Schweigen auf Vertragsangebot nach Vorverhandlungen als stillschweigende Annahme
Leitsatz
In dem Schweigen auf ein Angebot, das auf Grund von alle wichtigen Punkte betreffenden Vorverhandlungen ergeht und ihnen im Ergebnis entspricht, ist in der Regel eine stillschweigende Annahme zu sehen.















vorgehend LG Rottweil, 7. Oktober 1993, HO 112/93
Hartumut Pfeifer, BB 1995, 1507-1508 (Anmerkung)




... mehrHerberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Backmann, 8. Auflage 2017, § 146 BGB
● Weinland, 8. Auflage 2017, § 177 BGB
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. März 1994 aufgehoben. Das Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Rottweil vom 7. Oktober 1993 wird abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die klagende Bank steht mit den Beklagten seit Jahren in Geschäftsbeziehungen. Die ihnen eingeräumten Kredite beliefen sich zuletzt auf ca. 4 Millionen DM. Im Jahre 1992 verschlechterte sich die finanzielle Situation der Beklagten erheblich. Sie bemühten sich seit Oktober 1992 unter Einbeziehung aller Gläubigerbanken - neben der Klägerin vier weitere Kreditinstitute - um eine Lösung. Nach längeren Verhandlungen sah eine in einer abschließenden Besprechung am 16. Dezember 1992 vereinbarte Lösungsalternative vor, daß die Beklagten das jeweilige Kreditengagement ihrer Gläubigerbanken unter Abzug eines 20%igen Nachlasses bis 31. Dezember 1992 ablösen sollten. Für den Fall fristgerechter Ablösung erklärten sich die Gläubigerbanken - vorbehaltlich der Gremiumsentscheidung in den einzelnen Häusern und nicht gebunden an eine Kollektiventscheidung - in der Besprechung bereit, für die einzelnen Banken festgelegte Forderungsverzichte auszusprechen. Von der Klägerin war den Beklagten ein Teilerlaß in Höhe von 410.000 DM in Aussicht gestellt worden.
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Durch Fernschreiben vom 22. Dezember 1992 informierten die Beklagten die Klägerin, daß sie ihre Schulden unter Abzug von 410.000 DM bis 31. Dezember 1992 ablösen würden. Die Beklagten überwiesen der Klägerin den angekündigten Betrag in Höhe von über 3,4 Millionen DM am 29. Dezember 1992. Dieser wurde von der Klägerin gutgeschrieben.
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Das bei der Klägerin zuständige Gremium entschied am 5. Januar 1993, den Beklagten keinen Teilerlaß in Höhe von 410.000 DM zu gewähren. Die Klägerin fordert diesen Restbetrag. Die Beklagten sind der Auffassung, die Restforderung der Klägerin sei durch den wirksamen Abschluß eines Teilerlaßvertrages erloschen.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwischen den Parteien sei kein wirksamer Erlaßvertrag zustande gekommen. Von den Vertretern der Klägerin sei den Beklagten am 16. Dezember 1992 ein auf Abschluß eines Teilerlaßvertrages gerichtetes Vertragsangebot unterbreitet worden. Dieses Angebot habe unter dem sogenannten Gremiumsvorbehalt gestanden. In diesem Vorbehalt sei die Offenlegung der insoweit nicht ausreichend gegebenen Vertretungsmacht der Repräsentanten der Klägerin zu sehen. Die Beklagten hätten das Angebot durch ihr Fernschreiben vom 22. Dezember 1992 angenommen. Ein Erlaßvertrag habe jedoch nur zustande kommen können, wenn die Klägerin die erforderliche Genehmigung der Vertretererklärung vom 16. Dezember 1992 bereits erteilt hatte oder noch nachträglich erteilt habe. Das sei jedoch nicht der Fall. Bloßes Schweigen könne nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen als Genehmigung aufgefaßt werden. Das würde voraussetzen, daß die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, einen abweichenden Willen zu äußern und daß die Beklagten eine ablehnende ausdrückliche Stellungnahme der Klägerin vor ihrer Zahlung erwarten durften. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben. Der Sinn des Gremiumsvorbehaltes sei gewesen, der Klägerin eine freie und unbeeinflußte Entscheidung über einen etwaigen Teilerlaß zu ermöglichen. Die Klägerin sei auch nicht rechtlich dahin gebunden gewesen, daß das zuständige Gremium der Klägerin binnen einer bestimmten Frist hätte entscheiden müssen. Die Beklagten hätten das Schweigen der Klägerin bis zu der Zahlung am 29. Dezember 1992 nicht als Genehmigung eines Teilerlaßvertrages verstehen dürfen, weil eine entsprechende Abrede der Parteien nicht bestanden habe und weil auch Treu und Glauben nicht ausnahmsweise geboten hätten, das Schweigen der Klägerin als zustimmende Willenserklärung aufzufassen.
II.
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Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist zwischen den Parteien ein stillschweigender Erlaßvertrag über die mit der Klage geltend gemachte restliche Darlehensforderung in Höhe von 410.000 DM zustande gekommen (§ 397 Abs. 1 BGB).
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Im Hinblick auf den Gremiumsvorbehalt ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß die Vertreter der Klägerin in der Besprechung vom 16. Dezember 1992 noch keine verbindliche Vereinbarung treffen, sondern diese nur in allen Einzelheiten vorbereiten wollten. Bei dieser Sachlage ist unerheblich, ob die Verhandlungsführer der Klägerin - wie die Beklagten geltend machen - ausreichende Vertretungsmacht hatten. Durch den ausdrücklichen Gremiumsvorbehalt war jedenfalls unmißverständlich klargestellt, daß sie von einer etwaigen Vertretungsmacht keinen Gebrauch machen wollten. In dem den Abreden entsprechenden Verhalten der Beklagten - der fristgerechten Überweisung des nach Abzug des vorgesehenen Teilerlasses von 410.000 DM verbleibenden Restschuldbetrages von über 3,4 Millionen DM nach fernschriftlicher Ankündigung vom 22. Dezember 1992 - lag das abschließende Angebot an die Klägerin, die in der Besprechung vom 16. Dezember 1992 für den Teilerlaß gestellten Bedingungen zu erfüllen. Angesichts der Tatsache, daß zu diesen Bedingungen die Kreditablösung bis zum 31. Dezember 1992 zählte und in die ohnehin äußerst kurze Frist die Weihnachtsfeiertage fielen, konnten die Beklagten mit ihrer Zahlung nicht warten, bis ihnen die Zustimmung der zuständigen Gremien der Klägerin mitgeteilt würde. In der Überweisung lag damit zugleich - für die Klägerin erkennbar - der Verzicht auf eine ausdrückliche Annahmeerklärung (§ 151 BGB). Andererseits konnte nach Anlaß und Inhalt der Verhandlungen für die Klägerin kein Zweifel daran bestehen, daß die Mittel, die den von Insolvenz bedrohten Beklagten zur Erlangung des Teilerlasses von dritter Seite zur Verfügung gestellt worden waren, ausschließlich zu dem angestrebten Zweck dienen sollten, also nicht etwa für eine davon unabhängige Teilablösung des Gesamtkredits benutzt werden durften. Durch die widerspruchslose Verbuchung des Überweisungsbetrages auf dem Konto der Beklagten hat die Klägerin dieses Angebot angenommen.
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Zwar ist Stillschweigen auf ein Vertragsangebot auch im Handelsverkehr in der Regel nicht als Zustimmung zu werten. Es muß aber dann als Zustimmung angesehen werden, wenn nach Treu und Glauben ein Widerspruch des Angebotsempfängers erforderlich gewesen wäre. Insbesondere in dem Schweigen auf ein endgültiges Angebot, das aufgrund einverständlicher und alle wichtigen Punkte betreffender Vorverhandlungen ergeht, ist in der Regel eine stillschweigende Annahme zu sehen, sofern nicht nach den Umständen des Einzelfalls eine solche ausgeschlossen sein sollte (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1955 - I ZR 210/53, LM § 151 BGB Nr. 2; vgl. auch BGHZ 1, 353, 355; BGH, Urteil vom 31. Januar 1951 - II ZR 46/50, LM § 150 BGB Nr. 1; zustimmend MünchKomm/Kramer, BGB, 3. Aufl. § 151 Rdn. 4 a und Soergel/Hefermehl, BGB, vor § 116 Rdn. 36 m.w.Nachw.).
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Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Lösungsvorschlag der Gläubigerbanken zur Abwendung einer Insolvenz der Beklagten war unter maßgeblicher Beteiligung der Klägerin erarbeitet worden. Sie hatte auch den von ihr für einen Teilerlaß in Aussicht gestellten Betrag errechnet und darauf hingewiesen, daß er die Zustimmung des bei ihr intern zuständigen Gremiums finden könnte. Die Initiative für ein ihren Bedingungen entsprechendes Ablösungsangebot hatte sie unter Setzung einer sehr kurzen Frist den Beklagten überlassen. Die Verbuchung der den Absprachen genügenden Überweisung auf dem Konto der Beklagten entsprach - wie das spätere Verhalten der Klägerin bestätigt - ihrem Willen, den Betrag endgültig zu vereinnahmen. Sie verhielt sich damit angebotskonform und bestätigte nach dem objektiven Erklärungswert dieses Verhaltens ihren Willen, das von ihr herbeigeführte Angebot der Beklagten anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1985 - VIII ZR 297/84, WM 1986, 322, 324). Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem in BGHZ 111, 97 entschiedenen, in dem der Schuldner ohne vorherige Absprachen von sich aus unter Übersendung eines Schecks eine Abfindung in Höhe von weniger als einem Drittel der Gesamtforderung angeboten hatte. Wollte die Klägerin die Entscheidung ihrer Gremien abwarten, hätte sie dies unverzüglich mitteilen und den überwiesenen Betrag nur unter Vorbehalt der Rückgabe im Falle der Verweigerung der Zustimmung entgegennehmen dürfen. Stattdessen hat sie die am 5. Januar 1993 gefallene negative Entscheidung des zuständigen Gremiums erst bei einer Besprechung am 15. Januar 1993 den Beklagten mitgeteilt und die Überweisung abredewidrig als Teilablösung behandelt.
III.
- 11
Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben und die Klage unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung abgewiesen werden.
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