Giroverhältnis: Zurückweisungsrecht bei schuldloser Fehlüberweisung
Leitsatz
Der Kontoinhaber kann die aufgrund einer ihm materiell zustehenden Zahlung erteilte Gutschrift auf einem Konto, auf das die Überweisung nicht bewirkt werden sollte, nicht zurückweisen (Fortführung BGH, 1989-09-19, XI ZR 150/88, WM IV 1989, 1560).














vorgehend LG Bonn, 19. November 1993, 15 O 389/93
Abgrenzung BGH 11. Zivilsenat, 21. Juni 2005, XI ZR 152/04





... mehrHerberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Kerwer, 8. Auflage 2017, § 362 BGB
● Schinkels, 8. Auflage 2017, § 333 BGB
● Schwintowski, 8. Auflage 2017, § 675t 1. Überarbeitung
● Schwintowski, 8. Auflage 2017, § 675t BGB
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Juni 1994 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 19. November 1993 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin fordert von der beklagten Bank Rückzahlung eines Betrags von 12.500 DM.
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Die Klägerin überwies von ihrem Konto bei der A.-Bank e.G. an einen ihr angeschlossenen Kassenarzt das Honorar für das 4. Quartal 1992 auf dessen im Soll stehendes Konto bei der Beklagten. Sie will dabei die von der Beklagten bestrittene Weisung des Arztes, die Zahlung auf ein Konto bei einer anderen Bank zu bewirken, übersehen haben. Die Beklagte verrechnete den eingegangen Betrag mit dem Debet und verweigerte die Rückzahlung an die Klägerin, die sich auf eine Zurückweisung der Gutschrift durch ihren Gläubiger beruft.
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Das Berufungsgericht hat unter Abänderung des abweisenden Urteils des Landgerichts der Klage stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 4
Die Revision ist begründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, daß ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückzahlung des überwiesenen Betrags nicht besteht.
I.
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Das Berufungsgericht verneint im Anschluß an das Landgericht bereicherungsrechtliche Ansprüche, nimmt aber an, der Klägerin stehe ein an sie abgetretener Anspruch ihrer Bank auf Rückzahlung nach §§ 675, 667 BGB zu. Dabei geht es davon aus, daß der Zahlungsempfänger die Gutschrift auf seinem Konto bei der Beklagten aufgrund eines entsprechenden generellen Rechts zurückgewiesen habe: Ein solches Zurückweisungsrecht sei allgemein in Fällen gegeben, in denen zwar im Valutaverhältnis eine Geldschuld bestehe, der Schuldner aber nicht auf das vom Gläubiger angegebene Konto überweise. Durch Ausübung des Zurückweisungsrechts werde das in der Gutschrift liegende Schuldversprechen unwirksam mit der Folge, daß die überweisende Bank nach §§ 675, 667 BGB Rücküberweisung verlangen könne.
II.
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Das hält rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
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1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Klägerin keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Die Klägerin erbrachte mit der von ihrer Bank ausgeführten Überweisung auf das Konto bei der Beklagten eine Leistung an ihren Gläubiger; die Beklagte wurde dabei nur als Zahlstelle des Gläubigers tätig (vgl. BGHZ 69, 186, 188 f.; BGH, Urteil vom 18. April 1985 - VII ZR 309/84 = WM 1985, 826 m.w.Nachw.).
- 8
Geht man mit dem Berufungsgericht von der bestrittenen Behauptung der Klägerin aus, daß sie die Überweisung auf das Konto ihres Gläubigers bei der Beklagten weisungswidrig veranlaßt hat, hatte die Überweisung im Verhältnis der Klägerin zu ihrem Gläubiger keine Erfüllungswirkung. Andererseits war der Empfänger um die Zahlung, die in seinem Verhältnis zur Beklagten zu einer Schuldbefreiung führte, ungerechtfertigt bereichert (vgl. BGHZ 98, 24, 30; BGH, Urteil vom 18. April 1985 aaO). Den damit gegebenen Bereicherungsanspruch hätte die Klägerin gegen ihren Gläubiger, als dieser nochmalige Zahlung verlangte, geltend machen können, wobei hier dahinstehen kann, ob sie mit diesem Anspruch hätte aufrechnen können (vgl. dazu Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Rdn. 473; ders. ZIP 1986, 1021, 1025; Schröter WuB I D 1.-5.86).
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2. Obwohl die Beklagte den entsprechenden Vortrag der Klägerin bestritten hat, geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Gläubiger der Klägerin die erteilte Gutschrift zurückgewiesen hat. Es kann dahinstehen, ob diese Feststellung rechtsfehlerfrei getroffen worden ist. Das vom Berufungsgericht angenommene generelle Zurückweisungsrecht gegenüber der erteilten Gutschrift besteht jedenfalls nicht.
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a) Der Bundesgerichtshof hat ein solches Zurückweisungsrecht für Fälle angenommen, in denen die erteilte Gutschrift auf einer rechtsgrundlosen Fehlüberweisung beruht, die für den Kontoinhaber zur Folge hat, daß er wegen des Fehlens eines Rechtsgrundes im Valutaverhältnis den Bereicherungsansprüchen des Überweisenden ausgesetzt ist, die er - bestünde für seine Bank eine Verrechnungsmöglichkeit mit einem Debet - nicht aus dem überwiesenen Betrag erfüllen könnte. Nur durch die in der Zurückweisung liegende Weigerung, das Schuldversprechen der Bank zu akzeptieren, kann er diese Folge verhindern (vgl. Senatsurteil vom 19. September 1989 - XI ZR 150/88 = WM 1989, 1560, 1561). Die innere Rechtfertigung für ein solches Zurückweisungsrecht liegt also im Fehlen eines Valutaverhältnisses, das einen Rechtsgrund für die Zahlung bilden könnte.
- 11
b) Das Schrifttum geht über diesen Ansatz hinaus und bejaht ein generelles Zurückweisungsrecht des Kontoinhabers (vgl. Canaris aaO Rdn. 473; ders. ZIP 1986, 1021, 1025 f.; Kasten WuB I D 1.-6.89; Schröter WuB I D 1.-5.86; Terpitz WuB I D 1.-4.85; Christoffel WuB I D 3.-16.88; Hadding/Häuser WM 1989, 589, 591) sowohl bei Überweisungen auf eine Schuld des Gläubigers als auch bei Überweisungen ohne eine solche. Der Grund dafür wird in der Notwendigkeit gesehen, bei Überweisung auf eine Schuld eine Aufrechnungsmöglichkeit des Gläubigers mit einem Bereicherungsanspruch auszuschließen, weil anderenfalls der Schuldner durch Überweisung auf ein "unerwünschtes" Konto des Gläubigers über die Aufrechnung mit einem Bereicherungsanspruch die Schuldtilgung erreichen könnte, die bei Überweisung auf ein solches Konto gerade nicht eintreten soll; in Fällen der Überweisung ohne Schuld soll allein der Gesichtspunkt der Zurückweisungsmöglichkeit gegen eine aufgedrängte Bereicherung tragend sein.
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Als dogmatische Grundlage wird § 333 BGB herangezogen (a.A. Häuser, WM-Festgabe für Hellner, 1994, 15 f.; der auch bei debitorischem Konto eine Möglichkeit des Überweisungsempfängers zur Rücküberweisung annehmen will). Der dort geregelte Schutz des Dritten vor einem ihm durch Vertrag zu seinen Gunsten aufgedrängten Rechtserwerb läßt sich auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht übertragen. Der Inhaber eines Girokontos ist mit dem Begünstigten eines ohne sein Zutun und unter Umständen sogar ohne seine Kenntnis zustande gekommenen Vertrages nicht vergleichbar. Er hat vielmehr aus eigener Entschließung mit dem Abschluß des Girovertrages sein Einverständnis mit der Entgegennahme aller für ihn bestimmten Zahlungen durch die kontoführende Bank erklärt. Die Bank ist danach nicht Versprechende in einem Vertragsverhältnis zu seinen Gunsten, sondern handelt als seine Zahlstelle. Als Grundlage für ein Zurückweisungsrecht kann danach nur das Giroverhältnis in Betracht kommen.
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c) Aufgrund des Giroverhältnisses ist die Bank gegenüber ihrem Kunden berechtigt und verpflichtet, für diesen eingehende Zahlungen seinem Konto gutzuschreiben. Wenn gleichwohl im Einzelfall ein Zurückweisungsrecht des Kunden in Betracht kommen soll, muß dieses auf Ausnahmefälle begrenzt sein, für die ein triftiger, mit dem Willen und der Interessenlage der Girovertragsparteien vereinbarer Grund besteht. Ein generelles, dazu noch zeitlich unbefristetes Zurückweisungsrecht würde einen ungehinderten Giroverkehr nicht mehr gewährleisten und den rechnerischen Tagessaldo als Grundlage für die Dispositionen beider Vertragspartner unkalkulierbar machen.
- 14
Weder mit dem Recht und der Pflicht der Bank, eingehende Überweisungen dem Konto ihres Kunden gutzubringen, noch mit ihrer Interessenlage ist vereinbar, daß der Kunde eine ihm nach dem Inhalt des Valutaverhältnisses zustehende Zahlung zurückweisen können soll. Die Überweisungsvereinbarungen im Valutaverhältnis kennt die Bank nicht, sie braucht sich darum auch nicht zu kümmern. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die eingehende Zahlung dem Empfänger materiell nicht oder nicht mehr zusteht. Nur in einem solchen Fall erscheint es, soweit die erteilte Gutschrift nicht bereits Gegenstand von Dispositionen der Girovertragsparteien war, gerechtfertigt, ein Zurückweisungsrecht zu bejahen (vgl. Senatsurteil vom 19. September 1989 aaO).
- 15
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dem Gläubiger der Klägerin stand aus dem Valutaverhältnis ein Anspruch auf Zahlung von 12.500 DM unstreitig zu. Die Überweisung der Klägerin auf das Konto bei der Beklagten führte zwar nicht zur Erfüllung dieses Anspruchs; das ändert jedoch nichts daran, daß dem Gläubiger die Zahlung materiell zustand. Der Ausgleich hat deshalb zwischen der Klägerin und ihrem Gläubiger unmittelbar zu erfolgen.
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