Berufungsverzicht durch Erklärung gegenüber dem Prozeßgegner
Orientierungssatz
1. Durch die Erklärung, Berufung werde nicht eingelegt werden, kommt klar zum Ausdruck, daß die Partei das Urteil endgültig hinnimmt und es nicht anfechten wird (so auch BGH, 1989-03-28, VI ZR 246/88, NJW-RR 1989, 1344).
2. Der Berufungsverzicht kann nicht nur gegenüber dem Gericht, sondern auch gegenüber dem Gegner erklärt werden und auf Einrede des Gegners zur Verwerfung der Berufung führen (so auch BGH, 1989-03-28, VI ZR 246/88, NJW-RR 1989, 1344).
vorgehend LG Detmold, 22. März 1989, 9 O 422/88
Tatbestand
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Der Kläger hat in erster Instanz von der Beklagten im Zusammenhang mit einer Grundstücksfinanzierung Zahlung von 74.416,26 DM verlangt. Durch Urteil vom 22. März 1989 hat das Landgericht unter Abweisung im übrigen der Klage in Höhe von 4.316,64 DM stattgegeben. Nach Urteilszustellung hat der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers an die gegnerischen Prozeßbevollmächtigten mit einem dort am 5. Mai 1989 eingegangenen Schreiben vom 2. Mai 1989 u.a. erklärt:
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"Gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 22.03.1989 wird Berufung durch meine Partei nicht eingelegt werden. Veranlassen Sie bitte Ihre Mandantschaft, den Hauptbetrag nebst 4% Zinsen seit dem 17.11.1988 unverzüglich .... zu zahlen zur Meidung der Vollstreckung."
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Als der Kläger davon erfuhr, richtete er am 5. Mai 1989 ein Telefax an den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, in dem er darauf hinwies, daß Berufung von seinem "Hausanwalt" eingelegt werde. Das gab dieser in einem bei den gegnerischen Prozeßbevollmächtigten am 8. Mai 1989 eingegangenen Schreiben weiter.
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Der Kläger hatte zwischenzeitlich einen anderen Rechtsanwalt damit betraut, "vor Widerspruch gegen das Urteil" zu klären, ob die Kosten der Berufungsinstanz von seiner Rechtsschutzversicherung übernommen werden. Dieser hatte daraufhin veranlaßt, daß am 3. Mai 1989 Berufung beim Oberlandesgericht eingelegt wurde. Die Berufungsschrift ist der Beklagten am 12. Juni 1989 zugestellt worden.
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Auf die Einrede des Rechtsmittelverzichts hat das Oberlandesgericht die Berufung, mit der der Kläger nach Teilerledigung in Höhe von 20.000 DM Zahlung von weiteren 39.714,35 DM begehrt hat, verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision.
Entscheidungsgründe
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Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung aufgrund wirksamen Rechtsmittelverzichts als unzulässig behandelt. Das hält der revisionsrichterlichen Prüfung stand.
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1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß ein Rechtsmittelverzicht nicht nur gegenüber dem Gericht, sondern auch gegenüber dem Gegner erklärt werden kann und auf Einrede des Gegners zur Verwerfung der Berufung führt (BGHZ 2, 112, 114; 4, 314, 320; BGH, Urteil vom 28. März 1989 - VI ZR 246/88 - NJW-RR 1989, 1344 m.Nachw.).
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2. Das Berufungsgericht hat die vom erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers abgegebene Erklärung als Rechtsmittelverzicht angesehen. Das ist nicht zu beanstanden.
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Der Rechtsmittelverzicht ist einseitige Prozeßhandlung, deren Auslegung der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt (BGH, Urteil vom 28. März 1989 aaO). Dem Schreiben vom 2. Mai 1989 ist deutlich der Wille des Klägers zu entnehmen, auf die Berufung zu verzichten. Durch die Erklärung, Berufung werde nicht eingelegt werden, wird klar zum Ausdruck gebracht, daß der Kläger das Urteil endgültig hinnimmt und es nicht anfechten wird (vgl. für eine entsprechende Erklärung BGH, Urteil vom 6. März 1985 - VIII ZR 123/84 - NJW 1985, 2335; ferner BGH, Urteil vom 28. März 1989 aaO).
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Angesichts des eindeutigen, von einem Rechtsanwalt formulierten Wortlauts kann entgegen der Auffassung der Revision keine Rede davon sein, die vorliegende Erklärung sei "leicht hingeworfen" und "eher beiläufig im Zusammenhang mit der Zahlungs und Kostenregulierung" abgegeben worden.
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3. Die Annahme eines Rechtsmittelverzichts ist weder durch die am 8. Mai 1989 bei der Beklagten eingegangene gegenteilige Erklärung noch durch die am 3. Mai 1989 eingelegte Berufung ausgeschlossen.
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Als die Erklärung vom 8. Mai 1989 einging, war die Wirkung des Rechtsmittelverzichts bereits eingetreten und konnte einseitig nicht mehr beseitigt werden (BGH, Urteil vom 28. März 1989 aaO; BGH, Beschluß vom 8. Mai 1985 - IVb ZB 56/84 - NJW 1985, 2334).
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Die Berufungseinlegung ist der Beklagten durch Zustellung erst am 12. Juni 1989, also ebenfalls erst nach Zugang des Rechtsmittelverzichts, zur Kenntnis gekommen. Daß die Berufung bereits eingelegt war, steht einem wirksamen Rechtsmittelverzicht nicht entgegen. Wird ein solcher Verzicht zulässigerweise gegenüber dem Gegner abgegeben, so kann seine Wirkung auch nur durch eine dem Gegner früher oder gleichzeitig zugehende Erklärung, daß ein Rechtsmittelverzicht nicht gewollt sei, verhindert werden.
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4. Der Rechtsmittelverzicht war von der über die Beendigung der Instanz hinausreichenden (vgl. Zöller/Vollkommer, 16. Aufl., § 86 ZPO Rdn. 11) Prozeßvollmacht des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers gedeckt.
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Die erteilte Prozeßvollmacht ermächtigte den Prozeßbevollmächtigten nach § 81 ZPO im Verhältnis zu Gericht und Gegner zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen einschließlich der Erklärung eines Rechtsmittelverzichts (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 1989 aaO m.Nachw.; BGH, Beschluß vom 2. Dezember 1987 - IVb ZB 125/87 - BGHR ZPO § 81 Rechtsmittelauftrag 2). Die Prozeßvollmacht war nicht einmal im Innenverhältnis durch Erklärung des Klägers gegenüber seinem Prozeßbevollmächtigten eingeschränkt, was wegen § 83 Abs. 1 ZPO im Außenverhältnis ohnehin ohne rechtliche Wirkung gewesen wäre. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß der Kläger ohne Unterrichtung seines Prozeßbevollmächtigten einen anderen Rechtsanwalt mit Weisungen versehen hatte, die zu einer von ihm gebilligten Berufungseinlegung führten, die der Beklagten erst nach Zugang des Rechtsmittelverzichts zur Kenntnis kam.
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