Verletzung rechtlichen Gehörs: Heilung der fehlenden Mitteilung an die Parteien über die zur Selbstablehnung eines Richters führenden Gründe; Unzulässigkeit der Revision; verfahrensinterne Überprüfbarkeit
Leitsatz
1. Erklärt das Oberlandesgericht die Selbstablehnung eines Richters für begründet, ohne die von dem Richter angezeigten, eine Ablehnung rechtfertigenden Gründe vorher den Parteien mitgeteilt zu haben, so ist eine Beschwerde gegen die Entscheidung trotz des Verstoßes gegen GG Art 103 Abs 1 (vergleiche BVerfG, 1993-06-08, 1 BvR 878/90, NJW 1993, 2229) nicht zulässig.
2. Das Oberlandesgericht kann seine Entscheidung über die Selbstablehnung jedoch auf Gegenvorstellungen einer Partei überprüfen.
3. Mit der Revision kann der Verstoß gegen GG Art 103 Abs 1 jedenfalls dann nicht mehr gerügt werden, wenn es der Revisionskläger, nachdem ihm durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts die Kenntnis von den Ablehnungsgründen vermittelt worden war, versäumt hat, sich durch Gegenvorstellungen beim Oberlandesgericht noch rechtzeitig vor der Sachentscheidung rechtliches Gehör zu verschaffen.















vorgehend LG München II, 24. September 1992, 5 O 3193/91
Vergleiche BFH 7. Senat, 9. Dezember 1997, VII B 223/97
Vergleiche BFH 7. Senat, 7. November 1995, VII B 204/95
Vergleiche BFH 7. Senat, 20. September 1995, VII B 150/95
Vergleiche BFH 10. Senat, 14. Juli 1995, X B 330/94
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Januar 1994 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Beklagte, eine Bausparkasse, hatte mit dem Kläger einen Bausparvertrag über 150.000 DM geschlossen. Am 30. November 1972 übersandte sie ihm einen Zuteilungsvorbescheid mit der Bestätigung, der Bausparvertrag werde "nach unserer unverbindlichen Schätzung in etwa 1/2-1 Jahren zugeteilt" werden. Danach heißt es weiter:
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"Das Sparguthaben beträgt DM rd. 15.000,--, das Bauspardarlehen DM rd. 135.000,--.
- 3
Das Bauspardarlehen ist unkündbar und mit 5% jährlich zu verzinsen. Bis auf weiteres erheben wir nur 4 1/2% jährlich Zinsen.
- 4
Zur Verzinsung und Tilgung ist eine monatliche Rate von 5 v.T. der Bausparsumme zu zahlen, d.s. DM 750,--. Daraus ergibt sich eine Jahresleistung von DM 9.000,--.
- 5
Das Bauspardarlehen ist unter Zuwachs der ersparten Zinsen in rd. 16 Jahren zurückgezahlt. Bei Errechnung dieser Tilgungsdauer wurde der Zinssatz von 4 1/2% jährlich zugrunde gelegt."
- 6
Die Angaben über die monatlichen Raten wurden durch folgende Fußnote ergänzt:
- 7
"Ist das Sparguthaben bei der Zuteilung geringer als ein Drittel der Bausparsumme, beträgt der Tilgungsbeitrag im Tarif I DM 12,--, im Tarif II DM 7,10, im Tarif III DM 5,70 je Tausend der Bausparsumme."
- 8
Ferner enthält der Vorbescheid den maschinenschriftlichen Satz:
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"Der Bausparvertrag wird nur in Höhe eines Teilbetrages von DM 135.000,-- (einschl. Guthaben) zur Finanzierung des Bauvorhabens in N. in Anspruch genommen."
- 10
Mit Schreiben vom 15. Februar 1973 teilte die Beklagte dem Kläger die Zuteilung seines Bausparvertrags mit. Dabei bezog sie sich auf die "uns eingereichten Unterlagen bzw. Ihre Angaben bei der Anforderung des Bauspardarlehens" und bezifferte den tariflichen Tilgungsbeitrag (einschließlich Darlehenszinsen) mit 855 DM monatlich; Angaben über die Zinshöhe und die Tilgungsdauer wurden nicht gemacht. Die Bausparsumme von 150.000 DM, die sich aus einer Ansparsumme von 13.485,34 DM und einem Darlehensbetrag von 136.514,66 DM zusammensetzte, wurde auf Wunsch des Klägers in Teilbeträgen von 135.000 DM und 15.000 DM auf zwei verschiedene Konten überwiesen; nur der größere Teilbetrag diente der Baufinanzierung.
- 11
Bis einschließlich März 1991 erbrachte der Kläger alle von der Beklagten geforderten Monatsraten; dann stellte er seine Zahlungen ein. Er beruft sich auf die Angabe einer Tilgungsdauer von rund 16 Jahren im Zuteilungsvorbescheid. Die Beklagte fordert dagegen von ihm weitere 23.143,69 DM nebst Zinsen. Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß der Beklagten aus dem Bausparvertrag kein weiterer Zahlungsanspruch mehr zusteht. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.
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Mit seiner - zugelassenen - Revision erstrebt der Kläger eine Aufhebung des Berufungsurteils mit der Begründung, das Oberlandesgericht habe bei der Entscheidung über die Selbstablehnung des Vorsitzenden Richters Dr. K. den Grundsatz des rechtlichen Gehörs sowie des gesetzlichen Richters verletzt; außerdem sei das Berufungsgericht nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil die Berichterstattung nach dem Ausscheiden des ursprünglichen Berichterstatters Dr. S. nicht dessen Nachfolger, sondern dem Richter Dr. M. übertragen worden sei. In der Sache verfolgt der Kläger seinen negativen Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Das Rechtsmittel des Klägers hat keinen Erfolg.
I.
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Die mit der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
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1. Zwar gebietet Art. 103 Abs. 1 GG, daß alle von einem Richter gemäß § 48 Abs. 1 ZPO angezeigten Ablehnungsgründe den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt werden, damit sie dazu Stellung nehmen können (BVerfG NJW 1993, 2229). Das Berufungsgericht durfte sich daher nicht darauf beschränken, den Parteivertretern den Inhalt der Anzeige des Vorsitzenden Richters Dr. K. vom 19. Januar 1993 mitzuteilen, sondern hätte ihnen auch Kenntnis von dessen ergänzender Äußerung vom 13. Oktober 1993 geben müssen, ehe es die Anzeige durch Beschluß vom 22. Oktober 1993 für begründet erklärte und sich dabei ausdrücklich auf Umstände stützte, die der Richter nur in seiner Ergänzungsäußerung angezeigt hatte.
- 16
Auf dieses Versäumnis des Berufungsgerichts kann der Kläger jedoch seine Revision nicht stützen.
- 17
Nach § 46 Abs. 2 ZPO findet gegen Beschlüsse, die eine Ablehnung für begründet erklären, kein Rechtsmittel statt; dem Endurteil vorausgehende Entscheidungen der Oberlandesgerichte über ein Ablehnungsgesuch unterliegen nach §§ 548, 567 Abs. 4 ZPO auch im Revisionsverfahren nicht der Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof (BGHZ 95, 302, 306).
- 18
Es kann offen bleiben, ob § 46 Abs. 2 ZPO auch dann uneingeschränkt gilt, wenn einer Partei vor der Entscheidung über die Mitwirkung eines bestimmten Richters nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden ist und daher auch ihr verfassungsmäßig garantierter Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) beeinträchtigt sein kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es in erster Linie Aufgabe der Fachgerichte, in ihrem Verfahren eingetretene Grundrechtsverstöße zu beseitigen; schon die Prozeßökonomie gebietet eine solche Selbstkorrektur, um eine unnötige Belastung des Bundesverfassungsgerichts durch Verfassungsbeschwerden zu vermeiden (BVerfG NJW 1987, 1319). Auch wenn man die Statthaftigkeitsnormen für Rechtsmittel daher möglichst extensiv auslegt und auch analog anwendet (MünchKomm ZPO/Lüke Einl. Rdn. 136 m.w.Nachw.) und wegen eines Grundrechtsverstoßes trotz § 46 Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde zum Berufungsgericht für zulässig erachtet (so OLG Frankfurt MDR 1979, 940; zustimmend MünchKomm ZPO/Feiber § 46 Rdn. 2), muß es jedenfalls dabei bleiben, daß eine sofortige Beschwerde zum Bundesgerichtshof durch § 567 Abs. 4 ZPO ausgeschlossen ist, wenn es um die Anfechtung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte geht; auch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs eröffnet für sich keine weitere Instanz (BVerfG NJW 1982, 1454 m.w.Nachw.; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1989 - III ZR 111/88 = NJW 1990, 838). Vielmehr ist, wenn das Oberlandesgericht die Ablehnung eines Richters unter Verletzung des rechtlichen Gehörs für begründet erklärt hat, die Zulassung von Gegenvorstellungen der gebotene Weg, den Grundrechtsverstoß durch Selbstkorrektur zu beseitigen; das ist für vergleichbare Fälle bereits seit langem anerkannt (BVerfG NJW 1987, 1319; OLG Düsseldorf MDR 1968, 767). Darauf muß sich eine Partei verweisen lassen, die einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügen will. Läßt sie die Möglichkeit, beim Oberlandesgericht Gegenvorstellungen zu erheben, ungenutzt, so kann sie später nicht mit der Revision den Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG als Verfahrensfehler rügen. Insoweit muß auch für das Revisionsverfahren der vom Bundesverfassungsgericht für die Verfassungsbeschwerde entwickelte Grundsatz gelten, daß sich auf Art. 103 Abs. 1 GG nur berufen kann, wer im vorangegangenen Verfahren alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerfGE 28, 10, 14).
- 19
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob eine Partei, die Gegenvorstellungen nicht mehr rechtzeitig erheben konnte, weil sie vor Erlaß des Berufungsurteils ohne Verschulden keine Kenntnis von der Grundrechtsverletzung erhalten hatte, eine entsprechende Verfahrensrüge noch im Rahmen einer Revision erheben kann, die aus anderen Gründen zulässig ist. So lag es hier nicht: Aus der Begründung des Beschlusses vom 22. Oktober 1993, der den Parteivertretern am 16. November 1993 übermittelt wurde, ergab sich, daß das Oberlandesgericht seine Entscheidung über die Selbstablehnung auf von dem Richter angezeigte Befangenheitsgründe stützte, die den Parteien vorher nicht mitgeteilt worden waren. Wenn der Kläger das Vorliegen dieser Gründe bestreiten wollte, hätte er sich durch Gegenvorstellungen rechtliches Gehör verschaffen können und müssen, ehe das Berufungsgericht unter Mitwirkung eines anderen Richters in der Sache entschied. Der Kläger durfte nicht den Ausgang des Verfahrens abwarten, um dann erst das für ihn ungünstige Urteil mit der Revisionsrüge anzugreifen, ihm sei vom Oberlandesgericht nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden.
- 20
2. Ohne Erfolg bleibt auch die auf § 551 Nr. 1 ZPO gestützte Rüge, nach dem Ausscheiden des ursprünglichen Berichterstatters Dr. S. habe die Berichterstattung nicht dem Richter M. übertragen werden dürfen. Nach § 21 g Abs. 1 GVG ist der Vorsitzende in der Auswahl des Berichterstatters frei; er kann diese Aufgabenverteilung innerhalb des gesetzlichen Spruchkörpers auch jederzeit ändern (Kissel GVG 2. Aufl. § 21 g Rdn. 14). Einer Selbstbindung des Vorsitzenden gemäß § 21 g Abs. 2 GVG unterliegt die Auswahl des Berichterstatters nur dann, wenn sie zugleich eine Bestimmung bewirkt, welcher oder welche Richter an der Sache mitzuwirken haben (BGH, Beschluß vom 5. Mai 1994 - VGS 1-4/93 = ZIP 1994, 809, 814; Kissel aaO). Daß das hier der Fall gewesen wäre, wird in der Revisionsbegründung nicht dargelegt.
II.
- 21
Auch materiell-rechtlich ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden.
- 22
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Der Darlehensvertrag zwischen den Parteien sei durch das - im Zuteilungsschreiben vom 15. Februar 1973 enthaltene - Angebot der Beklagten und die Annahme des Klägers zustande gekommen, die in der Entgegennahme des Geldes gelegen habe. Die Angabe einer Rückzahlungsdauer von rund 16 Jahren in dem Zuteilungsvorbescheid vom 30. November 1972 sei nicht Vertragsgegenstand geworden. Da diese Angabe falsch gewesen sei, komme zwar ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung oder culpa in contrahendo in Betracht. Der Kläger habe aber nicht den ihm obliegenden Beweis geführt, daß er bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die wahre Rückzahlungsdauer in Höhe von 15.000 DM auf eine Darlehensaufnahme ganz verzichtet oder anderweitig ein für ihn günstigeres Kreditangebot erhalten und angenommen hätte.
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2. Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
- 24
a) Vergeblich wendet sich die Revision dagegen, daß Landgericht und Oberlandesgericht - insoweit übereinstimmend - eine Darlehenstilgungsdauer von rund 16 Jahren nicht als vertraglich vereinbart angesehen haben. Unstreitig enthält das Zuteilungsschreiben vom 15. Februar 1973, das auch der Kläger als Darlehensvertragsangebot wertet, keine solche Zeitangabe. Ebensowenig läßt sich aus den - dem Vertrag zugrunde gelegten - Allgemeinen Bausparbedingungen der Beklagten (ABB) herleiten, daß der Kläger die vertraglich festgelegten Tilgungsraten nur 16 Jahre lang zu leisten brauchte. Zu Unrecht meint die Revision, insoweit sei der Zuteilungsvorbescheid vom 13. November 1972 zur Vertragsauslegung heranzuziehen. Das Zuteilungsschreiben der Beklagten nahm auf diesen Vorbescheid nicht Bezug; es bestimmte vielmehr den vom Kläger zu leistenden monatlichen Tilgungsbeitrag selbständig und abweichend von dem Vorbescheid. Der sonstige notwendige Inhalt des Darlehensvertrags, insbesondere der Zinssatz, ergab sich aus den ABB; es bedurfte keines Rückgriffs auf den Vorbescheid. Soweit dieser Angaben über die Höhe des Sparguthabens und des Darlehensbetrags enthielt, war ohnehin eine neue, genauere Berechnung für den Zeitpunkt der Auszahlung der Bausparsumme nötig.
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Auch hinsichtlich der Tilgungsdauer konnte der Kläger nicht davon ausgehen, daß die Beklagte die im Vorbescheid enthaltene Angabe "rd. 16 Jahre" zum verbindlichen Bestandteil ihres Darlehensvertragsangebots machen wollte. Auch insoweit bedurfte es keines Rückgriffs auf die frühere, auf unsicheren Grundlagen beruhende Schätzung; vielmehr ließ sich die Tilgungsdauer nunmehr aus den feststehenden Vertragsdaten genau berechnen.
- 26
Hinzu kommt hier, daß die Tilgungszeitangabe im Vorbescheid schon mit den damals angenommenen Daten nicht vereinbar war. Das steht jetzt außer Streit. Es war aber - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auch von vornherein für den Kläger erkennbar: Bei einer mit 750 DM bezifferten Monatsrate ergab sich für 16 Jahre ein Gesamtzahlungsbetrag von 144.000 DM. Wenn damit bereits das Darlehen von rund 135.000 DM getilgt sein sollte, entfielen auf die Zinsen für die Gesamtlaufzeit von 16 Jahren nur 9.000 DM. Schon bei einer groben Überschlagsrechnung war klar, daß ein solch geringer Betrag in unauflösbarem Widerspruch zum angegebenen Jahreszinssatz von 4,5% stand. Als Erklärung konnte sich die Vermutung aufdrängen, daß die Beklagte in dem Vorbescheid auch bei der Schätzung der Tilgungsdauer - ebenso wie bei der Berechnung der Monatsraten mit nur 5 v.T. der Bausparsumme - nicht von der angegebenen Höhe des Sparguthabens (rund 15.000 DM) ausgegangen war, sondern den Fall zugrunde gelegt hatte, daß das Guthaben bei Zuteilung ein Drittel der Bausparsumme umfassen, das zu tilgende Darlehen mithin nur zwei Drittel, hier also 100.000 DM, betragen werde. Das war allerdings schon bei Erteilung des Vorbescheids nicht zu erwarten. Bei Abschluß des Darlehensvertrags stand jedenfalls fest, daß nicht einmal 10% der Bausparsumme angespart waren, das zu tilgende Darlehen also über 135.000 DM betrug. Auch wenn die vom Kläger zu erbringende Monatsrate nunmehr zutreffend mit 855 DM angegeben war und die bei einer Tilgungsdauer von 16 Jahren zu zahlenden Zinsen sich damit auf (12 x 855 DM x 16 = 164.160 DM - 135.000 DM =) knapp 30.000 DM erhöhten, blieb ein solcher Betrag immer noch weit unter der Zinsbelastung, mit der der Kläger sogar bei einem Jahreszinssatz von nur 4,5% in 16 Jahren rechnen mußte. Die Annahme, die Beklagte habe dem Kläger trotzdem bei der Zuteilung die Vereinbarung einer solchen Tilgungsdauer angeboten, unterstellt ihr den Willen, gegenüber dem Kläger entweder auf einen erheblichen Teil ihres Darlehensrückzahlungsanspruchs zu verzichten oder sich mit einem Bruchteil der Zinsen zufrieden zu geben, die in ihren ABB vorgesehen waren. Von einer solchen Auslegung des Darlehensvertragsangebots konnte auch der Kläger nicht ausgehen. Auch aus der Sicht des Erklärungsempfängers war erkennbar, daß die Beklagte die nur im Vorbescheid enthaltene Tilgungszeitangabe nicht stillschweigend auch zum Inhalt ihres Vertragsangebots machen wollte, sondern daß es sich dabei nur um eine vorläufige, unverbindliche Schätzung gehandelt hatte. Wenn der Kläger eine vertraglich bindende Begrenzung seiner Rückzahlungsverpflichtung auf 16 Jahre wünschte, hätte er vor der Inanspruchnahme des Darlehens eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung herbeiführen müssen.
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b) Ohne Erfolg bleibt die Revision auch, soweit der Kläger der Restforderung der Beklagten aus dem Darlehensvertrag einen eigenen Schadensersatzanspruch entgegensetzen will.
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Zwar kann darin, daß die Beklagte im Zuteilungsvorbescheid die Tilgungsdauer zu kurz angegeben und den Kläger auch später, bei Abschluß des Darlehensvertrags, nicht darüber aufgeklärt hat, wie lange er in Wahrheit bei einer vollen Inanspruchnahme des zugeteilten Darlehens die vorgesehenen Monatsraten werde zahlen müssen, eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung liegen; ein daraus hergeleiteter Anspruch richtet sich auf Ersatz des Schadens, den der Kläger erlitten hat, weil er darauf vertraute, von der Beklagten richtig aufgeklärt und beraten worden zu sein. Als Schaden will die Revision die Zinsen ansehen, die der Kläger hätte weniger zahlen müssen, wenn er sich statt der gesamten Bausparsumme von 150.000 DM nur 135.000 DM hätte auszahlen lassen.
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Mit Recht hat das Berufungsgericht eine Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz dieses Schadens jedenfalls an der mangelnden Kausalität scheitern lassen. Notwendig war die Feststellung, daß der Kläger, wenn er über die Dauer seiner Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, in Höhe der 15.000 DM, die er für seine Baufinanzierung nicht benötigte, auf die Inanspruchnahme des zugeteilten Darlehens verzichtet hätte. Diese Feststellung hat das Berufungsgericht nicht treffen können. Die Folgen hat der Kläger zu tragen. Zwar gilt der Grundsatz, daß den Geschädigten die Beweislast für die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden trifft, nicht ausnahmslos; nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht bei einer Aufklärungspflichtverletzung eine Kausalitätsvermutung für "aufklärungsrichtiges" Verhalten. Diese Beweislastumkehr ist gerechtfertigt, wenn es für den Aufklärungsbedürftigen vernünftigerweise nur eine bestimmte Möglichkeit der Reaktion auf die vollständige Aufklärung gibt und ein Entscheidungskonflikt ausscheidet (Senatsurteil vom 10. Mai 1994 - XI ZR 115/93 = WM 1994, 1466, 1467 m.w. Nachw.). Soweit sich diese Voraussetzungen der Beweislastumkehr aber nicht bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben, muß der Anspruchsteller sie darlegen und beweisen. Der Kläger hat sich insoweit auf den Vortrag beschränkt, er habe die 15.000 DM "nicht benötigt", sondern "im Rahmen seiner privaten Lebensführung verbraucht". Damit ist nicht hinreichend dargetan, daß es für ihn bei rechtzeitiger Aufklärung über die Darlehenslaufzeit nur ein aufklärungsrichtiges Verhalten gegeben hätte. Ein Bausparer kann durchaus in einen Entscheidungskonflikt kommen, wenn er vor der Wahl steht, ein ihm zugeteiltes Bauspardarlehen, obwohl er es nur teilweise benötigt, wegen der besonders günstigen - durch die niedrige Verzinsung seines Guthabens in der Ansparphase erkauften - Konditionen in voller Höhe in Anspruch zu nehmen und mit dem Restbetrag seine private Lebensführung zu verbessern oder darauf mit Rücksicht auf die verlängerte Zins- und Tilgungsbelastung zu verzichten.
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Die Rüge, das Berufungsgericht habe den Kläger gemäß § 448 ZPO als Partei darüber vernehmen müssen, daß er bei richtiger Aufklärung das Darlehen der Beklagten in Höhe von 15.000 DM nicht in Anspruch genommen hätte, hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).
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