Allgemeinverbindlichkeit der Deckungsobergrenze einer Globalabtretung; Deckungsgrenze 200% vom Nennwert; Wirksamkeit der Globalabtretung bei unwirksamer Verwertungsregelung
Leitsatz
1. Bei einer Globalabtretung läßt sich bei Anknüpfung an den Nennwert der abgetretenen Forderungen eine Deckungsobergrenze nicht allgemeinverbindlich festlegen. Der Sicherungsnehmer kann durchaus ein berechtigtes Interesse an einer Deckungsgrenze von 200% haben.
2. Die Unwirksamkeit der Verwertungsregelung nach AGB-Banken 1986 Nr 20 Abs 2 (juris: BankAGB) berührt die Wirksamkeit von Globalabtretungen nicht (AGBG § 6 Abs 1).














vorgehend LG Leipzig, 16. Mai 1994, 11 O 709/94
Anschluss LG Frankenthal 7. Zivilkammer, 8. November 2007, 7 O 67/07
Anschluß OLG Stuttgart 9. Zivilsenat, 6. März 1996, 9 U 202/95



Detlef Grimm, WiB 1996, 132-133 (Anmerkung)

Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 18. November 1994 aufgehoben und das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 16. Mai 1994 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Globalabtretung.
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Die beklagte Bank gewährte der Schuldnerin, einer Handelsgesellschaft mit Sitz in L., deren Gesamtvollstreckungsverwalter der Kläger ist, Kredit. Als Sicherheit diente neben einer Bürgschaft der Treuhandanstalt die formularmäßige Globalabtretung vom 24. August 1990. Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 lautet:
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"Der Wert der abgetretenen Forderungen muß jeweils mindestens 200% der Verbindlichkeiten des Kreditnehmers gegenüber der Bank betragen (Deckungsgrenze)."
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Die ergänzend in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten enthalten in Nr. 19 Abs. 6 die Verpflichtung, auf Verlangen des Kunden Sicherungsgegenstände nach ihrer Wahl freizugeben, soweit der Wert des Sicherungsgutes die vereinbarte Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend überschreitet. Für die Verwertung bedarf es nach Nr. 20 Abs. 2 AGB, die Nr. 20 Abs. 2 AGB-Banken 1986 entspricht, weder eine Androhung noch der Einhaltung einer Frist.
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Der Globalabtretung vorausgegangen war ein Rundschreiben der Treuhandanstalt, der alleinigen Gesellschafterin der Schuldnerin, daß der Beleihungswert des Umlaufvermögens im Regelfall mit 50% angesetzt werden könne.
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Im September 1991 stellte die Beklagte den Kredit fällig, zog aufgrund der Globalabtretung 157.599,47 DM ein und entließ die Treuhandanstalt aus der Bürgschaft, nachdem diese die verbleibenden Kreditschulden der Schuldnerin ausgeglichen hatte.
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Der Kläger ist der Ansicht, die Globalabtretung sei unwirksam, da die festgelegte Deckungsgrenze eine Übersicherung der Beklagten nicht verhindere und die Offenlegung der Abtretung ohne Androhung erfolgen könne.
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Die Vorinstanzen haben der Klage auf Herausgabe von 157.599,47 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet; sie führt zur Abweisung der Klage.
I.
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Das Berufungsgericht hält die Beklagte zur Herausgabe der eingezogenen Forderungsbeträge für verpflichtet (§ 816 Abs. 2 BGB), da die Globalabtretung nach § 9 Abs. 1 AGBG, der bei Vertragsabschluß auch in der DDR gegolten habe, unwirksam sei:
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Die festgelegte Deckungsgrenze von 200% benachteilige die Schuldnerin unangemessen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehe regelmäßig die Gefahr einer unverhältnismäßigen Übersicherung, wenn Forderungen im Nennwert von mehr als 150% der zu sichernden Ansprüche abgetreten würden. Die Beklagte habe daher Umstände vortragen müssen, aus denen sich ihr Interesse an einer Deckungsgrenze von mehr als 150% ergebe. Dies sei nicht geschehen. Das von ihr angeführte Rundschreiben der Treuhandanstalt habe sich nicht auf den konkreten Einzelfall bezogen. Die Festlegung der Deckungsgrenze beruhe lediglich auf der Vermutung, die abgetretenen Forderungen könnten schwer realisierbar sein.
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Abgesehen davon sei die Sicherungsabrede auch deshalb unangemessen und nichtig, weil Nr. 20 Abs. 2 AGB eine Verwertung der abgetretenen Forderungen ohne Androhung erlaube. Die Offenlegung einer Abtretung habe für den Sicherungsgeber weitreichende Folgen; sie stelle seine Kreditwürdigkeit in Frage und gefährde damit seine wirtschaftliche Existenz.
II.
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Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Die Globalabtretung ist wirksam.
- 14
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Die Wirksamkeit des am 24. August 1990 geschlossenen Globalzessionsvertrages richtet sich nach dem Recht der ehemaligen DDR (Art. 232 § 1 EGBGB). Nach ersatzloser Streichung des § 442 ZGB und Ergänzung des § 436 Abs. 1 ZGB um Satz 5, daß die Abtretung künftiger Forderungen möglich ist, durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Zivilgesetzbuches der DDR (2. Zivilrechtsänderungsgesetz) vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 903) waren Globalsicherungsabtretungen auch in der DDR zulässig. Ihre Wirksamkeit beurteilt sich bei formularmäßiger Vereinbarung nach § 9 Abs. 1 AGBG. Diese Bestimmung galt gemäß § 23 Nr. 5 Satz 1 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der DDR vom 21. Juni 1990 (GBl. I S. 357) mit Wirkung vom 1. Juli 1990 auch dort.
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2. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht des Berufungsgerichts, die formularmäßig auf 200% der gesicherten Forderungen festgelegte Deckungsgrenze benachteilige die Schuldnerin unangemessen und führe zur Unwirksamkeit der Globalabtretung.
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a) Nach der neueren Rechtsprechung des VII., VIII. und IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGHZ 109, 240, 245 ff.; 117, 374, 377 ff.; 120, 300, 302 f.; 125, 83, 87; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 - VIII ZR 166/93, WM 1994, 104, 105), von der das Berufungsgericht ausgegangen ist, ist eine formularmäßige Globalabtretung unwirksam, wenn keine angemessene konkrete Deckungsgrenze festgelegt ist oder eine ermessensunabhängig ausgestaltete Verpflichtung zur Freigabe überschießender Deckung fehlt. Gegen diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat insbesondere in seinen Urteilen vom 10. Mai 1994 (XI ZR 65/93, WM 1994, 1283, 1284) und 17. Januar 1995 (XI ZR 192/93, BGHZ 128, 295 ff. = WM 1995, 375, 376) Bedenken geäußert, ohne abschließend Stellung zu nehmen. Einer solchen Stellungnahme bedarf es auch hier nicht. Die streitige Globalabtretung hält der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG nämlich auch auf der Grundlage der angesprochenen Rechtsprechung stand.
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b) Der Zessionsvertrag enthält durch Bezugnahme auf Nr. 19 Abs. 6 AGB eine ermessensunabhängig ausgestaltete Freigabepflicht und mit 200% der gesicherten Forderungen in Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 eine angemessene konkrete Deckungsgrenze.
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aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Bundesgerichtshof nicht ausgesprochen, bei Abtretung von Forderungen im Nennwert von mehr als 150% der gesicherten Ansprüche bestehe regelmäßig die Gefahr einer unverhältnismäßigen Übersicherung. In den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen BGHZ 98, 303, 317 und BGH, Urteil vom 25. November 1992 - VIII ZR 176/91, WM 1993, 213, 216 = ZIP 1993, 123, 126 ist insoweit lediglich ausgeführt, eine Deckungsgrenze von 150% sei nicht zu beanstanden. Mehr ergibt sich auch aus den Urteilen BGHZ 109, 240, 246 und 120, 300, 302 f. nicht. Eine allgemeinverbindliche an den Nennwert der abgetretenen Forderungen anknüpfende Deckungsobergrenze ist in keiner Entscheidung des Bundesgerichtshofs genannt worden. Ihre zuverlässige Festlegung wäre angesichts der erheblich differierenden Bonität und Zahlungsmoral der im Zeitpunkt der Globalabtretung noch nicht feststehenden Schuldner der verschiedenen in unterschiedlichen Branchen tätigen Sicherungsgeber auch gar nicht möglich.
- 19
bb) Unrichtig ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, es sei Sache der Beklagten gewesen, Umstände vorzutragen, aus denen sich ihr Interesse an einer Deckungsgrenze von mehr als 150% ergebe. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unwirksamkeit einer AGB-Regelung trägt jedenfalls im Individualprozeß der Kunde, der sich auf die Unangemessenheit der Klausel nach § 9 Abs. 1 AGBG beruft (BGH, Urteil vom 18. Mai 1983 - VIII ZR 83/82, WM 1983, 731, 732; BGH, Urteil vom 29. Mai 1991 - IV ZR 187/90, WM 1991, 1642, 1643; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 7. Aufl. § 9 Rdn. 162; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 3. Aufl. vor §§ 10, 11 Rdn. 13; Soergel/U. Stein, BGB 12. Aufl. § 9 AGBG Rdn. 49; Erman/Hefermehl, BGB 9. Aufl. § 9 AGBG Rdn. 32; Palandt/Heinrichs, BGB 54. Aufl. § 9 AGBG Rdn. 5).
- 20
cc) Abgesehen davon hat die Beklagte Umstände dargetan, aus denen sich ihr berechtigtes Interesse an einer Deckungsgrenze von 200%, bezogen auf den Nennwert der abgetretenen Ansprüche, ergibt. Alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin ist die Treuhandanstalt. Diese hatte der Beklagten in einem Rundschreiben mitgeteilt, im Regelfall werde davon ausgegangen, daß die zur Absicherung geeigneten Umlaufwerte mit einem Beleihungswert von 50% angesetzt werden könnten. Aufgrund dieser Einschätzung hat die Beklagte festgelegt, der Wert der abgetretenen Forderungen müsse jeweils mindestens 200% der gesicherten Ansprüche betragen.
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Nichts spricht dafür, daß sich die Beklagte auf die Einschätzung des Beleihungswertes durch die alleinige Gesellschafterin der Sicherungsgeberin nicht verlassen durfte. Das gilt besonders, da die Beklagte von der wirtschaftlichen Beurteilungskompetenz der Treuhandanstalt ausgehen konnte, die Beklagte die Bonität der Schuldnerin und ihrer Handelspartner im August 1990 nicht zuverlässig beurteilen konnte und angesichts der damaligen Umbruchsituation der Wirtschaft in der DDR ein erhöhtes Ausfallrisiko durchaus nicht unwahrscheinlich war.
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dd) Daß die Beklagte neben der Globalzession noch über eine Bürgschaft der Treuhandanstalt als Sicherheit verfügte, ist insoweit ohne Belang. Bürgschaften sind bei der Festlegung der Deckungsgrenze nicht zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 28. April 1994 - IX ZR 248/93, WM 1994, 1161, 1163).
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3. Nicht gefolgt werden kann auch der Ansicht des Berufungsgerichts, die formularmäßige Globalabtretung sei wegen Nichtigkeit der Verwertungsregelung in Nr. 20 Abs. 2 AGB insgesamt unwirksam. Nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 27. Juni 1995 (XI ZR 8/94, WM 1995, 1264, 1266), die erst nach Verkündung des Berufungsurteils ergangen ist, führt die Nichtigkeit der Verwertungsregelung nicht zur Unwirksamkeit der Globalabtretung insgesamt (§ 6 Abs. 1 AGBG), da § 6 Abs. 3 AGBG anders als bei einer Lohn- oder Gehaltsabtretung mit unangemessener Verwertungsregelung nicht eingreift. Die Offenlegung einer Lohn- oder Gehaltsabtretung ohne Androhung und Einhaltung einer Frist entzieht dem Schuldner sofort und überraschend den gesamten pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens, gefährdet die Sicherheit seines Arbeitsplatzes, stellt seine Kreditwürdigkeit in Frage und nimmt ihm in aller Regel die Möglichkeit, seinen laufenden Verpflichtungen weiterhin nachzukommen. Vergleichbar schwerwiegende, die private Lebensführung unmittelbar beeinträchtigende Auswirkungen sind mit der Offenlegung einer Globalabtretung bei einem vollkaufmännischen Unternehmen nicht generell verbunden, zumal wenn es - wie hier - in Form einer GmbH betrieben wird und alleinige Gesellschafterin die Treuhandanstalt ist.
III.
- 24
Der Schuldnerin steht danach ein Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
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