Mithaftung der Bank für durch Veruntreuung eines Angestellten entstandenen Debetsaldo eines Kunden
Orientierungssatz
Hat die Zweigstellenleiterin einer Bank einem Kunden vorgespiegelt, sie wolle ihr Privatvermögen bei ihrer Arbeitgeberin unerkannt anlegen, und ihn so zur Eröffnung eines Strohmann-Girokontos veranlaßt, das wegen unterlassener Kontrollen der Bank zu Unterschlagungen genutzt werden konnte, so steht der Bank gegen den Kunden kein Anspruch auf vollständigen Ausgleich des Debetsaldos zu.

vorgehend LG Mainz, 22. Dezember 1992, 6 O 322/91
Tenor
Auf die Revision und die Anschlußberufung des Widerbeklagten werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Januar 1994 aufgehoben und das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 22. Dezember 1992 abgeändert, soweit der Widerbeklagte zur Zahlung von mehr als 32.459,46 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. Januar 1992 verurteilt worden ist. Insoweit wird die Widerklage abgewiesen.
Für den ersten Rechtszug bleibt es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts.
Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Widerklägerin 68% und der Widerbeklagte 32%, von den Kosten der Revision die Widerklägerin 41% und der Widerbeklagte 59%.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Eine Zweigstellenleiterin der Beklagten (Volksbank), I. S., wurde im Juni 1991 verhaftet und später - noch nicht rechtskräftig - zu 5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, weil sie Gelder einer Vielzahl von Kunden veruntreut und dadurch einen Schaden in Millionenhöhe verursacht hatte.
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Diese Zweigstellenleiterin hatte im Jahre vor ihrer Verhaftung den Widerbeklagten als Piloten einer Fluggesellschaft kennengelernt und ihm - wie anderen - vorgespiegelt, sie habe ein großes Privatvermögen, wolle das aber bei der Beklagten, ihrer Arbeitgeberin, nicht bekannt werden lassen. Sie brachte den Widerbeklagten dazu, im November 1990 bei der von ihr geleiteten Zweigstelle ein Girokonto zu eröffnen und sie darüber eigene Geschäfte abwickeln zu lassen. Der Widerbeklagte erteilte ihr Kontovollmacht, stellte zur Bezahlung ihrer Schulden selbst Schecks aus, erhielt aber keine Kontoauszüge, sondern vertraute der Zusage der Zweigstellenleiterin, sie werde jeweils für den Ausgleich seines Kontos sorgen.
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Im Januar 1991 veranlaßte die Zweigstellenleiterin den Widerbeklagten und dessen Ehefrau, die Klägerin, mit dem Versprechen höherer Zinsen, 50.249,29 DM von einem gemeinsamen Sparkonto bei der D. Bank auf ein Festgeldkonto bei der Beklagten überweisen zu lassen. Tatsächlich wurde ein solches Festgeldkonto aber gar nicht eröffnet, der überwiesene Betrag vielmehr zur Minderung des Debetsaldos auf dem Girokonto des Widerbeklagten verbucht.
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Die Klägerin hat von der Beklagten Zahlung von 51.000 DM nebst 9,5% Zinsen ab 25. Januar 1991 verlangt. Widerklagend hat die Beklagte beantragt, den Widerbeklagten zu verurteilen, an sie zum Ausgleich des Girokontos 83.556,47 DM nebst Zinsen zu zahlen. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 25.125,45 DM an die Klägerin und den Widerbeklagten zur Zahlung von 32.556,47 DM an die Beklagte verurteilt, Klage und Widerklage im übrigen aber abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, ihr Rechtsmittel später aber zurückgenommen, soweit es sich gegen die Klägerin richtete. Dem Rechtsmittel im übrigen hat das Berufungsgericht teilweise stattgegeben und den Widerbeklagten zur Zahlung von insgesamt 45.021,38 DM verurteilt. Die Anschlußberufung des Widerbeklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner Revision hat der Widerbeklagte die volle Abweisung der Widerklage erstrebt. Der Senat hat die Annahme des Rechtsmittels, soweit es sich gegen die Verurteilung des Widerbeklagten zur Zahlung von 32.459,46 DM nebst Zinsen richtet, abgelehnt, die Revision im übrigen aber angenommen.
Entscheidungsgründe
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Im Umfang der Annahme hat die Revision Erfolg; die Widerklage ist abzuweisen, soweit die Beklagte damit mehr als 32.459,46 DM nebst 4% Zinsen ab 1. Januar 1992 verlangt.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Widerklage ausgeführt: Im anhängigen Klageverfahren habe zwar der vorher daran nicht beteiligte Widerbeklagte weder nach § 33 ZPO noch gemäß § 147 ZPO auf Zahlung seiner Schuld aus dem Girokonto in Anspruch genommen werden dürfen. Nach rechtskräftigem Abschluß des Klageverfahrens sei aber für eine Trennung der unzulässig gekoppelten Verfahren kein Raum mehr. Eine Abweisung der Widerklage wegen örtlicher Unzuständigkeit komme nach § 512 a ZPO nicht mehr in Betracht.
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In der Sache ergebe sich aus den nachgewiesenen Girokontobewegungen ein Debetsaldo von 115.166,59 DM. Dem Widerbeklagten ständen aber, da die Beklagte vom Sparkonto bei der D. Bank 50.249,29 DM erhalten habe und davon 25.125,45 DM an die Klägerin zurückzahlen müsse, die restlichen 25.123,84 DM zu. Nach seiner Aufrechnung mit dieser Gegenforderung verbleibe der Bank noch eine Forderung von 90.042,75 DM. Da sie jedoch durch Unterlassen jeder Kontrolle der ungetreuen Zweigstellenleiterin zum Entstehen des Schuldsaldos beigetragen habe und das beiderseitige Verschulden etwa gleich groß zu bewerten sei, betrage der Anspruch der Widerklägerin gegen den Widerbeklagten letztlich nur 45.021,38 DM.
II.
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1. Die prozeßrechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts sind nicht zu beanstanden. Zwar begründete die Widerklage für den vorher am Rechtsstreit nicht beteiligten Widerbeklagten keinen Gerichtsstand nach § 33 ZPO (BGH, Urteil vom 6. Mai 1993 - VII ZR 7/93 = NJW 1993, 2120 m.w.Nachw.; zur Möglichkeit von Ausnahmen vgl. BGHZ 91, 132, 134/135). Auf den Mangel der örtlichen Zuständigkeit konnte aber nach § 512 a ZPO die Berufung nicht mehr gestützt werden. Für eine Trennung der Verfahren war ohnehin kein Raum mehr, da nach rechtskräftiger Erledigung der Klage vom Berufungsgericht nur noch über das Widerklagebegehren zu entscheiden war.
- 9
2. In der Sache nimmt die Revision es hin, daß das Berufungsgericht den Abschluß eines Girovertrags zwischen den Widerklageparteien bejaht und dem Widerbeklagten gegenüber dem daraus resultierenden Anspruch auf Zahlung des Debetsaldos von 115.166,59 DM lediglich Gegenansprüche zugestanden hat.
- 10
a) Ohne Erfolg geblieben ist die Rüge, der Widerbeklagte könne von der Widerklägerin als Schadensersatz eine vollständige Freistellung von der Verpflichtung zum Saldoausgleich verlangen, weil die Bank durch das Unterlassen jeder Kontrolle der Zweigstellenleiterin pflichtwidrig gehandelt habe und sich deren Handeln gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsse. Die Abwägung der beiderseitigen Verantwortlichkeit im Rahmen des § 254 BGB ist Sache des Tatrichters (BGHZ 51, 275, 279/280; BGH, Beschluß vom 21. Dezember 1988 - III ZR 54/88 = NJW-RR 1989, 676, 677 m.w.Nachw.). Seine Entscheidung läßt in diesem Punkt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen; daher hat der Senat die Revision, soweit sie sich gegen die Schadensteilung richtet, nicht angenommen.
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b) Erfolg hat das Rechtsmittel, soweit es um die Aufrechnung mit dem Gegenanspruch geht, der sich daraus ergibt, daß die Widerklägerin von der D. Bank das - der Klägerin und dem Widerbeklagten gemeinsam zustehende - Sparguthaben von 50.249,29 DM erhalten, dafür aber vereinbarungswidrig kein Festgeldkonto angelegt hat. Ebenso wie die Beklagte der Klägerin nach dem insoweit rechtskräftigen Landgerichtsurteil die Hälfte des Sparbetrags zurückzahlen muß, kann der Widerbeklagte von der Widerklägerin Zahlung der restlichen 25.123,84 DM verlangen. Mit dieser Forderung hat er gegen den Anspruch der Widerklägerin auf Ausgleich des Girokontodebets von 115.166,59 DM, der gemäß den Ausführungen zu a) auf die Hälfte, also 57.583,30 DM zu kürzen ist, aufgerechnet. Vergeblich wendet sich die Widerklägerin dagegen, daß das Berufungsgericht die Aufrechnung der Berufungserwiderung entnehmen will. Die Feststellung, daß zumindest eine konkludente Aufrechnungserklärung des Widerbeklagten vorlag, findet eine hinreichende Bestätigung jedenfalls in dem späteren Schriftsatz vom 16. November 1993, in dem der Widerbeklagte - hilfsweise für den Fall seiner hälftigen Haftung für den Saldoausgleich - fordert, es sei zunächst der Anspruch der Bank aus dem überzogenen Girokonto zu teilen, von dem so ermittelten Betrag müsse dann der unstreitige Festgeldanteil des Widerbeklagten abgezogen werden. Die Restforderung der Widerklägerin beträgt danach noch (57.583,30 DM - 25.123,84 DM =) 32.459,46 DM. Die abweichende Rechenweise des Berufungsgerichts führt im Ergebnis dazu, daß auch der Anspruch des Widerbeklagten auf seinen Anteil am Sparguthaben gemäß § 254 BGB auf die Hälfte gekürzt wird. Das ist nicht gerechtfertigt. Dem Widerbeklagten ist ebensowenig wie der Klägerin ein Mitverschuldensvorwurf daraus zu machen, daß er die Widerklägerin mit dem Einzug des Sparguthabens bei der D. Bank beauftragte. Die Widerklägerin schuldete den Auftraggebern den ungekürzten Betrag dessen, was sie aus der Geschäftsbesorgung erlangt hatte.
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