Auslegungsregel für Girokontoinhaberschaft
Leitsatz
Im Rahmen der Auslegung, wer Inhaber eines Girokontos ist, kommt der Bezeichnung des Kontoinhabers bei der Eröffnung des Kontos in der Regel besonderes Gewicht zu.











vorgehend LG Magdeburg, 14. Juli 1994, 4 O 1931/93
Vergleiche OLG Düsseldorf 14. Zivilsenat, 25. Oktober 2012, I-14 U 97/11, ...
Anschluss SG Karlsruhe 13. Kammer, 30. Juni 2011, S 13 AS 1217/09
Vergleiche FG Düsseldorf 4. Senat, 27. Juli 2005, 4 K 2596/03 Erb



Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 21. Dezember 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 7. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die klagende Stadt fordert von der beklagten Sparkasse die Zahlung von knapp 1,2 Millionen DM. Es handelt sich um Mittel zur Erschließung eines von der Klägerin geplanten Gewerbegebietes, die vom Wirtschaftsministerium des Landes Sachsen-Anhalt und von der Verwaltung der Klägerin auf ein bei der Beklagten geführtes Girokonto (Nr. ........) überwiesen wurden. Als Kontoinhaberin ist auf dem Kontoblatt die B. I.gesellschaft mbH (B.) eingetragen, die von der Klägerin mit der Planung und Verwirklichung des Vorhabens beauftragt war. Der Geschäftsführer der B. und weitere Angestellte hatten Verfügungsbefugnis über das Konto. Im Dezember 1992 schlug die Beklagte dem Geschäftsführer der B. vor, den auf dem Girokonto gutgeschriebenen Betrag in Höhe von 1,1 Millionen DM während der Betriebsferien der B. für 30 Tage zinsgünstig als Festgeld anzulegen. Der Geldbetrag wurde auf ein für die B. geführtes Festgeldkonto überwiesen. Die Zinsen sollten dem Girokonto gutgeschrieben werden. Als die B. aus ihren Kreditverpflichtungen gegenüber der Beklagten in Zahlungsschwierigkeiten geriet, verrechnete die Beklagte im März 1993 die Guthaben auf dem Festgeldkonto und auf dem Girokonto in Höhe von weiteren 93.736,89 DM mit ihren Forderungen gegen die B. und gegen die mit dieser verbundene Deutsche Gesellschaft für I.M.W. mbH (D.).
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Die Klägerin behauptet, bei dem Girokonto habe es sich um ein Treuhandkonto gehandelt und die Beklagte habe dies gewußt. Sie ist der Ansicht, daß die Beklagte ihr wegen der Verrechnung des Guthabens mit Schulden der B. und der D. schadensersatzpflichtig sei.
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Die Beklagte bestreitet, daß es sich um ein Treuhandkonto gehandelt und daß sie ihre Pflichten verletzt habe.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.
I.
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Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe die geforderte Geldsumme als Schadensersatz zu, da die Beklagte ihre Pflichten aus dem Bankvertrag verletzt habe. Zu der Aufrechnung sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen. Das Girokonto, auf dem die Fördermittel verbucht worden seien, sei in Wirklichkeit für die Klägerin und nicht für die B. geführt worden. Das ergebe sich insbesondere aus dem auf dem Kontoblatt angegebenen besonderen Zusatz "Gewerbegebiet Süd/Ost O." und aus dem Bestätigungs- und Vollmachtschreiben der Klägerin vom 14. Mai 1992. Die verantwortlichen Organe der Beklagten hätten die tatsächlichen Umstände gekannt, aus denen darauf geschlossen werden konnte, daß die Klägerin die wahre Inhaberin des Girokontos sein sollte. Die Beklagte habe ihre Pflichten verletzt, als sie bei der kurzfristigen Anlage der Fördermittel als Festgeld diese nicht auf einem für die Klägerin neu zu errichtenden Festgeldkonto, sondern auf einem solchen der B. gutgeschrieben habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, das in Wirklichkeit der Klägerin zustehende Guthaben mit den Krediten zu verrechnen, die sie der D. und der B. gewährt hatte.
II.
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Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin Inhaberin des Girokontos geworden sei. Diese Auslegung des Vertrages über das Girokonto beruht auf Rechtsfehlern und läßt wesentliche Umstände außer Betracht (§ 286 ZPO).
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist allerdings für die Frage, wer Kontoinhaber ist, nicht allein entscheidend, wer als Inhaber angegeben ist oder aus wessen Mitteln die eingezahlten Gelder stammen. Maßgebend ist vielmehr, wer bei der Kontoerrichtung der Bank gegenüber als Forderungsberechtigter auftritt oder bezeichnet wird. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles ist zu prüfen, wer nach dem erkennbaren Willen des die Einzahlung Bewirkenden Gläubiger der Bank werden sollte (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 1989 - XI ZR 117/88 = WM 1990, 537, 538 und vom 18. Oktober 1994 BGHZ 127, 229, 231 m.w.Nachw.). Für die Auslegung kann dabei nur der für die Bank erkennbare Wille des Kontoeröffners maßgebend sein.
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Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung indessen nicht hinreichend beachtet, daß der Bezeichnung des Kontoinhabers bei der Eröffnung eines Girokontos - anders als bei einem Sparkonto - mehr als bloße Indizwirkung zukommt (vgl. BGH, Beschluß vom 26. September 1985 - III ZR 171/84 = WM 1986, 35). Im Giroverkehr, der auf eine rasche und unkomplizierte Abwicklung angelegt ist, besteht ein starkes praktisches Bedürfnis für einfache und klare Rechtsverhältnisse. Dem entspricht es, wenn der formelle Kontoinhaber, der sich aus der Kontobezeichnung ergibt, auch als Gläubiger angesehen wird. Als Kontoinhaber ist hier die B. angegeben. Der Umstand, daß sie in abgekürzter Form als "B." und nicht mit ihrer vollen Firmenbezeichnung angeführt wurde, ist nicht als wesentliches Gegenindiz anzusehen, zumal die B. der Beklagten bekannt war. Im übrigen hat der Zeuge M. den Kontoinhaber der Beklagten offenbar so angegeben. Hinzu kommt, daß unter dem Hinweis "Gewerbegebiet Süd/Ost" die genaue Adresse der B. angegeben ist. Die Adresse (O., N. Weg 1) bezieht sich auf die B. und nicht auf das Gewerbegebiet.
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b) Bei der Auslegung können der Verwendungszweck des Kontos und die Herkunft der Mittel eine Rolle spielen, falls sie der Bank bekannt sind. Der Umstand, daß die Bank sich grundsätzlich um das Innenverhältnis nicht zu kümmern braucht, schließt nicht aus, daß ihr insoweit bekanntgewordene Umstände im Rahmen der Auslegung des Parteiwillens Berücksichtigung finden (vgl. Staudinger/Hopt/Müller, BGB, 12. Aufl., vor § 607 Rdn. 55). Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Angabe einer Zweckbestimmung, wie sie hier in dem Hinweis "Gewerbegebiet Süd/Ost" gegeben ist, allein nicht ausreicht, um den Willen zu verdeutlichen, ein Fremdkonto für einen anderen als den als Kontoinhaber Bezeichneten zu errichten. Fehlerhaft ist jedoch seine Annahme, durch die Angabe des Verwendungszwecks und durch das Schreiben der Klägerin vom 14. Mai 1992 an die B. sei der Beklagten gegenüber erkennbar erklärt worden, daß die Klägerin Rechtsträgerin des Kontos und damit forderungsberechtigte Gläubigerin gegenüber der Beklagten sein sollte. Es läßt dabei außer Betracht, daß das Schreiben vom 14. Mai 1992 bei der Kontoeröffnung am 6. Mai 1992 noch nicht vorlag und deshalb auf den Girovertrag keinen Einfluß gehabt haben konnte. Nach der Kontoeröffnung liegende Umstände können nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie einen Rückschluß auf den Willen der Parteien bei der Kontoeröffnung erlauben. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Im übrigen geht auch aus dem Schreiben vom 14. Mai 1992 nicht hervor, wer Kontoinhaber sein soll. Es gibt nur Auskunft über die Herkunft und die Zweckbestimmung der Mittel und die Verfügungsbefugnis der B. über das Konto. Außerdem ist offen, wann das von der Klägerin an die B. gerichtete Schreiben vom 14. Mai 1992 der Beklagten bekanntgeworden ist. Schließlich bleibt unberücksichtigt, daß nach den Angaben der Zeugin J., die den Kontoeröffnungsantrag aufgenommen hat, der Kontoeröffnung keine Beratungsgespräche vorausgingen, insbesondere keine über die Eröffnung eines Treuhandkontos. Auch über die Zweckbestimmung der Gelder ist nach ihren Angaben nicht gesprochen worden.
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c) Das Berufungsgericht hat sich für seine Auslegung auch auf die glaubhafte Bekundung des Zeugen M. gestützt. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts insoweit gegen § 398 ZPO verstößt. Nach dieser Vorschrift steht es zwar im Ermessen des Rechtsmittelgerichts, ob es einen in der ersten Instanz gehörten Zeugen erneut vernimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Ermessen des Berufungsgerichts jedoch in der Weise gebunden, daß eine Verpflichtung zur erneuten Vernehmung besteht, wenn die Glaubwürdigkeit eines in erster Instanz vernommenen Zeugen abweichend von dem Erstrichter beurteilt werden soll und es für diese Beurteilung auf den persönlichen Eindruck von dem Zeugen ankommt (st.Rspr. vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 3. Mai 1995 - VIII ZR 113/94 = WM 1995, 1563, 1564 m.w.Nachw.).
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Das Landgericht hat den Zeugen M. nicht als glaubwürdig angesehen, sondern angenommen, daß erhebliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben bestünden. Soweit es entscheidend auch auf die Angaben des Zeugen M. und seine Glaubwürdigkeit ankam und das Berufungsgericht diese anders beurteilen wollte als das Landgericht, war eine nochmalige Vernehmung erforderlich.
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2. In dem Umstand allein, daß die Zeugin H. bei der geplanten kurzfristigen Anlage des Betrages von 1,1 Millionen DM als Festgeld die Gutschrift nicht auf dem für die B. neu eingerichteten Festgeldkonto vornahm, sondern dazu eigenmächtig und ohne Rückfrage ein früheres Festgeldkonto der B. benutzte, liegt noch kein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten gegenüber der Klägerin, da es sich nur um ein anderes Konto des gleichen Kontoinhabers handelte.
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3. Das angefochtene Urteil konnte bereits aus diesen Gründen keinen Bestand haben. Es kann daher offenbleiben, ob das Berufungsgericht - wie die Revision meint - durch seine Auslegung, die Klägerin sei in Wirklichkeit Inhaberin des Girokontos und des ursprünglich in Aussicht genommenen Festgeldkontos gewesen, auch eine für die Parteien überraschende Entscheidung getroffen und gegen § 278 Abs. 3 ZPO verstoßen hat.
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Zur Klärung der offenen Fragen war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat von der Möglichkeit nach § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
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Auch wenn die B. als Inhaberin des Girokontos anzusehen ist, käme eine Schadensersatzpflicht der Beklagten in Betracht. Es könnte ein offenes Treuhandkonto vorliegen, wenn der Bank im Zeitpunkt der Kontoerrichtung seine Treuhandnatur offengelegt und ihr deutlich gemacht wurde, daß darauf ausschließlich Werte gelangen sollen, die dem Kontoinhaber nur als Treuhänder zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1987 - III ZR 263/85 = NJW 1987, 3250, 3251). Das mit Mitteln des Treuhandkontos ausgestattete Festgeldkonto könnte dann ebenfalls Treuhandcharakter haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in diesen Fällen in der Regel der Ausschluß des Aufrechnungsrechts der Bank mit Ansprüchen gegen den Treuhänder nach §§ 133, 157 BGB als vereinbart anzusehen (vgl. BGHZ 61, 72, 77; BGH NJW 1987, 3250, 3251). Die von der Beklagten mit Schreiben vom 12. März 1993 erklärte Aufrechnung wäre dann unwirksam. Das würde auch für die von ihr veranlaßte nachträgliche individualvertragliche Verpfändung des Festgeldkontos durch die B. gelten, falls ihr der Treuhandcharakter des Kontos bekannt war, wofür ihr Drängen auf ein vertragliches Pfandrecht sprechen könnte.
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Aber auch wenn sich nicht feststellen lassen sollte, daß beim Abschluß des Kontovertrages ein offenes Treuhandkonto eröffnet wurde, käme eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nach § 826 BGB in Betracht, wenn die Beklagte hinsichtlich der später beim Girokonto eingegangenen und auf dem Festgeldkonto angelegten Gelder trotz Kenntnis der Treuhandbindung mit ihren Forderungen gegen die B. aufgerechnet hat: Dies würde jede billige Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen der Treugeberin, der Klägerin, außer acht lassen und deren bessere Ansprüche vereiteln (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. September 1990 - XI ZR 94/89 = NJW 1991, 101, 102).
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