Legitimationsnachweis für Wechselprotest: Fehlen des Ausstellerindossaments an erster Stelle bei Wechsel an eigene Order
Leitsatz
1. Die förmliche Legitimation, die den Wechselinhaber zum Protest mangels Zahlung berechtigt, erfordert den Nachweis des eigenen Rechts durch eine ununterbrochene Kette von Indossamenten. Bei einem Wechsel an eigene Order muß die Reihe der Indossamente mit dem Indossament des Ausstellers beginnen; mehrere Aussteller können nur gemeinschaftlich indossieren.












vorgehend LG München I, 28. September 1989, 12 HKO 12164/89


Tatbestand
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Der Kläger ist Inhaber mehrerer Wechsel über insgesamt 417.560 DM. Die an eigene Order lautenden Wechsel sind gemeinschaftlich von dem Beklagten zu 2), P. S. und W. Sch. ausgestellt, auf die A. Handels GmbH M. gezogen und von dieser - vertreten durch den Beklagten zu 2) - akzeptiert worden. Auf der Rückseite tragen die Wechsel jeweils an erster Stelle den Firmenstempel der Akzeptantin und die Unterschrift des Beklagten zu 2); darunter folgen Unterschriften von W. Sch., der Beklagten zu 1), M. Sch., P. S., ein Stempel der B.-R. GmbH & Co. KG mit Unterschrift und zuletzt die Unterschrift des Klägers. Unter dieser letzten Unterschrift befanden sich ursprünglich weiter eine vom Kläger herrührende Orderklausel zugunsten der Sparkasse W. und anschließend deren Blankoindossament. Diese Aufschriften hat der Kläger, nachdem er die Wechsel von der Sparkasse W. erhalten hatte, gestrichen.
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Der Kläger ließ die insgesamt 26 zwischen dem 15. April und 10. Oktober 1988 fälligen, bei der Stadtsparkasse M. zahlbaren Wechsel im April und Mai 1988 vorlegen. Sie gingen zu Protest. Der Kläger verlangt von den Beklagten Zahlung der Wechselsummen nebst Nebenkosten. Er hat behauptet, daß die Akzeptantin ihre Zahlungen bei Protesterhebung eingestellt gehabt habe.
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Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben der Klage durch Wechselvorbehaltsurteil stattgegeben. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.
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I. Das Berufungsgericht billigt dem Kläger einen wechselrechtlichen Rückgriffsanspruch gegen die Beklagten nach Art. 43, 48 Abs. 1 WG zu. Es sieht den Kläger als formell legitimierten Wechselinhaber an, der auch wirksam Wechselprotest erhoben habe.
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Das hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
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II. Der hier allein geltend gemachte wechselrechtliche Rückgriffsanspruch nach Art. 43, 48 Abs. 1 WG steht dem Wechselinhaber nur zu, wenn rechtzeitig und wirksam Protest erhoben worden ist (Art. 53 Abs. 1 WG). Das Berufungsgericht stellt zwar unter Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil fest, daß in allen 26 Fällen wirksam Protest erhoben worden sei. Diese Würdigung ist jedoch unzutreffend.
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Protest mangels Zahlung kann - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - nur der aus dem Wechsel förmlich legitimierte Inhaber wirksam erheben (RGZ 114, 365, 368; BGH, Urteil vom 13. Juni 1977 - II ZR 142/75, WM 1977, 839, 840 m.w.Nachw.). Eine solche förmliche Legitimation erfordert nach Art. 16 Abs. 1 WG den Nachweis des eigenen Rechts durch eine ununterbrochene Kette von Indossamenten. Ob das der Fall ist, ist als sachliche Voraussetzung des Rückgriffsanspruchs von Amts wegen zu prüfen (vgl. für den Scheck: BGHZ 96, 9, 15; 107, 111, 114).
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Die Instanzgerichte haben lediglich erörtert, ob die Indossamentenkette durch den an erster Stelle stehenden unterschriebenen Stempelabdruck der Akzeptantin oder durch die Streichung von Indossamenten durch den Kläger "unterbrochen" ist. Darauf kommt es jedoch nicht an, weil unabhängig von der Beantwortung dieser Fragen jedenfalls das erforderliche erste Glied dieser Kette fehlt. Bei einem Wechsel an eigene Order kann Ausgangspunkt für die förmliche Legitimation im Sinne des Art. 16 Abs. 1 WG nur ein Indossament des Ausstellers sein (BGH, Urteil vom 13. Juni 1977 aaO S. 839). Ein solches Indossament weist keiner der 26 Wechsel auf.
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Aussteller der Wechsel waren nach dem gemeinsamen Stempelabdruck und den ihm entsprechenden Unterschriften neben dem Beklagten zu 2) die Mitunterzeichner W. Sch. und P. S.. Das ist wechselrechtlich zulässig (Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht S. 374, 387 m.w.Nachw.; Baumbach/Hefermehl, WG 17. Aufl. Art. 1 Rdn. 16). "An eigene Order" bedeutet unter diesen Umständen, daß die Bestimmung des Wechselnehmers und damit die Übertragung der Rechte aus dem Wechsel nur von allen drei Ausstellern gemeinschaftlich vorgenommen werden kann. Die förmliche Legitimation des Klägers ließe sich daher nur aus einem gemeinsamen Indossament der drei genannten Personen herleiten. Daran fehlt es.
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Die Unterschrift des Beklagten zu 2) kommt auf der Rückseite der Wechsel allein in Verbindung mit dem Firmenstempel der Akzeptantin vor. Sie ist schon wegen ihrer Übereinstimmung mit der entsprechenden Kombination in der Annahmeerklärung nicht als vom Beklagten zu 2) in eigenem Namen abgegeben anzusehen. Die Vorinstanzen haben seine Unterschrift deshalb mit Recht der Akzeptantin zugerechnet; etwas anderes will auch der Kläger aus ihr nicht herleiten. Fehlt damit von vornherein eine der drei erforderlichen Unterschriften, ist nicht einmal entscheidend, daß die Namenszüge der beiden anderen Aussteller durch mehrere Unterschriften Dritter voneinander getrennt sind, auch insoweit also eine gemeinschaftliche Erklärung ausscheidet. Daß einer von ihnen im Namen der beiden anderen unterzeichnet haben könnte, ist weder vorgetragen noch aus den Wechseln ersichtlich (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. Januar 1981 - II ZR 73/80, WM 1981, 375). Es braucht also nicht erörtert zu werden, ob ein darin zu sehendes gemeinsames Indossament nach seiner räumlichen Anordnung als das maßgebende erste angesehen werden könnte.
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III. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Da weitere Feststellungen zur wirksamen Protesterhebung angesichts des eindeutigen Inhalts der Wechsel nicht zu erwarten sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden. Andere als Rückgriffsansprüche aus Art. 43, 48 Abs. 1 WG sind mit der Wechselklage nicht geltend gemacht worden. Die Klage war somit abzuweisen. Die Voraussetzungen des § 597 Abs. 2 ZPO für eine eingeschränkte Abweisung als im Wechselprozeß unstatthaft liegen nicht vor.
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