Rechtsfolgen des Widerrufs eines Darlehensvertrages nach HaustürWG (juris: HTürGG), der eine wirtschaftliche Einheit mit einem finanzierten Geschäft bildet
Orientierungssatz
1. Der Schutzzweck der Widerrufsrechts nach HaustürWG (juris: HTürGG) gebietet bei einer wirtschaftlichen Einheit von Kreditvertrag und finanziertem Geschäft die Unwirksamkeit als Rechtsfolge des Widerrufs auf beide Geschäfte zu erstrecken.
2. Soll ein Darlehen, das eine Bank einem Dritten gewährt, nach einem von der Bank und den Gründungsgesellschaftern gemeinsam entwickelten Konzept ausschließlich der Finanzierung des Erwerbs einer Gesellschaftsbeteiligung dienen, sind Darlehens- und Beteiligungsvertrag als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen. Nach Ausübung des Widerrufsrechts steht der darlehensgewährenden Bank daher kein Rückzahlungsanspruch gegen den Darlehensnehmer/Anteilskäufer zu.

vorgehend LG Bonn, 9. Dezember 1994, 10 O 389/93
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Dezember 1995 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 9. Dezember 1994 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin, die früher als S. Bank AG firmierte, verlangt vom Beklagten die Rückzahlung eines Darlehens, dessen Verwendungszweck im Darlehensvertrag mit: "Erwerb eines Gesellschaftsanteils an dem S.-Rendite-Brief, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit Haftungsbeschränkung" angegeben war. Gründungszweck dieser Gesellschaft (GbRmH) war der Erwerb von Miteigentum an einem Hotelgrundstück in München.
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Der Beklagte unterschrieb am 22. September 1988 den Darlehensvertrag über 20.000 DM zusammen mit einer Erklärung über den Gesellschaftsbeitritt und einem Treuhandvertragsangebot. Der Abschluß des Treuhandvertrags war im Gesellschaftsvertrag vorgesehen; der Gründungsgesellschafter M. sollte die Anteile der beitretenden Gesellschafter als Treuhänder halten. M. war damals Alleinaktionär und Generalbevollmächtigter der Klägerin und außerdem Vorstand der S. AG (später: V. AG), die von den BGB-Gesellschaftern mit der Führung der Geschäfte beauftragt und umfassend bevollmächtigt war. Der Darlehensvertrag sah zur Sicherstellung aller Forderungen der Bank die "Abtretung des Gesellschaftsanteils" vor. Das Beitrittsformular enthielt den Hinweis auf die Möglichkeit, die Beitrittserklärung und das Treuhandvertragsangebot innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen. Für den Darlehensvertrag wurde eine Widerrufsbelehrung nicht erteilt.
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Die Klägerin unterzeichnete den Darlehensvertrag am 7. November 1988 und überwies den Darlehensbetrag vereinbarungsgemäß unmittelbar auf das Gesellschaftskonto. Bis zum Herbst 1991 erhielt sie Ratenzahlungen auf die Darlehensschuld. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1991 erklärte die V. AG - auch im Namen des Beklagten - gegenüber der Klägerin den Widerruf sämtlicher Darlehensanträge nach § 1 HWiG. Der Treuhänder M. hatte vorher die Aktien der Klägerin veräußert. Die BGB-Gesellschaft hatte den Grundstückskauf rückabgewickelt und ihr Vermögen nach dem Vortrag des Beklagten als Festgeld angelegt.
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Am 10. Mai 1993 kündigte die Klägerin das dem Beklagten gewährte Darlehen und verlangte Rückzahlung des von ihr mit 15.837,48 DM berechneten Schuldsaldos. Am 15. Mai/ 8. Juli 1993 schloß der Treuhänder M. mit dem Beklagten eine Formularvereinbarung, nach der M. den Beklagten hinsichtlich der Forderungen der Klägerin aus dem Finanzierungsdarlehen freistellte, während der Beklagte ihm seine Rechte und Pflichten aus seiner Rechtsbeziehung mit der Bank übertrug.
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Die Klägerin hat vom Beklagten Zahlung von 15.837,48 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiterverfolgt und hilfsweise beantragt, den Beklagten zur Abtretung aller Ansprüche zu verurteilen, die ihm aus seiner Beteiligung an der S.-GbRmH und dem Treuhandvertrag, höchst hilfsweise: aus dem mit M. abgeschlossenen Vergleich über diese Ansprüche zustehen. Das Berufungsgericht hat dem Zahlungsantrag bis auf einen geringen Teil der Zinsen stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten hat Erfolg; Haupt- und Hilfsanträge der Klägerin sind unbegründet.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Darlehensvertrag sei zwar nicht - wie das Landgericht angenommen hatte - nach §§ 134 BGB, 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO a.F. nichtig, wohl aber gemäß §§ 1, 2 HWiG wirksam widerrufen worden. Auch wenn die Vertragsunterzeichnung im Büro des für die Klägerin tätigen Zeugen G. erfolgt sei, habe der Beklagte doch die für seinen Vertragsentschluß maßgebenden Gespräche vorher in der Bundeswehrhochschule und in seiner dortigen Wohnung mit seinem Zimmernachbarn Gr., einem Mitarbeiter G.s, geführt. Gemäß § 3 Abs. 1 HWiG müsse der Beklagte das restliche Darlehenskapital zurückzahlen; er habe das Darlehen empfangen, auch wenn es weisungsgemäß an die S.-GbRmH ausgezahlt worden sei. Eine bereicherungsrechtliche Durchgriffshaftung scheide aus, weil nur das Darlehensverhältnis mangelhaft, der Anteilserwerb des Beklagten dagegen wirksam sei. Zwar hätten Darlehensvertrag und finanziertes Geschäft eine wirtschaftliche Einheit gebildet; Gegenrechte aus dem Anlagegeschäft seien jedoch nicht substantiiert dargetan. Als Überlassungsvergütung gemäß § 3 Abs. 3 HWiG stünden der Klägerin die marktüblichen Zinsen bis zur Ausübung des Widerrufsrechts im vorliegenden Rechtsstreit zu.
II.
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Die Begründung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
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1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht eine Anwendung der §§ 134 BGB, 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO a.F. abgelehnt (vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 1996 - XI ZR 116/95 = WM 1996, 387, zur Veröffentlichung in BGHZ 131, 385 bestimmt), die Voraussetzungen des § 1 HWiG dagegen bejaht. Nach den Feststellungen des Berufungsurteils, von denen auch die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung ausgeht, ist der Beklagte in der Bundeswehrhochschule, wo er wohnte und studierte, von seinem Zimmernachbarn Gr. mit dem Ziel angesprochen worden, ihn für eine von der Klägerin finanzierte Beteiligung an der S.-GbRmH zu werben. Da das gelang, stand dem Beklagten ein Widerrufsrecht nach § 1 HWiG zu (Senatsurteil vom 16. Januar 1996 aaO), ohne daß es darauf ankommt, daß nach dem ersten Ansprechen telefonisch noch ein Termin zur Finanzanalyse vereinbart wurde und die Vertragsunterzeichnung schließlich im Büro des - ebenfalls für die Klägerin tätigen - Beraters G. stattfand. Für die notwendige Ursächlichkeit genügt es, wenn der spätere Vertrag ohne die besonderen Umstände der ersten Kontaktaufnahme nicht oder nicht so wie geschehen zustande gekommen wäre (Senatsurteil vom 16. Januar 1996 aaO). Diese Voraussetzung aber hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht.
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2. Spätestens darin, daß der Beklagte seine Verteidigung im vorliegenden Verfahren auch auf einen Widerruf seiner Darlehensvertragserklärung gestützt hat, lag eine wirksame Ausübung seines Rechts aus § 1 HWiG. Gemäß § 2 Abs. 1 HWiG war dieses Recht mangels Belehrung noch nicht durch Fristablauf erloschen.
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3. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung nicht stand, soweit es der Klägerin als Rechtsfolge des Widerrufs gemäß § 3 Abs. 1 und 3 HWiG einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung der Darlehenssumme nebst marktüblichen Zinsen als Vergütung für die Überlassung des Geldes bis zur Widerrufserklärung zubilligt.
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Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Darlehensnehmer habe die Darlehenssumme auch dann selbst empfangen, wenn sie an einen Dritten ausgezahlt worden sei, mag zutreffen, wenn es um ein Darlehen geht, das der Darlehensgeber ohne Rücksicht auf den - vom Darlehensnehmer frei zu bestimmenden - Verwendungszweck gewährt hat; der Darlehensnehmer wird dann durch die - auf seine Weisung erfolgende - Direktüberweisung von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Empfänger befreit.
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Hier liegt es jedoch anders, weil das Darlehen nach dem von der Klägerin und den Gründungsgesellschaftern der S. GbRmH gemeinsam entwickelten Konzept ausschließlich der Finanzierung der Gesellschaftsbeteiligung des Beklagten dienen sollte, Darlehens- und Beteiligungsvertrag daher als wirtschaftliche Einheit anzusehen waren: Jeder der beiden Verträge wäre ohne den anderen nicht abgeschlossen worden; das ist zwischen den Parteien nicht streitig. In derartigen Fällen fordert der Schutzzweck der gesetzlichen Widerrufsregelung eine Auslegung, nach der dem Darlehensgeber nach dem Widerruf kein Zahlungsanspruch gegen den Darlehensnehmer in Höhe des Darlehenskapitals zusteht.
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Das ist für den Anwendungsbereich des Abzahlungs- und des Verbraucherkreditgesetzes allgemein anerkannt: Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 1 d AbzG läßt sich beim finanzierten Abzahlungskauf der Widerruf nicht auf einen der zwei rechtlich selbständigen, aber eine wirtschaftliche Einheit bildenden Verträge beschränken, sondern führt zur Unwirksamkeit von Kauf- und Darlehensvertrag (BGHZ 91, 338, 342). Bei der Prüfung, was der Darlehensnehmer nach dem Widerruf als empfangene Leistung zurückzugewähren hat, kommt dem Schutzzweck der Widerrufsregelung entscheidende Bedeutung zu: Der Käufer/Darlehensnehmer soll innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist frei und ohne Furcht vor finanziellen Nachteilen entscheiden können, ob er an seinen Verpflichtungserklärungen festhalten will oder nicht. Dieser Schutzzweck würde gefährdet, wenn der Widerrufende dem Darlehensgeber den - dem Verkäufer zugeflossenen - Kreditbetrag erstatten müßte und seinerseits auf einen entsprechenden gegen den Verkäufer gerichteten Anspruch angewiesen wäre, also das Risiko seiner Durchsetzung tragen müßte (BGHZ 91, 9, 17/18).
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Nach Außerkrafttreten des Abzahlungsgesetzes enthält nunmehr das Verbraucherkreditgesetz in § 9 Abs. 2 Satz 1 die - der BGH-Rechtsprechung zum Abzahlungsgesetz entsprechende - ausdrückliche Regelung, daß auch die auf den Abschluß des verbundenen Kauf- oder sonstigen Leistungsvertrags (Abs. 4) gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers erst wirksam wird, wenn er seine Kreditvertragserklärung nicht gemäß § 7 Abs. 1 VerbrKrG widerruft. Für die Rückabwicklung des verbundenen Geschäfts nach dem Widerruf findet sich zwar auch im Verbraucherkreditgesetz noch keine ausdrückliche Regelung, auf welche Weise der Darlehensgeber das bereits ausgezahlte Darlehenskapital zurückerhalten kann (Palandt/Putzo 55. Aufl. § 9 VerbrKrG Rdn. 15). Mit Recht vertritt die herrschende Meinung im Schrifttum aber die Auffassung, daß dem Kreditgeber aus den gleichen Schutzzweckerwägungen wie beim finanzierten Abzahlungskauf kein Anspruch gegen den Verbraucher auf Rückzahlung der Darlehensvaluta zusteht (Emmerich in: Graf von Westphalen/ Emmerich/Keßler VerbrKrG § 9 Rdn. 69; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 5. Aufl., S. 456; Bülow VerbrKrG 2. Aufl. § 9 Rdn. 47 a, 52; vgl. MünchKomm/Habersack 3. Aufl. § 9 VerbrKrG Rdn. 65; Dauner-Lieb WM Sonderbeilage 6/1991 S. 20 vor a; Seibert, Handbuch zum VerbrKrG, § 9 Rdn. 7 a.E.).
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Abzahlungs- und Verbraucherkreditgesetz sind allerdings im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar: Der finanzierte Vertrag war nicht - wie in § 1 AbzG vorausgesetzt - auf den Kauf einer beweglichen Sache gerichtet; das Verbraucherkreditgesetz ist erst nach Abschluß des Kreditvertrags vom 9./11. August 1988 in Kraft getreten (Art. 10 des Gesetzes vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S. 2840).
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Trotzdem müssen die Rechtsgedanken, die der BGH-Rechtsprechung zum finanzierten Abzahlungskauf und der Regelung des Verbraucherkreditgesetzes zugrunde liegen, auch für ein verbundenes Geschäft gelten, das nach dem Haustürwiderrufsgesetz wirksam widerrufen ist. Auch hier ergibt sich aus der wirtschaftlichen Einheit zwischen Kreditvertrag und finanziertem Geschäft die Notwendigkeit, die Unwirksamkeit als Rechtsfolge des Widerrufs auf beide Geschäfte zu erstrecken (vgl. MünchKomm/Ulmer 3. Aufl. § 5 HWiG Rdn. 8). Auch beim finanzierten Haustürgeschäft kann der Schutzzweck der Widerrufsregelung nur erreicht werden, wenn der Darlehensnehmer nicht befürchten muß, nach dem Widerruf dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers ausgesetzt zu sein ohne Rücksicht darauf, ob der Rückgriffsanspruch gegen den Partner des finanzierten Geschäfts durchsetzbar ist. Auch beim Haustürwiderrufsgesetz wird nur eine Auslegung, die dem Darlehensgeber keinen Rückzahlungsanspruch gegen den Darlehensnehmer gibt, dem erklärten Willen des Gesetzgebers gerecht, den Kunden durch die Ausgestaltung der Rückgewährpflichten nicht mittelbar in seinem freien Entschluß, das Widerrufsrecht auszuüben, zu behindern (BT-Drucks. 10/2876 S. 13; Gallois DB 1990, 2062, 2064). Ein Kreditnehmer, dem § 1 HWiG ein Widerrufsrecht gibt, weil seine Entschlußfreiheit beim Vertragsschluß durch die Verhandlungssituation gefährdet war, erscheint nicht weniger schutzwürdig als derjenige, dem die Rechtsprechung gemäß § 6 AbzG ein Widerrufsrecht nach § 1 AbzG zubilligt.
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Auch die Einwendungen, die von der Klägerin aus der Rechtsnatur des finanzierten Geschäfts und den beabsichtigten Steuerspareffekten hergeleitet werden, greifen nicht durch:
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Die Beteiligung an einer Gesellschaft ist, jedenfalls wenn die Gesellschafterbeiträge um der Gewinnerzielung willen geleistet werden, als ein Vertrag über eine entgeltliche Leistung im Sinne des § 1 HWiG anzusehen und nicht als ein - dem Vereinsbeitritt vergleichbares - organisationsrechtliches Geschäft (Fischer/Machunsky HWiG 2. Aufl. § 1 Rdn. 48; Erman/B.Klingsporn BGB 9. Aufl. § 1 HWiG Rdn. 5 d; OLG Köln ZIP 1989, 1267, 1269). Das gilt hier um so mehr, als nach dem Inhalt des Gesellschafts- und des Treuhandvertrags durch den "Beitritt" des Beklagten gar keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen ihm und der Gesellschaft zustande kommen sollten, sondern nur vertragliche Beziehungen des Beklagten zum Treuhänder, der sich im eigenen Namen, aber für Rechnung des Beklagten an der Gesellschaft beteiligte.
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Die Absicht des Beklagten, durch das finanzierte Geschäft auch steuerliche Vorteile zu erlangen, rechtfertigt keine Beschränkung seiner Rechte aus dem Haustürwiderrufsgesetz. Zwar ist die Rechtsprechung früher bei der Anwendung des § 134 BGB auf Verstöße gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO a.F. und beim Einwendungsdurchgriff nach § 242 BGB von einem eingeschränkten Schutzbedürfnis Besserverdienender bei steuersparenden Kapitalanlagen ausgegangen (BGHZ 93, 264, 268; BGH, Urteil vom 13. November 1980 - III ZR 96/79 = NJW 1981, 389, 391). Für eine entsprechende Einschränkung des Widerrufsrechts nach § 1 HWiG und §§ 7, 9 VerbrKrG lassen die gesetzlichen Neuregelungen aber keinen Raum. Das ist für den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes im Schrifttum anerkannt (Dauner-Lieb aaO S. 17; Seibert, Handbuch zum VerbrKrG, § 1 Rdn. 3; Ott in: Bruchner/Ott/ Wagner-Wieduwilt VerbrKrG 2. Aufl. § 9 Rdn. 185 - 188; Emmerich in: Graf von Westphalen/Emmerich/Kessler § 9 VerbrKrG Rdn. 47/48). Für den Widerruf nach § 1 HWiG muß das Gleiche gelten (Erman/B.Klingsporn aaO Rdn. 5 e). Das Haustürwiderrufsgesetz läßt eine Schlechterstellung dessen, der bei der Vertragsabwicklung steuerliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen wollte, nicht zu.
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Der Hauptantrag der Klägerin auf Rückzahlung des restlichen Darlehenskapitals nebst Zinsen mußte daher in vollem Umfang abgewiesen werden.
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4. Auch die Hilfsanträge der Klägerin auf Abtretung aller Ansprüche des Beklagten aus seiner Beteiligung an der S.-GbRmH, dem Treuhandvertrag und der später mit dem Treuhänder abgeschlossenen Vereinbarung sind nicht begründet.
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Wie bereits - oben zu II 3. - ausgeführt, sahen Gesellschafts- und Treuhandvertrag keine unmittelbare Beteiligung des Beklagten an der Gesellschaft vor. Vertragliche Ansprüche gegen den Treuhänder sind wegen des Widerrufs nicht entstanden. Aber auch aus § 3 HWiG stehen dem Beklagten keine Ansprüche gegen den Treuhänder zu. Selbst wenn man die Überweisung des Darlehensbetrags auf das Gesellschaftskonto als Leistung an den Treuhänder ansehen wollte, könnte sich der Beklagte nach dem Widerruf nicht mehr darauf berufen, der Empfänger habe das Geld als seine Leistung erhalten und müsse es daher ihm zurückgewähren. Die Rückabwicklung hat vielmehr im Falle der durch Widerruf eintretenden Unwirksamkeit sowohl des Kreditvertrags wie des finanzierten Geschäfts im Wege der Durchgriffskondiktion unmittelbar zwischen der kreditgebenden Bank und dem Partner des finanzierten Geschäfts als Zahlungsempfänger zu erfolgen. Eine Rückabwicklung "übers Dreieck" (MünchKomm/Habersack aaO § 9 VerbrKrG Rdn. 71) findet nicht statt. Das ist in der BGH-Rechtsprechung zum finanzierten Abzahlungskauf anerkannt (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1979 - III ZR 46/78 = NJW 1980, 938, 940; von unmittelbaren Bereicherungsansprüchen der Kreditgeberin gegen den Verkäufer geht auch das Senatsurteil vom 25. Mai 1993 - XI ZR 140/92 = WM 1993, 1236, 1237 zu II 4. aus). Ob das Gleiche auch nach dem Widerruf eines verbundenen Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz oder nach dem Haustürwiderrufsgesetz gilt, ist bisher vom BGH noch nicht entschieden. Im Schrifttum wird aber für den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes überwiegend die Meinung vertreten, der Kreditgeber könne sich nach allgemeinen Bereicherungsgrundsätzen bei dem Vertragspartner des finanzierten Geschäfts als Empfänger der Kreditsumme erholen (vgl. von Rottenburg WuB IV C § 1 d AbzG 4.93 zu 3. m.Nachw. zum Streitstand). Der erkennende Senat bejaht einen Durchgriffsanspruch der Bank auch im vorliegenden Fall, in dem der Widerruf nach § 1 HWiG zur Unwirksamkeit sowohl des Kreditvertrags wie auch des finanzierten Gesellschaftsbeitritts durch einen Treuhänder geführt hat. Dem Beklagten stehen nach seinem Widerruf weder gegen den Treuhänder noch gegen die Gesellschaft Rückgewähransprüche zu, die er an die Klägerin abtreten könnte.
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Soweit der Beklagte später, durch die Vereinbarung vom 15. Mai/8. Juli 1993, Rechte gegen den Treuhänder erworben hat, geschah das nicht aufgrund einer Leistung der Klägerin i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 HWiG oder auf deren Kosten gemäß § 812 Abs. 1 BGB.
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