Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit in AGB der Banken, hier: Echtheitsprüfung von Dokumenten
Leitsatz
1. Für die Echtheitsprüfung von Dokumenten kann die Haftung der Bank für leichte Fahrlässigkeit durch allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden.
















vorgehend LG Berlin, 5. Oktober 1987, 90 O 247/86


Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Heermann, 8. Auflage 2017, § 783 BGB
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die beklagte Sparkasse auf Schadensersatz wegen weisungswidriger Weiterleitung eines ihr überwiesenen Geldbetrags in Anspruch.
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Der Kläger kaufte im Sommer 1986 von Karsten D. S. acht neue Personenkraftwagen der Marke M. zum Preis von insgesamt 385.774,70 DM. Zum Zweck der Zahlungsabwicklung ließ er den Kaufpreis an die Beklagte überweisen. Mit Fernschreiben vom 20. August 1986 bestimmte er den Betrag für die Firma C.-Handel, Karsten D. S., und wies die Beklagte an, den Kaufpreis an S. auszuzahlen, wenn dieser Kraftfahrzeugbriefe, Kraftfahrzeugscheine und Torpässe der D. AG für die acht mit Fahrgestellnummern bezeichneten Fahrzeuge vorlege und übergebe.
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Am 21. August 1986 erschien S. mit zwei Begleitern in der Filiale 65 der Beklagten. Er ließ der bei der Beklagten tätigen Mitarbeiterin H. gefälschte Kraftfahrzeugbriefe, Kraftfahrzeugscheine und Torpässe, jeweils ausgestellt auf die Kraftfahrzeuge mit den im Fernschreiben des Klägers aufgeführten Fahrgestellnummern, übergeben. Nach Durchsicht der Unterlagen schrieb die Beklagte den Kaufpreis von 385.774,70 DM dem bei ihr bestehenden Konto des Verkäufers S. gut. Dieser überwies den Betrag am gleichen Tage auf das Konto des Jörg R. bei der Beklagten. R. ließ sich den Betrag auszahlen.
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Die Beklagte sandte dem Kläger die von S. erhaltenen Unterlagen. Der Kläger versuchte vergeblich, mit Hilfe dieser Unterlagen bei der D. AG die acht in ihnen bezeichneten Kraftfahrzeuge zu erhalten.
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Der Kläger wirft der Beklagten vor, ihre Mitarbeiter hätten die Fälschung der Unterlagen bei der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt erkennen können und den Kaufpreis nicht auf das Konto S. übertragen dürfen. Im vorliegenden Rechtsstreit macht er einen Teilbetrag des ihm entstandenen Schadens in Höhe von 42.755,70 DM geltend, den er dem PKW M., Typ D, Fahrgestellnummer WD 1251251 A 289920, zuordnet.
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Der Kläger hat beantragt, die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben dem Kaufmann Karsten D. S. zur Zahlung von 42.755,70 DM nebst 8% Zinsen seit dem 1. September 1986 zu verurteilen.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie bestreitet, daß die Fälschungen für ihre Mitarbeiter erkennbar waren, und beruft sich auf den Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit in Nr. 34 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr hinsichtlich der Hauptforderung in vollem Umfang und hinsichtlich des Zinsanspruchs für die Zeit seit dem 9. September 1986 stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu.
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I. Das Berufungsgericht hält den Klageanspruch unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung eines zwischen den Parteien zustande gekommenen Akkreditiv-Vertrages für begründet. Es würdigt das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten bei der Überprüfung der gefälschten Unterlagen dahin, daß ihnen leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, und versagt der Beklagten die Berufung auf den Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit in Nr. 34 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen. Nr. 34 AGB-Sparkassen wird nach Ansicht des Berufungsgerichts durch die Verweisung auf die von der Internationalen Handelskammer aufgestellten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive" (ERA) in Nr. 35 Satz 2 AGB-Sparkassen verdrängt. Das Berufungsgericht entnimmt aus Art. 15 ERA, daß die Beklagte auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen habe, und hält die Haftungsausschlußklausel in Art. 17 ERA insoweit für unanwendbar.
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II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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1. Zwischen den Parteien ist, wie die Revision mit Recht rügt, kein Akkreditiv-Vertrag zustande gekommen.
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Unter einem Dokumenten-Akkreditiv wird ein Zahlungsversprechen verstanden, das ein Kreditinstitut auf Veranlassung des Auftraggebers dem Begünstigten gegenüber abgibt und in dem das Kreditinstitut sich verpflichtet, gegen Vorlage bestimmter Dokumente Zahlung zu leisten (Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., § 365 Anhang Rdn. 139, 156-158, Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Rdn. 919; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 28. Aufl., (7) Bankgeschäfte VII, Anm. 1 A; Eisemann/Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 3. Aufl., S. 65; Nielsen BuB 5/264). Das selbständige, abstrakte Zahlungsversprechen des Kreditinstituts gegenüber dem Begünstigten ist ein Wesensmerkmal des Dokumenten-Akkreditivs (BGHZ 60, 262, 264; Schlegelberger/Hefermehl aaO Rdn. 139 und 158; Canaris aaO Rdn. 924, 940, 984; Baumbach/Duden/Hopt, Eisemann/Schütze und Nielsen je aaO).
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Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Beklagte nicht beauftragt, gegenüber dem Kaufmann S. ein Akkreditiv zu eröffnen und damit eine eigene Verbindlichkeit einzugehen. Er hat sie mit seinem Fernschreiben vom 20. August 1986 lediglich aufgefordert, S. gegen Vorlage bestimmter Dokumente 385.774,70 DM auszuzahlen. Damit liegt kein Akkreditiv-Vertrag vor, sondern ein einfacher Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne von § 675 BGB.
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2. Das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis fällt somit nicht in den Anwendungsbereich der "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive" (ERA) in der revidierten Fassung von 1983 (abgedruckt bei Baumbach/Duden/Hopt aaO S. 1347ff.). Die Frage, ob gleichwohl bei Geschäftsbesorgungsverträgen der hier vorliegenden Art auf die Prüfungspflicht des Kreditinstituts die für Dokumenten-Akkreditive geltenden Regeln entsprechend anzuwenden sind, braucht nicht entschieden zu werden. Diese Regeln stehen einer Beschränkung der Haftung auf "grobes Verschulden", wie sie in Nr. 34 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen u.a. für die Echtheitsprüfung von Urkunden enthalten ist, nicht entgegen.
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Der im Schrifttum (Schlegelberger/Hefermehl aaO Rdn. 184; Canaris aaO Rdn. 965) vertretenen Auffassung, eine auch nur teilweise Freizeichnung für Fälle erkennbarer Fälschungen sei nicht möglich, weil Art. 15 ERA die Prüfung der Dokumente zu einer "Kardinalpflicht" im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG mache, vermag der Senat nicht zu folgen. "Kardinalpflicht" in dem genannten Sinne ist nach dem klaren Wortlaut und nach dem Sinn des Art. 15 ERA nicht eine umfassende, sondern eine zielgerichtete Prüfung der Dokumente auf ihre formelle Übereinstimmung mit den Akkreditiv-Bedingungen. Nur insoweit ist die Prüfungspflicht der Bank so wesentlich, daß ihre Einschränkung die Erreichung des Vertragszwecks gefährden würde. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, unechte Dokumente entsprächen nicht den Akkreditiv-Bedingungen. Wäre es anders, so träfe die Bank insoweit überhaupt keine Prüfungspflicht. Die Verpflichtung einer Bank, Zahlungen nicht auf der Grundlage gefälschter Dokumente zu leisten, ergibt sich aus allgemeinen Gesichtspunkten; sie ist keine Besonderheit des Akkreditiv-Geschäfts.
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Eine Differenzierung zwischen den Prüfungspflichten der Akkreditivbank ist auch von der Sache her gerechtfertigt. Den ihr obliegenden Vergleich der aufzunehmenden Dokumente mit den vom Kunden detailliert niedergelegten Bedingungen kann die Bank ohne besonderen Aufwand an Zeit und Mühe vornehmen. Zweifel an der Echtheit der Dokumente lassen sich - vor allem bei ausländischen Papieren - wesentlich schwerer ausräumen, zumal Gegenstand der Prüfung hier, anders als im Giro- und Scheckverkehr, nicht etwa einfache, standardisierte und von Kunden der Bank einzureichende Weisungen sind. Der mit der Prüfung der Echtheit in aller Regel verbundene Zeitaufwand steht im Widerstreit mit den Interessen aller Beteiligten an einer zügigen Abwicklung des Akkreditivs. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß die Gefahr einer Fälschung der Dokumente wegen der Strafbarkeit der Urkundenfälschung in der Regel weniger nahe liegt als die Möglichkeit anderer Abweichungen von den Akkreditivbedingungen. Die teilweise Verlagerung des verbleibenden Fälschungsrisikos auf den Auftraggeber, die in einer begrenzten Freizeichnung der Bank für die Echtheitsprüfung liegt, erscheint auch deshalb nicht unbillig, weil der Einreicher der Dokumente regelmäßig Kunde des Auftraggebers und nicht der Bank ist. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Bank sich für diesen ungleich schwierigeren und risikoreicheren Teil der ihr obliegenden Prüfungspflicht von einer Haftung für leichte Fahrlässigkeit freizeichnet (so im Ergebnis auch Liesecke WM 1976, 262; Nielsen BuB 5/322 aE).
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3. Haftungsmaßstab ist daher Nr. 34 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen, die die Haftung der Sparkassen unter anderem für die Echtheitsprüfung von Urkunden auf "grobes Verschulden" beschränkt.
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Wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt, finden die auch von der Beklagten verwandten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen trotz Fehlens einer ausdrücklichen Einbeziehung auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung. Da der Kläger Kaufmann ist und die Dienste der Beklagten im Rahmen seines Handelsgewerbes in Anspruch genommen hat, kommt es nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 AGB-Gesetz auf die Voraussetzungen des § 2 AGB-Gesetz nicht an.
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Nr. 34 AGB-Sparkassen, die die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit unberührt läßt und nur die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausschließt, verstößt nicht gegen § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz. Auch ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGB-Gesetz liegt nicht vor, weil die Echtheitsprüfung von Urkunden, wie oben dargelegt, in Fällen der vorliegenden Art nicht zu den wesentlichen Vertragspflichten zählt, hinsichtlich deren Erfüllung eine Haftungsbeschränkung auf grobes Verschulden unzulässig wäre.
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4. Da die Haftung der Beklagten für die Echtheitsprüfung der ihr vorgelegten Unterlagen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist, scheitert der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch daran, daß den mit der Prüfung befaßten Mitarbeitern der Beklagten allenfalls leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt. Das Berufungsgericht hat aufgrund der von ihm festgestellten Umstände grobe Fahrlässigkeit verneint. Das läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers erkennen. Es kann daher dahinstehen, ob die von der Beklagten angegriffene Annahme des Berufungsgerichts, die Mitarbeiter der Beklagten hätten die Fälschungen als solche erkennen können, revisionsrechtlicher Prüfung standhielte.
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III. Das Berufungsurteil konnte somit keinen Bestand haben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, war das klageabweisende landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
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