Haftung gegenüber der Außenhandelsbank der ehemaligen DDR wegen unbefugter Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren
Leitsatz
1. Wer ohne staatliche Zulassung am sog Transferrubel-Abrechnungsverfahren teilnahm, handelte rechtswidrig iSv ZGB § 330 (juris: ZGB DDR).
2. Schadensersatzansprüche der Außenhandelsbank wegen unberechtigter Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren setzen unmittelbare Geschäftsbeziehungen zwischen der Bank und dem Anspruchsgegner nicht zwingend voraus; es genügt, wenn der Anspruchsgegner bewußt einen Weg beschritten hat, auf dem er in den Genuß der Vorteile des Abrechnungsverfahrens gelangte.
3. Gegenüber Schadensersatzansprüchen wegen vorsätzlicher unberechtigter Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren kommt ein auf angeblich fahrlässiges Verhalten der Außenhandelsbank gestützter Mitverschuldenseinwand nach ZGB § 341 nicht in Betracht.








vorgehend LG Berlin, 15. Januar 1993, 22 O 499/92
Anschluß Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Zivilsenat, 28. Dezember 2000, 2 U 157/00

Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 7. März 1994 wird zurückgewiesen.
2. Auf die Revision der Klägerin wird dieses Urteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die über die zugesprochenen 807.362,59 DM nebst Zinsen hinausgehende Klage in Höhe eines Teilbetrages von 51.964,85 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 22 des Landgerichts Berlin vom 15. Januar 1993 wird in vollem Umfang zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird dieses Urteil hinsichtlich der Zinsen weitergehend geändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Unter Abweisung der Klage im übrigen wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 859.327,44 DM nebst 9% Zinsen von 650.527,02 DM seit dem 12. Juli 1990 und von 208.800,42 DM seit dem 24. September 1990 zu zahlen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
Die klagende Bank verlangt von dem Beklagten im Zusammenhang mit sogenannten Transferrubel-Geschäften die Zahlung von 859.641,12 DM nebst Zinsen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Klägerin war in der früheren DDR im Rahmen des Außenhandels mit den Ländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) mit der Durchführung des Zahlungsverkehrs betraut. Dieser Zahlungsverkehr wurde über die Internationale Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (IBWZ) in Moskau abgewickelt und fand in Verrechnungseinheiten statt, die als transferable Rubel (XTR) bezeichnet wurden.
- 3
Der Beklagte, der früher Leiter der Betriebsorganisation eines DDR-Außenhandelsbetriebes gewesen war, erhielt mit Wirkung zum 1. April 1990 vom Rat des Stadtbezirks Berlin-Mitte die Genehmigung zur Ausübung des Gewerbes "Industrieberatung". Für sein Unternehmen "M. Industrieberatung" wurde dem Beklagten vom Statistischen Amt der DDR, Abteilung Außenhandel, auf seinen Antrag am 9. Juli 1990 eine Außenhandelsstatistiknummer erteilt. Über eine Exportlizenz nach der Anordnung über die Import- und Exportlizenzierung (Lizenzierungs-Anordnung) des Ministers der DDR für Außenwirtschaft vom 20. August 1968 (Mitteilungen des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik 1968, Nr. 13, S. 49) verfügte der Beklagte nicht. Ihm wurde auch sonst keine staatliche Zulassung zur Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung von Exporten in RGW-Länder erteilt.
- 4
Am 24. Juni 1990 schloß der Beklagte in B. mit der W. "..." (im folgenden: W.), einem in der damaligen UdSSR zugelassenen und staatlich registrierten Außenhandelsunternehmen mit Sitz in M./Weißrußland, unter der Vertragsnummer SU ... einen schriftlichen Kaufvertrag über Mikrowellengeräte, Tiefkühlschränke und Spülmaschinen zum Preis von insgesamt 278.003 XTR. Der Kaufpreis sollte im Wege der Vorauskasse innerhalb von 5 Tagen nach Vertragsunterschrift gezahlt werden. Am 28. Juni 1990 wies die IBWZ in Moskau auf Veranlassung der W/O der Klägerin 278.003 XTR zugunsten des Beklagten zu der oben genannten Vertragsnummer an. Die Klägerin stellte diesen Betrag am 12. Juli 1990 zu einem Kurs von 1 : 2,34 in 650.527,02 DM um und überwies diese an den Beklagten, der bei ihr kein Konto unterhielt.
- 5
Mit einer auf den 10. Juli 1990 datierten, ebenfalls in B. getroffenen schriftlichen Zusatzvereinbarung "zum Vertrag Nr. SU ... vom 24. Juni 1990" vereinbarte der Beklagte mit der W. eine Erhöhung der Zahl der zu liefernden Mikrowellenherde und eine entsprechende Erhöhung des Gesamtkaufpreises um 89.365 XTR auf insgesamt 367.368 XTR. Der Betrag von 89.365 XTR sollte als Vorauszahlung binnen 5 Tagen ab Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung an den Beklagten überwiesen werden. Am 5. September 1990 wies die IBWZ in Moskau auf Veranlassung der W. der Klägerin 89.365 XTR zugunsten des Beklagten wiederum zur Vertragsnummer SU ... an. Die Klägerin stellte diesen Betrag am 24. September 1990 zu einem Kurs von 1 : 2,34 in 209.114,10 DM um und überwies diese, abzüglich einer einbehaltenen Gebühr von 1,5o/oo = 313,68 DM, an den Beklagten.
- 6
Zu einer Lieferung der mit dem Vertrag Nr. SU ... verkauften, aus Beständen der Militärhandelsorganisation der DDR stammenden und jedenfalls teilweise nicht in der DDR hergestellten Geräte kam es nicht, da der Vertrag von der W. insgesamt storniert wurde. Eine zollrechtliche Genehmigung des Exports der verkauften Geräte lag zu keiner Zeit vor. Bereits am 7. August 1990 zahlte der Beklagte den im Juli 1990 erhaltenen Teilbetrag unmittelbar an die W. Nach der in der Berufungsinstanz bestrittenen Darstellung des Beklagten zahlte dieser auch den im September 1990 erhaltenen zweiten Teilbetrag alsbald direkt an die W.
- 7
Die Beträge, die die Klägerin an den Beklagten überwiesen hatte, wurden von der Staatsbank Berlin refinanziert. Diese trat am 5. November 1992 alle im Zusammenhang mit vorgenommenen Auszahlungen an den Beklagten bestehenden oder noch entstehenden Ansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin ab.
- 8
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus eigenem Recht und hilfsweise auch aus abgetretenem Recht der Staatsbank Berlin die Zahlung von 859.641,12 DM (= 650.527,02 DM + 209.114,10 DM) nebst Zinsen. Sie ist der Ansicht, der Beklagte sei ihr gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, weil er zu Unrecht an dem Transferrubel-Abrechnungsverfahren teilgenommen habe und es pflichtwidrig gewesen sei, die erlangten Umstellungsbeträge unmittelbar an die W. zu zahlen. Die Klägerin behauptet dazu, die mit dem Vertrag Nr. SU ... verkauften Geräte hätten allesamt nicht aus der DDR-Produktion gestammt; im übrigen sei eine Durchführung des Geschäfts nie beabsichtigt gewesen; es sei vielmehr von vornherein nur darum gegangen, unter Ausnutzung der Vorteile des Transferrubel-Abrechnungsverfahrens Rubel in DM umzuwandeln. Die Klägerin macht ferner geltend, durch das rechtswidrige Verhalten des Beklagten sei ihr oder zumindest der refinanzierenden Staatsbank ein Schaden in Höhe der Umstellungsbeträge von insgesamt 859.641,12 DM entstanden; im übrigen hafte der Beklagte auch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung.
- 9
Der Beklagte meint, ein rechtswidriges Verhalten seinerseits liege nicht vor; insbesondere könne von einer rechtswidrigen Teilnahme an dem Transferrubel-Abrechnungsverfahren keine Rede sein. Er behauptet dazu, die mit Vertrag Nr. SU ... verkauften Geräte hätten überwiegend aus DDR-Produktion gestammt. Der Beklagte stellt ferner einen Schaden der Klägerin oder der Staatsbank Berlin unter Hinweis auf die der Klägerin zugeflossenen XTR-Gutschriften in Abrede.
- 10
Das Landgericht hat der Klage größtenteils stattgegeben und sie lediglich hinsichtlich eines Teilbetrags von 313,68 DM der Hauptforderung und eines Teils der Zinsforderung abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel beider Parteien der Klägerin 807.362,59 DM nebst Zinsen, diese jedoch in Höhe von 9% statt der vom Landgericht zuerkannten 7%, zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Gegen das Berufungsurteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Beklagte erstrebt weiterhin die vollständige Klageabweisung. Die Klägerin verfolgt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision den abgewiesenen Teil der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die über die zugesprochenen 807.362,59 DM nebst Zinsen hinausgehende Klage in Höhe eines Teilbetrages von 51.964,85 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist, und zur Verurteilung des Beklagten auch hinsichtlich dieses Teils der Klageforderung. Das Rechtsmittel der Klägerin bleibt lediglich insoweit erfolglos, als es sich gegen die Klageabweisung in Höhe eines weiteren Teilbetrages von 313,68 DM nebst Zinsen wendet.
I.
- 12
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
- 13
Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 807.362,59 DM gemäß § 330 des Zivilgesetzbuchs der DDR (ZGB) zu.
- 14
Gemäß Art. 232 §§ 1, 10 EGBGB sei das Recht der ehemaligen DDR anzuwenden, wobei das ZGB maßgeblich sei. Das Verhalten des Beklagten erfülle die Voraussetzungen des § 330 ZGB. Der Beklagte habe unbefugt das Transferrubel-Abrechnungsverfahren in Anspruch genommen. Er sei zur Teilnahme an diesem Abrechnungsverfahren schon deshalb nicht berechtigt gewesen, weil er weder über eine Exportlizenz nach der Lizenzierungs-Anordnung, die ungeachtet ihres vertraulichen Charakters eine allgemeinverbindliche, im Sinne von Art. 89 Abs. 1 der Verfassung der DDR anderweit veröffentlichte Rechtsvorschrift gewesen sei, noch über eine zollrechtliche Exportgenehmigung verfügt habe; es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob die Inanspruchnahme des Transferrubel-Abrechnungsverfahrens auch deshalb pflichtwidrig gewesen sei, weil der Vertrag Nr. SU ... teilweise nicht in der DDR hergestellte Waren zum Gegenstand gehabt habe. Pflichtwidrig sei es auch gewesen, die erlangten Umstellungsbeträge unmittelbar an den weißrussischen Vertragspartner zurückzuzahlen, statt den gleichen Weg wie bei der Zahlung einzuhalten. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens werde durch die Pflichtwidrigkeit indiziert. Die gegen ihn sprechende Vermutung des Verschuldens habe der Beklagte nicht widerlegt. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß er als ehemals in verantwortlicher Position in einem Außenhandelsbetrieb Tätiger sowohl um das Lizenz- als auch um das Genehmigungserfordernis gewußt habe.
- 15
Der Schaden der Klägerin liege darin, daß sie aus eigenem Vermögen Zahlungen an den Beklagten geleistet habe. Dabei habe der Beklagte auch den von dem zweiten Umstellungsbetrag seitens der Klägerin als Gebühr einbehaltenen Betrag von 313,68 DM im Rechtssinne erhalten, da die Klägerin sich anstelle der vorgenommenen Verrechnung die Gebühr von 313,68 DM auch gesondert hätte zahlen lassen können. Die Refinanzierung durch die Staatsbank lasse den Schaden nicht entfallen. Die Klägerin brauche sich auch nicht ein - ohnehin nur der Bundesrepublik Deutschland zustehendes - XTR-Guthaben anrechnen zu lassen, da dieses keinen meßbaren Vorteil darstelle.
- 16
Gegenüber der Klägerin sei allerdings bezüglich der im September 1990 vorgenommenen Umstellung des zweiten Teilbetrages von 89.365 XTR in 209.114,10 DM ein den Schadensersatzanspruch insoweit um ein Viertel mindernder Vorwurf der Mitverantwortlichkeit nach § 341 ZGB begründet. Zwar sei es nicht von vornherein pflichtwidrig gewesen, das Vorauskasseverfahren durchzuführen, und habe zunächst auch keine gesteigerte Prüfungspflicht der Klägerin bezüglich der Berechtigung des Auftraggebers zur Durchführung von Exportgeschäften oder zur Teilnahme am Transferrubel-Zahlungsverkehr bestanden; zum Zeitpunkt der Umstellung des zweiten Teilbetrages am 24. September 1990 sei die Klägerin aber aufgrund einer bei ihr am 12. Juli 1990 eingegangenen schriftlichen Empfehlung des Präsidenten der Staatsbank Berlin vom 10. Juli 1990 gehalten gewesen, Umstellungen von XTR in DM nur noch gegen Vorlage einer Exportgenehmigung vorzunehmen.
II.
- 17
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Soweit das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten bejaht hat, hält dies der rechtlichen Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Die Klägerin kann von dem Beklagten die ihr zugesprochenen 807.362,59 DM nebst Zinsen als Schadensersatz gemäß §§ 330, 336 f. ZGB verlangen.
- 18
1. Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach für die Beurteilung der Frage, ob der Klägerin gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung zustehen, gemäß Art. 232 §§ 1, 10 EGBGB das Recht der DDR, und zwar das ZGB, maßgebend ist.
- 19
2. Jedenfalls im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision des Beklagten gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe unbefugt am Transferrubel-Abrechnungsverfahren teilgenommen und damit eine pflichtwidrige Handlung im Sinne des § 330 ZGB begangen.
- 20
a) Das Berufungsgericht ist mit Recht - insoweit von der Revision des Beklagten unbeanstandet - davon ausgegangen, daß der Beklagte am Transferrubel-Abrechnungsverfahren teilgenommen hat. Zwar ist er im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden, über die Klägerin abgewickelten Zahlungen nicht selbst mit der Klägerin in Kontakt getreten und hat lediglich die von dieser in DM umgestellten XTR-Beträge auf sein Konto bei einer anderen Bank überwiesen bekommen; eine Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren ist jedoch schon darin zu sehen, daß der früher in einem DDR-Außenhandelsbetrieb in verantwortlicher Position tätige Beklagte mit der W. Kaufverträge mit einer - an sich ungewöhnlichen - Vorauskasse-Klausel abgeschlossen und damit bewußt einen Weg beschritten hat, auf dem er ohne unmittelbare eigene Kontakte zur Klägerin in den Genuß der wirtschaftlichen Vorteile dieses Abrechnungsverfahrens gelangen konnte.
- 21
b) Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß der Beklagte zur Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren nicht berechtigt war.
- 22
In diesem Zusammenhang kann die Frage, ob die Lizenzierungs-Anordnung nicht nur für die staatlichen Außenhandelsbetriebe, sondern für jedermann verbindlich war und dementsprechend das darin bestimmte Erfordernis einer Exportlizenz auch für den Beklagten galt, ebenso offen bleiben wie die weitere Frage, ob das Vorliegen einer Exportgenehmigung nach § 2 der 15. Durchführungsbestimmung zum Zollgesetz vom 20. Oktober 1970 (GBl. 1970 II, 611) Voraussetzung für die befugte Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren war. Die Berechtigung zur Teilnahme an diesem Abrechnungsverfahren setzte jedenfalls eine staatliche Zulassung voraus. Das Erfordernis einer staatlichen Zulassung ergab sich bereits unabhängig von den vorgenannten Vorschriften aus dem System der Verrechnung gegenseitiger Lieferungen und Leistungen der Mitgliedstaaten des RGW auf Transferrubelbasis und den diesbezüglichen Regelungen selbst.
- 23
Das im Hinblick auf die Nichtkonvertierbarkeit der Währungen der RGW-Staaten eingeführte Transferrubel-Abrechnungsverfahren beruhte auf dem Abkommen der Mitgliedsländer des RGW über die mehrseitigen Verrechnungen in transferablen Rubeln und die Gründung der Internationalen Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (GBl. 1981 II, 93) sowie auf den Allgemeinen Bedingungen für die Warenlieferungen zwischen den Organisationen der Mitgliedsländer des RGW (ALB/RGW) 1968/1988 (GBl. 1989 II, 41). Wie sich aus Art. I des oben genannten Abkommens ergibt, war wesentliche Grundlage des Verfahrens zur Verrechnung von Lieferungen und Leistungen zwischen den Mitgliedsländern der Internationalen Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in transferablen Rubeln, daß bei jedem Mitgliedsland der Bank die Zahlungseingänge und -ausgänge in transferablen Rubeln innerhalb des Kalenderjahres oder eines anderen von den Mitgliedsländern der Bank abgestimmten Zeitraums mit allen anderen Mitgliedsländern der Bank insgesamt ausgeglichen waren; jedes Mitgliedsland der Bank hatte diese Ausgeglichenheit, ohne die das Verfahren letztlich nicht funktionieren konnte, zu gewährleisten. Letzteres war nur möglich, wenn die einzelnen Außenhandelspartner jeweils nur mit staatlicher Zulassung am Transferrubel-Abrechnungsverfahren teilnehmen durften und die Mitgliedsländer der Bank, hier die DDR, auf diese Weise den Umfang der auf Transferrubelbasis abgewickelten Exporte und Importe und damit die Zahlungseingänge und -ausgänge kontrollieren und beeinflussen konnten. Daß am Transferrubel-Abrechnungsverfahren nicht jedermann ohne weiteres teilnehmen durfte, kommt auch in den ALB/RGW 1968/1988 zum Ausdruck. Die Präambel dieses Regelwerks stellt ausdrücklich auf Warenlieferungen zwischen "den Organisationen der Mitgliedsländer des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe" ab, "die zur Durchführung von Außenhandelsoperationen berechtigt sind".
- 24
Trotz der zwischenzeitlich - vor allem im Zusammenhang mit der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion - eingetretenen Veränderungen hin zur freien Marktwirtschaft bestand das Erfordernis einer staatlichen Zulassung zur Teilnahme an dem Transferrubel-Abrechnungsverfahren auch zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Vorgänge fort. Die Hinwendung zur freien Marktwirtschaft und insbesondere die Beseitigung des staatlichen Außenhandelsmonopols hatten zwar zur Folge, daß nunmehr grundsätzlich alle Unternehmen und nicht mehr nur die staatlichen Außenhandelsbetriebe am Außenhandel teilnehmen durften. Das bedeutete aber keineswegs, daß nunmehr jedermann ohne staatliche Zulassung Außenhandelsgeschäfte auf Transferrubelbasis - statt auf der Grundlage frei konvertierbarer Währungen - abwickeln durfte (so aber Budde/Flüh ZIP 1992, 369, 373 ff.). Das Erfordernis einer staatlichen Zulassung zur Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren, das sich - wie dargelegt - bereits aus dem weiterhin aufrechterhaltenen System der Verrechnungen gegenseitiger Lieferungen und Leistungen der Mitgliedsländer des RGW auf Transferrubelbasis und den diesbezüglichen Regelungen ergab, blieb vielmehr gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes über den Außenwirtschafts-, Kapital- und Zahlungsverkehr (GAW) vom 28. Juni 1990 (GBl. 1990 I, 515) unberührt. Aus § 3 der ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Außenwirtschaft vom 8. August 1990 (GBl. 1990 I, 1143), der ausdrücklich bestimmte, daß die Ausfuhr von Waren, deren Bezahlung in transferablen Rubeln oder in einer anderen Verrechnungswährung erfolgen sollte, der Genehmigung bedurfte, ergibt sich nichts anderes. Durch diese Vorschrift wurde das Erfordernis der staatlichen Zulassung lediglich konkretisiert und nicht erst eingeführt.
- 25
Da der Beklagte über die nach alledem erforderliche staatliche Zulassung nicht verfügte, war er zur Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren nicht berechtigt. Seine unbefugte Teilnahme an diesem Abrechnungsverfahren geschah nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts vorsätzlich. Damit fällt ihm eine zum Schadensersatz verpflichtende pflichtwidrige Handlung im Sinne der §§ 330, 333 ZGB zur Last. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie das Berufungsgericht meint - eine pflichtwidrige Handlung auch darin zu sehen ist, daß der Beklagte die erlangten Umstellungsbeträge unmittelbar an den weißrussischen Vertragspartner zurückgezahlt hat.
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3. Entgegen der Ansicht der Revision führte die unbefugte Teilnahme des Beklagten am Transferrubel-Abrechnungsverfahren zu einem Schaden in Höhe der DM-Beträge, die der Beklagte erhalten hat.
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Der vom Beklagten verursachte Schaden entstand, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, dadurch, daß dem Beklagten DM-Beträge zur Verfügung gestellt wurden, auf die er keinen Anspruch hatte. Dabei handelte es sich allerdings entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht um einen eigenen Schaden der Klägerin, sondern um einen Schaden der refinanzierenden Staatsbank Berlin. Das kann den Beklagten jedoch nicht entlasten. Dabei kommt es angesichts dessen, daß die Klage auch auf abgetretene Ansprüche der Staatsbank gestützt wird, im Ergebnis nicht darauf an, ob man unter dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation einen eigenen Schadensersatzanspruch der Klägerin bejaht (vgl. Senatsurteil vom 7. November 1995 - XI ZR 261/94, WM 1996, 12, 14; kritisch dazu Kohler EWiR § 330 ZGB 1/96, 191, 192); andernfalls müßte man nämlich der Staatsbank als mittelbar Geschädigter einen Schadensersatzanspruch nach § 332 Satz 2 ZGB (vgl. zu dieser Vorschrift Posch in Göhring/Posch, Zivilrecht, Lehrbuch, Teil 2, S. 193) zubilligen, weil die Entlastung der Klägerin seitens der Staatsbank nicht den Zweck haben kann, eine rechtswidrige Ausnutzung des Transferrubel-Abrechnungsverfahrens durch Dritte von Schadensersatzansprüchen freizustellen.
- 28
Eine Anrechnung von XTR-Guthaben auf den Schadensersatzanspruch kommt - unabhängig von der Werthaltigkeit solcher Guthaben - schon deshalb nicht in Betracht, weil aus der Unzulässigkeit der Inanspruchnahme des Transferrubel-Abrechnungsverfahrens nicht nur die Unrechtmäßigkeit der Auszahlungen an den Beklagten folgt, sondern ebenso auch die Rechtsgrundlosigkeit der XTR-Gutschriften, die die Klägerin damals empfangen hat (Senatsurteil vom 7. November 1995 aaO).
- 29
4. Ohne Erfolg wendet die Revision schließlich ein, die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verurteilung in Höhe von 807.362,59 DM sei jedenfalls wegen eines deutlich überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin nicht gerechtfertigt. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin im Zusammenhang mit den Überweisungen an den Beklagten überhaupt ein Schuldvorwurf trifft. Insoweit käme allenfalls ein fahrlässiges Verhalten der Klägerin in Betracht. Dem steht jedoch ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten gegenüber. Bei dieser Sachlage ist für eine weitergehende Minderung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin nach § 341 ZGB wegen mitwirkenden eigenen Verschuldens kein Raum. Vielmehr kommt, wie im Zusammenhang mit der Erörterung der Revision der Klägerin noch näher auszuführen sein wird, eine Minderung des Schadensersatzanspruchs nach § 341 ZGB überhaupt nicht in Betracht.
- 30
5. Die von der Revision nicht gesondert angegriffene Verurteilung hinsichtlich der Zinsen ist nach §§ 330, 336 f. ZGB im Hinblick auf entsprechende Refinanzierungskosten der Staatsbank gerechtfertigt.
III.
- 31
Die Revision der Klägerin hat im wesentlichen Erfolg. Die Teilabweisung der Klage durch das Berufungsgericht ist lediglich in Höhe von 313,68 DM nebst Zinsen im Ergebnis zu Recht, im übrigen jedoch zu Unrecht erfolgt.
- 32
1. Das Berufungsgericht hat den Schadensersatzanspruch der Klägerin hinsichtlich des zweiten Umstellungsbetrages zu Unrecht wegen mitwirkenden eigenen Verschuldens nach § 341 ZGB gemindert.
- 33
Die nach dieser Vorschrift - ebenso wie bei § 254 BGB - vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verantwortlichkeiten (vgl. dazu Posch aaO S. 204 f.) ist allerdings grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Dem Revisionsgericht ist aber eine Nachprüfung dahingehend möglich, ob der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrundeliegen, der Tatrichter alle Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87, NJW-RR 1988, 1373 und BGH, Urteil vom 12. Januar 1993 - VI ZR 75/92, NJW-RR 1993, 480, jeweils m.w.Nachw.). Einer solchen Nachprüfung hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung nicht stand.
- 34
Dabei kann auch hier dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt ein Schuldvorwurf trifft. Einer etwaigen Fahrlässigkeit der Klägerin stünde nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten gegenüber. Das Berufungsgericht hat verkannt, daß bei Vorsatz des Schädigers ein fahrlässiges Mitverschulden des Geschädigten regelmäßig zurücktritt. Dieser zu § 254 BGB entwickelte Grundsatz (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 1991 - XI ZR 207/90, WM 1991, 1912, 1915; Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 254 Rdn. 53 m.w.Nachw.) gilt gleichermaßen auch für die Abwägung der Mitverantwortlichkeiten nach § 341 ZGB. Auch nach dieser Vorschrift war dem Geschädigten, dessen Pflichtverletzung gegenüber dem Verantwortungsbeitrag des Schädigers gering wog, regelmäßig ein Ersatzanspruch in voller Höhe zuzubilligen (vgl. Posch aaO S. 205).
- 35
Da insoweit keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat selbst entscheiden, daß entsprechend der vorgenannten Abwägungsregel, von der abzuweichen hier kein Anlaß besteht, eine etwaige Fahrlässigkeit der Klägerin hinter dem vorsätzlichen Verhalten des Beklagten zurückträte und deshalb eine Minderung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 341 ZGB nicht in Betracht kommt.
- 36
2. Gleichwohl kann die Revision der Klägerin nicht in vollem Umfang Erfolg haben. Der unberechtigten Minderung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin hinsichtlich des zweiten Umstellungsbetrags wegen mitwirkenden eigenen Verschuldens durch das Berufungsgericht steht nämlich eine um 313,68 DM zu hoch ausgefallene Bemessung des Schadensumfangs gegenüber. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den zweiten Umstellungsbetrag in voller Höhe als Schaden der Klägerin angesehen und nicht die von dieser einbehaltene Gebühr von 313,68 DM in Abzug gebracht. Es ist nicht zu erkennen, woraus sich gegen den Beklagten, der in keiner vertraglichen Beziehung zur Klägerin stand und zur Teilnahme am Transferrubel-Abrechnungsverfahren nicht berechtigt war, ein Gebührenanspruch ergeben sollte. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, daß ihr bei der Bearbeitung des Umstellungsvorgangs Kosten in Höhe von 313,68 DM entstanden wären.
- 37
3. Von den der Klägerin nach alledem zuzusprechenden weiteren 51.964,85 DM kann sie gemäß §§ 330, 336 f. ZGB auch die geltend gemachten Zinsen verlangen.
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