Vorrang des Tilgungsbestimmungsrechts des Grundstückseigentümers und Erfüllungswirkung beim Grundstückskaufvertrag
Leitsatz
Die Tilgungsbestimmung des Grundstückseigentümers ist für die Erfüllungswirkung auch dann maßgebend, wenn der Kaufpreis durch den Grundstückskäufer zur Ablösung der Grundschuld überwiesen wird, die die Forderungen gegen verschiedene Schuldner sichert.












vorgehend LG Regensburg, 27. Dezember 1995, 1 O 891/95


Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20. Mai 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klage stattgegeben und die Widerklage auf Herausgabe der Versicherungspolice der H. Lebensversicherungs-AG zurückgewiesen wurde.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 27. Dezember 1995 geändert und wie folgt insgesamt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagten die Originalpolice der H. Lebensversicherungs-AG Nr. ... herauszugeben. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Von den Kosten der ersten und zweiten Instanz haben die Klägerin 91 % und die Beklagten 9 % zu tragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Klägerin zu 92,5 % und den Beklagten zu 7,5 % auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die klagende Bank verlangt von den Beklagten die Rückzahlung eines Darlehensrestbetrages in Höhe von 267.922,51 DM. Der Streit geht im wesentlichen darum, ob eine Zahlung in Höhe von 290.000 DM auf diese Darlehensschuld zu verrechnen war, oder ob die Klägerin diese Leistung in erster Linie auf eine Darlehensschuld der W. System-Bauten GmbH (im folgenden: W. GmbH) verrechnen durfte, deren Geschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin die Beklagte zu 2) war.
- 2
Im November 1993 gewährte die Klägerin den Beklagten zur Ablösung eines älteren Darlehens ein Gesamtdarlehen in Höhe von 270.000 DM nebst 9,1% Zinsen. Dieses war durch eine Buchgrundschuld über 500.000 DM auf dem den Beklagten gehörenden Hausgrundstück F.weg 15 in L. und durch Abtretung des Anspruchs aus einer Lebensversicherung des Beklagten zu 1) bei der H. Lebensversicherungs-AG gesichert.
- 3
Für die Sicherungsgrundschuld wurden zwei Zweckerklärungen abgegeben. Nach der Zweckerklärung vom 23. Juli 1992 sollte die Grundschuld zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Beklagten dienen. Nach der Zweckerklärung vom 15. Dezember 1992 war die Grundschuld auch als Sicherheit für Forderungen der Klägerin gegen die W. GmbH bestimmt. Nr. 1.2 und 1.3 dieser Zweckerklärung lauten:
- 4
"1.2 Verrechnungsabrede
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Zahlungen an die Sparkasse werden auf die gesicherten persönlichen Forderungen und nicht auf die Grundschuld verrechnet.
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1.3 Forderungsmehrheit
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Reicht der Erlös aus der Verwertung der Grundschuld nicht zur Befriedigung sämtlicher dadurch gesicherten Forderungen aus, so wird er nach billigem Ermessen der Sparkasse verrechnet. Entsprechendes gilt für eine auf die Grundschuld geleistete Zahlung."
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Im Februar 1994 kündigte die Klägerin die Geschäftsverbindung sowohl gegenüber den Beklagten als auch gegenüber der W. GmbH. Sie forderte zum Ausgleich der Darlehensverbindlichkeiten auf. Die Beklagten kamen dieser Aufforderung zunächst nicht nach. Sie verkauften jedoch ihr Grundstück F.weg 14 und teilten der Klägerin mit Schreiben vom 31. Mai 1994 mit, daß der zu erwartende Kauferlös, von dessen Überweisung die Klägerin die Erteilung der Löschungsbewilligung abhängig gemacht hatte, auf ihre persönlichen Darlehen gutgeschrieben werden solle. Sodann überwiesen die Grundstückskäufer den Kaufpreis auf ein Sonderkonto der Klägerin Zug um Zug gegen Löschungsbewilligung für die Grundschuld. Die Klägerin schrieb diesen Betrag im wesentlichen den im Soll befindlichen Geschäftskonten der W. GmbH gut. Hinsichtlich der persönlichen Schulden der Beklagten ergab sich danach unter Berücksichtigung der bis zum 31. Dezember 1994 erfolgten Zinsbelastungen und Überweisungen eine offene Forderung der Klägerin in Höhe von 267.922,51 DM.
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Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, daß dieser Anspruch der Klägerin gegen sie nicht mehr bestehe, da der Grundstückserlös in Höhe von 290.000 DM unzulässigerweise auf die Schulden der W. GmbH verrechnet worden sei. Widerklagend haben die Beklagten von der Klägerin die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem Kauferlös und dem unstreitigen Schuldsaldo in Höhe der Klageforderung, mithin 22.077,49 DM, und die Herausgabe der Versicherungspolice der H. Lebensversicherungs-AG verlangt. Sie haben weiter die Feststellung begehrt, daß die Kündigung der Geschäftsbeziehungen durch die Klägerin rechtswidrig gewesen sei.
- 10
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
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Mit der Revision haben die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag und ihren Widerklageantrag mit Ausnahme des Feststellungsbegehrens weiterverfolgt. Der Senat hat die Revision angenommen, soweit der Klage stattgegeben und die Widerklage auf Herausgabe der Lebensversicherungspolice abgewiesen wurde.
Entscheidungsgründe
- 12
Im Umfang der Annahme ist die Revision begründet. Sie führt insoweit unter teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils zur Abweisung der Klage und zur Verurteilung der Klägerin, die Lebensversicherungspolice herauszugeben.
I.
- 13
Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Zahlungsanspruch der Klägerin begründet und der Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der Lebensversicherungspolice unbegründet seien. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
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Die Klägerin sei berechtigt gewesen, den ihr überwiesenen Kauferlös zur teilweisen Tilgung des der W. GmbH gewährten Kredits zu verrechnen. Zwar hätten die Beklagten als Schuldner mit Schreiben vom 31. Mai 1994 an die Klägerin von ihrem Bestimmungsrecht nach § 366 BGB dahin Gebrauch gemacht, daß die Gutschrift des Kaufpreises auf die persönlichen Darlehen erfolgen solle. Dieser Verrechnungswunsch sei aber unbeachtlich; denn Nr. 1.3 der Zweckerklärung vom 15. Dezember 1992 habe es der Klägerin gestattet, die Verrechnung nach ihrem billigen Ermessen vorzunehmen, wenn der Erlös aus der Grundschuld bzw. die auf diese geleistete Zahlung nicht zur Befriedigung sämtlicher dadurch gesicherter Forderungen ausreiche. Es seien keine Gesichtspunkte erkennbar, weswegen diese vertragliche Vereinbarung gegen die Vorschriften des AGB-Gesetzes verstoßen solle, auch bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin den ihr überlassenen Ermessensspielraum nicht beachtet habe. Es bestehe schließlich auch kein Zweifel, daß die Kaufpreiszahlung der Käufer "auf die Grundschuld" erfolgt sei.
- 15
Soweit der Beklagte zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 1996 habe zum Ausdruck bringen wollen, daß ihm die Erweiterung des Sicherungszwecks in der zweiten Zweckerklärung vom 15. Dezember 1992 entgangen sei, halte dies der Senat für eine Schutzbehauptung. Schließlich sei insoweit auch keine Anfechtung wegen Irrtums erfolgt.
II.
- 16
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 17
1. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß die Grundschuld aufgrund der Sicherungsabrede vom 15. Dezember 1992 auch Forderungen der Klägerin gegen die W. GmbH sichern sollte. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Behauptung des Beklagten zu 1), eines Rechtsanwalts, ihm sei die Erweiterung des Sicherungszwecks bei Abgabe der neuen Zweckerklärung entgangen, als Schutzbehauptung angesehen hat. Selbst wenn man aber insoweit einen Irrtum des Beklagten zu 1) im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB unterstellt, so fehlt es jedenfalls an der unverzüglichen Anfechtungserklärung nach § 121 BGB.
- 18
Den Beklagten war spätestens durch den erstinstanzlichen Schriftsatz der Klägerin vom 2. Oktober 1995 bekannt, daß nach der Zweckerklärung vom 15. Dezember 1992 die Grundschuld auch zur Sicherheit für alle Forderungen der Klägerin gegen die W. GmbH dienen sollte. Gleichwohl haben sie im Anschluß daran nicht geltend gemacht, daß eine solche Erklärung nicht beabsichtigt gewesen sei. Aus ihrem Vorbringen vor den Instanzgerichten folgt vielmehr, daß sie diese Erklärung als zutreffend angesehen haben.
- 19
2. Nicht gefolgt werden kann jedoch der Annahme des Berufungsgerichts, Nr. 1.3 der Zweckerklärung vom 15. Dezember 1992 habe es der Klägerin gestattet, den ihr überwiesenen Kauferlös nach eigenem Ermessen auf die Schulden der W. GmbH zu verrechnen; denn durch diese Regelung ist das den Beklagten als Schuldnern nach § 366 Abs. 1 BGB zustehende Tilgungsbestimmungsrecht, von dem sie mit Schreiben vom 31. Mai 1994 Gebrauch gemacht haben, für die hier zu beurteilende Leistung nicht wirksam abbedungen worden.
- 20
Nach der Zweckvereinbarung sollte die Klägerin berechtigt sein, eine Verrechnung nach billigem Ermessen vorzunehmen, wenn entweder der Erlös aus der Verwertung der Grundschuld oder eine auf die Grundschuld geleistete Zahlung nicht zur Befriedigung sämtlicher dadurch gesicherten Forderungen ausreichen. Keine dieser Voraussetzungen war im vorliegenden Fall gegeben.
- 21
a) Eine Verwertung der Grundschuld ist nicht erfolgt. Die Beklagten haben das belastete Grundstück freihändig verkauft, und die Beklagte hat sich mit der Löschung der Grundschuld gegen Überweisung des Kauferlöses einverstanden erklärt.
- 22
b) Die Überweisung des Kaufpreises durch die Käufer ist auch nicht, wie das Berufungsgericht meint, "auf die Grundschuld" erfolgt. Die insoweit getroffenen Feststellungen und die unstreitigen Tatsachen rechtfertigen diese Annahme nicht.
- 23
Ob eine wirtschaftlich mit einer Sicherungsgrundschuld zusammenhängende Zahlung auf die Grundschuld oder auf die dadurch gesicherte Forderung geleistet wird, hängt von dem bei der Zahlung erklärten Willen des Zahlenden ab (BGH, Urteil vom 16. Juni 1989 - V ZR 85/88, WM 1989, 1208 f. m.w.Nachw.). Auch wenn der Kauferlös hier durch die Grundstückskäufer und nicht durch die Beklagten an die Klägerin überwiesen wurde, stand diesen gleichwohl das Bestimmungsrecht zu; denn bei Zahlung des Grundstückskäufers kommt es - von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall der befreienden Schuldübernahme abgesehen - nicht auf dessen Willen, sondern auf denjenigen des persönlich schuldenden Eigentümers an, für den der Käufer die Zahlung als Dritter erbringt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1983 - VIII ZR 134/82, WM 1983, 953, 954; Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld 2. Aufl. Rdn. 721).
- 24
Hier haben die Beklagten mit Schreiben vom 31. Mai 1994 unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die angekündigte Zahlung auf die persönliche Forderung der Klägerin gegen sie erfolgen werde. Das entsprach im übrigen auch der Regelung in Nr. 1.2 der Zweckerklärung; danach sind Zahlungen auf die gesicherten persönlichen Forderungen und nicht auf die Grundschuld zu verrechnen. Der Annahme einer Zahlung auf die Grundschuld steht mithin die eindeutige Erklärung der Beklagten entgegen. Wenn die Klägerin das nicht akzeptieren wollte, hätte sie die Erteilung der Löschungsbewilligung von der Zahlung auf die Grundschuld abhängig machen müssen.
- 25
Die Klägerin mußte mithin den ihr überwiesenen Kauferlös zunächst auf die Darlehensschuld der Beklagten verrechnen. Diese Schuld ist damit erloschen. Nach Erlöschen der zu sichernden Forderung ist die Klägerin verpflichtet, die Versicherungspolice an die Beklagten herauszugeben.
III.
- 26
Das angefochtene Urteil war danach teilweise aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da es weiterer Feststellungen nicht bedurfte, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
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