(Implizite Verwerfung der Berufung als unzulässig; Anforderungen an Berufungsbegründung bei Mehrheit von Ansprüchen und Abweisungsgründen; Beweiserleichterung des ZPO § 287 zum Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität bei Ansprüchen ausschließlich aus Vertragsverletzung)
Leitsatz
1. Eine Verwerfung der Berufung als unzulässig liegt auch dann vor, wenn der das Berufungsurteil tragende Grund die Berufung richtigerweise unzulässig sein läßt.
2. Betrifft die Berufung mehrere prozessuale Ansprüche, so muß die Begründung sich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt ist. Hat das angefochtene Urteil die Abweisung eines prozessualen Anspruchs auf zwei voneinander unabhängige rechtliche Erwägungen gestützt, so muß die Berufungsbegründung beide Erwägungen angreifen.
3. Zum Anwendungsbereich des ZPO § 287 bei Schadensersatzansprüchen wegen Vertragsverletzung.
Orientierungssatz
1. Zitierungen zu Leitsatz 3: Festhaltung BGH, 1975-02-20, VI ZR 129/73, VersR 1975, 540; BGH, 1982-04-28, IVa ZR 8/81, NJW 1983, 998 und BGH, 1986-06-24, VI ZR 21/85, NJW 1987, 705.












vorgehend LG Mönchengladbach, 18. Juli 1991, 10 O 93/91
Vergleiche BGH 9. Zivilsenat, 18. Juni 1998, IX ZR 389/97
Festhaltung BGH 4a. Zivilsenat, 28. April 1982, IVa ZR 8/81
Festhaltung BGH 6. Zivilsenat, 20. Februar 1975, VI ZR 129/73
Tatbestand
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Die Klägerin verlangt aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht ihres Vaters von der Beklagten, die ihr und ihrem früheren Ehemann Darlehen in einer Gesamthöhe von ca. 485.000 DM gewährt hatte, 89.958 DM Schadensersatz im Zusammenhang mit der Zwangsversteigerung eines ihr gehörenden Grundstücks. Die Zwangsversteigerung wurde von der Beklagten im Jahre 1989 aus einer ihr zur Absicherung der Kredite bestellten Grundschuld in Höhe von 300.000 DM nebst Zinsen wegen einer Darlehensrestforderung von 373.000 DM betrieben. Im Versteigerungstermin erfolgte auf Antrag der Beklagten ein doppeltes Ausgebot: mit und ohne Übernahme einer zugunsten der Eltern der Klägerin als Reallast eingetragenen Geldrente. Der Vater der Klägerin, W. K., blieb mit einem Gebot von 360.000 DM Meistbietender auf das gesetzliche Ausgebot mit Übernahme der Reallast. Auf das abweichende Ausgebot bot der frühere Ehemann der Klägerin, H., 365.000 DM und erhielt, nachdem die Beklagte ihre persönliche Forderung mit 373.042 DM beziffert hatte, den Zuschlag.
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Einen Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht leitet die Klägerin daraus ab, daß die Beklagte einen von ihr selbst ausgestellten, im Jahre 1991 fälligen Sparkassenbrief nicht vor der Versteigerung zum damaligen Wert von ca. 40.000 DM mit der Darlehensforderung verrechnet, sondern diese in voller Höhe angemeldet hat. Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht stützt die Klägerin im wesentlichen darauf, daß die Beklagte den von ihrem Vater angestrebten Erwerb des Grundstücks durch eine falsche Auskunft über die Höhe des hierzu erforderlichen Gebots vereitelt habe. Als Schaden macht die Klägerin den Differenzbetrag zwischen einem möglichen, nach ihrer Ansicht für die Zuschlagserteilung ausreichenden Gebot ihres Vaters von 373.042 DM und dem von ihr angenommenen Grundstückswert von 463.000 DM geltend.
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Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet, soweit die Klägerin mit ihr einen Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht verfolgt. Im übrigen führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
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1. Das Berufungsgericht sieht die unbeschränkt eingelegte Berufung der Klägerin insoweit als unzulässig an, als die Klageabweisung durch das Landgericht den Schadensersatzanspruch betrifft, den die Klägerin aus eigenem Recht geltend macht. Zur Begründung führt es aus, das erstinstanzliche Urteil sei in diesem Punkt nicht in zulässiger Weise angegriffen worden, weil die Berufungsbegründung sich lediglich mit dem Anspruch aus abgetretenem Recht befasse und weil auch sonst innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu dem Anspruch aus eigenem Recht nichts vorgetragen worden sei.
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2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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a) Die Revision ist - ohne daß eine Annahme oder Ablehnung nach Maßgabe des § 554 b ZPO in Betracht käme - gemäß § 547 ZPO statthaft, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht über den von der Klägerin geltend gemachten eigenen Schadensersatzanspruch keine Sachentscheidung getroffen hat. Zwar lautet der Tenor des angefochtenen Urteils insoweit nicht auf Verwerfung der Berufung als unzulässig, sondern insgesamt auf Zurückweisung der Berufung. Darauf kommt es jedoch nicht an. Maßgeblich ist allein, ob der das Berufungsurteil tragende Grund die Berufung richtigerweise unzulässig sein läßt (vgl. Stein-Jonas/Grunsky, ZPO 20. Aufl. § 547 Rdn. 3). Das ist hier hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin aus eigenem Recht der Fall.
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b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Klägerin das landgerichtliche Urteil, soweit darin Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht verneint werden, nicht zulässig mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten hat. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Zweck dieser Regelung ist es, im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug formale, nicht auf den konkreten Streitfall zugeschnittene Berufungsbegründungen auszuscheiden; bereits aus der Berufungsbegründung sollen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung zugrunde legen, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützen will (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1983 - VIII ZR 224/82 - NJW 1984, 177, 178; Beschluß vom 25. Januar 1990 - IX ZB 89/89 - NJW 1990, 1184). Betrifft die Berufung - wie hier - mehrere prozessuale Ansprüche, muß die Begründung sich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist (vgl. dazu BGHZ 22, 272, 278; Urteil vom 29. November 1990 - I ZR 45/89 - WM 1991, 599, 601; Stein-Jonas/Grunsky aaO § 519 Rdn. 24; Zöller/Schneider, ZPO 17. Aufl. § 519 Rdn. 37). Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin hat ihre unbeschränkt eingelegte Berufung nur hinsichtlich des vom Landgericht verneinten Anspruchs aus abgetretenem Recht, nicht aber hinsichtlich der auf eigenes Recht gestützten Schadensersatzansprüche begründet. Die bloße Bezugnahme auf "das erstinstanzliche Vorbringen einschließlich der Beweisantritte" reicht insoweit nicht aus (vgl. Senatsbeschluß vom 10. Juli 1990 - XI ZB 5/90 - NJW 1990, 2628; MünchKomm ZPO/Rimmelspacher § 519 Rdn. 44).
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c) Entgegen der Ansicht der Revision stellt es auch keine hinreichende Berufungsbegründung dar, daß sich die Klägerin im Rahmen des Anspruchs aus abgetretenem Recht mit der Auffassung des Landgerichts auseinandersetzt, die Beklagte sei zur Verwertung des Sparkassenbriefs nicht verpflichtet gewesen. Zwar hat das Landgericht mit dieser Erwägung nicht nur einen Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht verneint, sondern der Klägerin auch einen eigenen Schadensersatzanspruch aberkannt. Insoweit hat es die Klageabweisung jedoch ergänzend mit dem Fehlen eines Schadens begründet und seine Entscheidung hinsichtlich dieses prozessualen Anspruchs damit auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt. In einem solchen Fall muß die Rechtsmittelbegründung geeignet sein, das Urteil insgesamt in Frage zu stellen. Hierzu hat der Rechtsmittelkläger für jede der beiden Erwägungen darzulegen, warum sie nach seiner Auffassung die angefochtene Entscheidung nicht trägt (vgl. BGH, Beschluß vom 25. Januar 1990 aaO; Stein-Jonas/Grunsky aaO § 519 Rdn. 24). Die Berufungsbegründung der Klägerin befaßt sich demgegenüber, falls sie überhaupt auf die Aberkennung eigener Schadensersatzansprüche bezogen werden kann, allenfalls mit einer der beiden Begründungen des landgerichtlichen Urteils; zur Schadensfrage enthält sie nichts.
II.
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1. Hinsichtlich der auf abgetretenes Recht gestützten Schadensersatzansprüche hat das Berufungsgericht offen gelassen, ob zwischen der Beklagten und dem Vater der Klägerin ein Auskunftsvertrag zustande gekommen ist und die Beklagte die sich daraus ergebenden Pflichten verletzt hat. Es meint, die Ursächlichkeit einer etwaigen Pflichtverletzung für einen Schaden des Vaters der Klägerin sei nicht feststellbar: Es könne nicht unterstellt werden, daß der Vater der Klägerin, wenn er aufgrund einer richtigen Auskunft der Beklagten 373.041,94 DM auf das gesetzliche Ausgebot geboten hätte, darauf auch tatsächlich den Zuschlag erhalten hätte. Es bestehe nämlich die Möglichkeit, daß Herr H. in diesem Fall auch auf das gesetzliche Ausgebot geboten und dabei ein über 373.041,94 DM hinausgehendes Gebot abgegeben hätte. Dann hätte der Vater der Klägerin weiter bieten müssen. Nach dem Vortrag der Klägerin habe ihr Vater höchstens 410.000 DM bieten können. Wo dagegen die Grenze für Herrn H. gelegen habe, sei nicht feststellbar. Es sei möglich, daß Herr H. auch ein über 410.000 DM hinausgehendes Gebot auf das gesetzliche Ausgebot abgegeben hätte. In diesem Fall hätte er zwar ein Grundstück mit einem - festgesetzten - Verkehrswert von nur 400.000 DM erworben und darüberhinaus die bestehenbleibende Reallast übernehmen müssen. Das hätte ihn aber möglicherweise deshalb nicht von einem solchen Gebot abgehalten, weil er auf dem Grundstück eine Kfz-Werkstatt und einen Fahrradhandel betrieben habe und daher am Erwerb des Grundstücks ein erhebliches Interesse gehabt habe. Die danach bestehenden Zweifel an der Ursächlichkeit der behaupteten Pflichtverletzung gingen zu Lasten der insoweit beweispflichtigen Klägerin.
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2. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg.
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a) An dieser Stelle kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht bei seinen Kausalitätserwägungen die Vorschrift des § 287 ZPO übersehen hat. Eine Verletzung dieser Vorschrift hat die Revision nicht gerügt.
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b) Die Kausalitätserwägungen des Berufungsgerichts verstoßen jedoch, wie die Revision mit Recht geltend macht, jedenfalls auch gegen § 286 ZPO.
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Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Auf der Grundlage des Klagevorbringens hängt die Ursächlichkeit einer etwaigen Auskunftspflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden davon ab, daß der Vater der Klägerin im Falle richtiger Auskunftserteilung auf das gesetzliche Ausgebot ein die Forderung der Beklagten deckendes Gebot abgegeben hätte und H. nicht auch auf das gesetzliche Ausgebot geboten hätte und dabei über das Gebot des Vaters der Klägerin hinausgegangen wäre.
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Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen jedoch nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten Tatsachen es davon ausgeht, H. hätte möglicherweise über die Beklagte oder ein anderes Kreditinstitut auch ein etwa erforderliches Gebot von mehr als 410.000 DM finanzieren können. Tatsächliche Feststellungen, die für eine realistische Finanzierungsmöglichkeit sprechen könnten, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Vielmehr belegen die Kreditkündigung der Beklagten und das nachfolgende Versteigerungsverfahren, daß H. zum damaligen Zeitpunkt über keine finanziellen Mittel verfügte. Wenn die Beklagte, wie das Berufungsgericht ausführt, das Gebot H.s über 365.000 DM finanziert hat, mag dies darin seine Erklärung finden, daß H. für diesen Betrag als Sicherheit zumindest ein - lastenfreies - Grundstück mit einem festgesetzten Verkehrswert von 400.000 DM bieten konnte. Bei Finanzierung eines über 410.000 DM hinausgehenden "gesetzlichen" Gebotes hätte sie indessen nur eine Sicherheit erhalten, deren Wert wegen des niedrigeren Verkehrswertes und der bestehenbleibenden, dann vorrangigen Reallast erheblich hinter der zu sichernden Kreditforderung zurückgeblieben wäre. Daß die Beklagte oder andere Kreditinstitute sich unter solchen Umständen auf eine Finanzierung eingelassen hätten, erscheint fernliegend.
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Es fehlt auch an einer ausreichenden Begründung für die Annahme des Berufungsgerichts, der Vater der Klägerin habe in der Versteigerung höchstens 410.000 DM bieten können. Die Summe aus vorhandenem Eigenkapital von 60.000 DM und verfügbarem Kreditlimit von 350.000 DM brauchte schon deshalb keine absolute Obergrenze darzustellen, weil ein etwaiger Übererlös aus der Versteigerung mangels anderer Berechtigter der Klägerin zustand und diese daher in der Lage gewesen wäre, ihrem Vater jeden über die Forderung der Beklagten und die Versteigerungskosten hinausgehenden Betrag zurückzuerstatten.
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3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig dar (§ 563 ZPO).
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a) Die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob zwischen der Beklagten und dem Vater der Klägerin ein Auskunftsvertrag zustande gekommen ist und die Beklagte die sich daraus ergebenden Pflichten verletzt hat, kann auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands nicht verneint werden.
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aa) Nach gefestigter Rechtsprechung ist der stillschweigende Abschluß eines Auskunftsvertrages und damit eine vertragliche Haftungsgrundlage bei falscher Auskunft regelmäßig dann zu bejahen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen machen will (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1963 - VII ZR 101/62 - WM 1964, 117; Urteil vom 6. März 1972 - II ZR 100/69 - NJW 1972, 1200; Senatsurteile vom 17. Oktober 1989 - XI ZR 39/89 - WM 1989, 1836, 1837 und vom 16. Oktober 1990 - XI ZR 165/88 - WM 1990, 1990, 1991 m.w.Nachw.). Das gilt insbesondere dann, wenn der Auskunftgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 1989 aaO) oder durch persönliches Engagement in der Form von Zusicherungen gleichsam als Garant für die Richtigkeit der Auskunft hervortritt (vgl. BGHZ 7, 371, 377; Urteil vom 17. September 1985 - VI ZR 73/84 - NJW 1986, 180, 181).
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bb) Nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerin hat der Leiter der Rechtsabteilung der Beklagten, Herr F., den Vater der Klägerin kurz vor dem Versteigerungstermin von dem beantragten Doppelausgebot unterrichtet und ihm dabei erklärt, daß der Sparkassenbrief mit ca. 40.000 DM angerechnet werde und bei einem Gebot von 330.000 DM auf das gesetzliche Ausgebot - mit Übernahme der Reallast - andere Interessenten eine Million bieten könnten, ohne den Zuschlag zu erhalten. Damit ist - die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt - ein stillschweigender Vertragsschluß wie auch die Verletzung der sich daraus ergebenden Auskunftspflicht genügend dargelegt: Unstreitig wußte F., dessen Verhalten sich die Beklagte gemäß §§ 164, 278 BGB zurechnen lassen muß, daß die Eltern der Klägerin das Grundstück unter allen Umständen im Familienbesitz erhalten wollten. Er selbst hat, wie die Klägerin weiter behauptet, gegenüber dem Vater der Klägerin, der ursprünglich die Kreditschulden der Klägerin ablösen wollte, eine Ersteigerung des Grundbesitzes als günstiger bezeichnet. Ihm war daher ohne weiteres erkennbar, daß Angaben zu den Besonderheiten eines Doppelausgebots und zur Höhe des für eine Zuschlagserteilung aufzubringenden Betrages, für die er als Leiter der Rechtsabteilung besonders sachkundig erscheinen mußte, von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für K. waren. Durch diese Erklärungen wurde bei dem Vater der Klägerin die - nur bedingt richtige - Vorstellung erweckt, er genieße als Reallastberechtigter eine Vorzugsstellung, die von ihm lediglich ein Gebot von 330.000 DM nebst einem gewissen Sicherheitszuschlag verlangte, um ungeachtet höherer Gebote anderer Mitbieter des Zuschlags sicher sein zu können. Das traf, auch wenn der Vater im Rahmen des gesetzlichen Ausgebots Meistbietender blieb, nach den bei einem Doppelausgebot gemäß § 9 Abs. 2 EGZVG für die Zuschlagserteilung geltenden und vom Versteigerungsgericht angewendeten Grundsätzen (vgl. dazu Schiffhauer in Dassler/Schiffhauer/Gerhard/Muth, ZVG 12. Aufl. § 9 EGZVG Rdn. 22, 23; Zeller/Stöber, ZVG 13. Aufl. § 52 Anm. 5.8) nur zu, wenn die Beklagte durch ein entsprechendes Gebot volle Deckung erhielt und daher durch den Fortbestand der Reallast nicht beeinträchtigt war. Mag die Beklagte gegenüber dem Vater der Klägerin auch rechtlich nicht verpflichtet gewesen sein, den Wert des Sparkassenbriefes von ihrer Darlehensforderung abzusetzen, so durfte sie gleichwohl nicht unzutreffende Erklärungen abgeben, die ersichtlich von entscheidendem Einfluß auf das Bietverhalten des Vaters der Klägerin sein mußten. Sie hat vielmehr, wenn sie sich unter den gegebenen Umständen auf die Erteilung von Auskünften einließ, allein deshalb auch gegenüber einem Nichtkunden (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1972 aaO) für deren Richtigkeit einzustehen. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Auskunft von Anfang an unrichtig war oder erst nach ihrer Erteilung unrichtig wurde. Hat die Beklagte sich erst im nachhinein zur Nichtanrechnung des Sparkassenbriefes entschlossen, mußte sie dies dem Vater der Klägerin rechtzeitig mitteilen und ihn darüberhinaus darauf hinweisen, daß jedes ihre Darlehensforderung nicht deckende Gebot aufgrund der Doppelausbietung nicht mehr zuschlagsfähig war, sobald von einem Mitbieter im Rahmen des abweichenden Ausgebots ein höherer Betrag geboten wurde. Insoweit bestand aufgrund des - hier zu unterstellenden - Auskunftsvertrages eine Berichtigungspflicht (vgl. dazu Steffen in BGB-RGRK 12. Aufl. § 676 Rdn. 53), der nachzukommen für die Beklagte schon deshalb nicht unzumutbar war, weil die Höhe der für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Forderungsanmeldung allein von ihr abhing.
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b) Anders als die Revisionserwiderung meint, scheidet eine Haftung der Beklagten auch nicht deshalb aus, weil die zugunsten der Eltern der Klägerin eingetragene Rentenreallast nicht als Altenteil im Sinne des § 9 Abs. 1 EGZVG anzusehen wäre und der Grundbesitz mangels Privilegierung dieses Rechts ohnehin nicht mit der Folge des Bestehenbleibens der Reallast hätte ausgeboten werden dürfen. Dieser Einwand verkennt, daß ein Altenteilsrecht begrifflich nicht zwingend eine Mehrheit dinglich gesicherter Leistungen voraussetzt, die dem Berechtigten den gesamten Lebensunterhalt und die volle Versorgung gewährleisten muß. Die Rechtsprechung hat vielmehr wiederholt Vereinbarungen, die sich in der Einräumung eines Zahlungsanspruchs erschöpfen, dann als Altenteil anerkannt, wenn die auf persönliche Versorgung ausgerichtete soziale Motivation und nicht die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung im Vordergrund stand (vgl. RGZ 128, 198, 203; 140, 60, 63; BGH, Urteil vom 17. April 1984 - IX ZR 47/83 - WM 1984, 878, 880; zum Versorgungszweck: BayObLG Rpfleger 1975, 314; Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht 9. Aufl. Rdn. 1323; MünchKomm/Pecher, BGB 2. Aufl. Art. 96 EGBGB Rdn. 19). Darauf stellt ersichtlich auch die von der Revisionserwiderung herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 3. April 1981 ab (V ZR 55/80 - WM 1981, 718). Im vorliegenden Fall ist dem Erfordernis der persönlichen Versorgung genügt. Nach dem notariellen Grundstücksübertragungsvertrag zwischen der Klägerin und ihren Eltern vom 16. Juni 1987 hat die Klägerin den Grundbesitz im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Zahlung einer monatlichen, lebenslänglichen Leibrente erhalten. Es kann danach ausgeschlossen werden, daß der den Eltern zugewandte Zahlungsanspruch lediglich eine Kaufpreisverrentung darstellt.
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4. Hinsichtlich der auf abgetretenes Recht gestützten Schadensersatzansprüche kann das angefochtene Urteil somit keinen Bestand haben. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, weil zum Inhalt der dem Vater der Klägerin erteilten Auskünfte tatsächliche Feststellungen fehlen und es nach den vorstehenden Darlegungen einer erneuten tatrichterlichen Würdigung des Kausalzusammenhangs bedarf. Die Sache war daher insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
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Für die weitere Verhandlung wird auf folgendes hingewiesen:
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Sollte das Berufungsgericht eine Auskunftspflichtverletzung der Beklagten feststellen, hat die Klägerin dafür, daß ihr früherer Ehemann über das ihrem Vater mögliche Maximalgebot nicht hinausgegangenen wäre, keinen vollen Beweis im Sinne des § 286 ZPO zu erbringen. Der Anspruchsteller muß lediglich den Ablauf des Geschehens, das den konkreten Haftungsgrund bildet, nach § 286 ZPO beweisen, während über den Kausalzusammenhang zwischen Haftungsgrund und Schaden, die sogenannte haftungsausfüllende Kausalität, nach § 287 ZPO zu entscheiden ist (BGHZ 4, 192, 196). Beim Eintritt von Personen- und Sachschäden, in der Regel also bei Schadensersatzansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB, gehört der Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und der Rechtsgutverletzung im allgemeinen zum konkreten Haftungsgrund und ist nach § 286 Abs. 1 ZPO zu beweisen (vgl. Stein-Jonas/Leipold aaO § 287 Rdn. 14 m.w.Nachw.). Im vorliegenden Fall macht die Klägerin indessen einen Anspruch aus Vertragsverletzung geltend, der auf Ersatz eines reinen Vermögensschadens gerichtet ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erstreckt sich in derartigen Fällen der Bereich des nach § 286 ZPO zu beweisenden Haftungsgrundes nur bis zu der Feststellung, der Vertragspartner sei von dem Verstoß so betroffen worden, daß nachteilige Folgen für ihn eintreten konnten. Für den Nachweis der Ursächlichkeit der Vertragsverletzung für den eigentlichen Schadenseintritt ist dagegen die Beweiserleichterung des § 287 ZPO maßgebend (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1975 - VI ZR 129/73 - VersR 1975, 540, 541; Urteil vom 28. April 1982 - IVa ZR 8/81 - NJW 1983, 998, 999; Urteil vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - NJW 1987, 705, 706). Der von der Klägerin nach § 286 ZPO zu führende Beweis darf danach nicht so weit ausgedehnt werden, daß für die Beweiserleichterung des § 287 ZPO nur noch die Höhe eines etwaigen Schadens verbliebe. Steht eine nicht entschuldigte (§ 282 BGB) Auskunftspflichtverletzung der Beklagten fest, war der Vater der Klägerin von ihr bereits deshalb betroffen, weil sie ihn von einer bestimmten Biethöhe an als Bietkonkurrenten faktisch ausschaltete und damit gegenüber dem Mitbieter H. benachteiligte.
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