Scheckeinzugsverkehr nach Scheckabkommen der Banken - Geltungsbereich der Pflichtenregelung, hier: Eilnachricht über Nichteinlösung
Leitsatz
Im Scheckeinzugsverkehr richten sich die Rechte und Pflichten der beteiligten Kreditinstitute untereinander auch dann nach dem Scheckabkommen, wenn die Erstbank den Scheck nicht im Auftrag eines Kunden, sondern auf eigene Rechnung einzieht.













vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 30. November 1987, 13 O 2782/87


Tatbestand
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Die klagende Bank verlangt von der beklagten Sparkasse Schadensersatz, da diese verspätet mitgeteilt habe, daß mehrere vorgelegte Schecks von ihr nicht eingelöst würden.
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Die Klägerin, eine Factoring-Bank, schloß am 17. Februar 1987 mit der inzwischen in Konkurs geratenen A. Fleischhandel GmbH (im folgenden: A.) einen Factoring-Vertrag. Sie ließ sich im voraus alle künftigen Forderungen der A. aus Warenlieferungen gegen sämtliche Abnehmer unter der aufschiebenden Bedingung abtreten, daß sie die jeweilige Forderung ankaufe. Die Klägerin übernahm für die von ihr gekauften Forderungen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Schuldner (Delkredere). Zum Ankauf der Forderungen war die Klägerin verpflichtet, solange ein für den jeweiligen Debitor festgelegtes Limit nicht ausgeschöpft war. Entsprechende Factoring-Verträge hatte die Klägerin mit mehreren Lieferanten der A. abgeschlossen.
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Die Beklagte war kontoführende und kreditgewährende Bank der A.. Sie verzichtete mit Schreiben vom 10. Februar 1987 im Hinblick auf den von A. mit der Klägerin abzuschließenden Factoring-Vertrag auf ihre Rechte aus einer früheren Globalzession und übertrug die Rechte auf A. zurück. Sie machte dabei zur "Voraussetzung", daß Zahlungen aus dem Forderungsverkauf ausschließlich auf das bei ihr geführte Konto der A. erfolgten.
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Die Beklagte bat die Klägerin um verbindliche Bestätigung dieser Zahlungsabwicklung. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 16. Februar 1987, daß sie der Anweisung zur ausschließlichen Auszahlung der Factoring-Guthaben an die Beklagte nicht nachkommen könne, jedoch bereit sei, dem ihr von A. erteilten Auftrag, alle Guthaben aus der Factoring-Zusammenarbeit auf deren Konto bei der Beklagten zu überweisen, zu entsprechen, solange dieser Auftrag aufrechterhalten werde.
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Im April 1987 erhielt die Klägerin von A. sieben auf die Zweigstelle der Beklagten in L. gezogene Schecks über 14.743,74 DM (Scheck-Nr. 455), 26.930,72 DM (Scheck-Nr. 551), 27.766,61 DM (Scheck-Nr. 433), 1.260,80 DM (Scheck-Nr. 708), 41.548,15 DM (Scheck-Nr. 448), 14.274,87 DM (Scheck-Nr. 452) und 19.799,28 DM (Scheck-Nr. 451). Diese Schecks über insgesamt 146.324,17 DM dienten der Erfüllung von Forderungen, welche die Klägerin aufgrund von Factoring-Verträgen mit Lieferanten der A. angekauft hatte. Sie leitete diese Schecks der Beklagten zur Einlösung zu, deren kontoführender Zweigstelle in L. sie spätestens am 21. April 1987 vorlagen. Die Beklagte teilte der Klägerin am 23. April 1987 um 13.15 Uhr fernmündlich mit, daß sie die Schecks nicht einlösen werde.
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Die Klägerin hat behauptet, durch die späte Benachrichtigung sei ihr ein Schaden in Höhe von 225.614,35 DM entstanden. Sie habe unter anderem noch am 23. April 1987 einen Kaufpreis von 230.000 DM für angekaufte Kundenforderungen dem Konto der A. bei der Beklagten gutschreiben lassen. Bei rechtzeitiger Benachrichtigung über die Nichteinlösung der Schecks durch die Beklagte würde sie das unterlassen und stattdessen die Kaufpreisforderung der A. mit Ansprüchen auf die Beträge, die aus den nicht eingelösten Schecks stammten, verrechnet haben. Sie würde auch Lieferantenforderungen gegen A. in Höhe von insgesamt 79.280,11 DM und - was die Klägerin hilfsweise geltend gemacht hat - von weiteren 27.842,34 DM nicht aufgekauft haben.
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Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 146.334,24 DM nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin die Beklagte weitergehend zur Zahlung von 151.531,51 DM nebst Zinsen verurteilt und die Berufung der Beklagten, mit der diese Klageabweisung erstrebte, zurückgewiesen.
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Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zu einem geringfügigen Teil begründet.
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Der Klägerin stehen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus dem Abkommen über die Rückgabe nicht eingelöster Schecks und die Behandlung von Ersatzstücken verlorengegangener Schecks im Scheckeinzugsverkehr (Scheckabkommen) zu. Sie sind nach Abschnitt I Nr. 5 des Abkommens auf die Beträge der Schecks begrenzt, bei deren Bearbeitung die Beklagte gegen das Abkommen verstoßen hat.
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I. 1. Das Berufungsgericht geht im Grundsatz zutreffend davon aus, daß die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin bis 22. April 1987, 14.30 Uhr über die Nichteinlösung der Schecks zu unterrichten, da diese spätestens am 21. April 1987 ihrer Zweigstelle in L. vorlagen. Dies folgt aber nicht - wie das Berufungsgericht meint - aus einer der Beklagten als Schuldnerbank gegenüber dem jeweiligen Scheckeinreicher obliegenden Schutzpflicht, sondern ergibt sich unmittelbar aus Abschnitt II Nr. 2 des Scheckabkommens.
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Im Scheckeinziehungsverfahren bestimmen sich die Rechte und Pflichten der beteiligten Banken zueinander nach dem - von den dazu durch die einzelnen Kreditinstitute bevollmächtigten Verbänden vereinbarten - Scheckabkommen. Dessen Anwendung ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin "selbst Gläubigerin" der vorgelegten Schecks war. Das Scheckabkommen gilt nach Abschnitt I Nr. 1 für alle Schecks, die ein Kreditinstitut einem anderen zur Einziehung vorlegt, unabhängig davon, welche Rechte der Bank an dem vorgelegten Scheck zustehen. Dagegen spricht nicht, daß im Abkommen das erste am Einzug beteiligte Kreditinstitut als "erste Inkassostelle" bezeichnet wird. Diese Bezeichnung wurde zur exakten Beschreibung der technischen Abwicklung des Scheckeinzugs in Übereinstimmung mit dem Lastschriftabkommen gewählt, dem das Scheckabkommen in seiner textlichen Gestaltung zur Erleichterung der praktischen Anwendung beider Abkommen weitgehend folgt (vgl. Reiser ZIP 1982, 1251). Eine sachliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des Scheckabkommens ergibt sich daraus nicht. Sie wäre auch nicht gerechtfertigt, denn auch beim Scheckinkasso für einen Kunden kann die vorlegende Bank Gläubigerin der Scheckforderung sein, wenn ihr der Scheck vom Inhaber sicherungshalber zu Eigentum übertragen wurde und damit alle Rechte aus dem Scheck auf sie übergegangen sind (vgl. z.B. BGHZ 102, 68, 70). Für eine einheitliche Handhabung spricht nicht zuletzt der Umstand, daß es für die bezogene Bank in der Regel nicht erkennbar ist, ob das Kreditinstitut, das den Scheck vorlegt, Eigentümerin oder Sicherungseigentümerin des Schecks ist oder ob nur ein Einziehungsauftrag mit Legitimationszession vorliegt.
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2. Nach Abschnitt II Nr. 2 des Scheckabkommens besteht die Pflicht zur Eilbenachrichtigung allerdings nur bei Schecks im Betrage von 2.000 DM und darüber. Die Beklagte hat deshalb bei der Bearbeitung des Schecks Nr. 708 über 1.260,80 DM - anders als bei den übrigen sechs Schecks, deren Einzelbeträge 2.000 DM übersteigen - nicht gegen das Abkommen verstoßen, so daß dieser Betrag nach Abschnitt I Nr. 5 bei der Bestimmung der Haftungsgrenze außer Betracht zu bleiben hat. Durch die verspätete Benachrichtigung über die Nichteinlösung der zu berücksichtigenden restlichen Schecks ist der Klägerin ein Schaden entstanden, der den Gesamtbetrag dieser von der Beklagten nicht eingelösten Schecks übersteigt.
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a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin am 23. April 1987 einen Betrag in Höhe von 230.000 DM für angekaufte Forderungen der A. auf deren bei der Beklagten eingerichtetes Konto überwiesen hat. Es ist davon überzeugt, daß die Klägerin diese Überweisung, zu der keine vertragliche Verpflichtung bestanden habe, bei pflichtgemäßer Benachrichtigung durch die Beklagte unterlassen hätte.
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b) Diese Ausführungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
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Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitert nicht daran, daß sie die verspätete Benachrichtigung durch die Beklagte möglicherweise ihrerseits verspätet gegenüber der Beklagten gerügt hat. Eine Verletzung der in Abschnitt I Nr. 5 des Scheckabkommens enthaltenen Pflicht zu unverzüglicher Rüge von Verstößen gegen das Abkommen hat, da es - anders als nach Abschnitt A Nr. V Abs. 2 des Scheckabkommens in der bis 30. September 1977 geltenden Fassung - an einer entsprechenden ausdrücklichen Sanktion fehlt, nicht den Verlust des Schadensersatzanspruchs zur Folge, sondern kann nur ein im Rahmen des § 254 BGB bei der Schadensbemessung zu berücksichtigendes Mitverschulden begründen (vgl. Steuer, Die Bank 1978, 497, 501; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 758; überholt insoweit BGHZ 53, 199, 202).
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Entgegen der Ansicht der Revision war die Klägerin nicht verpflichtet, das Entgelt für die von A. angekauften Forderungen auf deren Konto bei der Beklagten zu überweisen. Nachdem die Beklagte im Hinblick auf den Factoring-Vertrag ihre Rechte aus einer früheren Globalzession auf A. zurückübertragen hatte, war die von A. gegenüber der Klägerin am 17. Februar 1987 erklärte Abtretung mit dem Ankauf der Forderungen durch die Klägerin wirksam vollzogen. Die A. war zwar gegenüber der Beklagten verpflichtet, über den Gegenwert, den die Klägerin entsprechend § 1 des Factoring- Vertrages zunächst einem bei ihr geführten "Abrechnungskonto" gutzuschreiben hatte (vgl. Brink ZIP 1987, 817, 818), nur durch Überweisung auf das bei der Beklagten geführte Girokonto zu verfügen. Diese der A. obliegende Verpflichtung hinderte die Klägerin jedoch nicht, mit ihren Forderungen gegen die Guthabenforderungen der A. aufzurechnen. Eine eigene Verpflichtung gegenüber der Beklagten, die dem entgegenstehen könnte, hat die Klägerin nicht übernommen. Sie hatte sich in ihrem Schreiben vom 16. Februar 1987 lediglich verpflichtet, die Beklagte zu informieren, falls A. die ihr erteilte Auszahlungsanweisung ändern würde.
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3. Andere Anspruchsgrundlagen hat das Berufungsgericht zu Recht ausgeschlossen. Es hat insbesondere die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB zutreffend verneint.
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II. Da weiterer Parteivortrag, der zu einem der Beklagten günstigeren Ergebnis führen könnte, nicht zu erwarten ist, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden. Auf die Revision der Beklagten waren daher das Urteil des Berufungsgerichts teilweise aufzuheben und das Urteil des Landgerichts in geringem Umfang zu ändern.
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