Haftungsumfang der Bank für grobfahrlässige Scheckeinlösung: Rechtsverfolgungskosten gegen dritte Mitschädiger; Berücksichtigung der Rechtsverfolgungskosten gegen einen Gesamtschuldner bei der Geltendmachung des Schadens gegen einen anderen Gesamtschuldner
Leitsatz
1. Bei einem durch die Einlösung veruntreuter Schecks entstandenen Schaden fallen vergeblich aufgewandte Kosten der Rechtsverfolgung gegen Personen, die in anderer Weise den dem Inhaber der Schecks entstandenen Schaden mitverursacht haben, nicht in den Schutzbereich der BGB §§ 990, 989 iV mit ScheckG Art 21.
2. Zur Berücksichtigung der gegen einen Gesamtschuldner entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung bei der Geltendmachung des Schadens gegen einen anderen Gesamtschuldner.
Orientierungssatz
1. Soweit die Kosten der Rechtsverfolgung gegen einen Gesamtschuldner durch den Erlös nicht gedeckt sind, kann der Erlös bei der Geltendmachung des Schadens gegen einen anderen Gesamtschuldner nicht schadenmindernd berücksichtigt werden (BGB § 367 Abs 1).
2. Kosten der erfolgreichen Rechtsverfolgung gegen einen Dritten der Kostenerstattung nicht schuldet, sind bei der Berechnung des verbleibenden Restschadens bis zur Höhe des Erlöses als schadenmindernde Aufwendungen berücksichtungsfähig.














vorgehend LG Karlsruhe, 10. Dezember 1987, O 129/87 KfH I
Vergleiche Brandenburgisches Oberlandesgericht 3. Zivilsenat, 9. Dezember 2009, 3 U 140/08



Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Hans, 8. Auflage 2017, § 989 BGB
Tatbestand
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Der klagende Landkreis fordert von der beklagten Bank Schadensersatz, weil sie ihm abhanden gekommene Schecks zu Unrecht über das private Girokonto eines seiner Angestellten für diesen eingezogen hat.
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Der Kläger beschäftigte vom 1. Januar 1978 bis Ende November 1985 G. W. als Leiter des Zentralen Einkaufs und des Zentrallagers seines Kreiskrankenhauses in S.. W. unterhielt bei der Beklagten ein privates Girokonto. Von etwa Mitte 1979 bis November 1985 veruntreute W. insgesamt 54 Schecks, die Lieferanten erfüllungshalber für Forderungen des Klägers aus Fehllieferungen, Falschlieferungen sowie für gewährte Nachlässe ausgestellt hatten, und ließ sie von der Beklagten über sein Girokonto einziehen. Der Beklagten war bekannt, daß W. beim Kläger angestellt war. Die Summe der Scheckbeträge belief sich auf über 900.000 DM. W. ist wegen Untreue zu 4 Jahren Haft verurteilt worden.
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Der Kläger hat W. auf Zahlung des ihm entstandenen Schadens gerichtlich in Anspruch genommen. Hierbei sind ihm Kosten in Höhe von insgesamt 46.044,01 DM entstanden. Durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen W. hat der Kläger 21.998,62 DM erlöst.
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Außerdem hat der Kläger den Kaufmann B. B., der einen Teil der von W. veruntreuten Schecks ausgestellt hatte, als angeblichen Mittäter auf Zahlung von ca. 645.000 DM verklagt. In einem vor dem Landgericht Hechingen geschlossenen Vergleich hat sich B. verpflichtet, für 140.000 DM kostenlos Waren zu liefern. Die durch die Rechtsverfolgung gegen B. für den Kläger entstandenen Kosten beliefen sich auf 15.778,74 DM.
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Der Kläger behauptet, die Beklagte habe aus grober Fahrlässigkeit nicht erkannt, daß die Schecks von W. veruntreut worden seien.
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Die Beklagte bestreitet dies und macht geltend, den Kläger treffe ein erhebliches Mitverschulden.
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Der Kläger fordert unter Abzug der Vergleichssumme und des aus der Zwangsvollstreckung gegen W. erzielten Erlöses insgesamt 789.052,74 DM. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 2/3 des gesamten Schadens stattgegeben. Das Berufungsgericht hat ein Mitverschulden des Klägers verneint und die Beklagte in Höhe von 727.229,99 DM nebst Zinsen verurteilt, die Klage jedoch wegen der dem Kläger durch seine Rechtsverfolgung gegen Dritte entstandenen Kosten in Höhe von 61.822,75 DM abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist teilweise begründet.
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Das Berufungsgericht hat die Haftung der Beklagten aus §§ 990, 989 BGB i.V.m. Art. 21 ScheckG für alle den Gegenstand der Klage bildenden Schecks im Ergebnis zutreffend bejaht und ein Mitverschulden des Klägers ausgeschlossen. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hat der Senat nicht angenommen. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Klage in Höhe der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten gegen W. und B. in vollem Umfang abgewiesen hat, läßt dagegen wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht.
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Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt: Der dem Kläger durch die Rechtsverfolgung gegen andere Schädiger entstandene Schaden falle nicht in den Schutzbereich der §§ 990, 989 BGB. Die getrennte Inanspruchnahme mehrerer Gesamtschuldner könne nicht den Haftungsumfang des einzelnen Gesamtschuldners erhöhen. Falls B. nicht als Gesamtschuldner für den Schaden gehaftet haben sollte, so gelte der Grundsatz, daß der Schädiger für die Rechtsverfolgungskosten gegen Dritte nur hafte, soweit er dazu Veranlassung gegeben habe. Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag stünden dem Kläger nicht zu, da er bei seiner Rechtsverfolgung nicht für die Beklagte tätig gewesen sei.
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Diese Erwägungen sind zwar im Ansatz zutreffend; sie lassen aber unberücksichtigt, daß der Beklagten die aus der Rechtsverfolgung erzielten Erlöse zugute kommen, da sie von der Gesamtschadenssumme abgesetzt worden sind.
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1. Mit dem Berufungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß der Schaden, der dem Kläger durch die Rechtsverfolgung gegen W. und B. entstanden ist, nicht vom Schutzbereich der §§ 990, 989 BGB erfaßt ist, eine Ersatzpflicht der Beklagten also insoweit nicht besteht.
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a) Ein Schaden fällt nur dann in den Schutzbereich einer Vorschrift, wenn es sich um Folgen handelt, die im Bereich der Gefahren liegen, um deretwillen die Rechtsnorm erlassen wurde. Notwendig ist ein innerer Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage, nicht nur eine bloß zufällige äußere Verbindung. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, entscheiden im Einzelfall in erster Linie Sinn und Tragweite der vom Täter verletzten Rechtsnorm (vgl. BGHZ 27, 137, 140; 37, 311, 315; 57, 137, 142; BGH, Urteil vom 14. März 1985 - IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1332).
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b) Die Vorschriften der §§ 990, 989 BGB i.V.m. Art. 21 ScheckG sollen einen Ausgleich dafür gewähren, daß der Erwerber des Schecks zur Herausgabe nicht mehr in der Lage ist. Vergeblich aufgewandte Rechtsverfolgungskosten gegen Personen, die in anderer Weise den dem berechtigten Inhaber entstandenen Schaden mitverursacht haben, sind keine Folge, die sich aus der Unmöglichkeit der Herausgabe des Schecks durch die Beklagte ergibt. Ein innerer Zusammenhang mit der von ihr durch die Gutschrift der Schecks und deren Einzug geschaffenen Gefahrenlage fehlt. Das Risiko der Inanspruchnahme eines Dritten trifft nach allgemeinen Gesichtspunkten den Gläubiger (BGH, Urteil vom 28. Februar 1969 - II ZR 174/67, NJW 1969, 1109). Das gilt, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, auch für den Fall, daß alle in Anspruch Genommenen als Gesamtschuldner haften (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 48. Aufl. § 421 Anm. 5). Dafür, daß die Beklagte in irgendeiner Weise schuldhaft Veranlassung zu den Vorprozessen gegeben hätte, besteht kein Anhaltspunkt.
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2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch Ansprüche auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten nach § 683 BGB mit der Erwägung abgelehnt, der Kläger habe insoweit kein Geschäft für die Beklagte besorgt.
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3. Im Ergebnis sind die Kosten der Vorprozesse jedoch mittelbar insoweit zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, als sie den der Beklagten gutgebrachten Erlös aus der Rechtsverfolgung schmälern. Bei der Berechnung des Restschadens kommt es nicht auf die vom Kläger gewählte formelle Begründung (Absetzung des vollen Erlöses einerseits, isolierte Geltendmachung der Kosten der Rechtsverfolgung andererseits) an; bei wertender Betrachtung sind vielmehr beide Positionen zueinander in Beziehung zu setzen. Dabei sind zur Vermeidung einer auch nur teilweisen Überwälzung des Kostenrisikos aus den vom Kläger getroffenen Maßnahmen auf die Beklagte die Rechtsverfolgung gegen W. und diejenige gegen B. getrennt zu betrachten.
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a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte und W. für den dem Kläger entstandenen Schaden als Gesamtschuldner haften; der Kläger kann von jedem vollen Ersatz, insgesamt aber nicht mehr als seinen Schaden verlangen (§ 421 BGB). Soweit einer von ihnen die Forderung des Klägers erfüllt, wird auch der andere frei (§ 422 Abs. 1 BGB). Der aus der Zwangsvollstreckung gegen W. erzielte Erlös von 21.998,62 DM mindert jedoch die Schadensersatzforderung des Klägers nicht, da dieser Betrag gemäß § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die durch die Rechtsverfolgung gegen ihn entstandenen Kosten in Höhe von 46.044,01 DM anzurechnen ist. Nur soweit danach Kosten der Rechtsverfolgung gegen W. nicht abgedeckt sind, ist die Abweisung der Klage gerechtfertigt.
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b) Soweit B. aufgrund der von ihm in dem gerichtlichen Vergleich übernommenen Verpflichtung Waren im Gegenwert von 140.000 DM geliefert hat, ist § 367 BGB allerdings nicht anwendbar, weil ersichtlich eine Kostenerstattung nicht geschuldet war. Das ist jedoch nur für das Verhältnis zwischen dem Kläger und B. von Bedeutung. Im Verhältnis zur Beklagten kann der Kläger auch hier die Berücksichtigung der Rechtsverfolgungskosten bis zur Höhe des Erlöses von 140.000 DM verlangen, weil es sich insoweit um Aufwendungen zum Zwecke der Schadensminderung handelt, die bei der Berechnung des verbleibenden Restschadens nicht außer Betracht gelassen werden dürfen. Die Anwendbarkeit des § 423 BGB hat das Berufungsgericht aus tatsächlichen Gründen rechtsfehlerfrei verneint. Der auf den Schaden angerechnete Betrag von 140.000 DM mindert sich deshalb um die dafür vom Kläger aufgewandten Kosten in Höhe von 15.778,74 DM.
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4. Das Berufungsgericht hat daher zu Unrecht die Klage in Höhe von 37.777,36 DM (21.998,62 DM + 15.778,74 DM) abgewiesen. Die weiter mit der Revision geltend gemachte Forderung auf Ersatz der den Vollstreckungserlös übersteigenden Kosten der Rechtsverfolgung gegen W. (24.045,39 DM) ist dagegen unbegründet.
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Da weiterer Parteivortrag nicht zu erwarten ist, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
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