Vertrauenshaftung des Verhandlungsvertreters: Intime Beziehung zwischen GmbH-Geschäftsführer und Vertragspartner
Leitsatz
1. Zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers einer GmbH wegen enger persönlicher Beziehungen (hier: intimes Verhältnis) zum Vertragspartner.
Orientierungssatz
1. Zitierungen: Fortführung BGH, 1990-04-03, XI ZR 206/88, WM IV 1990, 966, 968 mwN; BGH, 1983-02-23, VIII ZR 325/81, BGHZ 87, 27, 33; BGH, 1988-10- 11, X ZR 57/87, WM IV 1988, 1888, 1890.














vorgehend LG München I, 24. Februar 1988, 29 O 832/85

Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Lapp, 8. Auflage 2017, § 311 BGB
Fortführung BGH 10. Zivilsenat, 11. Oktober 1988, X ZR 57/87
Fortführung BGH 8. Zivilsenat, 23. Februar 1983, VIII ZR 325/81
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 2) - als Gesamtschuldner neben der bereits rechtskräftig verurteilten früheren Beklagten zu 1) - auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Klägerin hatte im Jahre 1980 die U. T. Steuerberatungsgesellschaft mbH, die frühere Beklagte zu 1), mit ihrer steuerlichen Beratung beauftragt. Für die Beklagte zu 1) war der Beklagte zu 2) als deren Geschäftsführer tätig. Im Dezember 1980 erörterten die Parteien die Möglichkeit des Erwerbs einer Eigentumswohnung im Bauherrenmodell zum Zweck der Steuerersparnis, wobei streitig ist, von welcher Seite die Initiative ausging. Daraufhin erwarb die Klägerin die noch zu errichtende Wohnung Nr. ... im Anwesen M. 6-8 in M. zum Preise von 576.549 DM. Dieser Betrag wurde zunächst von der B. R.-Zentralbank AG in voller Höhe zwischenfinanziert. Eine endgültige Finanzierung kam nicht zustande. Im Dezember 1987 verkaufte die Klägerin die Wohnung für 335.000 DM.
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Die Klägerin macht den Beklagten zu 2) neben der Beklagten zu 1) für den Schaden verantwortlich, der ihr durch den Erwerb der Eigentumswohnung entstanden ist. Sie behauptet, die Beklagten hätten ihr empfohlen, die Eigentumswohnung zu erwerben, und sie dabei hinsichtlich der Möglichkeit, ohne eigenes Vermögen den Kaufpreis durch Fremdfinanzierung aufzubringen, falsch beraten. In diesem Zusammenhang habe der Beklagte zu 2), der damals eine intime Beziehung mit ihr unterhalten habe, in besonderem Maße ihr persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, ihr versichert, sie brauche sich um nichts zu kümmern, weil er alles Erforderliche veranlassen würde, und erklärt, er verpflichte sich persönlich zur Beibringung der Endfinanzierung des gesamten benötigten Kapitals.
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Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 382.706,45 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 284.716,45 DM nebst Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin nach teilweiser Berufungszurücknahme das landgerichtliche Urteil nur noch hinsichtlich des Beklagten zu 2) angefochten und beantragt, diesen gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1) zur Zahlung von 284.716,45 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Oberlandesgericht gab der Berufung zunächst durch Versäumnisurteil vom 12. Oktober 1988 statt, hob dann aber auf den Einspruch des Beklagten zu 2) mit Urteil vom 8. März 1989 das Versäumnisurteil auf und wies die Berufung zurück. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
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I. Da der Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war, ist über die Revision antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 331, 557 ZPO; vgl. BGHZ 37, 79, 81). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (BGH aaO S. 82).
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Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Klägerin beanstandet mit Recht, daß das Berufungsgericht ihr Vorbringen nicht ausgeschöpft hat.
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II. Vertragliche Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) hat das Oberlandesgericht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer Übernahme der Mithaftung für Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1) geprüft. Auf einen derartigen Schuldbeitritt hat die Klägerin ihr Vorbringen jedoch nicht gestützt, sondern - insbesondere in der Berufungsbegründung - die Auffassung vertreten, der Beklagte zu 2) habe mit ihr hinsichtlich der Beteiligung an dem Bauherrenmodell einen eigenen unentgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen. Sie hat in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Ablichtung eines Schreibens des Beklagten zu 2) vom 12. Mai 1982 vorgelegt, in dem dieser, wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, als selbständiger "Steuerberater und Rechtsbeistand" u.a. für die Klägerin Verhandlungen wegen der Zahlung des Eigenkapitals geführt und sich für die von ihm in Aussicht gestellte Abwicklung "persönlich verbürgt" hat. Dieses Auftreten in eigenem Namen steht in Einklang mit der Darstellung der Klägerin und den Bekundungen des Zeugen R. vor dem Landgericht, der Beklagte zu 2) habe ihr erklärt, sie brauche kein eigenes Kapital einzusetzen und sich auch sonst um nichts zu kümmern, er werde persönlich für die Endfinanzierung des vollen Kaufpreises sorgen. Die Tatsache, daß die Steuerberatung der Beklagten zu 1) oblag, schließt nicht aus, daß der Beklagte zu 2), der sich unstreitig der Klägerin gegenüber als "Fachmann auf dem Gebiet der Bauherrenmodelle" bezeichnet hat (GA Bl. 252), hinsichtlich des Erwerbs der Eigentumswohnung eigene Verpflichtungen eingegangen ist. Der unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin, er habe insoweit eine Provision von 13.030 DM erhalten, kommt insoweit eine erhebliche Indizwirkung zu.
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III. 1. Das Berufungsgericht verneint auch eine Haftung des Beklagten zu 2) in seiner Eigenschaft als Vertreter der Beklagten zu 1) für den von dieser verursachten Schaden. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
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Die Klägerin habe nur vorgetragen, der Beklagte zu 2) habe damals eine intime Beziehung zu ihr gehabt und sich als Fachmann auf dem Gebiet der Bauherrenmodelle ausgegeben. Diese Umstände rechtfertigten jedoch nicht die Annahme, der Beklagte zu 2) habe der Klägerin eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und Erfüllung des Geschäfts geboten. Auch ein für die Begründung einer Eigenhaftung geeignetes eigenes wirtschaftliches Interesse des Beklagten zu 2) liege nicht vor; der etwaige Erhalt einer Vermittlungsprovision reiche hierfür nicht aus.
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2. Die Revision greift diese Ausführungen mit Recht an. Das Berufungsgericht hat die Bedeutung enger persönlicher Beziehungen für die Frage, ob ein Verhandlungsvertreter besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, verkannt.
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a) Werden Vertragsverhandlungen von einem Vertreter geführt, so richten Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen sich grundsätzlich gegen den Vertretenen und nicht gegen den Vertreter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ausnahmsweise jedoch auch ein Vertreter aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen persönlich haften, wenn er entweder dem Vertragsgegenstand besonders nahesteht und bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichsam in eigener Sache handelt oder wenn er gegenüber dem Verhandlungspartner in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt hat (Senatsurteil vom 3. April 1990 - XI ZR 206/88, WM 1990, 966, 968 m.w.Nachw.). Grundlage dafür, daß der Verhandlungsvertreter in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt und der Geschäftspartner es ihm auch entgegenbringt, können enge persönliche Beziehungen der Beteiligten sein (BGHZ 87, 27, 33; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1988 - X ZR 57/87, WM 1988, 1888, 1890).
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b) Im vorliegenden Fall bestand nach der Behauptung der Klägerin zwischen ihr und dem Beklagten zu 2) ein intimes Verhältnis. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang der Aussage des Zeugen R. entnimmt, hat der Beklagte zu 2) sich gegenüber der Klägerin verpflichtet, die Abwicklung des Bauherrenmodells und die Besorgung der Finanzierung persönlich zu übernehmen. Die Klägerin hat ferner unwidersprochen behauptet, der Beklagte zu 2) habe ihr kein Detail des Bauherrenmodells erklärt und ihr den Prospekt erst nach der Zeichnung übergeben. Nach der seitens des Beklagten zu 2) allerdings bestrittenen Behauptung der Klägerin hat er ihr darüber hinaus versichert, sie brauche sich im Zusammenhang mit dem Bauherrenmodell um nichts zu kümmern.
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Geht man von den Feststellungen des Berufungsgerichts und den Behauptungen der Klägerin aus, so liegt die Annahme nahe, daß die Klägerin ihrem Vorbringen entsprechend dem Beklagten zu 2) wegen enger persönlicher Beziehungen blind vertraut und der Beklagte zu 2) dieses Vertrauen auch bewußt in Anspruch genommen hat. Das würde zu einer persönlichen Haftung des Beklagten zu 2) wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen führen. Soweit die Behauptungen der Klägerin vom Beklagten zu 2) bestritten wurden, fehlt es an tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts.
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IV. Mit der Frage einer Haftung des Beklagten zu 2) nach § 826 BGB hat das Berufungsgericht - ebenso wie bereits das Landgericht - sich nicht auseinandergesetzt. Der in Bezug genommene erstinstanzliche Vortrag der Parteien gab jedoch Anlaß zur Prüfung dieser Frage.
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Bei der von der Klägerin erworbenen Eigentumswohnung ging es unstreitig um eine Investition von 576.000 DM, die nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin eine jährliche Zinsbelastung von 57.654 DM mit sich brachte. Der Beklagte zu 2) hat auch nicht bestritten, im Dezember 1980 gewußt zu haben, daß die Klägerin nach den ihm vorliegenden Steuerunterlagen im Jahre 1979 einen Jahresüberschuß vor Steuern von nur 36.743,04 DM erwirtschaftet hatte und für 1980 einen solchen in Höhe von 32.712,32 DM erzielen würde. Würdigt man diese Tatsachen für sich allein, so standen die Belastungen der Klägerin aus dem vorgesehenen Erwerb in einem solchen Umfang außer Verhältnis zur Höhe ihrer Einnahmen und der erzielbaren Steuervorteile, daß die Annahme nahe liegt, der Beklagte zu 2) habe sie durch seine Erwerbsempfehlung vorsätzlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise geschädigt.
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Die Beklagten haben allerdings in erster Instanz vorgetragen und unter Beweis gestellt, die Klägerin habe erklärt, außer den aus ihrer Steuererklärung ersichtlichen Einkünften genügend Geld zur Finanzierung des Bauherrenmodells zu haben. Das Landgericht hat diese Behauptung nach Vernehmung der dazu von den Beklagten benannten Zeugin als nicht erwiesen angesehen. Das Berufungsgericht hat sich damit nicht auseinandergesetzt.
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