden Stadt begangenen strafbaren Handlungen nicht als deren Hilfsperson gehandelt. Er sei weder ihr Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Vertragsverhältnisses gewesen noch habe die klagende Stadt sich seiner zur Erfüllung eines Gebotes des eigenen Interesses bedient (BGHZ 108, 386, 392). Indes kann an diesen Ausführungen, an denen sich das Berufungsgericht ersichtlich orientiert hat, nicht ohne differenzierende Einschränkungen festgehalten werden. Ein allgemeiner Rechtssatz mit dem Inhalt, ein Geschäftsherr müsse sich strafbare Handlungen, die Mitarbeiter zu seinem Nachteil vorsätzlich begehen, nicht zurechnen lassen, ist nicht anzuerkennen.
- 22
Nach § 278 Satz 1 BGB hat ein Schuldner ein Verschulden von Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden. Das bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, daß der Schuldner für schuldhaftes Fehlverhalten einer Hilfsperson einzustehen hat, soweit es in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die ihr im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren. Die Hilfsperson darf nicht nur bei Gelegenheit der Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners gehandelt haben, sondern ihr schuldhaftes Fehlverhalten muß in Ausübung der ihr insoweit übertragenen Hilfstätigkeit erfolgt sein (RGZ 63, 341, 343 f.; BGHZ 84, 141, 145; BGH, Urteil vom 12. Juli 1977 - VI ZR 159/75, WM 1977, 994 f.; BGH, Urteil vom 14. Februar 1989 - VI ZR 121/88, VersR 1989, 522, 523 f.). In diesem Rahmen hat der Schuldner auch für strafbares Verhalten seiner Hilfspersonen einzustehen. Das gilt selbst dann, wenn diese seinen Weisungen oder Interessen vorsätzlich zuwiderhandeln, um eigene Vorteile zu erzielen (st.Rspr.; RGZ 101, 348, 350; BGH, Urteil vom 8. Februar 1965 - III ZR 170/63, NJW 1965, 962, 963, 964; BGH, Urteil vom 12. Juli 1977 - VI ZR 159/75, WM 1977, 994 f.; BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 197/87, NJW-RR 1989, 1183, 1185; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1989 - III ZR 92/88, WM 1990, 98, 99).
- 23
Der für die Zurechnung eines Mitverschuldens erforderliche unmittelbare sachliche Zusammenhang zwischen dem Aufgabenbereich der drei ungetreuen Angestellten der Klägerin und der von ihnen begangenen Verletzung von Pflichten, die der Klägerin oblagen, kann hier nicht verneint werden. Die ungetreuen Angestellten waren in der Abteilung Finanzen und Verwaltung tätig, der Prokurist E. sogar als Abteilungsleiter. Zu ihren Aufgabenbereichen gehörte, wie die jedem von ihnen eingeräumte Bankvollmacht zeigt, auch die Erteilung von Überweisungsaufträgen zu Lasten des Kontos der Klägerin bei der M.-Bank. Bei solchen Aufträgen war die Klägerin aufgrund des geschlossenen Girovertrages gehalten, den Namen und die Kontonummer des Empfängers richtig anzugeben, um Fehlleitungen von Überweisungsbeträgen zu vermeiden. Dagegen hat ihr Angestellter S. nach den Angaben der Klägerin, die sich die Beklagte hilfsweise zu eigen gemacht hat, bei der telefonischen Erteilung des Auftrags zur Überweisung des streitigen Betrages verstoßen. Obwohl er wußte, daß das angegebene Empfängerkonto der C.-GmbH gehörte, bezeichnete er, um angesichts der Höhe des Überweisungsbetrages bei der M.-Bank keine Aufmerksamkeit zu erregen, die Klägerin selbst als Überweisungsempfängerin. Dieses vorsätzliche Fehlverhalten ihres Angestellten S. muß sich die Klägerin nach §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen, obgleich S. seine Bankvollmacht in strafbarer Weise mißbraucht hat.
- 24
Zuzurechnen ist der Klägerin, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, auch das Verhalten ihres Prokuristen E. und das ihres Buchhalters Ma.. Zwar ist es richtig, daß E. und Ma. erst nach dem von S. telefonisch erteilten Überweisungsauftrag in Erscheinung getreten sind. Das Berufungsgericht hat jedoch, wie die Revision mit Recht rügt, unberücksichtigt gelassen, daß S. die Untreuestraftat, zu der die unrichtige Angabe der Klägerin als Überweisungsempfängerin gehörte, im Zusammenwirken mit E. und Ma. geplant und ausgeführt hat. Nach dem unstreitigen Tatbestand des Berufungsurteils ist der in Rede stehende Zahlungsvorgang von S. und ihnen veranlaßt worden, um sich auf Umwegen den Besitz des Geldes zu verschaffen. E. und Ma. sind deshalb für die bewußt unrichtige Überweisungsempfängerangabe ebenso mitverantwortlich wie S. (§ 830 BGB). Ma. hat es außerdem in Verletzung der von ihm zu erledigenden Obliegenheit der Klägerin unterlassen, die Belastungsanzeige der M.-Bank vom 14. Juli 1987 zu prüfen und unverzüglich zu beanstanden (Nr. 15 AGB-Banken). Auch darin liegt ein Fehlverhalten ihres Buchhalters, das der Klägerin gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 Satz 1 BGB als Mitverschulden anzurechnen sein würde, wenn es, was nicht festgestellt ist, unter Berücksichtigung des Stornorechts der Beklagten nach Nr. 4 Abs. 1 Satz 3 AGB-Banken für den unwiederbringlichen Verlust des fehlgeleiteten Überweisungsbetrages mitursächlich geworden sein sollte.
III.
- 25
Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO). Zu einer Entscheidung in der Sache selbst war der Senat nicht in der Lage. Die Gewichtung und Abwägung des beiderseitigen Fehlverhaltens und die Bemessung der Haftungsanteile der Parteien gemäß § 254 BGB ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann diese nur dann selbst vornehmen, wenn alle insoweit erheblichen tatsächlichen Umstände aufgeklärt sind (BGHZ 108, 386, 392 m.w.Nachw.). Das ist hier nicht der Fall.
- 26
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Prokurist und Leiter der Abteilung Finanzen und Verwaltung E. gemäß § 31 BGB Repräsentant der Klägerin war. Diese Frage kann für die gemäß § 254 BGB analog erforderliche Abwägung des beiderseitigen Fehlverhaltens von Bedeutung sein. Denn insoweit ist in Betracht zu ziehen, daß das Verschulden, das die Klägerin zu vertreten hat, möglicherweise unterschiedlich zu gewichten ist, je nachdem ob es sich um ein eigenes bzw. um ein diesem gleichstehendes Verschulden der Klägerin oder aber um das von Erfüllungsgehilfen handelt (BGH, Urteil vom 2. Februar 1984 - I ZR 228/81, NJW 1984, 2087, 2088 m.w.Nachw.). Wäre E. verfassungsmäßig berufener Vertreter der Klägerin gemäß § 31 BGB gewesen, könnte zu ihren Lasten der Grundsatz eingreifen, daß fahrlässiges Verhalten der Beklagten demgegenüber nicht zu berücksichtigen ist. Wäre er dagegen nur Erfüllungsgehilfe gemäß § 278 BGB gewesen, wäre dieser Grundsatz nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1965 - VII ZR 203/83, DB 1966, 147, 148; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1983 - VI ZR 60/82, NJW 1984, 921, 922 m.w.Nachw.).
- 27
Bei der Klärung der vorgenannten Frage wird das Berufungsgericht darauf abzustellen haben, ob E. als Leiter der Abteilung Finanzen und Verwaltung durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der Klägerin zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen waren. Der ihm eingeräumten Prokura kommt insoweit keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. BGHZ 49, 19, 21; 98, 148, 151; BGH, Urteil vom 21. September 1971 - VI ZR 122/70, NJW 1972, 334).
- 28
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, daß E. nicht Repräsentant der Klägerin gewesen ist, wird es bei der Bemessung von Haftungsquoten der Parteien zu berücksichtigen haben, daß dem Anteil der Beklagten an der Fehlleitung des Überweisungsbetrages ein einheitlicher, der Klägerin zuzurechnender Verursachungsbeitrag ihrer drei zusammenwirkenden ungetreuen Mitarbeiter in Form der von S. ausgeführten Obliegenheitsverletzung gegenübersteht. Die nachfolgende Nichtbeanstandung der Belastungsanzeige der M.-Bank durch den Buchhalter Ma. hat demgegenüber keine selbständige Bedeutung.
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