Auslegung einer Finanzierungsvereinbarung zwischen einem Kreditinstitut und der Hausbank eines Autohändlers
Orientierungssatz
1. Zur Auslegung einer Finanzierungsvereinbarung zwischen einem Kreditinstitut und der Hausbank eines Autohändlers, wonach die Finanzierung von vom Autohändler beim Hersteller gekauften Kraftfahrzeugen durch das Kreditinstitut in der Weise erfolgte, daß dieses der Hausbank für jedes finanzierte Kraftfahrzeug unter Beifügung des Kraftfahrzeugbriefs einen Inkassoauftrag übersandte, und der Autohändler die der Hausbank zum Inkasso vorliegenden Kraftfahrzeugbriefe per Scheck abzulösen hatte.



vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 20. Mai 1987, 12 O 3458/86
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. März 1988 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Oldenburg vom 20. Mai 1987 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Tatbestand
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Die klagende Bank finanzierte auf der Grundlage einer Anfang 1984 geschlossenen Rahmenfinanzierungsvereinbarung mit dem Autohaus Gebrüder S GmbH in L Kraftfahrzeuge, die das Autohaus S bei der C Automobil AG in K bestellte. In die Abwicklung der Rahmenfinanzierungsvereinbarung war die Beklagte, die Hausbank des Autohauses S, aufgrund eines Treuhandvertrages mit der Klägerin eingeschaltet.
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Dabei wurde zunächst wie folgt verfahren: Die Klägerin, die den Kaufpreis der von ihr finanzierten Fahrzeuge unmittelbar an die C AG zahlte und dafür zur Sicherheit das Eigentum an den Fahrzeugen erhielt, übersandte der Beklagten für jedes von ihr finanzierte Fahrzeug einen Inkasso-Auftrag, dem der Kraftfahrzeugbrief beigefügt war. Nach dem Inhalt der Inkasso-Aufträge durfte die Beklagte dem Autohaus S die Kraftfahrzeugbriefe nur aushändigen, wenn der jeweilige Inkasso-Betrag überwiesen wurde. Dieses Verfahren wurde reibungslos praktiziert.
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In einem Schreiben vom 15. August 1984, mit dessen Inhalt die Beklagte sich am 3. September 1984 schriftlich einverstanden erklärte, teilte die Klägerin der Beklagten unter anderem folgendes mit:
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"Unser gemeinsamer Kunde beabsichtigt, die Ihnen zum Inkasso vorliegenden Kraftfahrzeugbriefe per Scheck abzulösen.
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Wir erklären uns mit dieser Abwicklung einverstanden, sofern Sie die Einlösung der jeweiligen Schecks anstelle der bisherigen Überweisung des Inkasso-Betrages sicherstellen. Die Schecks selbst sollen weder von Ihnen bestätigt noch indossiert werden, sondern Sie sollen sich lediglich mit der Handhabung einverstanden erklären, daß im Fall der Herausgabe eines Kraftfahrzeugbriefes ein entsprechender Teil des Kreditrahmens des Kunden zumindest in Inkasso-Höhe bis zur Einlösung des gezogenen Schecks gesperrt bleibt."
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Die Beklagte richtete daraufhin für das Autohaus S ein Sonderkonto ein, das ausschließlich der Abwicklung von Zahlungen an die Klägerin im Rahmen der Inkasso-Aufträge dienen sollte. In der Folgezeit schrieb die Beklagte jedesmal, wenn sie dem Autohaus S einen Kraftfahrzeugbrief aushändigte, den entsprechenden Betrag dem Sonderkonto gut. Das Autohaus S sandte ohne Mitwirkung der Beklagten der Klägerin Schecks über die Inkasso-Beträge, die auf das Sonderkonto gezogen waren. Die Klägerin ihrerseits sandte die Schecks nach Abtrennung der Abschnitte, aus denen sich die Fahrgestellnummern ergaben, an die Beklagte. Diese löste alle ihr von der Klägerin übersandten, von dem Autohaus S auf das Sonderkonto gezogenen Schecks ohne weitere Überprüfung ein. Auch dieses Verfahren wurde längere Zeit reibungslos gehandhabt.
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Im März und Mai 1986 gab die Beklagte vier Kraftfahrzeugbriefe an das Autohaus S heraus und schrieb die entsprechenden Inkasso-Beträge in Höhe von insgesamt 46.306,99 DM dem Sonderkonto gut. Das Autohaus S veräußerte die Fahrzeuge an Dritte, übersandte der Klägerin jedoch keine Schecks über die Inkasso-Beträge. Das Guthaben auf dem Sonderkonto wurde bis auf einen kleinen Restbetrag dadurch verbraucht, daß die Beklagte zugunsten der Klägerin drei Schecks des Autohauses S einlöste, die auf das Sonderkonto gezogen waren, jedoch nicht im Zusammenhang mit Inkasso-Aufträgen der Klägerin an die Beklagte standen. Das Autohaus S ist inzwischen zahlungsunfähig geworden.
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Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Sie wirft der Beklagten vor, ihre Pflichten aus dem Treuhandvertrag dadurch verletzt zu haben, daß sie die Kraftfahrzeugbriefe herausgegeben habe, ohne die Ausstellung und Einlösung entsprechender Schecks sicherzustellen.
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Das Landgericht hat die Klage, die wegen der vier Inkasso-Beträge auf 46.306,99 DM und wegen eines anderen von der Klägerin geltend gemachten Schadensvorfalls auf weitere 16.255,43 DM gerichtet war, in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg und führte zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 46.306,99 DM nebst Zinsen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
I.
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Das Berufungsgericht hält die Beklagte für verpflichtet, Schadensersatz in Höhe von 46.306,99 DM nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen, weil die Beklagte ihre Pflichten als Inkasso-Bank schuldhaft verletzt und der Klägerin dadurch Schaden zugefügt habe. Das Gericht legt die Vereinbarungen der Parteien dahin aus, daß es auch nach dem Übergang zur Scheckzahlung ausgeschlossen sein sollte, daß die Klägerin ohne die vollständige Bezahlung der Kraftfahrzeuge ihr Eigentum an den Fahrzeugen und den Kraftfahrzeugbriefen verlor. Für die Beklagte sei erkennbar gewesen, daß die Klägerin in gleicher Weise wie bisher gesichert bleiben und der Beklagten lediglich die konkrete Art und Weise der Sicherstellung überlassen sein sollte. Eine solche Sicherung sei der Beklagten auch möglich und zumutbar gewesen. Die Beklagte hätte beispielsweise die Kraftfahrzeugbriefe nur Zug um Zug gegen Aushändigung der von dem Autohaus S ausgestellten Schecks aushändigen und selbst die Weiterleitung der Schecks an die Klägerin veranlassen können. Die Beklagte hätte nach der Ansicht des Berufungsgerichts statt dessen auch die Weiterleitung der Schecks an die Klägerin dem Autohaus S überlassen, sich aber Schecknummer und Betrag notieren und die spätere Scheckvorlage kontrollieren können. Diese Pflichten habe die Beklagte verletzt.
II.
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Diese Begründung wird von der Revision mit Recht angegriffen. Die Auslegung der Vereinbarung vom 15. August/ 3. September 1984 hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen.
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Die Überlegung, die Rechtsposition der Klägerin habe durch die Änderung der Inkasso-Abwicklung nicht verschlechtert werden sollen, es sei Sache der Beklagten gewesen, welche konkreten Sicherungsvorkehrungen sie zu diesem Zweck traf, bürdet das mit der Änderung der Abwicklung für die Klägerin verbundene Risiko allein der Beklagten auf. Sie läßt außer Betracht, daß der Beklagten lediglich das Ergebnis der neuen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Autohaus S mit der Bitte um Zustimmung zu dem geänderten Verfahren mitgeteilt worden ist und die Beklagte davon ausgehen durfte, daß die Klägerin als in der Abwicklung einschlägiger Kredite besonders erfahrenes Kreditinstitut vor ihrer Einwilligung in die allein im Interesse des Kunden liegende Änderung diese Risiken in geeigneter Weise ausgeräumt hatte oder für tragbar hielt. Aus dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen landgerichtlichen Urteil ergibt sich im übrigen, daß die Klägerin mit Schreiben vom 16. August 1984 dem Autohaus S unter Übersendung einer Kopie des Schreibens an die Beklagte für die Zukunft die "Ablösung der Fahrzeuge in der folgenden Form" gestattete:
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"Anstelle der Durchführung von Überweisungen übersenden Sie uns Verrechnungsschecks Ihrer Hausbank in der Höhe der jeweiligen Inkassoaufträge mit Angabe der vollständigen Fahrgestellnummer. Die Einlösung der Schecks muß von Ihrer Bank garantiert werden."
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Angesichts dieser ausdrücklichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Autohaus S und der Tatsache, daß die Klägerin demgemäß in den folgenden 18 Monaten die unmittelbare Übersendung der Schecks ohne Einschaltung der Beklagten hingenommen hat, entbehrt die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nach den Vereinbarungen zwischen den Parteien die Kraftfahrzeugbriefe nur gegen Aushändigung eines entsprechenden Schecks herausgeben dürfen und die Weiterleitung der Schecks an die Klägerin selbst übernehmen müssen, einer tatsächlichen Grundlage. Auf andere Weise war aber eine Sicherung der Klägerin nicht möglich. Die vom Berufungsgericht als alternative Lösung in Betracht gezogene Möglichkeit für die Beklagte, sich Schecknummer und Scheckbetrag zu notieren, die Übersendung des Schecks an die Klägerin aber dem Autohaus S zu überlassen, hätte die erstrebte Sicherungsfunktion nicht erfüllen können. Eine derartige Vorkehrung hätte der Beklagten nur die Zuordnung der eingereichten Schecks zu den einzelnen Inkasso-Aufträgen erleichtert und die Einlösung anderer von der Klägerin übersandter Schecks über das Sonderkonto vermieden. Das im vorliegenden Fall verwirklichte Risiko, daß das Autohaus S der Klägerin keine Schecks mehr übersandte, wurde dadurch nicht beseitigt oder auch nur verringert.
III.
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Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat die Vereinbarungen zwischen den Parteien selbst auslegen (vgl. BGHZ 65, 107, 112 m.w.Nachw.; BGH, Urteil vom 17. September 1980 – IVb ZR 550/80, NJW 1981, 51, 52). Die Auslegung des Schreibens an die Beklagte vom 15. August 1984 in Verbindung mit dem Schreiben an das Autohaus S vom 16. August 1984 und mit der tatsächlichen Abwicklung in der Folgezeit ergibt, daß die Beklagte ausschließlich verpflichtet war, in der ihr geeignet erscheinenden Weise die Einlösung der vom Autohaus S zugunsten der Klägerin ausgestellten Schecks sicherzustellen, soweit sie Geschäfte betrafen, die Gegenstand eines ihr erteilten Inkasso-Auftrags waren. Ihre Zustimmung zu der nicht auf ihre Initiative zurückgehenden und auch sonst ohne ihre Mitwirkung vereinbarten Änderung der Abwicklung läßt sich nicht als Übernahme der zusätzlichen Verpflichtung deuten, die mit dieser Änderung für die Klägerin als Bankinstitut verbundenen erhöhten Risiken auszuräumen. Die für den entstandenen Schaden maßgebliche Gefahr, daß das Autohaus S für einzelne Inkassoaufträge keine Schecks übersandte, beruht allein auf der von der Klägerin gestatteten, für die Beklagte nicht kontrollierbaren unmittelbaren Scheckübersendung. Wenn die Klägerin das darin liegende Risiko nicht tragen wollte, hätte sie eine andere Art der Abwicklung vereinbaren, z.B. die Beklagte anweisen müssen, die Kraftfahrzeugbriefe nur gegen Übergabe entsprechender Schecks auszuhändigen und diese Schecks selbst zu übersenden. Die Beklagte hatte nach den Gesamtumständen keinen Anlaß und auch kein Recht, in die ihr in den Einzelheiten nicht bekannten Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrem Kunden einzugreifen, indem sie von sich aus das Abwicklungsverfahren komplizierte und die mit der Änderung erstrebten Vorteile möglicherweise ganz oder teilweise beseitigte.
IV.
- 17
Es fehlt somit an einer für den Schaden der Klägerin ursächlichen Pflichtverletzung der Beklagten. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin erweist sich damit als unbegründet. Das Berufungsurteil mußte daher, soweit es zum Nachteil der Beklagten entschieden hat, aufgehoben werden. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, war gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.
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