Nachvertragliche Haftung des mit dem Erwerb und der Finanzierung einer Eigentumswohnung beauftragten Treuhänders: Eigenerwerb der Eigentumswohnung im Zwangsversteigerungsverfahren unter Verkehrswert
Leitsatz
1. Der Treuhänder, der die für den Erwerb einer Eigentumswohnung notwendigen Verträge abgeschlossen und die Finanzierung durch Übernahme der Mithaftung sichergestellt hatte, ist nicht gehindert, die Wohnung im späteren Zwangsversteigerungsverfahren gegen den Treugeber zu einem den Verkehrswert wesentlich unterschreitenden Preis zu ersteigern. Er braucht sich auch die Differenz zwischen dem von ihm gezahlten Preis und dem Verkehrswert der Wohnung nicht auf seine Rückgriffsforderung gegen den Treugeber anrechnen zu lassen.












vorgehend LG München II, 15. Juli 1987, 10 O 293/87

Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Ludwig, 8. Auflage 2017, § 311b BGB
● Seichter, 8. Auflage 2017, § 280 BGB
Tatbestand
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten Erstattung der Aufwendungen für die Ablösung von Darlehen, die die Beklagte im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung aufgenommen hatte.
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Die Beklagte und ihr Ehemann bevollmächtigten am 13. Oktober 1980 die Klägerin, für sie eine Eigentumswohnung zu erwerben und alle mit dem Erwerb und der anschließenden Verwaltung und Vermietung zusammenhängenden Erklärungen abzugeben, insbesondere Darlehens- und Verwalterverträge abzuschließen sowie Grundpfandrechte zu bestellen.
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Aufgrund dieser Vollmacht erwarb die Klägerin für die Beklagte und deren Ehemann eine Eigentumswohnung in M. und schloß Darlehensverträge mit der B. Landesbank über 193.000 DM und mit der Volksbank M. über 7.566 DM ab. - Die Klägerin selbst hatte gegenüber beiden Banken Ausbietungsgarantien hinsichtlich der bestellten Grundpfandrechte übernommen. Sie verpflichtete sich gegenüber beiden Banken weiter, für deren Forderungen gegen die Beklagte selbstschuldnerische Ausfallbürgschaften zu übernehmen. Die Wirksamkeit der abgegebenen Bürgschaftserklärungen ist streitig.
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Als die Beklagte 1984 mit der Rückzahlung der Darlehen und den Zinszahlungen in Verzug geraten war, kündigten die Banken die Darlehensverträge. In dem auf Betreiben der B. Landesbank angeordneten Zwangsversteigerungsverfahren, in dem das Vollstreckungsgericht den Verkehrswert gemäß § 74a Abs. 5 ZVG auf 230.000 DM festsetzte, wurde das Wohnungseigentum der Klägerin für 117.000 DM zugeschlagen. Der Versteigerungserlös wurde im wesentlichen der B. Landesbank als erstrangiger Grundschuldgläubigerin zugeteilt. Die Klägerin befriedigte die B. Landesbank wegen der ihr gegen die Beklagte zustehenden Restdarlehensforderung. Sie beglich weiter die noch in Höhe von 2.785,65 DM offene Darlehensforderung der Volksbank M., auf die kein Versteigerungserlös entfallen war. - Die B. Landesbank hat am 1. September 1987 ihre Restforderung gegen die Beklagte in Höhe von 90.687,98 DM an die Klägerin abgetreten.
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Die Klägerin hat von der Beklagten die Erstattung der von ihr zur vollständigen Darlehensablösung an die B. Landesbank gezahlten 90.687,98 DM und der an die Volksbank M. gezahlten 2.785,65 DM, insgesamt also 93.473,63 DM, verlangt.
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Die Beklagte hat sich insbesondere auf die Unwirksamkeit der von der Klägerin abgegebenen Bürgschaftserklärungen berufen. Sie hat ferner mit Schadensersatzforderungen die Aufrechnung erklärt, die sie daraus herleitet, daß sich die Klägerin in Kenntnis des Verkehrswertes der Eigentumswohnung im Zwangsversteigerungsverfahren bei einem Gebot von nur 117.000 DM habe den Zuschlag erteilen lassen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 30.208,38 DM nebst Zinsen zu zahlen, und im übrigen die Klage abgewiesen.
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Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist begründet.
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I. 1. Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, daß die B. Landesbank ihre nach Zuteilung im Zwangsversteigerungsverfahren verbliebene Restdarlehensforderung von 90.687,98 DM wirksam an die Klägerin abgetreten hat und daß weiter eine Forderung in Höhe von 2.785,65 DM gemäß § 774 BGB auf die Klägerin als Bürgin übergegangen ist, da sie insoweit die Volksbank M. befriedigt hat. Es meint aber, die Klägerin müsse sich auf die Gesamtforderung von 93.473,63 DM "verschiedene Gegenpositionen" anrechnen lassen, und zwar die Differenz zwischen der Ersteigerungssumme von 117.000 DM und dem von ihm auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens ermittelten Verkehrswert der Eigentumswohnung von 205.000 DM sowie die von der Klägerin bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung erzielten Mieteinnahmen. Allerdings könne die Klägerin im Rahmen des vorzunehmenden Billigkeitsausgleichs ihre Aufwendungen und Kosten, die durch den Erwerb der Wohnung entstanden seien, in Ansatz bringen. Insgesamt ermäßige sich die Klageforderung dadurch auf 30.208,38 DM.
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Die Anrechnungspflicht ergibt sich nach Ansicht des Berufungsgerichts aus dem Vertragsverhältnis, das zwischen den Parteien bestanden hat. Danach sei die Klägerin verpflichtet gewesen, den Auftrag so durchzuführen, daß für die Beklagte keine vermeidbaren finanziellen Nachteile entstehen. Es sei ihr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, aus der Abwicklung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses und dessen Nachwirkungen zu Lasten der Beklagten einen Gewinn zu erzielen. Das aber wäre der Fall, wenn die Klägerin im Wege der Zwangsversteigerung die Wohnung der Beklagten zu einem Preis erhalte, der deutlich unter dem Wert dieser Wohnung liege. Zu den von der Klägerin erzielten Vorteilen gehörten auch die von ihr erzielten Mieteinnahmen.
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2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Gegenforderungen der Beklagten, die mit der zutreffend festgestellten Forderung der Klägerin zu verrechnen wären oder mit denen die Beklagte aufrechnen könnte, bestehen nicht.
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a) Vertragliche Pflichten hat die Klägerin durch ihr Auftreten als Mitbieter nicht verletzt. Den Auftrag, den Erwerb der Eigentumswohnung durchzuführen und die Finanzierung sicherzustellen, hatte sie unstreitig ohne Beanstandungen bereits Jahre vor dem Versteigerungstermin erfüllt. Aus der Vermietung der Wohnung im Auftrag der Beklagten ergaben sich keine allgemeinen Vermögensbetreuungspflichten, die einer Beteiligung der Klägerin am Zwangsversteigerungsverfahren entgegengestanden hätten.
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b) Auch nachvertragliche Pflichten hat die Klägerin nicht verletzt.
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Es ist allerdings in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, daß auch nach der eigentlichen Vertragsabwicklung im Rahmen des Zumutbaren unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gewisse "nachvertragliche" Handlungs- oder Unterlassungspflichten bestehen können, damit dem Vertragspartner nicht unverhältnismäßige, mit der vorhergegangenen Vertragserfüllung zusammenhängende Schäden entstehen. Dazu zählt insbesondere das Verbot, dem Gläubiger die durch Vertrag gewährten Vorteile wieder zu entziehen oder wesentlich zu schmälern, und die Pflicht, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden oder vereiteln könnte (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1952 - II ZR 253/51 = DB 1952, 553; BGHZ 61, 176, 179; RGZ 161, 330, 338; Staudinger/Schmidt BGB 12. Aufl. § 242 Rdn. 779ff.; MünchKomm/Roth BGB 2. Aufl. § 242 Rdn. 160ff.; RGRK-Alff BGB 12. Aufl. § 242 Rdn. 50; Strätz, Festschrift für Bosch 1976, 999ff.).
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Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Es kann offen bleiben, ob sich aus dem Auftrag zum Erwerb der Eigentumswohnung und zum Abschluß der damit zusammenhängenden Verträge - insbesondere der Darlehensverträge - überhaupt nachvertragliche Vermögensbetreuungspflichten ergaben. Diese gingen jedenfalls nicht so weit, daß die Klägerin gehalten gewesen wäre, die aus der - ohne ihr Zutun eingetretenen - späteren Zahlungsunfähigkeit der Beklagten entstehenden nachteiligen Folgen durch den Erwerb der Eigentumswohnung zum Verkehrswert abzuwenden. Davon, daß es für eine derartige Einstandspflicht an jeder Rechtsgrundlage fehlen würde, scheint auch das Berufungsgericht auszugehen. Die Rechtslage konnte sich insoweit jedoch nicht dadurch ändern, daß die Klägerin im eigenen Interesse durch Mitbieten im Zwangsversteigerungstermin den Schaden zu begrenzen suchte, der ihr deshalb drohte, weil sie zur Sicherstellung der Forderungen gegen die Beklagte die Haftung übernommen hatte. Die Tatsache, daß die Klägerin als weiterer Bieter auftrat, war nicht geeignet, die Interessen der Beklagten zu beeinträchtigen. Die Beklagte hat demgemäß auch nicht vorgetragen, daß ohne das Auftreten der Klägerin als Mitbieter ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre. Aus der Beteiligung im Versteigerungstermin erwuchsen für die Klägerin deshalb keine neuen Schutzpflichten für das Vermögen der Beklagten, insbesondere keine Verpflichtung, unter Zurückstellung ihrer eigenen berechtigten Belange allein zur Verbesserung der Vermögensposition der Beklagten ein höheres Gebot abzugeben, als dies nach den Gegebenheiten im Termin für einen Zuschlag erforderlich war. Sie hat sich, ohne in den geschützten Rechtskreis der Beklagten einzugreifen, an einem staatlich geregelten Verfahren beteiligt und war deshalb auch nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, mit Rücksicht auf frühere Vermögensbetreuungspflichten einen Preis zu bieten, den niemand sonst zu bieten bereit war.
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c) Damit scheiden auch Ansprüche der Beklagten aus unerlaubter Handlung aus.
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d) Die Voraussetzungen des § 114a ZVG, auf den die Beklagte sich hilfsweise berufen hat, liegen ersichtlich nicht vor. Angesichts des Normzwecks der Vorschrift (vgl. dazu BGHZ 99, 110, 113f.) scheidet eine entsprechende Anwendung auf den vorliegenden Fall aus.
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Gegenforderungen der Beklagten bestehen danach unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
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