Verjährung des Bereicherungsanspruchs wegen überzahlter Zinsen bei vorzeitiger Ablösung des Annuitätendarlehens
Leitsatz
1. Beim Annuitätendarlehen sind die vom Darlehensgeber aufgrund einer nichtigen Vertragsklausel zuviel berechneten Zinsen zur Tilgung zu verwenden. Der bei einer vorzeitigen Ablösung entstehende Bereicherungsanspruch des Darlehensnehmers unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist des BGB § 195.

















vorgehend LG Braunschweig, 22. März 1989, 5 O 517/88
Vergleiche BGH 11. Zivilsenat, 24. Oktober 2000, XI ZR 273/99
Fortführung BGH 11. Zivilsenat, 12. Oktober 1993, XI ZR 11/93
Vergleiche OLG Hamm 31. Zivilsenat, 26. Oktober 1992, 31 U 94/92
Anschluß LG Zweibrücken 4. Zivilkammer, 29. Oktober 1991, 4 S 61/91





... mehrHerberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Schwintowski, 8. Auflage 2017, § 491a BGB
● Schwintowski, 8. Auflage 2017, § 494 BGB
Tatbestand
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Die Beklagte (früher Pfandbriefanstalt, jetzt Hypothekenbank AG) gewährte den Klägern 1979 zwei durch Hypotheken gesicherte Darlehen von 370.000 DM und 30.000 DM. In den Schuldurkunden wurde für Verzinsung und Tilgung jeweils ein bestimmter Prozentsatz vereinbart. Die Jahresleistung in Höhe der Summe beider Prozentsätze sollte - in Halbjahresraten - ohne Rücksicht auf das Fortschreiten der Tilgung gleichbleibend entrichtet werden. Nr. 5 der Formularurkunden enthielt folgende Klausel:
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"Wird eine fällige Leistung aus Ziffer 1, Ziffer 2 oder Ziffer 3 nicht innerhalb von 14 Tagen nach Fälligkeit vollständig bewirkt, kann der Darlehensgeber den Zinssatz des Darlehens einmal bis um 4% p.a. erhöhen und zwar für den Zeitraum, für den die rückständige Leistung zu erbringen war, bis zur restlosen Zahlung der Rückstände. Das gleiche gilt auch für den Fall der Zwangsversteigerung des Pfandgrundstücks und der außerordentlichen Kündigung nach Ziffer 8."
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Die Kläger erfüllten ihre vertraglichen Verpflichtungen von Anfang an nur unvollständig. Wegen der Zinsrückstände trat die Beklagte einem 1982 von einem anderen Gläubiger eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren bei. Ab Mai 1983 verhandelten die Parteien über eine vorzeitige Darlehenstilgung. Die Kläger zahlten schließlich Anfang 1984 den von der Beklagten geforderten Gesamtablösungsbetrag von 465.646,86 DM. Bis Ende 1982 hatte die Beklagte in ihren halbjährlichen Leistungsanforderungen keinen Zinszuschlag gemäß Nr. 5 der Schuldurkunde berechnet. Erst in den 1983 erteilten Abrechnungen berücksichtigte sie einen solchen Zinszuschlag in Höhe von 4% rückwirkend für die Gesamtvertragszeit mit insgesamt 54.443,34 DM. Mit der Klage haben die Kläger u.a. diesen Betrag zurückverlangt, weil die Formularklausel unter Nr. 5 der Schuldurkunden nach übereinstimmender Auffassung beider Parteien der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht standhält. Die Beklagte hat in Höhe von 12.000 DM (Zinsen aus 1983) nebst 4% Zinsen ein Teilanerkenntnisurteil gegen sich ergehen lassen, jedoch wegen der - Anfang 1989 rechtshängig gewordenen - Restforderung die Verjährungseinrede erhoben. Das Landgericht hat den Klägern die weiter verlangten 42.443,34 DM nebst 4% Zinsen zugesprochen. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
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1. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Kläger auf Rückzahlung aller von der Beklagten als Zinszuschlag gemäß Nr. 5 der Schuldurkunden geforderten Beträge aus § 812 BGB bejaht, weil die genannte AGB-Klausel wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 und § 11 Nr. 5 a AGBG unwirksam ist. Das hat der Bundesgerichtshof bereits in einem früheren Verfahren gegen die Beklagte entschieden (Urteil vom 7. Juli 1988 - III ZR 111/87 = WM 1988, 1401, 1403 zu II 2 b). Dagegen erhebt auch die Revision keine Einwendungen.
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2. Die allein noch im Streit befindliche Verjährungseinrede der Beklagten hat das Berufungsgericht nicht durchgreifen lassen, weil für den Bereicherungsanspruch die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gelte, § 197 BGB dagegen - anders als bei Kreditkosten, die aufgrund eines nichtigen Ratenkreditvertrags gezahlt worden seien - nicht anwendbar sei. Dieser Auffassung des Berufungsgerichts ist im Ergebnis zuzustimmen.
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a) Dabei ist die im Berufungsurteil angesprochene und von den Parteien auch in der Revisionsinstanz aufgegriffene Frage, ob es sich bei dem vereinbarten Zinszuschlag um eine Verzugsschadenspauschalierung oder um eine Vertragsstrafe handelt, für die Verjährung nicht entscheidend: Der Anspruch auf Verzugsschadensersatz nach § 288 Abs. 2 BGB unterliegt ebenso wie der auf Zahlung einer Vertragsstrafe grundsätzlich der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB (RGZ 109, 345, 348; 85, 242, 243); für beide kommt eine kürzere Verjährungsfrist in Betracht, wenn Schadensersatz oder Vertragsstrafe als Zuschlag zu einer in kürzerer Frist verjährenden Entgeltforderung ausgestaltet sind (vgl. RGZ 64, 284, 287; MünchKomm/v. Feldmann 2. Aufl. § 195 BGB Rdn. 13 und § 196 BGB Rdn. 20).
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Hier geht es jedoch nicht um den Anspruch der Beklagten auf Zahlung des Zinszuschlags und um seine rechtliche Einordnung, sondern um den Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der Beträge, die von der Beklagten als Leistung auf die vermeintlich geschuldeten Zinszuschläge verrechnet worden sind. Dieser Bereicherungsanspruch der Kläger unterliegt nur dann der kurzen Verjährung des § 197 BGB, wenn er auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen gerichtet ist.
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b) Diese Voraussetzung bejaht der Bundesgerichtshof beim Anspruch auf Rückzahlung von Kreditkosten, die aufgrund eines nichtigen Ratenkreditvertrags an den Kreditgeber geleistet worden sind; denn dort entsteht mit jeder einzelnen Ratenzahlung jeweils ein sofort fälliger Rückzahlungsanspruch des Kreditnehmers in Höhe des in jeder Rate enthaltenen Kreditkostenanteils. Da die einzelnen Ratenzahlungen ihre gemeinsame Ursache in der Vorstellung des Kreditnehmers hatten, er sei zu regelmäßiger Leistung verpflichtet, ist auch der Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung seiner Natur nach auf Zahlungen gerichtet, die nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind (BGHZ 98, 174, 181, 182; BGH, Urteil vom 7. Dezember 1989 - III ZR 270/88 = WM 1990, 134, 135 zu 2. m.w.Nachw.). Dabei bleibt die auf Ratenzahlung gerichtete Ursprungsvereinbarung maßgebend, auch wenn der Kreditnehmer eine nachträglich vereinbarte Schlußzahlung zur vorzeitigen Ablösung der Restschuld geleistet hat und deren Kostenanteil zurückverlangt (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1989 aaO zu 3.).
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c) Die für Kreditkostenzahlungen aufgrund eines nichtigen Ratenkreditvertrags entwickelten Grundsätze sind jedoch nicht anwendbar, wenn der Kreditgeber eines Annuitätendarlehens, wie es die Parteien hier vereinbart haben, aufgrund einer nichtigen AGB-Klausel zu hohe Zinsen berechnet hat. Über die Verjährung der dann dem Kreditnehmer zustehenden Ansprüche hat der Bundesgerichtshof bisher noch nicht entschieden (vgl. BGHZ 106, 42, 53; zum Streitstand im Schrifttum vgl. Hunecke WM 1989, 553, 557 m.Nachw. Fn. 39-44; Reifner NJW 1989, 952, 958). Hier muß folgendes gelten: Beim Annuitätendarlehen ist von der in ihrer Gesamthöhe gleichbleibenden Jahresleistung vereinbarungsgemäß stets zunächst ein der Höhe nach ständig abnehmender Anteil auf die fälligen Zinsen zu verrechnen; der jeweils verbleibende Rest dient der Kapitaltilgung. Danach entsteht, wenn die Bank aufgrund einer nichtigen Vertragsklausel zuviel Zinsen berechnet hat, in Höhe der Differenz nicht - wie beim Ratenkredit - bei jeder Leistung sofort ein Bereicherungsanspruch des Darlehensnehmers auf Rückzahlung. Vielmehr ist nur die Verrechnung zu berichtigen: Der fälschlicherweise auf Zinsen verrechnete Betrag ist zur Tilgung zu verwenden. Nur wenn und soweit in der letzten Phase des Vertragsverhältnisses - gegen Ende der vereinbarten Darlehenslaufzeit oder bei vorzeitiger Ablösung - noch Zahlungen erfolgt sind, obwohl das Darlehenskapital bei richtiger Verrechnung schon getilgt war, entsteht ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung. Dabei handelt es sich jedoch, jedenfalls wenn - wie hier - zur vorzeitigen Vertragsbeendigung ein hoher Ablösungsbetrag gezahlt wurde, nicht um einen Anspruch auf wiederkehrende Leistung, der nach § 197 BGB verjähren könnte.
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d) Der Anwendung dieser allgemein für Annuitätendarlehen geltenden Grundsätze kann hier nicht entgegengehalten werden, der in Nr. 5 AGB vorgesehene Zinszuschlag sei zusätzlich zu der vertraglich vereinbarten Jahresleistung zu zahlen und daher bei Nichtigkeit der Klausel nicht bestimmungsgemäß zur Kapitaltilgung zu verrechnen, sondern dem Darlehensnehmer jeweils sofort nach seiner Leistung zurückzugewähren. Selbst wenn die Beklagte aufgrund der nichtigen Klausel das Recht gehabt haben sollte, die vereinbarte Jahresleistung um den Zinszuschlag zu erhöhen, würde das hier nicht zu einem Bereicherungsanspruch führen, der seiner Natur nach auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen gerichtet ist. Die AGB-Klausel ist nämlich so formuliert, daß die Beklagte sich bei Eintritt der Voraussetzungen (nicht vollständige Erfüllung fälliger Leistungsverpflichtungen innerhalb von 14 Tagen) nicht sofort zu entscheiden braucht, ob sie von dem - ihr nur einmal eingeräumten - Recht Gebrauch machen und für die - in diesem Zeitpunkt noch ungewisse - Dauer dieses Verzugs vom Schuldner zusätzlich zur vereinbarten Jahresleistung den vorgesehenen Zinszuschlag fordern will und in welcher Höhe. Sie kann vielmehr ihre Zahlungsanforderungen zunächst auf die vereinbarten Jahresleistungen beschränken, das weitere Zahlungsverhalten des Kreditnehmers abwarten und erst dann, wenn sich eine Vertragsbeendigung durch Kündigung und Zwangsversteigerung oder vorzeitige Darlehensablösung abzeichnet, den Zinszuschlag rückwirkend für die Gesamtverzugszeit geltend machen und bei der Verrechnung der früheren Leistungen des Schuldners und der Schlußzahlung berücksichtigen. So ist die Beklagte auch hier gegenüber den Klägern vorgegangen. Die Kläger hatten in den Jahren 1980 bis 1982 nur wenige, in Zeitpunkt und Höhe unregelmäßige Zahlungen geleistet. Trotzdem wurden ihnen während dieser Zeit in den halbjährlichen Zahlungsanforderungen der Beklagten zunächst keine Zinszuschläge in Rechnung gestellt, sondern erstmals in den - dem Beitritt zum Zwangsversteigerungsverfahren folgenden, die Darlehensablösung vorbereitenden - Abrechnungen vom 6. April, 11. Mai und 2. November 1983. Erst darin wurden Leistungen der Kläger von der Beklagten auf die Zinszuschläge verrechnet.
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Bei einer solchen Vertragsgestaltung verbietet sich eine Anwendung des § 197 BGB. Die Kläger erwarben aus ihren in den Jahren 1980 bis 1982 geleisteten Zahlungen wegen der Nichtigkeit der AGB-Klausel in Nr. 5 der Schuldurkunden keinen regelmäßig wiederkehrenden Bereicherungsanspruch, da die Beklagte von ihrem Zinserhöhungsrecht damals noch keinen Gebrauch gemacht hatte und daher die Zahlungen der Kläger auch nicht zur Leistung solcher Zinszuschläge bestimmt sein konnten. Der Bereicherungsanspruch ergab sich erst und allein aufgrund der Ablösungszahlung Anfang 1984 und unterliegt daher der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB.
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