Schadensermittlung bei cic-Haftung für Finanzierungsdarlehen zu Hauskauf: vermögensmäßige Auswirkungen des Grunderwerbs
Leitsatz
1. Wenn der Empfänger eines zum Hauskauf gewährten Darlehens sich gegenüber dem Darlehensgeber auf einen Schadensersatzanspruch beruft, weil dieser vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt und ihn nur dadurch zum Vertragsschluß veranlaßt habe, so müssen bei der Schadensermittlung nicht nur die Zinsen und Kosten des Darlehens, sondern auch die vermögensmäßigen Auswirkungen des Grunderwerbs berücksichtigt werden (im Anschluß an BGH, 1983-00-22, III ZR 171/82, WM IV 1983, 1262, 1263).
Orientierungssatz
1. Zu den zu berücksichtigenden vermögensmäßigen Auswirkungen des Grunderwerbs gehören in erster Linie die Wertentwicklung des erworbenen Hausgrundstücks, ersparte Mietaufwendungen und erzielte Steuervorteile, aber auch Aufwendungen, die den Darlehensnehmern im Zusammenhang mit dem Grundbesitz entstanden sind.











vorgehend LG Frankfurt, 8. März 1988, 2/13 O 555/87


Tatbestand
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Die Beklagte betreibt aus einer vollstreckbaren notariellen Grundschuldbestellungsurkunde die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger wegen eines Betrages von 139.952,73 DM nebst Zinsen. Mit der Klage beantragen die Kläger, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Kläger erwarben im Jahr 1980 ein Reihenhaus in Ü. und nahmen zur Finanzierung des Kaufpreises bei der Beklagten zwei Darlehen im Gesamtbetrag von 231.000 DM auf. Zur Sicherung der Darlehensforderungen bestellten sie der Beklagten an dem erworbenen Hausgrundstück Grundschulden und unterwarfen sich in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde der Zwangsvollstreckung.
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Sowohl der Hauskauf als auch die Darlehensaufnahme waren durch Vermittlung der S. G. GmbH in S., einer Maklerfirma, die u.a. für die Beklagte als Kreditvermittlerin tätig war, zustande gekommen. Diese hatte den Klägern im Verlauf ihrer Beratung die Formulare der Beklagten vorgelegt, ihnen einen Finanzierungsplan erstellt, bei der Ausfüllung der Formulare mitgewirkt und einen Kreditantrag der Kläger schließlich der Beklagten zugeleitet.
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Die Kläger sind ihren Verpflichtungen aus den beiden Darlehensverträgen nicht nachgekommen. Die Beklagte betreibt deshalb die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde.
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Dagegen haben die Kläger Klage aus § 767 ZPO erhoben und geltend gemacht, die Darlehensverträge seien wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig; die Vermittlerin habe ihnen vorgespiegelt, die monatliche Belastung werde nur 700 DM betragen, während sie in Wahrheit 1.391,22 DM ausgemacht habe und für sie nicht tragbar gewesen sei.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde für unzulässig erklärt, soweit sie den Betrag von 43.895,88 DM übersteigt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Zwangsvollstreckung der Beklagten sei über einen Betrag von 43.895,88 DM hinaus nicht zulässig, weil die Beklagte von den Klägern nur noch die Zahlung dieses Betrages verlangen könne. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
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Die Beklagte habe sich gegenüber den Klägern unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der culpa in contrahendo schadensersatzpflichtig gemacht. Sie müsse sich nämlich das Verhalten des Maklers G. zurechnen lassen, weil die G. GmbH mit Wissen und Wollen der Beklagten als deren Vertrauensperson gegenüber den Klägern tätig geworden sei. G. habe den Klägern wahrheitswidrig erklärt, die monatlichen Belastungen betrügen im Ergebnis lediglich 700 DM. Von dieser Behauptung der Kläger sei auszugehen, weil die Beklagte sie erst im Verhandlungstermin vom 30. Oktober 1989 bestritten habe. Das verspätete Vorbringen der Beklagten sei nicht zuzulassen, da seine Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auch nicht hinreichend entschuldigt sei.
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Die Kläger hätten bei Kenntnis der tatsächlichen Belastungen das Haus nicht erworben und die Darlehen bei der Beklagten nicht aufgenommen. Sie könnten daher verlangen, so gestellt zu werden, wie sie ohne die falschen Angaben G. gestanden hätten. Dies habe zur Folge, daß die Kläger nur die zur Auszahlung gelangten Darlehensvaluten von insgesamt 219.330 DM abzüglich ihrer bereits geleisteten Zahlungen von 175.434,12 DM, mithin noch 43.895,88 DM, an die Beklagte zurückzahlen müßten.
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II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
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1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß nur der Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen als Grundlage für die Vollstreckungsabwehrklage in Betracht kommt. In diesem Zusammenhang hat es insbesondere zutreffend angenommen, daß die Darlehensverträge der Parteien nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind. Ein Darlehensvertrag verstößt grundsätzlich nicht allein deshalb gegen die guten Sitten im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB, weil die mit ihm verbundenen Belastungen den Darlehensnehmer zu finanziellen Einschränkungen zwingen.
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2. Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsfehler seiner Entscheidung zugrunde gelegt, daß der Makler G. die Kläger über die ihnen im Ergebnis verbleibenden monatlichen Belastungen falsch informiert hat. Die Revisionsrüge, das Berufungsgericht habe das Bestreiten der Beklagten zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen, hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).
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3. Die Ursächlichkeit der falschen Angaben des Maklers G. für die Vertragsabschlüsse der Kläger hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend bejaht. Seine Feststellung, es sei unstreitig, daß die Kläger die fraglichen Verträge in Kenntnis der wahren Belastungshöhe nicht abgeschlossen hätten, wird von der Revision mit Verfahrensrügen angegriffen, die der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet hat (§ 565a ZPO).
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4. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Makler G. habe bei der unrichtigen Information der Kläger über die Höhe der ihnen im Ergebnis verbleibenden monatlichen Belastung zumindest fahrlässig gehandelt und die Beklagte müsse sich sein Verhalten zurechnen lassen, wird von der Revision nicht angegriffen. Sie läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
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5. Somit ist das Berufungsgericht zutreffend davon aus gegangen, daß die Beklagte den Klägern dem Grunde nach unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zum Schadensersatz verpflichtet ist. Die Kläger können daher verlangen, so gestellt zu werden, wie sie ohne die falschen Angaben über die sie treffende monatliche Belastung stehen würden.
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Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß das Berufungsgericht den Schaden der Kläger unrichtig ermittelt hat. Die Kläger hätten in Kenntnis der sie treffenden monatlichen Belastung weder die Darlehensverträge mit der Beklagten abgeschlossen noch das Hausgrundstück erworben. Bei der Ermittlung ihres Schadens müssen daher nicht nur Zinsen und Kosten der Darlehen, sondern auch die vermögensmäßigen Auswirkungen des Grunderwerbs berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 22. September 1983 - III ZR 171/82, WM 1983, 1262, 1263); das hat das Berufungsgericht in seinem Urteil verkannt, obwohl es selbst darauf in seinem einen Prozeßkostenhilfe-Antrag der Kläger ablehnenden Beschluß vom 20. April 1989 noch zutreffend hingewiesen hatte. Zu diesen Auswirkungen dürften in erster Linie die Wertentwicklung des erworbenen Hausgrundstücks, ersparte Mietaufwendungen und erzielte Steuervorteile, auf der anderen Seite aber möglicherweise auch Aufwendungen gehören, die den Klägern im Zusammenhang mit dem Grundbesitz entstanden sind. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
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III. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben. Wegen der noch zu klärenden Frage der vermögensmäßigen Auswirkungen des Hauskaufs ist die Sache noch nicht entscheidungsreif. Daher mußte sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
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