Rechtsmittelbeschwer des Klägers bei einer Verurteilung zur künftigen Zahlung Zug um Zug gegen die Rückgabe von Pfandbriefen
Orientierungssatz
1. Wenn einem auf sofortige Zahlung gerichteten Klageantrag erst für einen zukünftigen Zeitpunkt entsprochen wird, ist der Umfang der Beschwer des Klägers nicht mit dem Betrag der verlangten Zahlung gleichzusetzen, sondern nach dem wirtschaftlichen Nachteil zu bemessen, der ihm durch den späteren Zufluß dieses Betrages entsteht.
2. Steht die Einlösung von Pfandbriefen in Rede (hier: Verurteilung zur zukünftigen Zahlung des Nennbetrages aus den Pfandbriefen Zug um Zug gegen Rückgabe der Pfandbriefe), so bestimmt sich die Beschwer des Klägers nach dem Differenzbetrag zwischen den behaupteten Schuldzinsen und den Zinseinnahmen aus den Pfandbriefen bis zu deren Einlösung.



vorgehend LG Köln 8. Zivilkammer, 7. April 1994, 8 O 106/93
Tenor
Der Antrag der Klägerin, den Wert ihrer Beschwer durch das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Dezember 1994 auf über 60.000 DM festzusetzen, wird zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 100.000 DM nebst 4,5% Zinsen vom 1. Januar 1992 bis zum 15. September 1992 und 12% Zinsen seit dem 16. September 1992 Zug um Zug gegen Rückgabe von Sozialpfandbriefen der Beklagten im Nennbetrag von 100.000 DM in Anspruch. Nachdem das Landgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen hatte, hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin verurteilt, am 28. Dezember 1999 Zug um Zug gegen Rückgabe der Pfandbriefe 100.000 DM an die Klägerin zu zahlen. Den Wert der Beschwer der Klägerin hat das Berufungsgericht auf nicht über 60.000 DM festgesetzt.
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Die Klägerin hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt und beantragt, den Wert ihrer Beschwer auf über 60.000 DM festzusetzen. Sie ist der Auffassung, der Wert ihrer Beschwer bemesse sich nach der vollen Klageforderung von 100.000 DM; zumindest müsse angesichts ihrer Belastung mit Schuldzinsen in Höhe von mindestens 12% jährlich ein jährlicher Zinsschaden von 12.000 DM für die Zeit vom 16. September 1992 bis zum 28. Dezember 1999 zugrunde gelegt werden.
II.
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Der nach § 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Antrag ist nicht begründet. Die Beschwer der Klägerin durch das Berufungsurteil übersteigt 60.000 DM nicht.
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1. Die Beschwer einer Partei durch ein Urteil bemißt sich nach dem Umfang, in dem das Urteil von den zuletzt gestellten Anträgen der Partei abweicht. Diese Abweichung liegt im vorliegenden Fall darin, daß die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur sofortigen Zahlung von 100.000 DM Zug um Zug gegen Rückgabe der Pfandbriefe sowie Zinsen unter Zugrundelegung eines Verzugsschadens seit dem Jahre 1992 verlangt hatte, das Berufungsgericht die Beklagte aber nur dazu verurteilt hat, am 28. Dezember 1999 Zug um Zug gegen Rückgabe der Pfandbriefe 100.000 DM zu zahlen. Daher ist der Umfang der Beschwer der Klägerin nicht mit dem Betrag der verlangten Zahlung gleichzusetzen, sondern nach dem wirtschaftlichen Nachteil zu bemessen, der ihr durch den späteren Zufluß dieses Betrags entsteht.
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In diesem Zusammenhang kann die umstrittene Frage offenbleiben, ob der Streitwert einer Zahlungsklage, gegen die der Beklagte lediglich einwendet, die Forderung sei noch nicht fällig, deshalb mit dem vollen Forderungsbetrag zu bewerten ist, weil § 4 Abs. 1 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage abstellt und damit eine Berücksichtigung der Art der Einwendungen des Beklagten grundsätzlich ausschließt (vgl. einerseits Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 2 Rdn. 14; MünchKomm ZPO-Lappe § 3 Rdn. 118; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 53. Aufl., Anh. § 3 Rdn. 52 unter "Fälligkeit" und Rdn. 57 unter "Forderung"; andererseits Zöller/Herget, ZPO, 19. Aufl., § 3 Rdn. 16 unter "Fälligkeit"; Schneider, Streitwert-Kommentar, 10. Aufl., Rdn. 1570, 1571). Auch wenn man dies für das Stadium der erstinstanzlichen Klage bejaht, kann gleiches entgegen der Ansicht der Revision nicht für die Frage der Urteilsbeschwer gelten, wenn Urteil und zuletzt gestellte Anträge sich lediglich hinsichtlich des Zeitpunkts unterscheiden, zu dem der Beklagte die geforderte Leistung zu erbringen hat.
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2. Für den wirtschaftlichen Nachteil, den die Klägerin durch den späteren Zeitpunkt der Einlösung der Pfandbriefe erleidet, ist die von ihr behauptete Belastung mit Schuldzinsen von 12% jährlich nur ein Bemessungsfaktor. Auf der anderen Seite muß berücksichtigt werden, daß die Klägerin aus den Pfandbriefen bis zum Zeitpunkt der Einlösung weiterhin Zinseinnahmen von 5% jährlich erzielt. Daraus, daß die unmittelbar dem Inhalt der Pfandbriefe zu entnehmende Zinspflicht und deren Fortbestand bis zum Zeitpunkt der Rückgabe der Pfandbriefe im Tenor des Berufungsurteils nicht besonders erwähnt wird, ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nichts anderes, zumal auch der von der Klägerin geltend gemachte Zinsschaden im Tenor des Berufungsurteils keine Erwähnung gefunden hat.
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Kommt es aber bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf die Differenz zwischen behaupteten Schuldzinsen von 12% und weiterhin erzielten Zinseinnahmen von 5% an, so beträgt der Netto-Zinsnachteil der Klägerin jährlich 7%. Da die Klägerin Verzugszinsen von 12% für die Zeit ab 16. September 1992 geltend gemacht hat, ist bis zum 28. Dezember 1999 ein Zeitraum von etwas mehr als 7 Jahren zugrunde zu legen. Daraus ergibt sich eine Beschwer der Klägerin durch das Berufungsurteil von rund 50.000 DM.
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