Verbindlichkeit des Aktienoptionsgeschäfts ex tunc nach Gutschrift der Aktien im Girosammeldepot
Leitsatz
1. Werden nach Ausübung einer unverbrieften inländischen Aktienkaufoption die Aktien effektiv durch Gutschrift im Girosammeldepot geliefert, gilt das Optionsgeschäft als von Anfang an verbindlich, auch wenn die Aktien noch am Tage der Lieferung wieder veräußert und aus dem Girosammeldepot ausgebucht werden.










vorgehend LG Mönchengladbach 10. Zivilkammer, 26. Februar 1987, 10 O 139/86


Tatbestand
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Die klagende Bank verlangt von den Beklagten die Zahlung der Schuldsalden gekündigter Girokonten.
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Der Beklagte zu 1) unterhielt bei der Klägerin ein Girokonto, das am 18. Dezember 1985, dem Tag der Kündigung, einen Saldo von 12.210,56 DM aufwies. Die Beklagte zu 2) hatte zwei Girokonten mit den Nummern 7337769 und 7337769/01, die die Klägerin an diesem Tag mit Schuldsalden von 9.418,34 DM und 35.709,07 DM abschloß. Der Beklagte zu 1) hat für alle Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen.
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Über das Konto Nr. 7337769/01, das stets debitorisch geführt wurde, wurden vom 4. März 1983 bis 5. Januar 1984 inländische unverbriefte Aktienoptionen abgewickelt. Die Klägerin belastete dieses Konto mit Prämien in Höhe von 74.252,50 DM für Optionen, die später teils verfielen (Prämienanteil 23.530 DM), teils ausgeübt (Prämienanteil 14.120 DM) und teilweise weiterverkauft wurden (Prämienanteil 36.602,50 DM). Den Erlös aus dem Weiterverkauf von Optionen in Höhe von 70.742,50 DM schrieb die Klägerin dem Konto gut. Soweit Optionen ausgeübt wurden, belastete die Klägerin das Konto mit dem Bezugspreis für die Anschaffung der Wertpapiere in Höhe von 157.449,98 DM und schrieb den Erlös aus dem Verkauf dieser Wertpapiere in Höhe von 173.900,17 DM gut.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagten zu verurteilen, wie Gesamtschuldner an sie 45.127,41 DM nebst 13,25% Zinsen aus 44.129,30 DM seit 18. Dezember 1985 zu zahlen,
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2. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie weitere 12.210,56 DM nebst 13,25% Zinsen aus 11.968,25 DM seit 18. Dezember 1985 zu zahlen.
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Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt und geltend gemacht, die Prämienforderungen der Klägerin seien unklagbar. Sie stammten aus Börsentermingeschäften, die wegen fehlender Termingeschäftsfähigkeit der Beklagten unverbindlich seien. Die Belastungsbuchungen in Höhe von 74.252,50 DM seien daher aus dem Konto zu streichen. Alsdann ergebe sich ein Habensaldo zugunsten der Beklagten zu 2) von 38.543,43 DM. Damit erklärte die Beklagte zu 2) in Höhe von 9.418,34 DM die Aufrechnung gegen die entsprechende Forderung der Klägerin aus dem Konto Nummer 7337769. Von dem verbleibenden Betrag hat sie 12.210,56 DM an den Beklagten zu 1) abgetreten, der damit gegen die Forderung der Klägerin aus seinem Girokonto aufgerechnet hat.
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Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 9.418,34 DM nebst 13,25% Zinsen aus 9.319,12 DM seit 18. Dezember 1985 zu zahlen. Ferner hat es den Beklagten zu 1) verurteilt, weitere 12.210,56 DM nebst den beantragten Zinsen zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufungen der Parteien sind die Beklagten verurteilt worden, an die Klägerin wie Gesamtschuldner 40.093,24 DM nebst 7% Zinsen aus 39.994,02 DM seit 18. Dezember 1985 zu zahlen. Die weitergehende Verurteilung des Beklagten zu 1) wurde aufrecht erhalten.
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Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 43.847,60 DM nebst 7% Zinsen hieraus seit 18. Dezember 1985 anstelle der zuerkannten 40.093,24 DM. Die Beklagten, die ihre Revisionen vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen haben, beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
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I. Die Parteien streiten nur noch über den Saldo des Kontos Nr. 7337769/01 der Beklagten zu 2). Daß und in welcher Höhe die beiden anderen Konten debitorisch abschlossen, ist unstreitig.
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1. Die Klägerin macht den Saldo eines unstreitig ohne Rechnungsabschluß und Saldoanerkenntnis beendeten Kontokorrentverhältnisses geltend. In diesem Fall bestehen die in das Kontokorrent aufgenommenen Einzelposten fort. Der Gläubiger des Überschusses hat die Aktivposten zu begründen, der Gegner die Passivposten (BGHZ 105, 263, 265 m.w.Nachw.). Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt folglich davon ab, ob und in welchem Umfange den in das Kontokorrent eingestellten, aus der Abwicklung der Aktienoptionsgeschäfte herrührenden Aktiv- und Passivposten klagbare oder unverbindliche Forderungen zugrunde liegen.
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Inländische unverbriefte Aktienoptionsgeschäfte, wie sie die Parteien abgeschlossen haben, sind offizielle Börsentermingeschäfte (BGHZ 92, 317). Sie sind nur verbindlich, wenn beide Vertragspartner börsentermingeschäftsfähig sind. Daran fehlt es bei der Beklagten zu 2). Der Abschluß der Optionsgeschäfte zwischen der Klägerin, die dabei als Eigenhändlerin auftrat (Nr. 5 Abs. 1 der Sonderbedingungen für Optionsgeschäfte, abgedruckt in BuB 7/361), und der Beklagten zu 2) begründete somit zwischen den Parteien keine Verbindlichkeiten.
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2. Das Berufungsgericht hat für das Konto Nr. 7337769/01 der Beklagten zu 2) ohne Berücksichtigung der Prämien für die ausgeübten Optionen einen Überschuß zugunsten der Klägerin von 26.874,90 DM errechnet. Daneben hat es die Prämienforderungen der Klägerin, soweit sie auf ausgeübte Optionen entfallen (14.120 DM), nur in Höhe von 3.800 DM als verbindlich angesehen und zusätzlich anerkannt. Den weiteren, auf ausgeübte Optionen entfallenden Rechnungsposten von 10.320 DM hat es aus der Abrechnung zu Lasten der Klägerin herausgenommen, weil ihm nur unverbindliche Forderungen zugrunde lägen.
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Dies greift die Revision mit Erfolg an.
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gelten sämtliche ausgeübten Optionen gemäß § 57 BörsG als von Anfang an verbindlich, weil die Aktien, die Gegenstand der Optionen waren, effektiv geliefert worden sind und die Beklagte zu 2) dazu ihr Einverständnis erklärt hat.
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Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang die Anwendung von § 57 BörsG abgelehnt, weil die Beklagte zu 2) die Aktien nicht zu Anlagezwecken auf nennenswerte Dauer im Depot behalten habe. Dieser Ansicht ist das Berufungsgericht allerdings mit Recht entgegengetreten. Nach heute fast einhelliger Auffassung kommt es im Rahmen von § 57 BörsG nur darauf an, ob die vereinbarte Leistung effektiv bewirkt wird, und nicht noch zusätzlich darauf, daß das Geschäft Anlagezwecken dient. Die Vorschrift hat zwar ihren Grund darin, daß Börsentermingeschäfte vereinzelt zu Anlagezwecken oder zur tatsächlichen Verwendung der Ware geschlossen werden und es geboten erschien, solche wirtschaftlich dem Kassa-Handel nahestehenden Geschäfte rechtswirksam zuzulassen (BGHZ 92, 317, 324), ihre Anwendung hängt aber ausschließlich von dem objektiven Tatbestand der Effektiverfüllung ab (vgl. Kümpel, WM 1987, 669, 670 m.w.Nachw.; Schwark, WuB I G.5-1/89; Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. § 57 BörsG Anm. 1; aA Tilp, DB 1989, 2365, 2367).
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Effektive Bewirkung der vereinbarten Leistung liegt vor, wenn die Aktien dem Optionserwerber zu Eigentum übertragen werden. Dies traf nach Ansicht des Berufungsgerichts nur bei den H.-Aktien zu, weil beim restlichen Teil der ausgeübten Optionen die Verbindlichkeiten aus dem Aktienkauf ohne effektive Lieferung sofort durch ein Gegengeschäft glattgestellt worden seien. Dabei hat das Berufungsgericht unstreitiges Vorbringen der Klägerin nicht beachtet:
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Die Klägerin hat gegenüber dem Vortrag der Beklagten zu 2), nicht Eigentümerin der Aktien geworden zu sein, weil ihr kein Stückeverzeichnis übersandt worden sei, unwidersprochen vorgetragen, das Eigentum sei der Beklagten zu 2) dadurch verschafft worden, daß die erworbenen und später wieder verkauften Aktien durch die Klägerin in ein Sammeldepot übernommen und dort für die Beklagte zu 2) verwahrt worden seien. Dies entspricht der Abwicklung der ausgeübten Optionen durch den inländischen offiziellen Optionshandel. Die durch Optionsausübung zustande kommenden Wertpapiergeschäfte werden wie reguläre (Kassa-) Wertpapiergeschäfte abgerechnet und durch entsprechende depotmäßige Buchungen abgewickelt. So erhält der Kunde bei einer ausgeübten Kaufoption - um solche handelte es sich im vorliegenden Falle - über die zugrundeliegenden Aktien die übliche GS (Girosammeldepot)-Gutschrift (Kümpel, WM 1987, 1321, 1324). Dadurch erlangt er gemäß § 24 Abs. 2 DepotG Miteigentum an dem Girosammelbestand. Deshalb war es konsequent, daß das Berufungsgericht von der effektiven Lieferung der H.-Aktien ausging. Der unstreitige Vortrag der Klägerin bezog sich aber nicht nur auf diese, sondern auf alle Aktien, die aufgrund der Ausübung der Optionen gekauft wurden. Hinsichtlich der Lieferung bestehen keine Unterschiede zwischen den H.- und den übrigen Aktien. Solche gibt es nur für den Zeitpunkt der Wiederveräußerung. Während die H.-Aktien erst einige Tage nach der Lieferung verkauft wurden, hat die Beklagte zu 2) die anderen Papiere noch am Tage der Lieferung wieder veräußert. Da diese Käufe und Verkäufe über das Depot der Beklagten zu 2) durch Verschaffung des Eigentums und Wiederausbuchung der Papiere abgewickelt wurden, steht der Annahme einer effektiven Lieferung im Sinne von § 57 BörsG nichts im Wege.
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Da die Beklagte zu 2) mit dieser Abwicklung stillschweigend einverstanden war, sind alle ausgeübten Optionen gemäß § 57 BörsG ex tunc verbindlich geworden mit der Folge, daß die auf sie entfallenden Prämienforderungen der Klägerin von 14.120 DM verbindlich sind und zu Recht der Beklagten zu 2) im Kontokorrent belastet wurden.
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3. Das Berufungsgericht hätte danach die Prämien, die auf ausgeübte Optionen entfallen, in voller Höhe (14.120 DM) zuerkennen müssen. Andererseits hätte es den Bezug und den Verkauf der Aktien aus sämtlichen ausgeübten Optionen als verbindlich ansehen und die sich aus der Einstellung der Bezugsaufwendungen und der Verkaufserlöse in das Kontokorrent im Ergebnis errechnende Differenz von 2.230,19 DM zugunsten der Beklagten zu 2) berücksichtigen müssen.
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Da die Beklagten das Berufungsurteil nicht angefochten haben, unterliegt die Berechnung des Berufungsgerichts hinsichtlich der übrigen Einzelpositionen nicht der Überprüfung durch den Senat. Auszugehen ist danach von dem ohne Berücksichtigung der ausgeübten Optionen vom Berufungsgericht mit 28.399,07 DM errechneten Debetsaldo des Kontos 7337769/01. Davon ist abzusetzen die erwähnte Differenz von 2.230,19 DM, während der volle auf die ausgeübten Optionen entfallende Prämienanteil von 14.120 DM hinzuzusetzen ist. Dann verbleibt für das genannte Konto ein Debetsaldo von 40.288,88 DM. Zusammen mit dem rechnerisch unstreitigen Debetsaldo aus dem Konto 7337769 von 9.418,34 DM ergibt sich somit eine Forderung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) in Höhe von 49.707,22 DM, die den mit der Revision noch weiterverfolgten Betrag von 43.847,60 DM übersteigt.
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II. Daß der Beklagte zu 1) für die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) als selbstschuldnerischer Bürge haftet, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausgesprochen.
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III. Da der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden.
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