Voraussetzungen der Bewirkung des Leistungserfolges bei einer Geldschuld; Erstreckung des öffentlichen Glaubens des Grundbuches auf die persönliche Verpflichtung aus einer Sicherungsgrundschuld
Leitsatz
1. Bei einer Geldschuld wird der geschuldete Leistungserfolg nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält und ihn behalten darf.
2. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs gilt nur im Falle der Leistung auf die eingetragene dingliche Schuld. Der auf eine Sicherungsgrundschuld Leistende wird von der persönlichen Verpflichtung nicht frei.








vorgehend LG Gießen, 8. Dezember 1993, 3 O 99/93
nachgehend BVerfG 2. Senat 2. Kammer, 13. August 1997, 2 BvR 540/96, Kammerbeschluss
Vergleiche Finanzgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat, 11. Dezember 2008, 6 K 2270/07
Vergleiche BFH 7. Senat, 28. August 2008, VII B 222/07
Vergleiche BFH 9. Senat, 24. August 2004, IX R 28/02
Anschluß Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 5. Zivilsenat, 20. Februar 2002, 5 U 153/01
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Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Kerwer, 8. Auflage 2017, § 362 BGB
● Reischl, 8. Auflage 2017, § 1138 BGB
● Toussaint, 8. Auflage 2017, § 893 BGB
Tenor
Die Revision des Beklagten zu 1) gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 1995 wird nicht angenommen.
Der Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 268.445 DM (§ 19 Abs. 3 GKG).
Gründe
- 1
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg. Dem Beklagten zu 1) ist es nicht gelungen, durch eine Zahlung von 106.000 DM sowohl den Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin aus § 670 BGB als auch die Briefgrundschuld der Sparkasse G., die nicht diesen, sondern eine Forderung gegen die frühere Beklagte zu 2) sicherte, zu erfüllen.
- 2
1. Zugunsten des Beklagten zu 1) wird davon ausgegangen, daß er bei Ablösung der Grundschuld gutgläubig annahm, diese sichere den Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin, und daß er auch auf diesen Anspruch leisten wollte. Die Zahlung hat gleichwohl nicht zum Erlöschen der Forderung der Klägerin geführt, da der Beklagte zu 1) die geschuldete Leistung nicht bewirkt hat (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Erfüllungstatbestand besteht in der Herbeiführung des geschuldeten Leistungserfolges (BGHZ 87, 156, 162; BGH, Urteil vom 3. Dezember 1990 - II ZR 215/89, WM 1991, 454, 455). Bei einer Geldschuld wird dieser Erfolg mangels anderer Vereinbarung nur dann erzielt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, so ist der Leistungserfolg nicht eingetreten.
- 3
So liegt der Fall hier; die Klägerin mußte den vom Beklagten zu 1) gezahlten Betrag aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. Juli 1992 an die Sparkasse G. herausgeben (§ 816 Abs. 2 BGB) und hat dies getan. Die Zahlung des Beklagten zu 1) hat nur zur vorläufigen Befriedigung der Klägerin geführt. Daß sie seine Zahlung als Erfüllung angenommen hat, ändert nichts. Die Annahme einer unzureichenden Leistung als Erfüllung führt nach § 363 BGB nur zur Umkehr der Beweislast, nicht zum Erlöschen des Schuldverhältnisses nach § 362 Abs. 1 BGB.
- 4
2. Entgegen der Ansicht der Revision hat die Zahlung auch nach § 893 BGB keine Erfüllungswirkung. Nach dieser Vorschrift gilt für den gutgläubig Leistenden der im Grundbuch eingetragene Nichtberechtigte als der wahre Berechtigte, bei Briefrechten allerdings nur, wenn er - wie hier - im Besitz des Briefes ist. Der gutgläubig Leistende wird dann von seiner Verpflichtung frei. Voraussetzung ist allerdings, daß die Leistung gerade auf die eingetragene dingliche Schuld und nicht auf die persönliche erfolgt. Denn nur für dingliche Rechte gilt der öffentliche Glaube des Grundbuchs. Für Leistungen auf obligatorische Ansprüche gewährt § 893 BGB keinen Schutz (MünchKomm/Wacke, BGB 2. Aufl. § 893 Rdn. 4). Erst recht wird nicht der gute Glaube des Leistenden daran geschützt, daß ein Grundpfandrecht eine bestimmte Forderung sichert.
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Durch seine Leistung an die Klägerin auf die Grundschuld ist der Beklagte zu 1) daher nur von der dinglichen Schuld gegenüber der Sparkasse G. frei geworden. Dagegen hat seine - unterstellte - gleichzeitige Leistung auf den Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin nicht zu dessen Erlöschen geführt.
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Aus den von der Revision angeführten Literaturstellen ergibt sich nichts anderes. In keinem der zitierten Kommentare wird ausdrücklich die Ansicht vertreten, der Eigentümer, der zugleich persönlicher Schuldner ist, werde mit der Leistung auf eine Sicherungsgrundschuld nach § 893 BGB auch von seiner persönlichen Schuld frei. Einzuräumen ist lediglich, daß Palandt/Bassenge (BGB 55. Aufl. § 893 Rdn. 2) sowie Erman/Hagen (BGB 9. Aufl. § 893 Rdn. 2) dahin mißverstanden werden können, weil sie - anders als etwa MünchKomm/Wacke (aaO), Haegele/Schöner/Stöber (Grundbuchrecht 10. Aufl. Rdn. 355) oder Staudinger/Gursky (BGB 12. Aufl. § 893 Rdn. 15) - nicht ausreichend zwischen Verkehrshypotheken und Sicherungsgrundschulden differenzieren. Bei einer Leistung auf eine solche Hypothek wird der Eigentümer und Schuldner selbstverständlich auch von seiner persönlichen Verpflichtung frei (§ 1138 BGB). Bei einer Leistung auf eine Sicherungsgrundschuld gilt dies nicht; § 1138 BGB ist auf Grundschulden nicht entsprechend anwendbar (MünchKomm/Eickmann, BGB 2. Aufl. § 1138 Rdn. 34).
- 7
3. Der hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch aus Aufklärungspflichtverletzung besteht nicht. Die Klägerin war nicht verpflichtet, den Beklagten zu 1) über die Einzelheiten der Grundschuldabtretung durch seine Ehefrau, die frühere Beklagte zu 2), an die Sparkasse G. zu unterrichten. Außerdem hätte eine solche Information nichts daran geändert, daß die abgelöste Grundschuld ausschließlich einen Anspruch gegen die frühere Beklagte zu 2) sicherte und der Beklagte zu 1) den Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin zusätzlich erfüllen mußte.
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