Börsentermingeschäfte: Wiederholung der Risikoaufklärung zur Erhaltung der Termingeschäftsfähigkeit; Jahresfrist als Maximalfrist
Leitsatz
Ein Einjahresfrist in BörsG § 53 Abs 2 S 3 Halbs 2 aF ist eine Maximalfrist. Eine um etwa einen Monat frühere Wiederholung der Unterrichtung läßt die Termingeschäftsfähigkeit fortdauern.










vorgehend LG Berlin, 7. Juli 1994, 9 O 707/93
Aufgabe BGH 11. Zivilsenat, 2. Dezember 1997, XI ZR 121/97





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Abgrenzung LG Frankfurt 21. Zivilkammer, 18. September 1995, 2/21 O 433/94, ...
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 9. Juli 1996 wird nicht angenommen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 64.980,37 DM.
Gründe
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Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.
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1. Dem Kläger steht ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB im Zusammenhang mit dem verlustreichen Stillhalteroptionsgeschäft vom 11. Mai 1993 gegen die Beklagte nicht zu. Das von seiner Ehefrau abgeschlossene Börsentermingeschäft war entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts von Anfang an verbindlich (§ 53 Abs. 2 Satz 1 BörsG).
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a) Die Ehefrau des Klägers ist durch Unterzeichnung des von der Beklagten vorgelegten Informationsblattes "Wichtige Information über die Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften und Optionsscheinen", das dem von den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft entwickelten (abgedruckt in WM 1989, 1192 ff. und ZIP 1989, 1158 f.) entspricht und den gesetzlichen Anforderungen genügt (BGHZ 133, 82, 85 = WM 1996, 1260 ff.), am 19. September 1989 termingeschäftsfähig geworden (§ 53 Abs. 2 Satz 1 BörsG).
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b) Ihre Termingeschäftsfähigkeit bestand bei Abschluß des Stillhalteroptionsgeschäfts am 11. Mai 1993 fort. Denn der Zeitpunkt der Unterrichtung lag damals nicht länger als drei Jahre zurück (§ 53 Abs. 2 Satz 3 BörsG a.F.). Die Ehefrau des Klägers hatte das Informationsblatt am 20. August 1990 ein weiteres Mal unterzeichnet. Daß die Wiederholung der Unterrichtung bereits nach etwa 11 und nicht erst nach 12 Monaten seit der ersten Unterzeichnung erfolgt ist, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unschädlich.
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Der Wortlaut des § 53 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 BörsG a.F., der die Wiederholung der Unterrichtung "nach Ablauf eines Jahres" vorsah, ist allerdings mißverständlich. Eine Unterrichtung taggenau nach einem Jahr kann damit nicht gemeint sein (a.A. Kälberer EWiR 1996, 165, 166). Eine solche wäre in der Praxis nicht durchführbar. Die Kreditinstitute haben keinen wesentlichen Einfluß darauf, wann der Kunde das ihm übersandte Informationsblatt unterzeichnet. Ein Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur ist deshalb der Ansicht, daß eine erneute schriftliche Unterrichtung innerhalb einer gewissen Toleranzfrist vor oder nach Ablauf eines Jahres genügt (LG Stuttgart WM 1996, 1446, 1448; LG Frankfurt EWiR 1996, 165; Worms WM 1991, 81, 82). Ein anderer Teil sieht in der Einjahresfrist eine Maximalfrist (Schwark, BörsG 2. Aufl. § 53 Rdn. 22; Kleinschmitt, Das Informationsmodell bei Börsentermingeschäften, Diss. Berlin 1991, S. 116; Wach AG 1992, 385, 397).
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Der erkennende Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. Nur wenn die erneute Unterrichtung spätestens nach einem Jahr erfolgt ist, läßt sich die (Un-)Verbindlichkeit der nachfolgenden Geschäfte sicher beurteilen. Auch die Dreijahresfrist in § 53 Abs. 2 Satz 3 BörsG a.F. ist eine Maximalfrist; die erste Wiederholung nach Ablauf eines Jahres stellt nur eine zeitliche Ausnahme von der Regelwiederholung binnen drei Jahren dar (Wach AG 1992, 385, 397). Diese Sicht liegt auch der allerdings erst nach Abschluß des streitigen Geschäfts in Kraft getretenen Gesetzesnovelle vom 26. Juli 1994 (BGBl. I S. 1749) zugrunde, durch die § 53 Abs. 2 BörsG geändert und bestimmt worden ist, daß eine nochmalige Unterrichtung vor Ablauf von 12 Monaten, frühestens aber nach Ablauf von 10 Monaten nach der ersten zu erfolgen hat.
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Praktische Bedürfnisse gebieten es, den Kreditinstituten auch schon vor Inkrafttreten der vorgenannten Novelle eine Toleranzfrist zuzubilligen und diese nicht kleinlich zu bemessen. Um eine Überschreitung der Einjahresfrist zu verhindern und der Gefahr einer zeitlichen Lücke in der Termingeschäftsfähigkeit des Anlegers vorzubeugen, sind die Kreditinstitute gehalten, das Informationsblatt bereits geraume Zeit vor Ablauf der Einjahresfrist abzusenden. Nur dann können sie unter Berücksichtigung von Krankheit, Urlaubsabwesenheit oder Nachlässigkeit ihrer Kunden damit rechnen, das Blatt spätestens mit Ablauf der Einjahresfrist unterzeichnet zurückzuerhalten. Mit dem Gesetzeszweck ist eine Toleranzfrist ohne weiteres vereinbar. Durch die Wiederholung der Unterrichtung soll dem Gewöhnungseffekt entgegengewirkt und der Anleger erneut auf die mit Börsentermingeschäften verbundenen Risiken hingewiesen werden (vgl. BR-Drucks. 40/89 S. 46 f.; BT-Drucks. 11/4721 S. 21). Dieses begrenzte Ziel kann auch dann erreicht werden, wenn der Anleger nicht erst nach einem Jahr, sondern - wie hier - einige Zeit früher erneut informiert wird.
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2. Auch ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau besteht nicht. Eine Beratungs- oder Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten liegt entgegen der Ansicht der Revision nicht vor.
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Bei Vornahme des verlustreichen Stillhalteroptionsgeschäfts am 11. Mai 1993 war die Ehefrau des Klägers überdurchschnittlich sachkundig. Sie hatte bereits zahlreiche solche Geschäfte - zum Teil mit Verlust - abgeschlossen, an einem zweimonatigen Börsenkurs einer Volkshochschule teilgenommen, eine Informationsveranstaltung über die Deutsche Terminbörse (DTB) und die DTB-Arbeitsgruppe der Beklagten besucht und sich den DTB-Computerhandel vor Ort erläutern zu lassen.
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Angesichts dessen ist die Risikoaufklärung über Stillhalteroptionsgeschäfte in den Broschüren "Basisinformationen über Börsentermingeschäfte" und "DAX-Option", die der Ehefrau des Klägers ausgehändigt worden sind, als ausreichend anzusehen. In der erstgenannten Broschüre wird auf S. 19 in einem Schaubild und in der zugehörigen Erklärung unmißverständlich insbesondere darauf hingewiesen, daß das Verlustrisiko des Verkäufers einer Kaufoption (Short Call) "unbegrenzt" ist.
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