Eigenhaftung des Vertreters aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen: Provisionsinteresse, Hinweis auf Sachkunde
Leitsatz
1. Ein Vertreter haftet persönlich für Verschulden bei Vertragsverhandlungen nicht bereits wegen seines Interesses an der ihm zufließenden Provision oder wegen des Hinweises auf eine Sachkunde, die der Verhandlungspartner bei einem von dem Vertretenen mit der Beratung Beauftragten ohnehin erwarten darf.
Orientierungssatz
1. Hier: Haftung aus Kapitalanlageberatung und -vermittlung.
2. Zitierungen: vergleiche BGH, 1988-10-11, X ZR 57/87, WM IV 1988, 1888, 1889 mwN; BGH, 1985-10-23, VIII ZR 210/84, NJW 1986, 586, 587 unter II 1 c mwN; BGH, 1989-10-03, XI ZR 157/88; BGH, 1983-11-14, II ZR 184/82, WM IV 1984, 127, 128.














vorgehend LG Freiburg (Breisgau), 7. Januar 1987, 8 O 561/85
Vergleiche Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Zivilsenat, 31. März 2005, 2 U 145/04
So auch OLG Hamm 20. Zivilsenat, 24. Mai 1991, 20 W 19/91

Vergleiche BGH 10. Zivilsenat, 11. Oktober 1988, X ZR 57/87
Vergleiche BGH 8. Zivilsenat, 23. Oktober 1985, VIII ZR 210/84
Vergleiche BGH 2. Zivilsenat, 14. November 1983, II ZR 184/82
Tatbestand
- 1
Der Kläger hat von den Beklagten Schadensersatz wegen falscher Beratung bei einer Kapitalanlage verlangt.
- 2
Ende 1984 wandte sich der Kläger auf Empfehlung eines Bekannten an die - nicht in das Handelsregister eingetragene - "B. Finanzplanungs GmbH" (B.) in der Absicht, sich bei einer Anlage ersparter Gelder beraten zu lassen.
- 3
Auf Empfehlung des Beklagten zu 2), der sich durch eine Visitenkarte als "Leitender Repräsentant" der B. auswies, kaufte der Kläger von der A. GmbH in H. im Januar 1985 und im Februar 1985 insgesamt acht Transportcontainer zum Gesamtpreis von 92.000 DM. Der Beklagte zu 2), der das Geschäft auf eigene Rechnung vermittelte, erhielt hierfür von der A. GmbH Provision.
- 4
Mit dem Containerkauf schloß der Kläger zugleich einen Verwaltungsvertrag ab, durch den er der A. GmbH die Container für die Dauer von acht Jahren zur Nutzung zur Verfügung stellte. Als Gegenleistung verpflichtete sich die A. GmbH, ein festes jährliches Entgelt zu zahlen, das sich auf ca. 20% des eingesetzten Kapitals belief. Außerdem verpflichtete sie sich, nach Ablauf der Vertragszeit die Container für 40% des Einstandspreises zurückzukaufen.
- 5
Dem Kläger wurden von der A. GmbH nur 7.106,87 DM ausbezahlt. Am 1. November 1985 wurde das Konkursverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der Konkursverwalter kündigte die Verwaltungsverträge.
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Die vom Kläger erworbenen Container wurden nach dem Zusammenbruch der A. GmbH von der Firma C. S.A. in Genf in einen Pool übernommen. Die C. S.A. schüttet die durch die Vermietung der Container nach Abzug aller Kosten erwirtschafteten Gewinne an die Investoren aus. Der Kläger erhielt für 1986 1.782,24 DM und für 1987 1.324,57 DM. Eine Rückkaufzusage der C. S.A. besteht nicht.
- 7
Der Kläger hat behauptet, die Beklagten hätten sich nicht ausreichend über die wirtschaftliche Situation der A. GmbH, insbesondere über deren Nettogewinne und Bonität, informiert. Ihm sei vom Beklagten zu 2) erklärt worden, ein Risiko gebe es nicht; die Anlage sei völlig sicher. Die Mietzahlungen an andere Investoren würden seit Jahren vereinbarungsgemäß erfolgen. Der Beklagte zu 2) habe auf das Stammkapital der A. GmbH in Höhe von 5 Mio. DM verwiesen und mitgeteilt, daß dieses nach seinen Informationen Anfang 1985 auf 6 Mio. DM erhöht werden solle. Die Bonität der A. GmbH sei besser nicht denkbar, ein Konkurs unvorstellbar. Selbst in diesem Fall sei der Kläger durch sein Eigentum an den Containern gesichert. Zwar fielen dann die vereinbarten Mietzinszahlungen weg, jedoch würde ein anderes Unternehmen gefunden werden, das die weitere Verwaltung übernehme.
- 8
Die Beklagten haben behauptet, sich ausreichend über die geschäftliche Situation der A. GmbH informiert zu haben. Sie hätten das Betriebsgelände des Unternehmens besichtigt, an Schulungskursen teilgenommen, andere Investoren gefragt und über Jahre hinweg die Erfahrung gesammelt, daß sich die A. GmbH vertragstreu verhalten habe. Der Zusammenbruch des Unternehmens sei nicht vorhersehbar gewesen.
- 9
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Beklagten zu 2) verurteilt und die Berufung im übrigen zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte zu 2) die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
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I. 1. Das Berufungsgericht läßt offen, ob der Beklagte zu 2) selbst als Anlagevermittler Vertragspartner des Klägers geworden ist oder ob er nach den Gesamtumständen als Vertreter der B. gehandelt hat. Es ist der Auffassung, daß der Beklagte zu 2) auch dann, wenn der Anlagevermittlungsvertrag mit der B. zustandegekommen sein sollte, wegen seines erheblichen wirtschaftlichen Eigeninteresses und wegen der Inanspruchnahme von Vertrauen für seine Person jedenfalls auch selbst "für schuldhaftes Verhalten im Zuge des Beratungsgesprächs aus c.i.c. haften" würde.
- 12
2. Diese Auffassung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Für das Revisionsverfahren ist angesichts der vom Berufungsgericht gewählten Begründung davon auszugehen, daß vertragliche Beziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) nicht zustandegekommen sind. Die Erwägungen, mit denen die Vertreterhaftung des Beklagten zu 2) im angefochtenen Urteil begründet wird, tragen die Verurteilung nicht. Weder ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse noch die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens ist rechtsfehlerfrei dargelegt.
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a) Die Provisionsansprüche des Beklagten zu 2) können entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse begründen.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs treffen die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis grundsätzlich den Vertretenen und nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen auch den Vertreter (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1988 - X ZR 57/87, WM 1988, 1888, 1889 m.w.Nachw.). Solche Umstände kommen nach der Rechtsprechung u.a. bei einem besonderen wirtschaftlichen Interesse des Vertreters am Abschluß eines Vertrages in Betracht. Dabei reicht jedoch ein bloßes mittelbares wirtschaftliches Interesse des Vertreters nicht aus, um seine eigene Haftung zu begründen. Es muß vielmehr eine so enge Beziehung zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gegeben sein, daß der Vertreter wirtschaftlich gleichsam in eigener Sache beteiligt ist (vgl. BGH aaO m.w.Nachw.). Als ein unzureichendes, lediglich mittelbares wirtschaftliches Interesse hat die Rechtsprechung insbesondere das Provisionsinteresse eines Handelsvertreters, Prokuristen oder sonstigen Angestellten angesehen (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985 - VIII ZR 210/84, NJW 1986, 586, 587 unter II., 1c m.w.Nachw.).
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b) Der bisher feststehende Sachverhalt rechtfertigt auch keine Haftung des Beklagten zu 2) wegen der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens.
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Eigene vorvertragliche Pflichten treffen den Vertreter oder zwischen den Parteien stehenden Vertragsmittler nur dann, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt. Ein derartiger Sachverhalt kann gegeben sein, wenn der Vertragsvermittler mit Hinweis auf seine außergewöhnliche Sachkunde oder seine besondere persönliche Zuverlässigkeit dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für das Gelingen der in Aussicht genommenen Anlage bietet (vgl. Senatsurteil vom 3. Oktober 1989 - XI ZR 157/88). Das Vertrauen muß über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehen, das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen immer gegeben ist oder gegeben sein sollte (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1988 - X ZR 57/87, WM 1988, 1888, 1890 m.w.Nachw.). Aus den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen ergibt sich jedoch nicht, daß der Beklagte zu 2), wie erforderlich, bei seiner Tätigkeit eine solche von ihm persönlich ausgehende Gewähr übernommen hätte. Das Berufungsgericht stützt sich vor allem auf die Tatsache, daß der Beklagte zu 2) den Kläger darauf hingewiesen habe, selbst Container gekauft zu haben. Das bedeutet jedoch allenfalls, daß auch der Beklagte zu 2) das Risiko der Kapitalanlage auf sich genommen hat. Rückschlüsse auf eine außergewöhnliche eigene Sachkunde oder eine zusätzliche nur ihm persönlich mögliche Gewähr und eine eigene Einflußnahme auf das Gelingen der in Aussicht genommenen Investition können daraus nicht gezogen werden. Darüber hinaus hat der Beklagte zu 2) nach seinem Sachvortrag zwar auch darauf hingewiesen, daß er persönlich an Schulungskursen der A. GmbH teilgenommen, das Unternehmen und die gesamte Anlage in H. besichtigt und das Bürosystem kennengelernt habe. Damit hat er zwar eingehende Kenntnisse über das Anlageunternehmen und persönliche Sachkunde hinsichtlich des Containergeschäfts für sich in Anspruch genommen. Nach der Rechtsprechung genügt es zur Begründung der Eigenhaftung des Vertreters oder Vermittlers jedoch nicht, daß er über die für seine Tätigkeit erforderliche Sachkunde verfügt und auf diese hinweist. Er erweckt dadurch nur das normale Verhandlungsvertrauen, daß sein Geschäftsherr - was der Vertragspartner ohnehin erwarten kann - einen sachkundigen Vertreter oder Vermittler eingesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 3. Oktober 1989; BGH, Urteil vom 14. November 1983 - II ZR 184/82, WM 1984, 127, 128).
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3. Das Berufungsgericht wird also zu prüfen haben, ob der Beklagte zu 2) entweder selbst Vertragspartner des Klägers geworden ist oder aber in entsprechender Anwendung des § 179 BGB haftet, weil er für die nicht im Handelsregister eingetragene B. aufgetreten ist (vgl. dazu BGHZ 63, 45; 105, 283).
- 19
II. Für den Fall, daß diese Prüfung zu einer Haftungsgrundlage hinsichtlich des Beklagten zu 2) führen sollte, wird auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:
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1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der zwischen dem Anlagevermittler und dem Anlageinteressenten abgeschlossene Vertrag den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen Umstände verpflichtet, die für den Anlageentschluß des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 25. November 1981 - IVa ZR 286/80, NJW 1982, 1095, 1096). In der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 10. April 1978 - II ZR 103/76, WM 1978, 611) waren dem Kläger wesentliche Umstände verschwiegen worden, die für den Geschäftswillen des Kaufinteressenten von entscheidender Bedeutung sein konnten und ihm deshalb redlicherweise nicht vorenthalten werden durften. Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall jedoch nicht getroffen. Seine Annahme, der Beklagte zu 2) habe dem Kläger seiner Provision wegen das Risiko der Kapitalanlage verschleiert, jede andere Erklärung liege fern, wird durch den bisherigen Parteivortrag nicht gerechtfertigt. Dagegen spricht bereits, daß der Beklagte zu 2) nach seinem eigenen Sachvortrag selbst Container erworben hat. Aus der Frage des Klägers nach dem Schicksal seiner Anlage im Falle des Konkurses der A. GmbH ergibt sich auch, daß er das wesentliche unternehmerische Risiko der Investition erkannt hatte.
- 21
Das Berufungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, daß die Sicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage mit der Bonität der A. GmbH stand und fiel, weil der Vertrag auf die Dauer von acht Jahren abgeschlossen worden ist. Die Angaben des Beklagten zu 2) zur Bonität der A. GmbH mögen zum Teil objektiv unrichtig gewesen sein. Entscheidend ist jedoch, ob der Beklagte zu 2) dadurch seine Verpflichtung zur Information und zu eigenen Nachforschungen schuldhaft verletzt hat. Mit dem Sachvortrag des Beklagten zu 2) zur Bonität der A. GmbH setzt sich das Berufungsgericht nicht auseinander. Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß der Beklagte zu 2) vorgetragen hat, ihm sei von als Zeugen genannten Mitarbeitern der A. GmbH mitgeteilt worden, daß seit Gründung der Firma im Jahre 1981 sich diese ihren Investoren gegenüber vertragstreu verhalten habe. Er habe sich von der Richtigkeit der Angaben der A. GmbH zum Stammkapital durch einen Handelsregisterauszug überzeugt. Nach Berichten in Wirtschaftsmagazinen und Zeitungen sei das Containergeschäft der A. GmbH als geeignete Kapitalanlage angesehen worden. Darüberhinaus habe er weitere Auskünfte über das Unternehmen eingeholt, die ebenfalls zufriedenstellend ausgefallen seien (z.B. Schreiben der Credit... vom 7. März 1985; Schreiben der D. Bank in H. vom 21. Februar 1984).
- 22
Diese dem Beklagten zu 2) im Zeitpunkt der Beratung des Klägers vorliegenden Informationen können der Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung entgegenstehen.
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2. Die Revision wendet sich im vorliegenden Fall auch mit Recht gegen die hilfsweise angeführte Erwägung des Berufungsgerichts, einem selbständigen Anlagevermittler, der seine Kunden veranlaßt, Investitionen in erheblichem Umfang vorzunehmen, könne durchaus angesonnen werden, sich vor der Beratung der Interessenten bei der kapitalsuchenden Firma durch Einblick in die Bücher darüber zu vergewissern, ob das Geschäft zukunftsorientiert aufgebaut sei und ob insbesondere die garantierten Mieten auf Dauer auch zu erwirtschaften seien; hierfür hätte es - eine korrekte Buchführung unterstellt - nicht mehr als einer Zusendung von Jahresabschlüssen bedurft.
- 24
Eine so weitgehende Pflicht zur Überprüfung des Unternehmens, die in der Regel nur unter Heranziehung eines Wirtschaftsprüfers sinnvoll wäre, trifft einen Anlagevermittler nicht ohne weiteres. Ob ein Geschäft "zukunftsorientiert aufgebaut" ist und ob sich die garantierten Mieten auf Dauer erwirtschaften lassen, ist im übrigen eine Frage des Marktes und des unternehmerischen Geschicks, die sich nicht allein aus Jahresabschlüssen beantworten läßt. Die Revision weist weiter zutreffend darauf hin, daß das Berufungsgericht keine Feststellungen darüber getroffen hat, welche Jahresabschlüsse im Zeitpunkt der Beratung des Klägers überhaupt vorlagen, welchen Inhalt sie hatten und welche Schlußfolgerungen man aus ihnen hätte ziehen können.
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3. Die Annahme, der Beklagte zu 2) habe seine Beratungspflicht bereits nach seinem eigenen Vorbringen verletzt, beruht damit auf einer Überspannung seiner Pflichten und lückenhafter Würdigung seiner Darstellung des Sachverhalts. Das Berufungsgericht wird also - falls sich eine Haftungsgrundlage ergeben sollte - auch den weitergehenden Vortrag des Klägers in seine Prüfung einzubeziehen haben.
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