Beratungspflichtverletzung einer Bank durch Rat zur Abänderung eines finanzierten Kaufvertrages ohne Hinweis auf die rechtlich benachteiligenden Folgen
Leitsatz
Eine Bank darf ihrem Kreditnehmer nicht ohne Hinweis auf die gravierenden Folgen zu einer Verschlechterung seiner Rechtsposition raten (hier: Abänderung des Kaufvertrages dahin, daß der finanzierte Kaufpreis direkt auf das Verkäuferkonto statt auf das Notarkonto zu zahlen ist), wenn die damit verbundene Risikoverlagerung (auch) ihren eigenen Interessen dient.













vorgehend LG Lübeck, 9. Januar 1992, 12 O 83/91




Hans-Volker Menk, WuB I E 1 Kreditvertrag 8.95 (Anmerkung)
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 30. Juni 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
Die Kläger wenden sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die von der Beklagten aus einer notariellen Urkunde betriebene Zwangsvollstreckung.
- 2
Der Kläger zu 2) kaufte am 25. Januar 1985 von der P. GmbH (GmbH) eine Eigentumswohnung in einem zu errichtenden Wohnblock zu einem Kaufpreis von 141.000 DM, der nach Baufortschritt in Raten auf ein Notaranderkonto bei der Beklagten gezahlt werden sollte; der Notar sollte über den Kaufpreis nur insgesamt bei Vorlage des Schlußabnahmescheins verfügen dürfen.
- 3
Zur Finanzierung des Kaufpreises beantragten die Kläger bei der Beklagten ein Darlehen in Höhe von 125.000 DM (bei 95,25%-iger Auszahlung), das in einem Betrag "auf das fertige Objekt" ausgezahlt und an dem zu erwerbenden Eigentum erstrangig mit einer Grundschuld gesichert werden sollte. Für die Zeit bis zur Fertigstellung beantragten sie gleichzeitig eine Zwischenfinanzierung in Höhe von 115.000 DM, die zu 100% nach Baufortschritt auszuzahlen war. Die Beklagte nahm die Anträge an, nachdem sie sich von der GmbH den Kaufpreisanspruch gegen die Kläger hatte in Höhe von 140.000 DM abtreten lassen. Da auch diese Zwischenfinanzierung auf das Notaranderkonto fließen sollte und erst nach Schlußabnahme ausgezahlt werden durfte, standen die entsprechenden Mittel der GmbH nicht dem Baufortschritt entsprechend zur Verfügung. Deshalb änderten - nach dem Vortrag der Kläger auf Anraten der Beklagten - die Kaufvertragsparteien die Modalitäten der Kaufpreiszahlung und vereinbarten, daß die Zahlungen direkt an die GmbH auf ein bei der Beklagten geführtes Baukonto zu leisten seien. Am 5. Juli 1985 überwies der Kläger zu 2) aus der Zwischenfinanzierung 105.750 DM auf dieses Konto.
- 4
Die GmbH wurde vor Eintragung des Wohnungseigentums der Kläger zahlungsunfähig. Die Beklagte kündigte am 19. Dezember 1986 das Darlehen und forderte die Kläger zur Rückführung des Schuldsaldos auf. Da von der GmbH keine Zahlungen mehr zu erlangen waren, betrieb die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der auf dem Grundstück zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen die GmbH lastenden Gesamtgrundschuld. Von dem Erlös entfielen laut Teilungsplan auf die von den Klägern gekaufte Wohnung rund 96.000 DM. Die Beklagte fiel mit einem die Darlehensschuld der Kläger übersteigenden Betrag aus. Sie betreibt nun aus der notariellen Urkunde die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger.
- 5
Die von diesen erhobene Vollstreckungsabwehrklage ist in den Vorinstanzen abgewiesen worden. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
- 6
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
- 7
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Kläger dem unstreitigen Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten keine Einwendungen entgegensetzen könnten, insbesondere könnten sie der Beklagten keine Pflichtverletzung anlasten: Selbst wenn man nämlich vom Vortrag der Kläger ausgehe, daß Mitarbeiter der Beklagten dazu geraten hätten, die Auszahlungen nach Baufortschritt unmittelbar auf das Baukonto der GmbH fließen zu lassen, um dort Zinsaufwendungen zu vermeiden, habe die Beklagte die Kläger nicht auf die Folgen aufmerksam machen müssen, die mit der Änderung der Zahlungsmodalitäten verbunden gewesen seien.
- 8
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Den Klägern steht nach ihrem Vortrag zu dem Anlaß für die vertragliche Abänderung der Modalitäten der Kaufpreiszahlung, der mangels Aufklärung durch das Berufungsgericht für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist, ein Anspruch auf Schadensersatz aus positiver Forderungsverletzung zu, den sie dem Darlehensrückzahlungsanspruch entgegenhalten können.
- 9
Die Beklagte hatte die Finanzierung unter Auszahlungsbedingungen bewilligt, die ihre eigenen und die gleichgerichteten Sicherungsinteressen der Kläger wahrten, indem die Zahlungen zugunsten der Verkäuferin erst nach Fertigstellung des Objekts verfügbar waren: Die Kläger waren damit gegen das Risiko gesichert, den Kaufpreis zu zahlen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten; die Beklagte kreditierte einen Kaufpreis, der für den Fall des Scheiterns des Objekts vom Notaranderkonto an sie zurückfließen konnte. Diese Interessenlage änderte sich, als die Beklagte nach Abtretung der Kaufpreisforderung nicht mehr nur Kreditgeberin, sondern auch Gläubigerin der kreditierten Forderung wurde, ohne ihrerseits die kaufvertragliche Gegenleistung erbringen zu müssen. Da sie gleichzeitig auch Kreditgeberin der Verkäuferin war, befand sie sich in einem Interessenkonflikt insofern, als ihr einerseits an einer Rückführung der Schulden der Verkäuferin gelegen war, die sie zur Durchführung des Bauvorhabens mit finanziellen Mitteln ausstatten mußte, sie aber andererseits diese Mittel unter Verminderung des eigenen Risikos zu Lasten der Kläger durch deren Zahlungen der Verkäuferin zukommen lassen wollte. In einer solchen Situation handelte sie pflichtwidrig, wenn sie den Klägern als ihren Kunden, die auf die Richtigkeit des erteilten Rates vertrauten, zur Aufgabe der Sicherheit riet, die in der Vereinbarung einer Zahlung auf das Notaranderkonto bestand, und Zahlungen auf ein Konto vorschlug, das ihrem Zugriff im Verhältnis zur Verkäuferin unterlag, ohne auf die für die Kläger dadurch drohenden und inzwischen eingetretenen Folgen aufmerksam zu machen. Sie durfte angesichts der gegenläufigen Interessen nicht ihren Kunden raten, was nur ihr nützte und den Kunden schadet. Daß sie mit der empfohlenen Änderung der kaufvertraglichen Zahlungsmodalitäten ihr Ausfallrisiko nachträglich auf ihre eigenen Kunden abwälzen würde, lag für den Kläger zu 2) keineswegs auf der Hand, sondern war für eine Bank ungewöhnlich.
- 10
3. In der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht daher aufzuklären haben, ob der Vortrag der Kläger zutrifft, daß die Beklagte durch ihre Angestellten zur Aufgabe der Sicherheit geraten hat (vgl. GA 91, 125, 126, 146), und, falls die Beweisaufnahme insoweit zu einem den Klägern günstigen Ergebnis führt, diese nicht von dem Notar, der die Abänderungsvereinbarung beurkundet hat, auf das mit der Aufgabe der Sicherheit verbundene Risiko hingewiesen worden sind (GA 92, 145), wie die Beklagte behauptet. Auf ein etwaiges Mitverschulden des Klägers zu 2) käme es nicht an, soweit die Beklagte durch Verbuchung der Überweisungsbeträge auf dem Bankkonto der Verkäuferin eigene Vorteile erlangt hat (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1992 - XI ZR 165/91, WM 1992, 1310, 1312).
Permalink
-
Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten:
https://www.juris.de/perma?d=KORE321979500