Wirksame Aufrechnung gegen Klageforderung bei Teilklage; Aufrechnungserklärung durch Aufrechnungsbehauptung
Leitsatz
1. Bei einer Teilklage muß der Kläger die Aufrechnung des Beklagten gegen die Klageforderung hinnehmen, wenn er es versäumt hat, vorher mit dem nicht eingeklagten Teil seiner Forderung gegen den Anspruch des Beklagten aufzurechnen.
2. In der - auch unsubstantiierten - Behauptung einer vorprozessualen Aufrechnung kann eine konkludente Wiederholung der Aufrechnungserklärung liegen.









vorgehend LG München I, 16. September 1992, 13 O 3203/91

Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Rüßmann, 8. Auflage 2017, § 388 BGB
Tatbestand
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Der Beklagte und seine Ehefrau betrieben in W. ein Sanatorium. Als die Ehegatten sich 1981 trennten, übertrugen sie das Betriebsgrundstück auf den Kläger, ihren Sohn; er räumte beiden dafür Leibgedingsrechte ein, die auch eine Gewinnbeteiligung umfaßten. Untereinander vereinbarten der Beklagte und seine Ehefrau die Teilung eines weiteren gemeinschaftlichen Grundstücks in K.; zugleich verpflichtete sich jeder Ehegatte, bei Veräußerung seiner Teilfläche den halben Erlös dem Kläger darlehensweise zu einem Jahreszins von 5% zur Verfügung zu stellen; beim Tode des jeweiligen Darlehensgebers sollte der Darlehensbetrag dem Kläger schenkungsweise zufallen.
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In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten über die Zahlungsverpflichtungen des Klägers aus dem Leibgedinge. 1988 verkaufte der Beklagte die ihm gehörende Teilfläche des Grundstücks in K. zum Preise von 2,55 Millionen DM. Der Kläger beansprucht davon 1,275 Millionen als Darlehen. Mit der Klage hat er unter Hinweis auf Aufrechnungen in anderen Prozessen die Auszahlung eines Darlehensteilbetrags von 250.000 DM verlangt. Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, der Kläger habe sich ihm gegenüber durch die Nichterfüllung der Leibgedingsverpflichtungen und durch Beleidigungen und Tätlichkeiten des groben Undanks schuldig gemacht; hilfsweise hat der Beklagte mit seinen Gewinnbeteiligungsansprüchen aus den Jahren 1986 bis 1990 aufgerechnet, die er mit insgesamt 274.987 DM beziffert hat; davon entfielen auf das Jahr 1986 81.975 DM. Im Wege der Widerklage hat er die Zahlung von 83.621 DM als Gewinnbeteiligung für das Geschäftsjahr 1986 verlangt.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Widerklage abgewiesen, die Klageabweisung aber bestätigt. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Das Rechtsmittel des Beklagten ist vom Senat nicht angenommen worden.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers, über die allein noch zu entscheiden ist, hat Erfolg. Sie führt zur Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 250.000 DM als Darlehen zu einem Jahreszinssatz von 5%.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Der Beklagte sei ursprünglich zwar verpflichtet gewesen, aus dem Erlös des Grundstücksverkaufs den verlangten Teilbetrag von 250.000 DM als Darlehen an den Kläger zu zahlen. Der Anspruch des Klägers sei aber aufgrund der vom Beklagten im Schriftsatz vom 6. November 1991 erklärten Aufrechnung mit dessen Gewinnbeteiligungsansprüchen für die Jahre 1986 bis 1990 erloschen. Die Gegenaufrechnung des Klägers mit dem nicht eingeklagten Teil seines Anspruchs auf Darlehensauszahlung sei nicht wirksam erfolgt. Soweit er sich auf frühere, außergerichtliche Aufrechnungserklärungen berufen habe, sei sein Vorbringen nicht ausreichend substantiiert. Seine am 13. Dezember 1991 im Prozeß erklärte Aufrechnung sei ins Leere gegangen, da die Forderungen, gegen die sie sich gerichtet habe, vorher bereits durch die Aufrechnungserklärung des Beklagten erloschen seien. Der Höhe nach hätten die Gegenforderungen des Beklagten die Klageforderung überstiegen.
II.
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Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
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1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Kläger aufgrund der zwischen seinen Eltern geschlossenen Vereinbarung (Ziffer X des Ehevertrags vom 16. April 1981) einen Anspruch erworben hat, vom Beklagten aus dem Erlös der verkauften Grundstücksteilfläche den verlangten Betrag von 250.000 DM als - mit 5% zu verzinsendes - Darlehen zu erhalten.
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Frei von Rechtsfehlern ist das Berufungsurteil auch, soweit es ein Erlöschen dieses Anspruchs aufgrund von Anfechtung, Widerruf, Kündigung, Wegfall der Geschäftsgrundlage oder Verwirkung verneint. Die dagegen gerichtete Revision des Beklagten ist daher vom Senat nicht angenommen worden.
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2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht gegenüber dem Klageanspruch jedoch die Aufrechnung des Beklagten mit seinen Gewinnbeteiligungsansprüchen für die Jahre 1986 bis 1990 durchgreifen lassen. Diese Gegenansprüche bestanden, als der Beklagte im Schriftsatz vom 6. November 1991 die Aufrechnung erklärte, nicht mehr; sie waren bereits vorher durch die Aufrechnung des Klägers mit einem nicht eingeklagten Teil seines Anspruchs auf Darlehensauszahlung untergegangen.
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a) Soweit der Kläger - unter Berufung auf Pentz (NJW 1966, 2392) - die Auffassung vertritt, bei einer Teilklage müsse sich der Beklagte mit seiner Aufrechnung aus Billigkeitsgründen in jedem Fall auf den nicht eingeklagten Teil der Klageforderung verweisen lassen, kann ihm nicht gefolgt werden. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung (RGZ 57, 97, 101; BGHZ 56, 312, 314 m.w.Nachw.) ist anerkannt, daß es entscheidend auf die zeitliche Reihenfolge der beiderseitigen Aufrechnungserklärungen ankommt: Wenn ein Kläger es versäumt hat, als erster die Aufrechnung mit einem nicht eingeklagten Teil seiner Forderung zu erklären, muß er die Aufrechnung des Beklagten gegen die Klageforderung hinnehmen; eine spätere Gegenaufrechnung des Klägers geht ins Leere.
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b) Mit Erfolg rügt der Kläger aber die Annahme des Berufungsgerichts, er habe erstmals im Schriftsatz vom 13. Dezember 1991 die Aufrechnung erklärt, also nach der Aufrechnung des Beklagten vom 6. November 1991. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß der Kläger sich bereits vorher - in der Klagebegründung vom 7. Mai 1991 wie auch im Schriftsatz vom 11. Oktober 1991 - auf eine frühere eigene Aufrechnung berufen hatte. Es hat aber gemeint, der Kläger habe Art und Inhalt seiner früheren Aufrechnungserklärungen nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Darauf kommt es nicht entscheidend an. Mit Recht weist die Revision darauf hin, daß in der - auch unsubstantiierten - Behauptung einer früheren Aufrechnung eine konkludente Wiederholung der Aufrechnungserklärung liegen kann. So mußte nach Auffassung des erkennenden Senats hier das Prozeßvorbringen des Klägers - das vom Revisionsgericht frei und selbständig auszulegen ist (Senatsurteil vom 14. November 1989 - XI ZR 97/88 = WM 1990, 6, 8) - verstanden werden: Aus den Schriftsätzen des Klägers vom 7. Mai und 11. Oktober 1991 ergab sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß der Kläger auf jeden Fall - bei Unwirksamkeit seiner früheren Erklärungen also auch durch eine neue Erklärung im jetzigen Prozeß - mit dem nicht eingeklagten Teil seines Darlehensauszahlungsanspruchs gegen die etwa bestehenden Gewinnbeteiligungsansprüche des Beklagten für die Jahre 1986 bis 1990 aufrechnen wollte. Auch für den Beklagten als Erklärungsgegner war erkennbar, daß nur diese Auslegung dem Interesse des Klägers entsprach, einer Aufrechnung des Beklagten gegen die Klageforderung zuvorzukommen. Um dieses Ziel zu erreichen, war der Kläger nicht etwa, wie das Berufungsgericht meint, gezwungen, zugleich die Gegenforderung des Beklagten anzuerkennen; er konnte vielmehr die Aufrechnung auch für den Fall des Bestehens der Gegenforderung erklären (RGZ 57, 97, 101; 97, 269, 273).
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c) Der Höhe nach reichte der Darlehensanspruch des Klägers aus, um nicht nur die Klageforderung zu rechtfertigen, sondern auch die Gegenforderungen des Beklagten durch Aufrechnung zum Erlöschen zu bringen. Die Klageforderung beträgt 250.000 DM. Die Gegenforderungen sind vom Beklagten mit 276.633 DM beziffert worden; nach den - mit der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts sind sie in diesem Umfang auch berechtigt. Der Gesamtanspruch des Klägers ist unstreitig höher als die (526.633 DM betragende) Summe beider Forderungen: Nach der Vereinbarung zu X. des Ehevertrags vom 16. April 1981 steht dem Kläger als Darlehen der halbe Veräußerungserlös der Grundstücksteilfläche in K. zu. Der Erlös betrug 2,55 Millionen DM. Der Beklagte will davon vorweg Grundstücksbelastungen von 1,2 Millionen DM und die - nicht bezifferten - Verkaufskosten absetzen. Der Berechnung des Klägers, daß selbst dann der Darlehensanspruch noch weit über 600.000 DM liegt, hat der Beklagte nicht widersprochen.
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