Vereinbarung zwischen Banken über Ablösung eines Darlehens gegen Abtretung der Forderung als Forderungskauf; Begründung von Auskunftspflichten durch Übersendung der Unterlagen über akzessorische Sicherheiten
Leitsatz
1. Eine zwischen Banken getroffene Vereinbarung, nach der eine Ablösungszahlung gegen Abtretung des abgelösten Darlehensanspruchs zu erbringen ist, ist regelmäßig kein Forderungskauf.
2. Die im Zusammenhang mit einer solchen Vereinbarung von der ablösenden Bank geäußerte Bitte um Übersendung von Unterlagen, die den Bestand akzessorischer Sicherungsrechte betreffen, ist nicht geeignet, eine auf die rechtliche Existenz der Nebenrechte bezogene Auskunftspflicht der anderen Bank zu begründen.









vorgehend LG Regensburg, 7. September 1994, 2 HKO 710/94

Martin Arendts, ZAP ERW 1997, 29-30 (Anmerkung)
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Kerwer, 8. Auflage 2017, § 267 BGB
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 16. August 1995 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Regensburg vom 7. September 1994 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel einschließlich derjenigen der Streithelferin der Beklagten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Bank, verlangt die Erstattung des Betrages, den sie im Rahmen einer Umschuldung an die beklagte Raiffeisenbank gezahlt hat.
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Vier thüringische und drei sächsische Gemeinden, die sich ohne die zur Wirksamkeit erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigung zu einem Zweckverband zusammengeschlossen hatten, vereinbarten im Jahre 1991 eine gemeinsame Abwasserentsorgung. Zusammen mit der W. GmbH als einziger Komplementärin gründeten sie mit Vertrag vom 4. September 1991 die W. GmbH Umweltschutzanlagenbau- und -betriebsgesellschaft KG (KG). Mit dieser schloß die Beklagte im Oktober 1991 einen - voll in Anspruch genommenen - Kontokorrent-Kreditvertrag über 1,5 Mio. DM zur Zwischenfinanzierung der zu errichtenden Abwasserreinigungsanlage. Der Zweckverband verbürgte sich am selben Tag für den Kredit in einer Urkunde, die von sechs der sieben Gemeindebürgermeister unterschrieben worden ist. Die für die vier thüringischen Gemeinden zuständige Rechtsaufsichtsbehörde erteilte die für die Wirksamkeit einer gemeindlichen Bürgschaft erforderliche Genehmigung, die sächsische Rechtsaufsichtsbehörde versagte sie.
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Im Dezember 1991 räumte die Klägerin der KG, deren Gesellschafterbestand ihr bekannt war, bis zur Bewilligung öffentlicher Mittel für den Bau der Abwasserreinigungsanlage des Zweckverbandes einen weiteren Zwischenkredit in laufender Rechnung bis zu 10 Mio. DM ein. Als Sicherheit diente eine Bürgschaft des Zweckverbandes in derselben Höhe, die ein von allen sieben Gemeindebürgermeistern Bevollmächtigter für den Zweckverband unterzeichnete. Die Kreditauszahlung machte sie u.a. von der Genehmigung der Bürgschaft durch die Rechtsaufsichtsbehörde abhängig. Die Genehmigung wurde nicht erteilt, der Kredit deshalb nicht ausgezahlt.
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Unter Bezugnahme auf den eingeräumten Kredit über 10 Mio. DM beauftragte die KG die Klägerin, den von der Beklagten ausgereichten Kredit abzulösen. Dem Schreiben waren Kopien der von sechs Bürgermeistern unterzeichneten Bürgschaftsurkunde und der nur für die thüringischen Gemeinden erteilten Genehmigung der Aufsichtsbehörde beigefügt. Die Klägerin teilte der Beklagten mit, daß sie mit der Ablösung des Kredits der KG beauftragt sei, und bat um Mitteilung der Zinsforderung, um Bestätigung, daß die in der Genehmigung der Aufsichtsbehörde aufgeführten Bedingungen erfüllt seien, sowie um eine Kopie des Protokolls über den Beschluß der jeweiligen Gemeindevertretung zur Bürgschaftsübernahme durch den Zweckverband. "In Ansehung von § 401 BGB" verknüpfte die Klägerin die Überweisung des Ablösungsbetrages mit der "Treuhandauflage", die Kapitalforderung nebst Zinsen gegen die KG an sie abzutreten.
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Die Beklagte teilte der Klägerin im September 1992 ihre Gesamtforderung gegen die KG mit, nahm zu den Bedingungen in der rechtsaufsichtlichen Genehmigung Stellung und erklärte, daß ihr Protokolle über den Beschluß der jeweiligen Gemeindevertretungen zur Bürgschaftsübernahme nicht vorlägen, sie vielmehr davon ausgegangen sei, daß die formellen Voraussetzungen für die Kreditgewährung von der Aufsichtsbehörde geprüft und durch deren Genehmigung abgedeckt seien.
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Die Klägerin überwies daraufhin den Ablösungsbetrag von 1.581.039,22 DM. Im Gegenzug trat die Beklagte die Kreditforderung gegen die KG an die Klägerin ab und übersandte die Bürgschaftsurkunde und die aufsichtsbehördliche Genehmigung.
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Nachdem die Klägerin erfolglos versucht hatte, die KG und den Zweckverband als Bürgen auf Rückzahlung des Kredits in Anspruch zu nehmen, erklärte sie gegenüber der Beklagten "gem. §§ 440 Abs. 1, 327 BGB" den Rücktritt, weil die Bürgschaft des Zweckverbandes u.a. wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Genehmigung nicht wirksam geworden sei. Sie forderte Rückzahlung des Ablösungsbetrags zuzüglich Zinsen gegen Rückabtretung der Kreditforderung.
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Die nach Zahlungsverweigerung erhobene Klage ist vom Landgericht abgewiesen worden. Auf die Berufung hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 1.054.026,16 DM nebst Zinsen verurteilt und das Rechtsmittel im übrigen zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I.
- 10
Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines Forderungskaufs verneint, aber angenommen, die Beklagte sei gegenüber der Klägerin wegen Verletzung eines stillschweigend zustande gekommenen Auskunftsvertrages schadensersatzpflichtig, weil sie durch ihr Schreiben vom 15. September 1992 in Kenntnis von Zweifeln den Anschein erweckt habe, daß die Bürgschaft des Zweckverbandes rechtlich existiere. Über die bestehenden Zweifel habe die Beklagte die Klägerin unterrichten müssen. Die Auskunft sei somit unvollständig und irreführend gewesen. Zumindest habe die Beklagte die Pflicht zur vollständigen und richtigen Auskunft aufgrund eines vorhandenen Wissensvorsprungs verletzt. Sie sei daher - gemindert um ein auf ein Drittel bemessenes Mitverschulden der Klägerin - ersatzpflichtig.
II.
- 11
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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1. Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, daß es sich bei der Ablösung des Darlehens der KG nicht um einen Forderungskauf gehandelt hat. Für eine solche Annahme geben die im Zusammenhang mit der Ablösung abgegebenen Erklärungen der Parteien keine Veranlassung.
- 13
Die Klägerin hat sich im Auftrag der KG an die Beklagte mit der Aufforderung gewandt, ihr zum Zweck einer externen Umschuldung den dafür nötigen Ablösungsbetrag zu nennen. Sie wollte ersichtlich durch eine entsprechende Zahlung, der eine Darlehensvereinbarung zwischen ihr und der KG zugrundelag, den Auftrag der Darlehensnehmerin zur Umschuldung ausführen, die Darlehensmittel an den im Auftrag bezeichneten Dritten auszahlen und so Kreditgeberin der KG werden. Damit gleichzeitig auch bestehende unselbständige Sicherungsrechte nach § 401 BGB erworben werden konnten, sollte der Darlehensanspruch der Beklagten gegen die KG an die Klägerin abgetreten werden. Indem die Beklagte sich darauf einließ, kam zwischen den Parteien eine Vereinbarung zustande, nach der zwar die Beklagte gegen Zahlung des Ablösungsbetrags zur Abtretung ihres Darlehensanspruchs verpflichtet war, mit der sie jedoch - für die Klägerin als umschuldende Bank erkennbar - keine kaufrechtlichen Gewährleistungspflichten nach § 437 BGB übernehmen wollte.
- 14
Die Zahlung des Umschuldungsbetrags, der der Schuld der KG entsprach, war Voraussetzung für die gewünschte Abtretung, nicht ein dafür geschuldeter Kaufpreis. Die KG haftete ohnehin gegenüber der Klägerin auf Darlehensrückzahlung nach § 607 BGB, weil diese die Darlehensvaluta auftragsgemäß an die Beklagte überwiesen hatte. Die zusätzliche Abtretung des Darlehensanspruchs der Beklagten gegen die W. KG hatte nur den Sinn, im Wege des gesetzlichen Übergangs bestehende akzessorische Sicherheiten zu erhalten, ohne diese - was bei der Drittzahlung i.S.v. § 267 BGB erforderlich geworden wäre - neu begründen zu müssen. Dementsprechend wird in der Rechtsprechung (Senatsurteile vom 20. Februar 1990 - XI ZR 195/88, WM 1990, 534 ff. und vom 27. Juni 1989 - XI ZR 52/88, WM 1989, 1409 ff.; RGZ 167, 298, 301: "Abtretungsgeschäft entgeltlicher Art") und im Schrifttum (Soergel/Wolf, 12. Aufl. § 267 BGB Rdn. 13; MünchKomm/Keller, 3. Aufl. § 267 BGB Rdn. 7; Staudinger/ Selb, 13. Bearb. § 267 BGB Rdn. 11, § 255 BGB Rdn. 1) ein derartiger Vertrag nicht als Forderungskauf, sondern als eine Vereinbarung qualifiziert, nach der der Ablösende nur gegen Abtretung der Forderung zahlungspflichtig ist.
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2. Rechtsirrig ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien sei stillschweigend ein Auskunftsvertrag geschlossen worden, nach dem die Beklagte die Klägerin über Zweifel am Bestand der Bürgschaft des Zweckverbandes hätte aufklären müssen. Eine solche Aufklärungspflicht ergab sich auch nicht als Nebenpflicht aus der geschlossenen Ablösungsvereinbarung aufgrund eines bei der Beklagten vorhandenen relevanten Wissensvorsprungs.
- 16
a) Nach gefestigter Rechtsprechung (Senatsurteil vom 27. Juni 1989 aaO S. 1411 m.w.Nachw.) kommt ein stillschweigend abgeschlossener Auskunftsvertrag nur in Betracht, wenn die erbetene Auskunft der Bank für den Anfragenden erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Vermögensdispositionen machen will. Voraussetzung für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages ist also, daß die Beklagte erkennen konnte, die Klägerin erwarte von ihr eine verbindliche Auskunft in bezug auf die rechtliche Wirksamkeit der Bürgschaft des Zweckverbandes und beabsichtige aufgrund dieser Auskunft eine Vermögensverfügung, hier in Form einer Darlehensgewährung an die KG. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
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Der Ablösungsanfrage der Klägerin konnte die Beklagte nur entnehmen, daß ihr der Abschluß einer Vereinbarung angetragen wurde, nach der der bestehende Darlehensanspruch mit den gesetzlichen, also vom Parteiwillen unabhängigen Folgen des § 401 BGB gegen eine Zahlung in Höhe der Darlehensverpflichtung der KG abgetreten werden sollte. Darin liegt kein Auskunftsverlangen über den rechtlichen Bestand von unselbständigen Nebenrechten. In bezug auf die Bürgschaft hat die Klägerin lediglich um die Kopie des Protokolls über den Beschluß der jeweiligen Gemeindevertretung zur Übernahme der Bürgschaft des Zweckverbandes gebeten. Die Beklagte hat daraufhin geantwortet, ihr lägen solche Protokolle nicht vor, sie sei bei ihrer Kreditgewährung davon ausgegangen, daß die formellen Voraussetzungen zur Kreditgewährung von der Aufsichtsbehörde geprüft und durch deren Genehmigung abgedeckt seien. Daraus ergab sich, daß sie selbst keine Prüfung der Voraussetzungen vorgenommen hatte.
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Diese Antwort der Beklagten hat die Klägerin auch nicht zur Grundlage einer Vermögensdisposition gemacht. Bei Erhalt der Mitteilung der Beklagten war sie gegenüber der KG bereits zur Ablösung verpflichtet. Wie sich aus der Darlehensvereinbarung der Klägerin mit der KG ergibt, war der Klägerin bekannt, daß der Zweckverband von vier thüringischen und drei sächsischen Gemeinden gegründet worden war und daß die Bürgschaft des Zweckverbandes zu ihrer Wirksamkeit der - seinerzeit nicht erteilten - Genehmigungen der jeweils zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden bedurfte. Die ihr von der KG zusammen mit dem Ablösungsauftrag übersandte Genehmigung der Bürgschaft für den Kredit der Beklagten war ausdrücklich nur für die vier thüringischen Gemeinden erteilt. Damit war klar, daß die Genehmigung für die sächsischen Gemeinden noch ausstand und somit die vom Zweckverband gegebene Bürgschaft noch nicht rechtswirksam sein konnte. Davon abgesehen war die der Klägerin vorliegende Bürgschaftsurkunde nur von sechs der sieben Gemeindebürgermeister unterzeichnet. Wenn die Klägerin - ein großes öffentlichrechtliches Kreditinstitut mit eigener Rechtsabteilung - trotz Kenntnis dieser Umstände ihre Ablösungsverpflichtung gegenüber der KG erfüllen wollte, handelte sie nicht aufgrund einer Auskunft der Beklagten, sondern auf eigenes Risiko, das sie nicht auf die Beklagte abwälzen kann.
- 19
b) Aus diesen Gründen hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin auch keinen zur Auskunft über den Bestand der Bürgschaft verpflichtenden relevanten Wissensvorsprung. Dabei kommt es nicht darauf an, daß sowohl die sächsische Aufsichtsbehörde als auch das thüringische Innenministerium - aufgrund der der Klägerin bekannten Umstände - gegenüber der Beklagten die damals umstrittene Ansicht zum Ausdruck gebracht hatten, die Bürgschaft sei rechtlich unwirksam. Diese sich bei fehlender rechtsaufsichtlicher Genehmigung ergebende Rechtslage war der Klägerin, wie dargelegt, in ihren Voraussetzungen bekannt.
III.
- 20
Da der Rechtsstreit entscheidungsreif ist und weitere Feststellungen nicht mehr getroffen werden müssen, hat der Senat nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst entschieden und das landgerichtliche Urteil in vollem Umfang wiederhergestellt.
Permalink
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