Vollstreckbarerklärung ausländischen Schiedsspruchs und deutscher ordre public: Differenzeinwand gegenüber verbindlichem ausländischem Börsentermingeschäft zwischen termingeschäftsfähigen Partnern
Leitsatz
1. Der Differenzeinwand gegenüber verbindlichen Börsentermingeschäften zwischen börsentermingeschäftsfähigen Partnern gehört nach heutigem Verständnis nicht mehr zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, deren Mißachtung nach ZPO § 1044 Abs 2 Nr 2 der Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs entgegensteht.
Orientierungssatz
1. Zitierung: Abgrenzung BGH, 1987-06-15, II ZR 124/86, WM IV 1987, 1153.














vorgehend LG Osnabrück, 14. November 1988, 7 O 187/88




Tatbestand
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Die Antragstellerin erwirkte am 28. September 1987 vor einem Schiedsgericht in 's-G. in den Niederlanden einen Schiedsspruch, in dem der Antragsgegner zu 1) zur Zahlung von 778.992,12 hfl nebst Zinsen, der Antragsgegner zu 2) zur Zahlung von 344.980,22 hfl nebst Zinsen und die Antragsgegnerin zu 3) zur Zahlung von 265.061,68 hfl nebst Zinsen verurteilt wurden. Die Forderungen der Antragstellerin beruhten auf Warentermingeschäften über Schlachtschweine.
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Die Antragstellerin hat beantragt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, und hat hierfür das Verfahren nach § 1044 ZPO gewählt. Die Antragsgegner sind dem Antrag entgegengetreten mit der Begründung, die Verbindlichkeiten seien wegen des Termineinwands und des Differenzeinwands nicht klagbar, so daß auch eine Vollstreckbarerklärung ausscheide; außerdem sei das Schiedsgericht einseitig parteilich besetzt gewesen.
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Das Landgericht hat den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs abgelehnt, das Berufungsgericht hat die Berufung der Antragstellerin zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision der Antragstellerin nur insoweit angenommen, als sie sich gegen die Antragsgegnerin zu 3) richtet. In diesem Umfang verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision führt, soweit sie angenommen worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 3).
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I. Das Berufungsgericht hat die Antragsgegnerin zu 3) zwar als börsentermingeschäftsfähig angesehen, ihr aber den Differenzeinwand nach § 764 BGB zugebilligt und den Standpunkt eingenommen, dieser Einwand sei auch gegenüber an ausländischen Börsen geschlossenen Geschäften möglich und im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu beachten.
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II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.
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1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht von der Börsentermingeschäftsfähigkeit der Antragsgegnerin zu 3) ausgegangen. Auf die Antragsgegnerin zu 3) als Gesellschaft mit beschränkter Haftung finden nach § 6 Abs. 1 HGB i.V.m. § 13 Abs. 3 GmbHG die für Kaufleute geltenden Vorschriften und damit auch § 53 Abs. 1 Satz 1 BörsG in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Juli 1989 geltenden Fassung Anwendung.
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2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß der Antragsgegnerin zu 3) nach deutschem Recht der Differenzeinwand zusteht.
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Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Antragsgegnerin zu 3) als Baubetreuungsgesellschaft habe sich an den Termingeschäften über Schlachtschweine nur zu dem Zweck beteiligt, aus Kursschwankungen Gewinne zu erzielen, wird von der Revision nicht angegriffen. Damit sind die Voraussetzungen des § 764 BGB gegeben.
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Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet nicht deshalb aus, weil die Antragsgegnerin zu 3) börsentermingeschäftsfähig ist. § 58 BörsG a.F., der bei Börsentermingeschäften, die nach den Vorschriften des Börsengesetzes verbindlich sind, unter bestimmten Voraussetzungen auch den Differenzeinwand ausschließt, ist hier nicht anwendbar, weil die Termingeschäfte der Antragsgegnerin zu 3) an der Amsterdamer Börse abgeschlossen wurden. Zwar finden nach § 61 BörsG a.F. die §§ 52 bis 60 BörsG auch auf Auslandsgeschäfte Anwendung. § 58 BörsG a.F. gilt jedoch nur für Börsentermingeschäfte in Waren oder Wertpapieren, die nach § 50 BörsG a.F. zum Börsenterminhandel zugelassen sind, d.h. für Börsentermingeschäfte an einer inländischen Börse (BGHZ 58, 1; BGH, Urteil vom 16. März 1981 - II ZR 110/80, WM 1981, 711). Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf ausländische Börsentermingeschäfte ist nicht gerechtfertigt (BGH aaO).
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3. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Differenzeinwand sei hier auch im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu beachten, hält dagegen, wie die Revision mit Recht geltend macht, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, daß über die Vollstreckbarerklärung des niederländischen Schiedsspruchs nach § 1044 i.V.m. §§ 1042ff. ZPO zu entscheiden ist. Das europäische Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II, 774) ist nach seinem Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 auf die Schiedsgerichtsbarkeit nicht anzuwenden. Anwendbar ist vielmehr nach Art. 17 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 30. August 1962 (BGBl. 1965 II, 27) das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, 121). Nach dessen Art. VII Abs. 1 kann jede beteiligte Partei sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Landes, in dem er geltend gemacht wird, berufen. Von dieser Möglichkeit hat die Antragstellerin mit der Wirkung Gebrauch gemacht, daß § 1044 i.V.m. §§ 1042ff. ZPO zur Anwendung kommt.
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b) Zu Unrecht gelangt das Berufungsgericht jedoch zu dem Ergebnis, der Differenzeinwand sei hier auch im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu beachten.
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Nach § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist der Antrag auf Vollstreckbarerklärung abzulehnen, wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dieser Ablehnungsgrund ist nicht schon deshalb gegeben, weil auf die dem Schiedsspruch zugrundeliegenden Termingeschäfte noch die alte Fassung des deutschen Börsengesetzes Anwendung findet und danach wegen des nicht ausgeschlossenen Differenzeinwandes eine im Inland gegen die Antragsgegnerin zu 3) erhobene Zahlungsklage abzuweisen wäre. Der ausländische Schiedsspruch ist im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung nicht in allen Einzelheiten auf seine materiellrechtliche Richtigkeit, sondern lediglich daraufhin zu überprüfen, ob er elementare Grundlagen der deutschen Rechtsordnung verletzt (BGH, Urteil vom 12. Juli 1990 - III ZR 174/89, WM 1990, 1766). Der Differenzeinwand gegenüber Termingeschäften eines Börsentermingeschäftsfähigen gehört nach heutigem Verständnis nicht zu diesen elementaren Grundlagen.
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Bereits § 58 BörsG in der bis zum 31. Juli 1989 geltenden Fassung schloß den Differenzeinwand gegenüber verbindlichen Börsentermingeschäften in Waren oder Wertpapieren aus, die zum Börsenterminhandel zugelassen waren. Allerdings betraf dieser Ausschluß nach der oben unter 2. zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur Termingeschäfte an einer inländischen Börse. Für Termingeschäfte an ausländischen Börsen - wie sie hier vorliegen - war dieser Einwand uneingeschränkt gegeben und wurde vom II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes trotz zunehmender Kritik im Schrifttum in ständiger Rechtsprechung zum deutschen ordre public gerechnet (vgl. zuletzt Urteil vom 15. Juni 1987 - II ZR 124/86, WM 1987, 1153, 1154 m.w.Nachw.). Diese Auffassung, die wesentlich von dem Bestreben getragen war, der in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommenden Wertentscheidung des Gesetzgebers zur Durchsetzung zu verhelfen (aaO S. 1154), kann angesichts der grundlegenden Wandlung der Ansichten über die Schutzbedürftigkeit des Börsentermingeschäftsfähigen, die inzwischen sogar in der Börsengesetznovelle ihren Niederschlag gefunden hat, nicht länger aufrechterhalten werden.
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§ 58 BörsG schließt in der seit dem 1. August 1989 geltenden Fassung den Differenzeinwand für alle nach den §§ 53 und 57 BörsG verbindlichen Börsentermingeschäfte aus. Damit ist die Anknüpfung an die Zulassung zum inländischen Börsenterminhandel entfallen. Für den Bereich des Terminhandels zwischen Börsentermingeschäftsfähigen hat der Gesetzgeber seine für die Rechtsprechung des II. Zivilsenats maßgebende Wertentscheidung revidiert und zum Ausdruck gebracht, daß er insoweit den Differenzeinwand nicht länger als ein notwendiges Schutzinstrument ansieht. Das gilt materiellrechtlich zwar nur für die Zeit ab Inkrafttreten der Börsengesetznovelle, läßt andererseits aber deutlich werden, daß die frühere Regelung auch für die Fälle, für die sie anwendbar bleibt, nicht mehr zu den elementaren Grundlagen der deutschen Rechtsordnung gezählt werden kann, die unter allen Umständen auch gegenüber abweichendem ausländischen Ortsrecht durchgesetzt werden müssen (vgl. auch Kümpel WM 1989, 1485, 1495). Die Anerkennung des niederländischen Schiedsspruchs führt damit, soweit er gegen die börsentermingeschäftsfähige Antragsgegnerin zu 3) ergangen ist, nicht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar im Sinne des § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist.
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III. Eine Ablehnung der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs läßt sich, soweit dieser die Antragsgegnerin zu 3) betrifft, auch nicht auf andere als die vom Berufungsgericht genannten Gründe stützen.
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1. Die Behauptung der Antragsgegnerin zu 3), das niederländische Schiedsgericht sei auf der Grundlage einseitiger Bestimmungen der Satzung der S. nicht unparteiisch zusammengesetzt gewesen, bedarf keiner näheren Prüfung. Auch wenn dies so gewesen sein sollte, wäre die Antragsgegnerin zu 3) dem nicht schutzlos ausgeliefert gewesen. Sie hätte dann nach Art. 1028 des niederländischen Schiedsgerichtsgesetzes die Möglichkeit gehabt, auf anderem Wege eine ausgewogene Besetzung des Schiedsgerichts herbeizuführen. Die genannte Vorschrift verleiht für den Fall, daß der Schiedsvertrag einer Partei bei der Ernennung des oder der Schiedsrichter ein Übergewicht gibt, der anderen Partei die Befugnis, in Abweichung von der schiedsvertraglichen Ernennungsregelung beim Präsidenten des zuständigen staatlichen Gerichts die Ernennung des oder der Schiedsrichter zu beantragen.
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2. Die Antragsgegnerin zu 3) hat geltend gemacht, der Schlichtungsantrag der Antragstellerin vom 19. Juli 1985 sei unter Verstoß gegen die Statuten des Schlichtungsverfahrens nicht binnen 14 Tagen nach Entstehen der Streitigkeit und damit verspätet gestellt worden. Ein Verfahrensfehler, der den Schiedsspruch rechtsunwirksam machen und damit nach § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Ablehnung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung rechtfertigen könnte, liegt jedoch nicht vor. Art. 19 Nr. 2 Satz 1 der Satzung der S. verlangt zwar, daß der Schlichtungsantrag spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Entstehen einer Meinungsverschiedenheit gestellt wird. Nach Art. 19 Nr. 2 Satz 3 liegt eine Meinungsverschiedenheit in diesem Sinne aber erst dann vor, wenn eine Partei dies der anderen schriftlich mitteilt. Das von der Antragsgegnerin zu 3) in diesem Zusammenhang vorgelegte Fernschreiben der Antragsgegner vom 14. Dezember 1984 erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Es kann deshalb offen bleiben, welchen Einfluß eine Versäumung der Antragsfrist auf die Rechtswirksamkeit des trotzdem ergangenen Schiedsspruchs hätte.
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IV. Das Berufungsurteil konnte somit, soweit es noch angefochten ist, keinen Bestand haben und mußte in diesem Umfang aufgehoben werden. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, war das landgerichtliche Urteil teilweise abzuändern und der Schiedsspruch hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 3) für vollstreckbar zu erklären.
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