Anspruch auf anteilige Disagioerstattung bei vorzeitiger Rückzahlung eines zinsverbilligten Darlehens aus öffentlichem Förderprogramm
Leitsatz
1. Bei vorzeitiger Rückzahlung zinsverbilligter Kredite aus öffentlichen Förderprogrammen kann der Kreditnehmer keine anteilige Erstattung des Disagios verlangen, wenn dieses nach der gesamten Vertragsgestaltung den laufzeitunabhängigen Darlehensnebenkosten zuzuordnen ist (im Anschluß an BGH 1992-05-12, XI ZR 258/91, WM IV 1992, 1058).
Orientierungssatz
1. Weitere Zitierung: Abgrenzung BGH, 1990-05-29, XI ZR 231/89, BGHZ 111, 287.












vorgehend LG München I, 13. September 1991, 3 HKO 9723/91
Vergleiche BFH 1. Senat, 22. Juni 2011, I R 7/10
Entgegen FG Köln 13. Senat, 12. November 2009, 13 K 3803/06
Vergleiche Finanzgericht Baden-Württemberg 6. Senat, 27. Mai 1994, 6 K 185/91



Ludwig Hans Batereau, WuB I E 1 Kreditvertrag 3.94 (Anmerkung)
Abgrenzung BGH 11. Zivilsenat, 29. Mai 1990, XI ZR 231/89
Tatbestand
- 1
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank die anteilige Rückzahlung eines Disagios. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
- 2
Die Beklagte gewährte der Klägerin im Jahre 1988 aus Mitteln des sogenannten Mittelstandsprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Darlehen in Höhe von 352.000 DM für den Kauf einer Apotheke. Der Darlehensvertrag sah eine Darlehensauszahlung in Höhe von 96%, eine feste Verzinsung in Höhe von 6% während der gesamten Laufzeit vom 19. August 1988 bis zum 30. September 1998 sowie die Geltung der "Allgemeinen Bestimmungen für Investitionskredite - Endkreditnehmer" der KfW vor. In diesen Allgemeinen Bestimmungen war u.a. das Recht des Endkreditnehmers zur jederzeitigen Rückzahlung des Kredits festgelegt.
- 3
Die Klägerin zahlte das Darlehen am 1. Oktober 1990 zurück.
- 4
Sie ist der Ansicht, sie könne wegen der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens verlangen, daß die Beklagte ihr einen entsprechenden Teil des bei der Darlehensauszahlung einbehaltenen Disagios erstatte. Sie hat mit der Klage zunächst einen Zahlungsanspruch in Höhe von 11.264 DM nebst Zinsen und sodann nach teilweiser Klagerücknahme einen Anspruch in Höhe von 9.329,40 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 5
Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
I.
- 6
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus § 812 BGB oder aus Vertrag auf anteilige Rückzahlung des Disagios verneint. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
- 7
Disagiovereinbarungen bei Krediten aus öffentlichen Förderungsprogrammen seien anders zu behandeln als bei Krediten im Rahmen des normalen Bankgeschäfts. Es spreche gegen die Laufzeitabhängigkeit des Disagios, daß der Kredit nicht in Wettbewerb zu Krediten anderer Institute habe treten sollen, daß Effektivzins, Nominalzins und Disagio einseitig von der ausgebenden Stelle im Interesse einer optimalen Förderung festgelegt worden seien, daß das Disagio nicht vorrangig einer den Kundenwünschen entgegenkommenden Ausgestaltung des Nominalzinses gedient habe und daß der Beklagten die Zinsmarge vorgegeben gewesen sei. Die Klägerin habe auch gewußt, daß sie ohne Verhandlungsspielraum einen zweckgebundenen besonders günstigen Förderkredit erhalten sollte. Da das Disagio, das die KfW endgültig habe einbehalten wollen, für die Beklagte nur ein durchlaufender Posten gewesen sei, habe die Klägerin, auch wenn ihr diese Absicht unbekannt geblieben sei, das Disagio als laufzeitunabhängige Vergütung hinnehmen müssen.
II.
- 8
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg. Entgegen der Ansicht der Revision führen die Grundsätze des Senatsurteils vom 29. Mai 1990 (BGHZ 111, 287) nicht dazu, das zwischen den Parteien vereinbarte Disagio den laufzeitabhängigen Zinsen zuzuordnen; einschlägig ist hier vielmehr das Senatsurteil vom 12. Mai 1992 (XI ZR 258/91 = WM 1992, 1058), in dem der erkennende Senat bei zinsverbilligten Krediten aus öffentlichen Förderprogrammen ein Disagio anders bewertet hat.
- 9
1. In seinem Urteil vom 29. Mai 1990 (aaO) hat der erkennende Senat unter Berücksichtigung der neueren Entwicklung auf dem allgemeinen Kapitalmarkt ausgesprochen, daß Disagio-Vereinbarungen in Darlehensverträgen "im Zweifel" im Sinne eines zinsähnlichen Entgelts auszulegen sind, das mit der Nominalzinshöhe in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis steht. Im Urteil vom 12. Mai 1992 (aaO) hat der Senat dagegen auf die Besonderheiten abgestellt, die zinsverbilligte Kredite aus öffentlichen Förderprogrammen gegenüber den Verhältnissen am allgemeinen Kapitalmarkt aufweisen, und hat deshalb ein im Rahmen solcher Kredite vereinbartes Disagio den laufzeitunabhängigen Darlehensnebenkosten zugeordnet.
- 10
2. Auch im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Darlehen, das die Klägerin von der beklagten Bank erhalten hat, um einen zinsverbilligten Kredit aus einem öffentlichen Förderprogramm. Im Unterschied zu dem vom erkennenden Senat am 12. Mai 1992 entschiedenen Fall geht es hier allerdings um die rechtliche Einordnung eines Disagios, das nicht einer zwischengeschalteten Bank, sondern der Endkreditnehmerin berechnet wurde. Das führt jedoch zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Entscheidend ist, daß auch hier Zins und Disagio unabänderlich vorgegeben waren, daß es sich bei dem der Klägerin gewährten Darlehen nicht um einen Kredit handelte, der in Wettbewerb mit den Angeboten anderer Kreditinstitute treten sollte, sondern um zweckgebundene besonders günstige Mittel zur Förderung wirtschaftspolitischer Ziele, daß Effektivzins, Nominalzins und Disagio sowie alle sonstigen Kreditbedingungen einseitig von der KfW im Interesse einer optimalen Förderung festgelegt waren und daß insgesamt für die Klägerin die Annahme fernliegend erscheinen mußte, das Disagio sei ein zinsähnlicher laufzeitabhängiger Entgeltbestandteil.
- 11
Für die Klägerin als Endkreditnehmerin mußte sich daraus, daß ihr die Möglichkeit vorzeitiger Darlehensrückzahlung ohne Entrichtung einer Vorfälligkeitsentschädigung eingeräumt worden war, ein weiteres Indiz dafür ergeben, daß sie in diesem Fall nicht auch noch den zusätzlichen Vorteil einer teilweisen Rückerstattung des Disagios erhalten sollte. Es war offensichtlich, daß eine solche vorzeitige Darlehensrückzahlung, wenn sie in einer Zeit besonders niedriger Kapitalmarktzinsen erfolgte, für die Gegenseite angesichts der Notwendigkeit entsprechend langfristiger Gegenfinanzierung des Zehnjahresdarlehens mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden sein konnte. Es lag daher nahe, in dem Disagio eher einen Ausgleich für diese von der Gegenseite übernommenen Risiken als einen verdeckten Zinsbestandteil zu sehen.
- 12
Aus Ziffer 4 der dem Darlehensvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bestimmungen für Investitionskredite ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nichts anderes. Der von der Revision besonders hervorgehobene erste Satz - "Die Kreditbearbeitungs- und Verwaltungskosten sind mit dem Zinssatz abgegolten" - muß im Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen der Ziffer 4 gesehen werden, die der als unmittelbare Darlehensgeberin auftretenden "Hausbank" des Endkreditnehmers nur in sehr begrenztem Umfang die Weitergabe eigener Kosten gestatten und ihr u.a. die Berechnung von Verzichtsgebühren und Vorfälligkeitsentschädigungen verbieten. Die Zielrichtung dieses Teils der von der KfW vorgeschriebenen Allgemeinen Bestimmungen liegt somit allein darin, die den Kredit auszahlende Hausbank an die von der KfW festgelegten Darlehensmodalitäten zu binden und ihr keine einseitige Erhöhung der Leistungspflichten des Endkreditnehmers zu ermöglichen. Eine Regelung des Verhältnisses von Zinssatz und Disagio ist damit erkennbar nicht beabsichtigt. Aus der ungenauen Formulierung von Ziffer 4 Satz 1 kann daher hierfür nichts hergeleitet werden.
Permalink
-
Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten:
https://www.juris.de/perma?d=KORE315359300