Inhaltskontrolle von Bank-AGB: Wirksamkeit von Entgeltklauseln bei Lastschriftrückgabe mangels Deckung; unwiderlegbare Schadenspauschalierung
Leitsatz
Eine Regelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der der Kunde bei einer Lastschriftrückgabe mangels hinreichender Deckung mit einem Entgelt belastet wird, verstößt gegen AGBG § 9. Sie stellt im Hinblick auf AGBG § 11 Nr 5 Buchst b auch keine wirksame Schadenspauschalierung dar.







vorgehend LG Hannover 14. Zivilkammer, 10. Oktober 1995, 14 O 156/95
Fortführung BGH 11. Zivilsenat, 9. April 2002, XI ZR 245/01
Abgrenzung OLG Düsseldorf 6. Zivilsenat, 8. Juni 2000, 6 U 145/99




Ingo Koller, LM AGBG § 9 (Be) Nr 10 (3/1998) (Anmerkung)
... mehrHerberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Lapp/Salamon, 8. Auflage 2017, § 306a BGB
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. November 1996 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover, 14. Zivilkammer, vom 10. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, beanstandet die Verwendung einer Klausel im Privatgirogeschäft der beklagten Sparkasse.
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In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es unter der Überschrift "Preise für Dienstleistungen im normalen Geschäftsverkehr mit Privatkunden" u.a.:
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"Lastschriftrückgabe (nur bei Rückgabe mangels Deckung) 10 DM pro Lastschrift inkl. Auslagen".
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Gegen diese Klausel wendet sich der Kläger mit der Unterlassungsklage aus § 13 AGBG. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
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Das Berufungsgericht hat angenommen, die angegriffene Entgeltklausel, die als (Preis-)Nebenabrede kontrollfähig sei (§ 8 AGBG), halte der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand: Die Bestimmung benachteilige die Kunden der beklagten Bank nicht in unangemessener Weise (§ 9 Abs. 1 AGBG). Zwar werde nach ihrem umfassenden Wortlaut nicht nach der Verantwortlichkeit für die unterlassene Einziehung der Forderungen im Lastschriftverkehr unterschieden. Erfaßt würden vielmehr auch die Fälle, in denen die Deckungslücke auf Fehlbuchungen der Beklagten beruhe. Dennoch führe der im Verbandsprozeß nach § 13 AGBG geltende Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung nicht zu einem Klauselverbot, da das von der Beklagten praktizierte und nicht beliebig änderbare Verfahren der Nachdisposition eine unberechtigte Rückgabe der Lastschrift weitgehend ausschließe. Daß die erst nach dem Buchungsschnitt eingehenden Zahlungen hierbei nicht mehr berücksichtigt würden, stelle wegen der Seltenheit dieser Fälle und der relativ niedrigen Gebühr keine unzumutbare Belastung dar. Außerdem brächte das Lastschriftverfahren dem einzelnen Kunden erhebliche wirtschaftliche Vorteile und sei es allein seine Sache, für ein Guthaben oder eine angemessene Kreditlinie zu sorgen. Die Gefahr, daß der Kunde trotz ausreichender Deckung aufgrund der streitigen Entgeltregelung in Anspruch genommen werde, sei gering und falle auch im Hinblick auf die regelmäßig leichte Erkennbarkeit der korrekturbedürftigen Buchungsfehler nicht ins Gewicht.
II.
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Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 8
1. Die beanstandete Gebührenregelung, von deren Kontrollfähigkeit das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 114, 330, 333; 124, 254, 256 ff.; Senatsurteile vom 7. Mai 1996 - XI ZR 217/95, WM 1996, 1080, 1082, zur Veröffentlichung in BGHZ 133, 10 vorgesehen, und vom 15. Juli 1997 - XI ZR 269/96, ZIP 1997, 1638, für BGHZ vorgesehen) ohne weiteres ausgegangen ist, weicht von wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes ab (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) und benachteiligt die Kunden entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben in unangemessener Weise (§ 9 Abs. 1 AGBG).
- 9
a) Bei der den Gegenstand der Vergütungsregelung bildenden Prüfung ausreichender Deckung wird das beklagte Kreditinstitut ausschließlich im eigenen Interesse tätig.
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Der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann nach allgemeinen Grundsätzen Entgelte nur für Leistungen verlangen, die er auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbringt. Jede preisregelnde Vertragsklausel, die sich nicht auf eine solche Leistung stützt, sondern die Aufwendungen für die Erfüllung eigener Verpflichtungen oder für Zwecke des Verwenders abzuwälzen versucht, stellt deshalb eine wesentliche Abweichung von Rechtsvorschriften (siehe dazu Senatsurteile vom 7. Mai 1996 - XI ZR 217/95 aaO und vom 15. Juli 1997 - XI ZR 269/96 aaO m.w.Nachw.) dar. So ist es bei der hier zu beurteilenden Regelung.
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Die Bank ist zur Einlösung einer Lastschrift ihrem eigenen Kunden gegenüber aus dem Girovertrag, einem Geschäftsbesorgungsvertrag, nur verpflichtet, wenn ausreichende Deckung in Form eines entsprechenden Giroguthabens oder einer offenen Kreditlinie vorhanden ist. Sie ist andererseits - wie bei ungedeckten Aufträgen des Kontoinhabers - nicht gehindert, eine durch die Belastungsbuchung eingetretene Überziehung des Kontos hinzunehmen (siehe dazu Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 49 Rdn. 11). Entscheidet sie sich bei nicht hinreichender Deckung für die Nichtausführung, so liegt in ihrer berechtigten Weigerung, die entsprechende girovertragliche Weisung des Kunden nach §§ 665, 675 BGB zu erfüllen, keine Leistung und folglich kein eine Vergütungspflicht auslösender Tatbestand. Bei der Nichteinlösung von Lastschriften kommt hinzu, daß die Bank in dem die Regel bildenden Einzugsermächtigungsverfahren die Kontobelastung ohne eine entsprechende Einzelweisung ihres Kunden vornimmt (siehe dazu Senatsurteil vom 14. Februar 1989 - XI ZR 141/88, WM 1989, 520, 521; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 58 Rdn. 53 m.w. Nachw.), ihre Einlösungsverweigerung sich also als die Nichtausführung eines Auftrags der Gläubigerbank im Rahmen des Lastschriftabkommens (siehe auch dazu van Gelder aaO Rdn. 115 ff. m.w.Nachw.) darstellt. Die bei der Prüfung ausreichender Deckung entstehenden Aufwendungen fallen auch nicht unter § 670 BGB, weil der gesetzliche Anspruch auf Wertersatz wenn auch nicht unbedingt eine Bereicherung des Auftraggebers, so aber doch ein seinen Zwecken dienendes Handeln des Beauftragten (siehe etwa Staudinger/Wittmann, BGB 13. Bearb. § 670 Rdn. 8) voraussetzt. Daß das von der Beklagten berechnete Entgelt den einzelnen Kunden möglicherweise mehr oder weniger stark belastet, ist im Rahmen der Verbandsklage nach §§ 13 ff. AGBG, die dem Rechtsverkehr im ganzen dient, bedeutungslos (BGHZ 124, 254, 260).
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b) Ob die durch eine im Einzelfall erforderliche Benachrichtigung des Kunden über die Nichteinlösung (siehe dazu BGH, Urteil vom 28. Februar 1989 - XI ZR 80/88, WM 1989, 625; vgl. ferner van Gelder aaO Rdn. 110 ff.) entstehenden Aufwendungen eine Leistung darstellen und daher ersatzfähig sind, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil es nach dem Vorbringen der Beklagten bei der beanstandeten Klausel nicht um den Ersatz dieser Auslagen geht.
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2. Die angegriffene Entgeltklausel läßt sich auch nicht als wirksame Schadenspauschalierung halten.
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Dabei bedarf die Frage, ob der Kunde, der eine Einziehungsermächtigung erteilt und nicht rechtzeitig für ausreichende Deckung gesorgt hat, überhaupt wegen Verletzung seiner girovertraglichen Pflichten gegenüber der kontoführenden Bank schadensersatzpflichtig sein kann, keiner Entscheidung. Jedenfalls wäre die von der Beklagten verwendete Klausel, wenn man in ihr eine pauschalierte Schadensersatzregelung sehen wollte, wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 5 b AGBG unwirksam.
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Nach § 11 Nr. 5 b AGBG dürfen Pauschalierungsklauseln dem Kunden nicht den Nachweis eines überhaupt nicht oder wesentlich niedriger eingetretenen Schadens abschneiden. Zwar verlangt das Gesetz nicht, daß die Klauseln den besonderen Hinweis enthalten, dem Kunden bleibe der Nachweis eines wesentlichen geringeren Schadens vorbehalten. Der Nachweis wird jedoch abgeschnitten, wenn der rechtsunkundige Durchschnittskunde nach der Fassung der AGB-Klausel davon ausgehen muß, daß er sich nicht auf einen im Einzelfall wesentlich niedrigeren Schaden des Verwenders berufen kann. Folgerichtig sind alle Pauschalierungsklauseln nach § 11 Nr. 5 b AGBG unzulässig, die den Kunden für den Fall der schuldhaften Vertragsverletzung eine Schadensersatzleistung in fester Höhe befehlen (siehe etwa BGH, Urteil vom 5. März 1987 - III ZR 43/86, NJW 1987, 2220, 2222) oder ihm auf andere Weise den Weg zur Einwendung eines wesentlich niedrigeren Schadens (vgl. Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 7. Aufl. § 11 Nr. 5 b Rdn. 18 m.w.Nachw.) verschließen. Für die vorliegende Klausel ergäbe sich nichts anderes. Denn da sie dem klaren Wortlaut nach eine Gebührenregelung darstellt, wird für den Kunden nicht einmal deutlich, daß die Beklagte eine der Höhe nach pauschal erhobene Schadensersatzforderung oder einen Anspruch in Höhe des gewöhnlich entstehenden bzw. des durchschnittlichen Schadens geltend machen will.
III.
- 16
Auf die Revision des Klägers war das Berufungsurteil daher aufzuheben und das Urteil des Landgerichts wieder herzustellen.
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