Mithaftung des Ehegatten für Kreditgewährung; Mehrheit von Kreditkonten und zulässige Verrechnung einer abgelösten Grundschuld auf Schuldsalden
Orientierungssatz
1. Hatte eine Bank (Kreditgeber) Eheleuten diverse (sechs) Kredite gewährt, von denen drei für den Gewerbebetrieb der Ehefrau in Anspruch genommen worden waren, wobei als Sicherheit für diese Kredite eine Grundschuld auf das der Ehefrau (in Miteigentum mit deren Vater) gehörende Grundstück bestellt worden war, so kann der Ehegatte nicht davon ausgehen, daß er bei der Mitübernahme der Schuldverpflichtung durch Bestellung der dinglichen Sicherheit wirtschaftlich abgesichert ist und eine Mithaftung für die zugunsten allein der Ehefrau verwendeten Kreditbeträge entfiele.
2. Die kreditgebende Bank ist nicht gehindert aufgrund bestehender Mithaftung der Ehegatten für alle Verbindlichkeiten und aufgrund der Sicherungsabrede, daß die bestellte Grundschuld als Sicherheit für alle bestehenden und zukünftigen Forderungen dienen solle, eine Verrechnung der abgelösten Grundschuld auf die Kreditkonten ihrer Wahl vorzunehmen.



vorgehend LG Heidelberg, 23. August 1985, 1 O 120/85
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. Dezember 1988 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 23. August 1985 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
Die Klägerin verlangt vom Beklagten den Ausgleich von Schuldsalden, die sich aus der Inanspruchnahme von Krediten für die Einrichtung und den Betrieb des von seiner Ehefrau geführten Frisiersalons ergeben haben. Über das Vermögen der Ehefrau des Beklagten, die sich inzwischen von ihm getrennt hatte, wurde im September 1984 das Konkursverfahren eröffnet.
- 2
Die Klägerin gewährte dem Beklagten und seiner Ehefrau in den Jahren 1981/82 ausweislich der von ihr überreichten Unterlagen folgende Kredite auf nachstehenden Konten:
- 3
a) 55250757: 30.000 DM in laufender Rechnung am 24.11.1981,
- 4
b) 55200271: 15.000 DM in laufender Rechnung am 27.05.1982,
- 5
c) 655422545: 35.000 DM Tilgungsdarlehen am 27.05.1982,
- 6
d) 655422552: 50.000 DM Abzahlungsdarlehen am 27.05.1982,
- 7
e) 655422569: 35.000 DM Abzahlungsdarlehen am 27.05.1982,
- 8
f) 55247090: 3.000 DM Dispositionskredit am 20.08.1982.
- 9
Während die Kredite zu a), b) und f) ohne Sicherheiten gewährt wurden, waren diejenigen zu c) bis e) vereinbarungsgemäß durch eine Grundschuld in Höhe von 120.000 DM nebst 15% Zinsen gesichert, die die Ehefrau des Beklagten und deren Vater auf einem ihnen in ungeteilter Erbengemeinschaft gehörenden Grundstück bestellt hatten. In der von den Sicherungsgebern unterzeichneten "Zweckerklärung für Grundschulden" ist der Sicherungszweck wie folgt bestimmt:
- 10
Die Grundschuld nebst Zinsen dient zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegen die Eheleute Heinz (Beklagter) und Renate P. ... - nachfolgend Kreditnehmer genannt (ist der Kreditnehmer eine Personenmehrheit, auch Forderungen gegen jede Einzelperson) - aus der Geschäftsverbindung...."
- 11
Name und Anschrift der Kreditnehmer sind mit Schreibmaschine in den Formulartext eingefügt.
- 12
Im Februar 1984 verkauften die Ehefrau des Beklagten und ihr Vater das belastete Grundstück. Von dem Kaufpreis wurde vereinbarungsgemäß ein Teilbetrag in Höhe von 156.000 DM auf ein Treuhandkonto überwiesen, um die Freigabe der Grundschuld durch die Klägerin zu erlangen. Am 9. Februar 1984 wandte sich die Klägerin in gleichlautenden Schreiben an den Beklagten sowie an seine Ehefrau. Darin heißt es u.a.:
- 13
"... wie wir in Erfahrung gebracht haben, wurde das uns als Sicherheit dienende Grundstück ... verkauft. Aufgrund unserer fernmündlichen Rücksprache mit Herrn Notar ... erhalten wir zur teilweisen Abdeckung unserer Forderung an Sie, aufgrund der eingetragenen Grundschuld über DM 120.000 inclusive Zinsen, einen Betrag von DM 156.000.
- 14
Die längst fällige Regelung zur ordnungsgemäßen Abwicklung Ihrer Verbindlichkeiten bei uns, sollte nun endgültig in den nächsten Tagen erfolgen. ..."
- 15
Da der Beklagte der Aufforderung nicht nachkam und sich der Vollzug des Kaufvertrages verzögerte, weil der Beklagte seine Zustimmung nach § 1365 BGB noch nicht erteilt hatte, kündigte ihm die Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 1984 die Geschäftsverbindung und forderte ihn auf, bis zum 30. Mai 1984 "folgende Verbindlichkeiten zurückzuzahlen":
- 16
"55200271 DM 22.180,27 55247090 DM 15.322,10 55250757 DM 151.849,55 655422545 DM 33.928,65 655422552 DM 44.440,-- 655422569 DM 31.800,-- --------------
insgesamt DM 299.520,57 zuzüglich Zinsen und Gebühren seit 01.04.1984 ..."
- 17
Für den Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung drohte sie in diesem Schreiben u.a. an, sie werde "mit der Verwertung der uns überlassenen Sicherheiten sofort beginnen".
- 18
Die hohen Überziehungen auf den Konten 55247090 und 55250757 waren nach der Trennung des Beklagten und seiner Ehefrau entstanden.
- 19
Am 18. Juli 1984 ging der auf dem Treuhandkonto hinterlegte Betrag von 156.000 DM aus dem Hausverkauf bei der Klägerin ein. Sie gab daraufhin die Grundschuld frei und verrechnete die Zahlung auf die Schuldsalden der Konten 55247090 und 55250757 - oben unter a) und f) -. Mit der Klage macht sie die - der Höhe nach unstreitigen - Debetsalden aus den oben unter b) bis e) genannten vier Konten (Kreditbewilligungen vom 27. Mai 1982) in Höhe von insgesamt 143.865,92 DM nebst Zinsen geltend.
- 20
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin hätte die Zahlung von 156.000 DM zum Ausgleich der den Gegenstand der Klage bildenden vier Konten verwenden müssen.
- 21
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten ist das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert worden, daß lediglich der Schuldsaldo aus dem oben unter b) genannten Konto in Höhe von 25.505,12 DM nebst Zinsen zuerkannt und die Klage im übrigen abgewiesen wurde. Gegen die Teilabweisung der Klage legte die Klägerin Revision ein, die Erfolg hatte und im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung führte. In dem Revisionsurteil (BGHZ 105, 154) ist ausgeführt, daß die Verrechnung des zur Ablösung der Grundschuld gezahlten Betrages auf die oben unter a) und f) genannten Konten nur dann zu beanstanden sei, wenn sich aufgrund nachzuholender tatrichterlicher Würdigung aus dem Schreiben vom 9. Februar 1984 unter Berücksichtigung der dazu vorgetragenen Umstände die Zusage der Klägerin ergebe, den Ablösungsbetrag auf die Restschuld aus den Darlehen zu c) bis e) zu verrechnen. In dem angefochtenen Urteil hat das Berufungsgericht diese Frage bejaht und die Teilabweisung der Klage aufrechterhalten. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
I.
- 23
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Klägerin die Zahlung von 156.000 DM aus dem Hausverkauf auf Schulden verrechnet habe, für die die Ehefrau des Beklagten allein hafte. Es ist der Auffassung, die Klägerin sei angesichts ihres "gesamten Verhaltens" gegenüber dem Beklagten "vor und nach Beginn der finanziellen Krise bis zur Zahlung" des genannten Betrages zur Verrechnung dieser Zahlung auf die gemeinsamen Schulden der Eheleute verpflichtet gewesen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
- 24
Die Klägerin habe nach Treu und Glauben berücksichtigen müssen, daß der Beklagte bei der Übernahme der Mithaftung davon ausgegangen sei, durch die Bestellung der dinglichen Sicherheit wirtschaftlich abgesichert zu sein. Das Schreiben vom 9. Februar 1984 zeige nach seiner Formulierung, daß die Klägerin damals selbst die Grundschuld nur für die gemeinsamen Schulden der Eheleute habe verwerten wollen. Das ergebe sich auch aus dem Kündigungsschreiben vom 11. Mai 1984, in dem sie die Verwertung der ihr überlassenen Sicherheiten angedroht habe, die ausschließlich in der Grundschuld bestanden hätten. Der Klägerin habe schließlich nicht verborgen bleiben können, daß der Beklagte die Veräußerung des Grundstücks durch Verweigerung der Zustimmung nach § 1365 BGB hätte erschweren oder vielleicht sogar verhindern können. Hätte die Klägerin zu erkennen gegeben, daß sie den ihr aus der Grundstücksveräußerung zufließenden Betrag auf Schulden seiner Ehefrau verrechnen wollte, hätte er seine Zustimmung von der Tilgung der den Gegenstand dieses Rechtsstreits bildenden Forderungen abhängig machen können.
II.
- 25
Diese Begründung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 26
1. Bereits der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß der Beklagte für die Schuldsalden auf den für die Verrechnung herangezogenen Konten nicht hafte, läßt sich nicht in Einklang mit den von der Klägerin überreichten Originalurkunden bringen. Nach diesen im Berufungsurteil in Bezug genommenen Urkunden sind die im Tatbestand unter a) und f) genannten Konten aus Anlaß von Krediten an beide Eheleute eröffnet worden, die einige Monate vor und nach denjenigen vom 27. Mai 1982 bewilligt wurden. Die im Tatbestand des Berufungsurteils enthaltene "Feststellung", für das Konto 55250757 hafte allein die Ehefrau des Beklagten, stellt sich danach als die Wiedergabe einer Rechtsauffassung dar, die keine Bindungswirkung nach §§ 561, 314 ZPO entfaltet (Stein- Jonas-Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 561 Rdn. 2; Zöller/Stephan, ZPO, 15. Aufl., § 314 Rdn. 1; AK-ZPO-Wassermann § 314 Rdn. 1). Da der Tatbestand über die Verweisung auf die Originalurkunden der Kontoeröffnung eindeutig ist, ist aus der wiedergegebenen Rechtsauffassung auch nicht eine den Urkunden widersprechende Tatsachenbehauptung ableitbar (vgl. dazu Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl., § 561 B I b 3). Es mag sein, daß der Beklagte für Überschreitungen der beiden Eheleuten bewilligten Kreditlinie nicht haftete; das bedarf jedoch keiner Entscheidung.
- 27
2. Das Berufungsgericht hat außer Betracht gelassen, daß der Beklagte jedenfalls im Zeitpunkt der Übernahme der Mithaftung für die Kredite, die über die Konten zu a), b) und f) abgewickelt wurden, nicht von einer Absicherung durch die Grundschuld ausgehen konnte. Die Grundschuld deckte betragsmäßig ausschließlich die drei am 27. Mai 1982 bewilligten Tilgungsdarlehen (c-e) ab. Für die unterstellte Erwartung des Beklagten, bei Verwertung der Grundschuld von sämtlichen Darlehensverpflichtungen "entlastet" zu sein, fehlt es damit an einer Tatsachengrundlage. Die Klägerin braucht sich deshalb eine solche Erwartung nicht nach Treu und Glauben entgegenhalten zu lassen.
- 28
3. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 9. Februar 1984 läßt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts dafür herleiten, daß die Grundschuld nur für gemeinsame Schulden verwertet werden sollte.
- 29
a) Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, daß die Klägerin in diesem Schreiben von einer teilweisen Abdeckung "unserer Forderungen an Sie" spricht, und im Berufungsurteil das Wort "Sie" durch den Klammerzusatz "sc. den Beklagten" einengt, übersieht es, daß nach dem ausdrücklichen Hinweis im Text des Schreibens gleichlautende Exemplare an beide Ehegatten versandt worden waren und angesichts dessen der objektive Erklärungswert nicht für jedes der beiden Schriftstücke unterschiedlich beurteilt werden kann.
- 30
b) Das Schreiben betrifft im übrigen ersichtlich nicht allein die drei Darlehen, für die das Berufungsgericht eine Verpflichtung zur Verrechnung annimmt. Durch eine solche Verrechnung wären die Debetsalden aus diesen drei Darlehen - für alle Beteiligten ohne weiteres erkennbar - restlos getilgt worden. Die von der Klägerin angesprochene "teilweise Abdeckung unserer Forderung an Sie" und die von ihr angemahnte "längst fällige Regelung zur ordnungsgemäßen Abwicklung Ihrer Verbindlichkeiten bei uns" gibt also nur dann einen Sinn, wenn das Schreiben Schulden einbezog, hinsichtlich derer der Beklagte nicht auf eine wirtschaftliche Absicherung durch die Grundschuld rechnen konnte.
- 31
c) Sonstige Umstände, die im Zusammenhang mit dem genannten Schreiben eine Verpflichtung der Klägerin zu der geforderten Verrechnung ergeben könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie sind auch nicht ersichtlich.
- 32
4. Auf das Kündigungsschreiben vom 11. Mai 1984 kann sich das Berufungsgericht für seine Ansicht schon deshalb nicht stützen, weil dieses Schreiben die Debetsalden, für die nach Auffassung der Klägerin der Beklagte haftete, im einzelnen aufführt und dabei auch die Konten einbezogen sind, auf die der später gezahlte Ablösungsbetrag verrechnet worden ist. Daß die Klägerin bei dieser Gelegenheit die Verwertung der Grundschuld als der einzigen dinglichen Sicherheit androhte, läßt entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts auch aus der Sicht des Empfängers keine Schlüsse auf den Willen einer Verrechnung des Verwertungserlöses auf bestimmte Forderungen zu.
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5. Schließlich entbehren auch die Schlußfolgerungen, die das Berufungsgericht aus der nach anfänglicher Weigerung erteilten Zustimmung des Beklagten gem. § 1365 Abs. 1 BGB zieht, einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen zu der Frage, aus welchen Gründen der Beklagte die Zustimmung zunächst verweigert hat. Aus der Sicht der Klägerin sprach nichts dafür, daß er schließlich seine Zustimmung in der Erwartung einer bestimmten Verrechnungsweise für den Ablösungsbetrag gegeben hätte. Er hatte entsprechende Ansinnen an die Klägerin nicht gestellt. Die gedankliche Vorwegnahme der vom Berufungsgericht unterstellten Erwartung hätte unter diesen Umständen keine plausible Erklärung für seine monatelange Weigerung geboten. Im übrigen beruht die Erwägung des Berufungsgerichts ersichtlich auf seiner unzutreffenden Annahme, der Beklagte hafte für die Schuldsalden auf den anderen Konten überhaupt nicht.
III.
- 34
Da die Gesamtwürdigung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist, kann der Senat sie selbst vornehmen. Danach ergeben sich aus dem Verhalten beider Parteien keine Anhaltspunkte, aus denen sich eine Zusage der Klägerin gegenüber dem Beklagten herleiten ließe, den Ablösungsbetrag für die Grundschuld mit den den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Darlehensforderungen zu verrechnen. Aus den im ersten Revisionsurteil (BGHZ 105, 154) dargelegten Gründen war die Klägerin deshalb nicht gehindert, die Verrechnung so vorzunehmen, wie sie es getan hat.
- 35
Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Nach der von der Klägerin zulässigerweise bestimmten Art der Verrechnung ist die rechnerisch unstreitige Klageforderung auch nicht teilweise getilgt. Die Abweisung eines Teils der Klage durch das angefochtene Urteil konnte unter diesen Umständen keinen Bestand haben. Vielmehr war das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
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