Immobiliendarlehen: Restfinanzierungsnachweis als formularmäßig ausbedungene Auszahlungsvoraussetzung rechtfertigt nicht Verlangen nach Einzahlung der Eigenmittel des Darlehensnehmers auf ein Konto bei der kreditgebenden Bank
Leitsatz
1. Die in Allgemeinen Darlehensbedingungen enthaltene Formularklausel, daß Auszahlungsvoraussetzung eines Immobiliendarlehens der "Nachweis der Restfinanzierung" ist, berechtigt die Bank nicht, vom Darlehensnehmer die Einzahlung der im Darlehensvertrag bezeichneten "Eigenmittel" auf ein bei ihr zu eröffnendes Konto zu fordern.












vorgehend LG München I, 22. Dezember 1988, 27 O 13675/87


Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Backmann, 8. Auflage 2017, § 150 BGB
Tatbestand
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Die klagende Bank nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Darlehensvertrages in Anspruch.
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Der Beklagte wandte sich wegen der Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung durch Vermittlung des Maklers H. an die Klägerin. Am 5. August 1986 beantragte er auf einem von der Klägerin stammenden Formular ein durch eine erstrangige Grundschuld zu sicherndes Darlehen in Höhe von 220.000 DM. Der Auszahlungskurs sollte 95,4% betragen, der Zinssatz 6,5% jährlich vom Tage der Auszahlung an. Das Darlehen sollte mit einer Lebensversicherung in der Weise gekoppelt werden, daß die Rückzahlung des Darlehens anstelle von laufenden Tilgungsleistungen durch die am 30. September 2009 fällig werdende Versicherungssumme erfolgte. Der Darlehensantrag enthält einen kurzgefaßten Finanzierungsplan, in dem u.a. die "Eigenmittel" des Beklagten mit 56.000 DM angegeben sind. Mit Schreiben vom 11. August 1986 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie nehme den Darlehensantrag an, "vor Auszahlung des Darlehens" sei aber u.a. die "vollständige Einbringung der Eigenmittel auf ein noch zu eröffnendes Konto bei der Zweigstelle H." erforderlich. Nachdem der Beklagte von seiner Hausbank, der D. Bank, die Auskunft erhalten hatte, daß die Koppelung des Darlehens mit der Lebensversicherung für ihn steuerlich ungünstig sei, erwirkte er über den Makler H. die Stornierung des Lebensversicherungsvertrages. Das von der Klägerin angebotene Darlehen nahm er nicht ab, sondern beschaffte sich stattdessen ein Darlehen bei der D. Bank.
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Die Klägerin verlangt von dem Beklagten wegen des nicht abgenommenen Darlehens eine Nichtabnahmeentschädigung von 17.105 DM und 550 DM Schätzungsgebühren.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da ein wirksamer Darlehensvertrag nicht zustande gekommen sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
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I. Das Berufungsgericht hat die Ansprüche auf der Grundlage eines zwischen den Parteien zustande gekommenen Darlehensvertrages für begründet erachtet und dazu ausgeführt: Bei der in der Annahmeerklärung vom 11. August 1986 enthaltenen Aufforderung an den Beklagten, seine Eigenmittel vollständig auf ein noch zu eröffnendes Konto bei einer Zweigstelle der Klägerin einzubringen, handele es sich entgegen der Ansicht des Landgerichts um keine Abänderung des Darlehensantrages im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB, die einer Annahme durch den Beklagten bedurft hätte. Wenn in dem unter Nr. 6 des Darlehensantrages wiedergegebenen "Finanzierungsplan" die Eigenmittel mit 56.000 DM aufgeführt seien, so besage das nichts anderes, als daß diese vom Beklagten "einzubringen" gewesen seien. Neu sei zwar das Verlangen der Klägerin, daß dies durch Einzahlung auf ein bei ihrer Zweigstelle noch zu eröffnendes Konto zu geschehen habe. Diese Art der Einbringung halte sich aber im banküblichen Rahmen und entspreche Sinn und Zweck der Vertragserklärungen des Beklagten.
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II. Diese Ausführungen greift die Revision mit Erfolg an.
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Zwischen den Parteien ist durch den Darlehensantrag des Beklagten vom 5. August 1986 und das Annahmeschreiben der Klägerin vom 11. August 1986 ein wirksamer Darlehensvertrag nicht zustandegekommen. Es fehlt an der erforderlichen Übereinstimmung von Angebots- und Annahmeerklärung. Die modifizierte Annahme durch die Klägerin stellt, da sie mit dem Antrag des Beklagten nicht übereinstimmt, nach § 150 Abs. 2 BGB eine Ablehnung des Antrages mit der Folge dar, daß dieser gemäß § 146 BGB erloschen ist. Die gegenteilige Auslegung durch das Berufungsgericht ist mit dem Wortsinn der Erklärungen der Parteien unvereinbar und berücksichtigt zu wenig die Interessenlage beider Parteien.
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a) Die Auslegung des Berufungsgerichts unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung, denn das Berufungsgericht stellt entscheidend auf die von der Klägerin verwendeten Allgemeinen Darlehensbedingungen im Hypothekengeschäft und den für eine unbestimmte Vielzahl künftiger Verwendungen bestimmten Formularvertrag ab, der über den Bereich eines Oberlandesgerichtsbezirks hinaus verwendet wird (BGHZ 98, 256, 258 m.w.Nachw.; BGH, Urteil vom 19. Januar 1990 - V ZR 249/88, WM 1990, 345, 346). Auszulegen sind die Klauseln nach objektiven Maßstäben unter Berücksichtigung des Willens verständiger und redlicher Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise an solchen Geschäften beteiligten Kreise (vgl. BGHZ 33, 216, 218, 219; 79, 117, 119 m.w.Nachw.).
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b) Das Berufungsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, daß die in der Annahmeerklärung der Klägerin enthaltene Forderung auf Einbringung der Eigenmittel vom Wortlaut her eine Erweiterung im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB enthält. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Ansicht, dieses Verlangen entspreche Sinn und Zweck des Darlehensantrages des Beklagten.
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aa) Wenn der im Darlehensantrag enthaltene "Finanzierungsplan" die Position "Eigenmittel" aufführt, hinter der maschinenschriftlich 56.000 DM eingesetzt sind, so besagt das zunächst nicht mehr, als daß der Beklagte zur Finanzierung der Eigentumswohnung auch Eigenkapital in einem bestimmten Umfang verwenden wollte. Eine Kontroll- oder gar Zugriffsmöglichkeit der Klägerin auf diese Eigenmittel läßt sich daraus nicht herleiten.
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bb) Das Berufungsgericht sieht wesentliche Anhaltspunkte für seine Ansicht, daß der Beklagte die von ihm einzusetzenden Eigenmittel auf einem der Kontrolle der Klägerin unterliegenden Konto einzubringen hatte, in Nr. 5 der Allgemeinen Darlehensbedingungen im Hypothekengeschäft, wonach die Klägerin als Auszahlungsvoraussetzung vom Beklagten den "Nachweis der Restfinanzierung" fordern durfte, und in Nr. 4.7. Abs. 3 jener Bedingungen, nach denen die Klägerin "auf Antrag Teilauszahlungen" zu leisten hatte, "sofern die volle Finanzierung nachgewiesen" war.
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Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Weitergehende Rechte der kreditgebenden Bank, als einen Finanzierungsnachweis zu fordern, lassen sich diesen Regelungen nicht entnehmen. Das Verlangen der Klägerin nach Einzahlung der Eigenmittel auf ein bei ihr geführtes Konto ging weit über einen solchen Nachweis hinaus. Es stellte - wie die Revision zu Recht beanstandet - eine wesentliche Beschränkung der Freiheit des Kreditnehmers dar, über diese Eigenmittel bis zur endgültigen Verwendung für das zu finanzierende Objekt frei zu verfügen, sie insbesondere gewinnbringend anzulegen.
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Das Verlangen der Klägerin kann auch nicht als im Bankverkehr üblich angesehen werden. Dem steht schon entgegen, daß es in den nicht seltenen Fällen, in denen die Finanzierung durch mehrere Kreditinstitute erfolgt, unklar wäre, welche Bank die Einzahlung in welcher Höhe auf bei ihr geführte Konten verlangen könnte.
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Das Annahmeschreiben der Klägerin stellt deshalb nicht nur eine Konkretisierung von bereits im Darlehensantrag vorgesehenen Vereinbarungen dar, sondern ist als modifizierte Annahme im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB zu werten. Der abgeänderte Darlehensantrag hätte mithin der Annahme durch den Beklagten bedurft. Eine derartige Annahmeerklärung des Beklagten wird von der Klägerin nicht behauptet. Daß der Beklagte sich - zunächst - nicht auf eine Abweichung der Annahmeerklärung vom Darlehensantrag berufen hat, sondern sich wegen der nach seiner Ansicht steuerlich ungünstigen Koppelung des Darlehens mit der Lebensversicherung von dem Darlehensvertrag hat lösen wollen, ist rechtlich ohne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 1983 - VIII ZR 20/82, WM 1983, 680).
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III. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, konnte der Senat das die Klage abweisende landgerichtliche Urteil wiederherstellen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
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