Bankbefugnis zur Entgegennahme von Geldbeträgen - Zurückweisungsrecht des Kontoinhabers
Leitsatz
1. Der Kontoinhaber kann eine Gutschrift jedenfalls dann zurückweisen, wenn sie auf einer rechtsgrundlosen Fehlüberweisung beruht.













vorgehend LG Köln, 28. Oktober 1987, 24 O 33/87
Vergleiche OLG Celle 3. Zivilsenat, 24. März 1993, 3 U 140/92





... mehrHerberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Kerwer, 8. Auflage 2017, § 362 BGB
Tatbestand
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Die Kläger sind Eigentümer eines Hauses, in dem H.-E. A. eine Gaststätte mit Discothek betrieb. Das Inventar der Gaststätte war bei der Beklagten gegen Feuer versichert. Am 9. August 1985 wurde das Inventar durch einen Brand zerstört. Am 11. August 1985 trat A. seine Ansprüche gegen die Beklagte an die Kläger ab, die sie ihrerseits an die Streithelferin, eine Bank, weiterübertrugen. Die Abtretungen wurden der Beklagten angezeigt; die Beklagte sagte die Beachtung der Abtretung an die Streithelferin zu.
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In einem Schreiben vom 25. September 1985 teilte die Streithelferin der Beklagten u.a. folgendes mit:
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"Ihre Überweisungen erbitten wir an uns mit dem Betreff:
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Konto-Nr. 5950100/70 H.-E. A.."
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Am 24. Juli 1986 überwies die Beklagte im beleglosen Überweisungsverkehr versehentlich an A. die Brandentschädigung in Höhe von 75.251,70 DM auf sein oben angegebenes Konto bei der Streithelferin. Nachdem die Beklagte ihren Irrtum bemerkt hatte, erwirkte sie einen dinglichen Arrest in die Forderung A.'s gegen die Streithelferin.
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Durch Schreiben vom 8. August 1986 teilte die Beklagte A. mit, daß die Versicherungsleistung versehentlich an ihn überwiesen worden sei, und wies ihn darauf hin, daß ihm aus dem Arrest keine Rechts- und auch keine Kostennachteile erwachsen, wenn er ihr bekanntgebe, daß der versehentlich überwiesene Betrag an den im Augenblick berechtigten Empfänger ausbezahlt bzw. umgebucht werden könne. Durch Schreiben vom 20. August 1986 erklärte sich A. hiermit einverstanden. Dieses Schreiben wurde am 22. August 1986 an die Streithelferin weitergeleitet.
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Nach mehreren Telefonaten zwischen Mitarbeitern der Beklagten und der Streithelferin, deren Inhalt streitig ist, teilte die Streithelferin der Beklagten durch Schreiben vom 25. September 1986 mit, daß über den Betrag in Höhe von 75.251,70 DM im Rahmen der von Herrn A. abgegebenen Erklärung vom 20. August 1986 verfügt worden sei.
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Von dem von der Beklagten versehentlich auf das Konto A.'s überwiesenen Betrag hat die Streithelferin 54.190,14 DM zur Tilgung von Verbindlichkeiten A.'s auf den Unterkonten 5950100/00 und 5950100/40 verwendet. Den Restbetrag von 21.070,92 DM hat sie am 17. September 1986 dem Konto der Kläger gutgeschrieben.
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Die Kläger verlangen Zahlung der restlichen Versicherungsleistung in Höhe von 54.190,14 DM an die Streithelferin, die nach Streitverkündung den Klägern beigetreten ist. Sie machen geltend, durch die Zahlung der Beklagten an A. sei eine Erfüllung des Versicherungsanspruches nicht eingetreten, weil an den falschen Gläubiger geleistet worden sei. An sie habe nur der Betrag weitergeleitet werden können, der nach Abrechnung der Konten A.'s noch übriggeblieben sei. Auch nach der Fälligstellung der Konten A.'s habe sich nichts an der Befugnis der Streithelferin geändert, eingehende Zahlungen Dritter entgegenzunehmen und im Rahmen des Saldos abzurechnen. Der Überweisungsauftrag sei am 28. Juli 1986 durchgeführt worden. Der Überweisungsbetrag sei auf dem Konto A.'s verbucht worden und dieser habe einen entsprechenden schriftlichen Kontoauszug erhalten. Die Zweigstelle der Streithelferin habe ebenfalls eine Nachricht von der Gutschrift erhalten, die am 29. Juli 1986 dort eingegangen sei.
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Die Beklagte hat vorgetragen, zwischen ihr und der Streithelferin sei vereinbart worden, daß die Zahlung an A. als Leistung an Erfüllungs Statt angenommen werde. Die Streithelferin habe am 21. März 1986 die Geschäftsverbindung mit A. aufgekündigt, so daß bei Eingang der Gutschrift nicht mehr habe saldiert werden können. Im übrigen habe das Konto Nr. 5950100/70, auf das die Versicherungsleistung überwiesen worden sei, kein Debetsaldo aufgewiesen. Debetsalden auf anderen Konten A.'s habe die Streithelferin unzulässigerweise mit dem oben genannten Konto verrechnet.
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Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärt. Der Überweisungsauftrag sei weisungswidrig ausgeführt worden. Jedenfalls habe die Streithelferin ihre Treupflicht verletzt. Es sei klar gewesen, daß die Überweisung an A. nur auf einem Versehen beruhen konnte. Schon deshalb hätte die Streithelferin den überwiesenen Betrag nicht zur Tilgung der Schulden A.'s verwenden dürfen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr auf Berufung der Streithelferin im wesentlichen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
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1. Das Berufungsgericht gelangt zu dem Ergebnis, daß der Streithelferin aus abgetretenem Recht noch ein restlicher Anspruch in Höhe von 54.190,14 DM zustehe, den die Kläger im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft zulässigerweise gegen die Beklagte geltend machen.
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Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Versicherungsanspruch sei nicht erfüllt, weil der Zahlungsempfänger A. infolge der Abtretung nicht mehr Gläubiger des Anspruches gewesen sei. Es hält auch die Auffassung des Landgerichts für unzutreffend, die Erfüllung sei dadurch eingetreten, daß die Beklagte den ihr aus der Fehlüberweisung zustehenden Bereicherungsanspruch an die Streithelferin an Erfüllungs Statt abgetreten habe. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 22. August 1986 in Verbindung mit der Einverständniserklärung A.'s vom 20. August 1986 und dem Schreiben der Streithelferin vom 25. September 1986 lasse sich keine diesbezügliche Vereinbarung herleiten. Der Anspruch der Streithelferin sei auch nicht durch die hilfsweise Aufrechnung der Beklagten mit angeblichen Schadensersatzansprüchen erloschen. Die Streithelferin habe den Giroauftrag nicht weisungswidrig ausgeführt. Der Widerruf der Beklagten sei verspätet gewesen, weil er erst nach der Gutschrift auf dem Konto des Empfängers A. eingegangen sei.
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Die Streithelferin habe bei der Abwicklung des Überweisungsauftrages keine ihr der Beklagten gegenüber obliegenden Mitteilungs- und Sorgfaltspflichten verletzt.
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Unrichtig sei die Ansicht der Beklagten, die Streithelferin habe den versehentlich überwiesenen Betrag nicht zur Tilgung der Verbindlichkeiten A.'s gegenüber der Streithelferin verwenden dürfen. Die Streithelferin sei aufgrund ihres Pfandrechts nach Nr. 19 Abs. 2, 20 AGB der Banken berechtigt gewesen, auf den eingegangenen Betrag in Höhe des ihr gegenüber bestehenden Schuldsaldos Zugriff zu nehmen. Zwar seien die Kredite fälliggestellt gewesen. Die Geschäftsbeziehung mit A. habe aber noch insoweit bestanden, als die Konten abgerechnet werden mußten, so daß die AGB der Streithelferin weitergegolten hätten. Zwar habe auf dem Konto Nr. 5950100/70, auf das die Versicherungsleistung versehentlich überwiesen worden sei, kein Schuldsaldo bestanden. Dieser habe sich auf den weiteren für A. geführten Konten Nr. 5950100/00 und Nr. 5950100/40 in der abgerechneten Höhe von 54.190,14 DM ergeben. Die Streithelferin sei jedoch nicht gehindert gewesen, den auf dem Konto Nr. 5950100/70 eingegangenen Betrag zur Tilgung der Debetsalden auf den anderen beiden Konten zu verrechnen, weil es sich bei den mit den Zusatzzahlen /40 und /70 gekennzeichneten Konten nur um Unterkonten zu dem Konto Nr. 5950100/00 gehandelt habe.
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Zu Unrecht mache die Beklagte geltend, ihre Forderung auf Rückzahlung des gesamten Überweisungsbetrages sei durch den ergangenen Arrestbeschluß verstrickt worden, dies sei jedoch nur hinsichtlich des verbliebenen Habensaldos in Höhe von ca. 21.000 DM der Fall gewesen.
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2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist unbegründet.
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die an die Streithelferin abgetretene Forderung auf die Versicherungsleistung erloschen.
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Die - vom Berufungsgericht verneinte - Frage, ob die Beklagte der Streithelferin einen ihr gegen A. zustehenden Bereicherungsanspruch (erfüllungshalber oder an Erfüllungs Statt) abgetreten hat und ob ein solcher Anspruch durch das Pfandrecht der Streithelferin beeinträchtigt war, stellt sich nicht. A. hat durch seine - auch der Streithelferin gegenüber abgegebene - Einverständniserklärung vom 20. August 1986 zum Ausdruck gebracht, daß er aus der ohne sein Zutun vorgenommenen Gutschrift keine Rechte herleiten wolle. Er hat damit die Gutschrift zurückgewiesen und der Streithelferin die Möglichkeit gegeben, diese rückgängig zu machen. Zugleich wurde der Streithelferin der Zugriff auf die ihr zustehende Entschädigungsleistung ermöglicht. Sie hat über das Guthaben auch tatsächlich verfügt. Ihre Forderung gegen die Beklagte ist damit getilgt.
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a) Für den Fall des fehlenden Einverständnisses des Überweisungsempfängers mit der Überweisung wird diesem in Literatur und Rechtsprechung ganz überwiegend ein Zurückweisungsrecht zugebilligt (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 473 und ZIP 1986, 1021, 1025 unter 2.1; ihm folgend Baumbach/Duden/Hopt, HGB 27. Aufl. (7) Bankgeschäfte Anm. III 3 B; Hadding/Häuser WM 1989, 591 m.w.Nachw. Fn. 17; LG Osnabrück WM 1988, 527/528; AG Marbach NJW 1987, 72).
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Es kann hier offenbleiben, ob die Tatsache, daß die Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers dem Girovertrag entsprechend durch einen einseitigen Akt der Bank erfolgt, ein hinreichender Grund ist, ihm generell in entsprechender Anwendung des § 333 BGB ein Zurückweisungsrecht zuzubilligen. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Gutschrift dem Überweisungsempfänger nicht nur unerwünscht ist, sondern ihn wegen des Fehlens eines Valutaverhältnisses Rückzahlungsansprüchen des Überweisenden aus § 812 BGB aussetzen würde, muß es ihm möglich sein, derartigen Ersatzansprüchen durch die Erklärung zuvorzukommen, keine Rechte aus der Gutschrift herzuleiten. Nur durch die darin liegende Weigerung, das Schuldversprechen der Bank zu akzeptieren, kann er verhindern, daß die Bank die Fehlüberweisung zur Verminderung seines Schuldsaldos auf dem Konto benutzt.
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Die berechtigten Belange der Empfängerbank werden durch die Zurückweisung der Gutschrift nicht berührt. Solange der Begünstigte die Gutschrift nicht durch schlüssiges Verhalten angenommen und die Empfängerbank ihm nicht im Hinblick darauf weiteren Kredit gewährt hat, ist sie nicht schutzwürdig. Sicherungsrechte gehen ihr nicht verloren, weil im Hinblick auf die ex-tunc-Wirkung der Zurückweisung keine Tilgung eingetreten ist. Die Streithelferin beruft sich also zu Unrecht darauf, daß sie durch die Gutschrift auf dem Konto A.'s die Rechte aus einer für den ihm gewährten Kredit gestellten Bürgschaft eingebüßt habe. Ebenso ist die Auffassung des Berufungsgerichts unzutreffend, A. habe nach der Gutschrift des Überweisungsbetrages wegen des Pfandrechts der Streithelferin nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken nur noch über den nach der Verrechnung mit den Debetsalden auf den anderen Unterkonten verbleibenden Habensaldo verfügen können. Denn aus der Gutschrift sind aufgrund der Zurückweisung keine Rechte des Kontoinhabers entstanden, die dem Pfandrecht unterliegen könnten.
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b) Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGB-Banken steht dem Zurückweisungsrecht nicht entgegen. Die in diesen Bestimmungen im Interesse des ungehinderten Giroverkehrs den Banken vertraglich generell eingeräumte Befugnis zur Entgegennahme und zur Gutschrift von Geldbeträgen schließt das erst durch die Gutschrift jedenfalls in bestimmten Sonderfällen entstehende Zurückweisungsrecht nicht aus (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. Rdn. 473; Hadding/Häuser WM 1989, 591/592). Das ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung, die auch für vorformulierte AGB anzuwenden ist (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 5. Aufl. § 6 Rdn. 43). Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken erklärt ablehnende Weisungen vor der Gutschrift ausdrücklich für maßgebend. Der darin zum Ausdruck kommende Vorrang anderer Weisungen des Kunden läßt den Schluß zu, daß auch nachträgliche ablehnende Weisungen, wie sie in den hier gegebenen Sonderfällen von Fehlüberweisungen in der Form des Zurückweisungsrechts eingeräumt werden müssen, nicht ausgeschlossen sein sollen, zumal in diesen Fällen eine vorherige andere Weisung nur deshalb nicht möglich ist, weil der Empfänger von der bevorstehenden Gutschrift nichts weiß. Im übrigen wäre die Berufung auf die Bestimmung der Nr. 4 Abs. 1 AGB-Banken in den Fällen rechtsgrundloser Fehlüberweisungen jedenfalls rechtsmißbräuchlich (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. Rdn. 2563).
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c) Der Empfänger der Überweisung hat von seinem Zurückweisungsrecht auch rechtzeitig Gebrauch gemacht. Es kann offenbleiben, ob das Zurückweisungsrecht unverzüglich (vgl. Nr. 15 AGB-Banken) ausgeübt werden muß oder ob es nur der Verwirkung unterliegt (vgl. Canaris ZIP 1986, 1021/1025). Im vorliegenden Fall wurde es jedenfalls ohne schuldhaftes Zögern geltend gemacht. Die versehentliche Überweisung der Beklagten auf das Konto A.'s erfolgte am 24. Juli 1986. Nachdem die Beklagte ihr Versehen bemerkt hatte, erwirkte sie durch Beschluß des Amtsgerichts Recklinghausen vom 2. August 1986 einen dinglichen Arrest in die Forderung von A. gegen die Streithelferin und ließ sie pfänden. Der Beschluß wurde der Streithelferin am 4. August und A. am 5. August 1986 zugestellt. Mit Schreiben vom 8. August 1986 bat die Beklagte A. um seine Zustimmung, daß der Betrag an den berechtigten Empfänger - die Streithelferin - ausbezahlt wird. Diese die Zurückweisung der Gutschrift enthaltende Erklärung gab A. in seinem Schreiben vom 20. August 1986 ab. Im Hinblick auf den von der Beklagten erwirkten Arrest konnte A. die Frage, wie die Fehlüberweisung weiter zu behandeln sei, zunächst der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der Beklagten und der Streithelferin überlassen. Auf die Aufforderung der Beklagten hin hat A. von seinem Zurückweisungsrecht jedenfalls ohne unangemessene Verzögerung Gebrauch gemacht.
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d) Die Streithelferin war daher nach § 667 BGB zur Rückzahlung des überwiesenen Betrages an die Beklagte verpflichtet. Ob man in der Übermittlung der Einverständniserklärung A.'s an die Streithelferin durch die Beklagte eine Aufrechnung der Beklagten mit dem Rückzahlungsanspruch oder die Anweisung sieht, den überwiesenen Betrag zur Tilgung der an die Streithelferin abgetretenen Forderung der Klägerin zu verwenden, ist für die rechtliche Beurteilung im Ergebnis ohne Bedeutung. Beide Wege führen zur Erfüllung der Klageforderung, ohne daß es darauf ankäme, ob die Streithelferin konkludent oder ausdrücklich zugestimmt hätte. Das Landgericht hat deshalb die Klage mit Recht abgewiesen.
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