Auskunftsvertrag zwischen darlehengebender Bank und Bausparkasse: Anfrage zu vorrangiger Verfügung über einen sicherungshalber abgetretenen Bausparvertrag
Leitsatz
1. Zur Frage des Zustandekommens eines stillschweigenden Auskunftsvertrages, wenn eine Bank bei einer Bausparkasse anfragt, ob über die der Bank sicherheitshalber abgetretenen Rechte aus einem Bausparvertrag bereits vorrangig verfügt worden sei.
Orientierungssatz
1. Das Zustandekommen eines stillschweigenden Auskunftsvertrags ist in einem solchen Fall regelmäßig zu bejahen.
2. Zitierungen: vergleiche BGH, 1985-09-17, VI ZR 73/84, WM IV 1985, 1531, 1532; BGH, 1988-10-11, XI ZR 1/88, WM IV 1988, 1828, 1829, jeweils mwN; BGH, 1985-09-25, IVa ZR 237/83, WM IV 1985, 1520.














vorgehend LG Düsseldorf, 11. März 1988, 11 O 72/87


Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Hönn, 8. Auflage 2017, § 675 BGB
Vergleiche BGH 4a. Zivilsenat, 25. September 1985, IVa ZR 237/83
Vergleiche BGH 6. Zivilsenat, 17. September 1985, VI ZR 73/84
Tatbestand
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Die klagende Hypothekenbank sagte mit Schreiben vom 23. Januar 1985 den Eheleuten L. zwei Darlehen über insgesamt 158.000 DM zu. Entsprechend den Darlehensbedingungen unterzeichneten die Eheleute L. am 19. Februar 1985 zur Sicherung des Darlehens eine Erklärung, nach der sie alle Ansprüche aus einem Bausparvertrag über 100.000 DM, den H. L. mit der (rechtlich unselbständigen) Bausparkasse der beklagten Bank geschlossen hatte, an die Klägerin abtraten. Mit Schreiben vom 21. Februar 1985 teilte die Klägerin der Bausparkasse die Abtretung mit. Weiterhin heißt es in dem Schreiben:
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"Bitte bestätigen Sie uns, daß Sie die Abtretung dieses Vertrages zu unseren Gunsten vorgemerkt haben und daß Ihnen andere Verfügungen über den genannten Vertrag nicht angezeigt wurden. Wir gehen davon aus, daß Sie uns benachrichtigen, falls Sie wegen eines Beitragsrückstandes mahnen oder den Vertrag kündigen müßten."
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Die Bausparkasse antwortete am 28. Februar 1985 wie folgt:
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"Die Abtretung vom 19.2.85 zu Ihren Gunsten haben wir vorgemerkt. Eigene Rechte und Ansprüche bestehen nicht bzw. machen wir nicht geltend. Etwaige vorrangige Ansprüche Dritter wurden uns bisher nicht angezeigt. Abgetreten wurden Ansprüche aus dem Bausparvertrag bis zum Betrag von DM 100.000. Soweit dieser Betrag ein noch zu bewilligendes Bauspardarlehen einschließt, beschränkt sich die Abtretung für diesen Teil auf den Anspruch auf Auszahlung des Darlehens.
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Für den Bausparvertrag gelten zur Zeit folgende Merkmale:
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Vertragsbeginn 15.02.1982 Bausparsumme DM 100.000,-- Bausparguthaben DM 42.893,29
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Wir gehen davon aus, daß die von Ihnen bereitgestellten bzw. noch bereitzustellenden Kreditmittel von unserem Bausparer unverzüglich und unmittelbar nach den gesetzlichen Bestimmungen wohnungswirtschaftlich verwendet werden. Wenn eine solche Verwendung nicht vorgesehen ist, wirkt sich die Abtretung steuer- bzw. prämienschädlich aus. Wir bitten Sie, uns dann zu benachrichtigen, damit wir dem Finanzamt die gesetzlich vorgeschriebene Meldung zukommen lassen können."
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Nachdem H. L. in Vermögensverfall geraten war, kündigte die Klägerin gegenüber der Bausparkasse der Beklagten den Bausparvertrag und bat um Überweisung des Guthabens.
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Die Bausparkasse verweigerte dies unter Berufung darauf, daß ihr eine vorrangige Abtretung an die Kreissparkasse S. vorliege, die am 24. Oktober 1983 bei ihr eingegangen sei.
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Die Klägerin erstrebt mit der Klage den Ersatz des Schadens, der ihr aus dem Darlehensgeschäft mit den Eheleuten L. dadurch entstanden sei, daß die Beklagte mit Schreiben vom 28. Februar 1985 fälschlich mitgeteilt habe, daß ihr vorrangige Ansprüche Dritter bisher nicht mitgeteilt worden seien.
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Das Landgericht hat die zunächst auf Feststellung gerichtete Klage durch Versäumnisurteil vom 17. Juli 1987 abgewiesen und dieses Versäumnisurteil durch Endurteil aufrechterhalten. Das Berufungsgericht hat der inzwischen bezifferten Klage durch Urteil vom 9. Februar 1989 stattgegeben (abgedruckt in WM 1989, 676 = ZIP 1989, 493 = WuB I B 4 1.89 mit Anmerkung Peterhoff; vgl. auch Anmerkung Pfister/Hohl EWiR § 676 BGB 2/89, 675). Mit ihrer zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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1. a) Das Berufungsgericht geht davon aus, daß zwischen den Parteien durch die Anfrage der Klägerin vom 21. Februar 1985 und die Antwort der Beklagten vom 28. Februar 1985 ein Auskunftsvertrag zustande gekommen sei. Es verweist zutreffend darauf, daß die Rechtsprechung regelmäßig dann den stillschweigenden Abschluß eines Auskunftsvertrages und damit eine vertragliche Haftungsgrundlage bei falscher Auskunft bejaht, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Auskunftgeber besonders sachkundig ist oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse bei ihm im Spiel ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1985 - VI ZR 73/84, WM 1985, 1531, 1532; Senatsurteil vom 11. Oktober 1988 - XI ZR 1/88, WM 1988, 1828, 1829 jeweils m.w.Nachw.).
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Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind hier die Voraussetzungen eines solchen Auskunftsvertrages erfüllt. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Beklagte wurde von der klagenden Hypothekenbank als Schuldnerin unter Hinweis auf eine Forderungsabtretung um Auskunft über den Bestand der abgetretenen Forderung gebeten. Sie erkannte oder mußte zumindest damit rechnen, daß es sich um eine Sicherungsabtretung handelte und die Auskunft für die Klägerin im Zusammenhang mit einem Kreditgeschäft von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung war. Es war zudem offensichtlich, daß nur die Beklagte selbst Auskunft darüber geben konnte, ob ihr als Vertragspartnerin des Bausparvertrages "andere Verfügungen über den Vertrag" angezeigt worden seien. Ganz allgemein können derartige Auskünfte über den Bestand von Bausparverträgen mit der für Kreditentscheidungen erforderlichen Zuverlässigkeit regelmäßig nur von den Bausparkassen selbst erlangt werden. Im Hinblick darauf kann - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - durchaus davon gesprochen werden, daß die Beklagte für die erbetene Auskunft eine besondere, mit der erforderlichen Zuverlässigkeit nur bei ihr vorhandene Sachkunde besaß, auch wenn die Auskunft ohne besonderes Fachwissen nur anhand der eigenen Unterlagen der Beklagten erteilt werden sollte.
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Dazu kommt, daß das eigene wirtschaftliche Interesse der Beklagten weiter ging, als dies das Berufungsgericht gesehen hat. Es beruhte nicht nur darauf, daß die Beklagte als Bank bei Kreditgeschäften selbst auf entsprechende Auskünfte angewiesen sein kann. Die Ansprüche aus Bausparverträgen werden in weitem Umfang als Sicherheit für die Aufnahme von Darlehen verwendet, insbesondere zur Absicherung der Zwischenfinanzierung von Bauvorhaben. Dies setzt jedoch vielfach voraus, daß Kreditinstitute als mögliche Darlehensgeber von den Bausparkassen zuverlässige Auskünfte über den Bestand der Rechte des Bausparers erhalten können. Die Erteilung solcher Auskünfte dient daher gegebenenfalls nicht nur dem Interesse des Bausparkunden, sondern fördert zugleich das Bausparen als Anlageform und daher auch die eigenen wirtschaftlichen Ziele der Bausparkassen. Das erforderliche Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Auskünfte hängt aber wesentlich auch davon ab, daß der Auskunftgeber unter Umständen für mangelnde Sorgfalt bei der Auskunftserteilung schadensersatzpflichtig gemacht werden kann. Auch diese Interessenlage spricht dafür, daß eine Auskunft wie die vorliegende - jedenfalls aus der hier maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers - nicht nur im Sinne einer unverbindlichen Wissenserklärung erteilt wird, sondern in dem Bewußtsein, zugleich eine verbindliche, gegebenenfalls zur Haftung führende Willenserklärung abzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1985 - IVa ZR 237/83, WM 1985, 1520).
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b) Auf die Frage, ob die beiden Angestellten, die das Schreiben vom 28. Februar 1985 unterschrieben haben, zum Abschluß eines Auskunftsvertrages vertretungsberechtigt waren, kommt es nicht an. Die den Angestellten übertragene Tätigkeit brachte es mit sich, daß sie Auskünfte der vorliegenden Art erteilten. Die Klägerin als Auskunftsempfängerin konnte daher darauf vertrauen, daß die Angestellten der Beklagten auch eine für diese Tätigkeit ausreichende Vollmacht be saßen. Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, muß die Beklagte dies nach Treu und Glauben gegen sich gelten lassen (vgl. dazu auch BGH, Urteile vom 5. Januar 1955 - VI ZR 227/53, WM 1955, 230, 233 und vom 21. Dezember 1972 - II ZR 132/71, WM 1973, 635; RGZ 118, 234, 236; 131, 239, 246; Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch 28. Aufl. § 54 Anm. 1 C m.w.Nachw.).
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2. a) Das Berufungsgericht legt rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet dar, daß die Beklagte dadurch ihre Sorgfaltspflicht bei Erteilung der Auskunft fahrlässig verletzt und die Klägerin geschädigt habe, daß ihre Angestellten auf dem Bildschirm der EDV-Anlage die Kennzahl, die eine vorrangige Abtretung anzeigte, nicht beachtet haben.
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b) In den Mittelpunkt seiner weiteren Ausführungen stellt das Berufungsgericht die Frage, ob sich die Beklagte gegenüber der Klägerin gemäß Nr. 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken (maßgeblich wäre hier die Fassung vom 1. Januar 1984) auf eine Beschränkung der Haftung auf grobes Verschulden berufen kann. Diese Frage verneint das Berufungsgericht. Dafür seien dieselben Gründe maßgeblich, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung BGHZ 49, 167 für die Haftung bei fernmündlichen Scheckbestätigungen unter Kreditinstituten angeführt habe.
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Die von dem Berufungsgericht erörterte Frage stellt sich hier jedoch nicht. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß auch im Verkehr der Kreditinstitute untereinander - auch ohne besondere Bezugnahme bei Vertragsschluß - die Allgemeinen Geschäftsbedingungen desjenigen Kreditinstituts gelten, das dem anderen seine Dienste zur Verfügung stellt (BGHZ 49, 167, 172). Dies sind hier nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, sondern die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge der Landes-Bausparkasse D./M. in der hier maßgeblichen Fassung vom Januar 1983. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten in ihren §§ 24ff. Bestimmungen über den Geschäftsverkehr. Um einen von diesen Bestimmungen betroffenen Geschäftsverkehr geht es auch hier, weil sich die Klägerin an die Beklagte gewandt hat, um Auskunft darüber zu erhalten, ob sie durch die Abtretung der Rechte aus dem Bausparvertrag in Rechtsbeziehungen zu der Beklagten als Bausparkasse getreten sei.
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§ 27 der genannten Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge hat folgenden Wortlaut:
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"(1) Auskünfte und Ratschläge, zu denen die Bausparkasse nach diesen Bedingungen nicht verpflichtet ist, erteilt sie unter Ausschluß der Haftung, soweit dies im Rahmen der Rechtsordnung zulässig ist. In demselben Umfang ist die Haftung der Bausparkasse für etwaige Unterlassung von Auskünften und Raterteilungen ausgeschlossen. Im übrigen gilt § 26 Abs. 6 entsprechend.
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(2) Werden Auskünfte und Ratschläge im Sinne von Abs. 1 schriftlich erteilt, so haftet die Bausparkasse auch für leichte Fahrlässigkeit, es sei denn, daß sie hierbei diese Haftung ausschließt."
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Ob die Bestimmung, soweit sie einen Haftungsausschluß enthält, rechtswirksam ist, muß hier nicht entschieden werden (vergleiche dazu Horn in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 2. Aufl. § 23 Rdn. 425). Denn wird eine Auskunft - wie hier - schriftlich erteilt, sieht auch § 27 Abs. 2 eine Haftung der Bausparkasse für leichte Fahrlässigkeit vor, falls diese Haftung nicht bei der Auskunftserteilung ausgeschlossen wird. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Schon deshalb kann sich die Beklagte nicht auf eine Haftungsfreizeichnung berufen.
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