Prüfungspflicht der Bank bei Hereinnahme disparischer Schecks zur Einziehung auf ein Privatkonto eines Angestellten des Einreichers
Orientierungssatz
1. Ein Kreditinstitut, das einen Inhaberverrechnungsscheck zur Einziehung hereinnimmt, kann verpflichtet sein, die Berechtigung des Einreichers nachzuprüfen, wenn besondere Umstände dies nahelegen, etwa wenn sie geeignet sind, den Verdacht der Veruntreuung des vorgelegten Schecks zu erwecken. Als besonderes Verdachtsmoment, das eine Legitimationsprüfung des Einreichers auszulösen hat, ist die Kenntnis anzusehen, daß ein Inhaberverrechnungsscheck aus kaufmännischem Verkehr, der an den Arbeitgeber des Einreichers adressiert ist, zur Einziehung über ein privates Girokonto eingereicht wird. Wenn eine Bank die sachliche Berechtigung des Einreichers gleichwohl nicht prüft, handelt sie grundsätzlich grob fahrlässig (so auch BGH, 1997-05-15, XI ZR 105/96, WM IV 1997, 1092).
2. Für die Frage der Kenntnis des für die Scheckbearbeitung verantwortlichen Mitarbeiters vom Angestelltenverhältnis des Scheckeinreichers kommt es darauf an, inwieweit solches Wissen bei der Bank vorhanden war und bei einer Bearbeitung der Scheckeinziehungsaufträge hätte berücksichtigt werden müssen.
3. Ein Bankangestellter muß bei der Hereinnahme eines disparischen Schecks über mindestens 5.000 DM zum Einzug über ein Gehaltskonto auch ein den Kontounterlagen verfügbare Informationen über den Arbeitgeber des Einreichers berücksichtigen.





vorgehend LG Düsseldorf, 22. Dezember 1995, 15 O 54/95


Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Hans, 8. Auflage 2017, § 990 BGB
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Oktober 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz, weil diese bei der Hereinnahme von fünf Inhaberverrechnungsschecks grob fahrlässig nicht erkannt habe, daß diese Schecks abhanden gekommen waren. Dem liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die C. GmbH (im folgenden: C. GmbH) übersandte der Klägerin zum Ausgleich von Forderungen mit der Post fünf auf die Dresdner Bank gezogene, auf die Klägerin ausgestellte Inhaberverrechnungsschecks über insgesamt 96.007,84 DM. Die seinerzeit bei der Klägerin beschäftigte Bürokauffrau K., die unter anderem mit der Entgegennahme der Post betraut war, unterschlug diese Schecks und reichte sie der Beklagten in der Zeit vom 27. April 1990 bis 8. November 1991 zum Einzug auf das Girokonto ein, das die Eheleute K. im wesentlichen als Gehaltskonto bei der Beklagten unterhielten.
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Die Klägerin hat unter anderem die Auffassung vertreten, die Einreichung disparischer Schecks in der Größenordnung zwischen 14.000 DM und 25.000 DM durch eine Angestellte des Scheckempfängers zum Einzug auf ihr privates Girokonto sei ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang. Der Beklagten sei bekannt gewesen, daß Frau K. seinerzeit bei der Klägerin beschäftigt war und ein vergleichsweise geringes Einkommen bezog.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
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Das Oberlandesgericht hat zur Klageabweisung unter anderem ausgeführt:
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Das Landgericht habe die Klage in zutreffender Anwendung der bisher gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewiesen. Danach sei ein Kreditinstitut, welches einen Verrechnungsscheck zur Einziehung hereinnehme, grundsätzlich nicht verpflichtet, die Berechtigung des Scheckeinreichers nachzuprüfen, weil die Verfügungsbefugnis über den Inhaberscheck regelmäßig durch dessen Besitz ausgewiesen werde. Auffälligkeiten, die ausnahmsweise Anlaß für eine Legitimationsprüfung hätten geben können, habe das Landgericht mit Recht verneint. Insbesondere habe die Klägerin nicht bewiesen, daß einer der für die Annahme bzw. Bearbeitung der Schecks verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten gewußt habe, daß es sich bei Frau K. um eine Angestellte der Klägerin gehandelt habe, was, wäre dieses Wissen vorhanden gewesen, allerdings wegen des Verdachts der Veruntreuung weitere Nachforschungen erforderlich gemacht hätte.
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Die vom Bundesgerichtshof erstmals im Urteil vom 12. Dezember 1995 - XI ZR 58/95, WM 1996, 248, 249 problematisierte Frage, ob es im kaufmännischen Verkehr heute praktisch nicht mehr üblich sei, Inhaberverrechnungsschecks zahlungshalber weiterzugeben, führe zu keinem anderen Ergebnis. Nach in einem anderen Verfahren veranlaßten Umfragen der Industrie- und Handelskammern Karlsruhe und Stuttgart hätten immerhin 14,1% der befragten Firmen die Weitergabe von zahlungshalber empfangenen Verrechnungsschecks im Jahre 1994 keineswegs als unüblich angesehen. Diese Umfrage bilde eine empirisch hinlängliche Stütze dafür, an der bisherigen gefestigten Rechtsprechung zur Prüfungspflicht der Banken beim Scheckinkasso festzuhalten.
II.
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Diese Beurteilung hält in wesentlichen Punkten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Mit zutreffenden Erwägungen hat, das Berufungsgericht allerdings die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht. Sie kann ihren Schadensersatzanspruch nicht unmittelbar aus §§ 989, 990 BGB in Verbindung mit Art. 21 ScheckG herleiten. Denn es kann nicht festgestellt Werden, daß sie Eigentümerin der veruntreuten Schecks geworden ist. Scheckbegebungsverträge sind nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts deshalb nicht zustande gekommen, weil die Angestellte K. lediglich zur Entgegennahme von Postsendungen, nicht aber zur Vornahme anderer Rechtshandlungen befugt war. Wird der Scheck - wie hier - von einem zur Entgegennahme von Postsendungen ermächtigten Empfangsboten veruntreut, so ist der Begebungsvertrag noch nicht zustande gekommen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1977 - II ZR 5/75, WM 1977, 1019, 1020). Die Klägerin als Schecknehmerin kann jedoch, da sie durch die Entgegennahme der Schecks durch die Empfangsbotin K. jedenfalls Besitzerin der Schecks geworden ist, ihren Schadensersatzanspruch aus § 1007 Abs. 3 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 989, 990 BGB herleiten (vgl. Staudinger/Gursky BGB 13. Bearb. § 990 Rdn. 68; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 796).
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2. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht, soweit es unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Schadensersatzanspruch, der Klägerin verneint.
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a) Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß ein Kreditinstitut, das einen Inhaberverrechnungsscheck zur Einziehung hereinnimmt, verpflichtet sein kann, die Berechtigung des Einreichers nachzuprüfen, wenn besondere Umstände dies nahelegen, etwa wenn sie geeignet sind, den Verdacht der Veruntreuung des vorgelegten Schecks zu erwecken. Als besonderes Verdachtsmoment, das eine Legitimationsprüfung des Einreichers auszulösen hat, ist nach zutreffender Auffassung des Berufungsgerichts die Kenntnis anzusehen, daß ein Inhaberverrechnungsscheck aus kaufmännischem Verkehr, der an den Arbeitgeber des Einreichers adressiert ist, zur Einziehung über ein privates Girokonto eingereicht wird. Wenn eine Bank die sachliche Berechtigung des Einreichers gleichwohl nicht prüft, handelt sie grundsätzlich grob fahrlässig (Senatsurteil vom 15. April 1997 - XI ZR 105/96, WM 1997, 1092, 1093 m.w.Nachw.).
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Das Berufungsgericht hat im konkreten Fall zu Unrecht solche Umstände, die zum Ausschluß der groben Fahrlässigkeit weitere Nachforschungen der Beklagten erforderlich gemacht hätten, deshalb verneint, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, daß "einer der für die Annahme bzw. Bearbeitung der Schecks verantwortlichen Mitarbeiter" dieses Wissen über das Angestelltenverhältnis der Scheckeinreicherin K. gehabt habe. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es nicht entscheidend auf das präsente Wissen dieser Mitarbeiter, sondern vielmehr darauf an, inwieweit solches Wissen bei der Beklagten vorhanden war und bei einer Bearbeitung der Scheckeinziehungsaufträge hätte berücksichtigt werden müssen.
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Als vorhanden anzusehen ist dabei das Wissen, das bei sachgerechter Organisation dokumentiert und verfügbar ist und zu dessen Nutzung unter Berücksichtigung der geschäftlichen Bedeutung des Vorgangs Anlaß bestand. Wie der Senat im Urteil vom 15. April 1997 (aaO) im einzelnen ausgeführt hat, muß ein Bankangestellter bei einer Entscheidung über die Hereinnahme eines disparischen Schecks im Wert von mindestens 5.000 DM zum Einzug über ein Gehaltskonto auch in den Kontounterlagen verfügbare Informationen über den Arbeitgeber des Einreichers berücksichtigen. Das ist hier unterlassen worden.
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Die der Beklagten von Frau K. zur Einziehung über ihr privates Girokonto eingereichten Schecks waren an die Arbeitgeberin der Scheckeinreicherin adressiert. Sie lagen mit Beträgen zwischen 14.000 DM und 24.000 DM deutlich über den bisherigen Eingängen auf dem Girokonto der Eheleute K., die seinerzeit über ein gemeinsames Bruttoeinkommen von monatlich 7.500 DM verfügten. Unter diesen Umständen mußte es besonders verdächtig sein, daß Ende April 1990 die ersten zwei Schecks in Höhe von 17.684,96 DM und 17.917,80 DM innerhalb von nur drei Tagen der Beklagten zum Einzug eingereicht wurden. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Scheckadressatin und der Scheckeinreicherin war der Beklagten bekannt. Es ist unstreitig, daß die Scheckeinreicherin K. der Beklagten bei Kontoeröffnung die Klägerin als Arbeitgeberin mitgeteilt hat und daß diese Mitteilung Bestandteil der bei der Beklagten gespeicherten Stammdaten war. Der Zweigstellenleiter der Beklagten F. hat im übrigen als Zeuge bestätigt, daß hätte festgestellt werden können, wo die Scheckeinreicherin beschäftigt war.
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b) Auf die Frage, ob es im kaufmännischen Verkehr heute praktisch nicht mehr üblich ist, Inhaberverrechnungsschecks zahlungshalber weiterzugeben, und auf welche Weise dies zu ermitteln ist, kommt es mithin nicht an. Die vom Berufungsgericht eingehend erörterten Meinungsumfragen der Industrie- und Handelskammern Karlsruhe und Stuttgart sind allerdings nach Auffassung des Senats keine geeignete Grundlage für die Beurteilung der allein maßgebenden tatsächlichen Praxis (zum Wortlaut der Anfrage und zur berechtigten Kritik an der Fragestellung vgl. Aden EWiR 1997, 23).
III.
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Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Das Berufungsgericht hat die Frage eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin bei der Mehrzahl der hier zu beurteilenden Scheckeinreichungen nicht geprüft. Was den von der Angestellten K. am 8. November 1991 bei der Beklagten eingereichten Scheck in Höhe von 24.835,27 DM anbelangt, wird vorab zu prüfen sein, ob ein Schadensersatzanspruch über § 1007 BGB nicht schon deshalb ausscheidet, weil die Klägerin diesen Scheck in den Unterlagen der Angestellten K. entdeckt und - um sie bei der Einlösung zu überführen - zugelassen hat, daß dieser Scheck bei der Beklagten eingereicht wurde.
- 18
Soweit das Berufungsgericht die Klage wegen dieses Schecks (auch) wegen ganz überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin abgewiesen hat, ist im übrigen ungeprüft geblieben, ob der Beklagten durch die volle Belassung des ihr zugeflossenen Scheckbetrages - etwa durch Verminderung eines Debetsaldos ohne Zulassung weiterer Verfügungen - ein Vermögenszuwachs verbliebe, auf den sie keinen Anspruch hätte. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 131, 149, 156 m.w.Nachw.) darf die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten nicht dazu führen, daß dem Schädiger ein Teil des rechtswidrig erlangten Vorteils verbleibt.
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