Keine Bürgschaftssicherung vor Fälligkeit in Anwendung der BankAGB Nr 19 Abs 2 oder BankAGB Nr 44 S 1 und 4
Leitsatz
1. Vor Fälligkeit der Bürgschaftsschuld steht einer Bank zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen den Bürgen weder ein Pfandrecht nach AGB-Banken Nr 19 Abs 2 (juris: BankAGB) an dessen Sachen und Rechten zu noch kann sie aus einer Sicherungsabtretung nach AGB-Banken Nr 44 S 1 und 4 Rechte gegen ihn herleiten. Beides ist mit dem Leitbild der Bürgschaft unvereinbar.
Orientierungssatz
1. Zitierungen: Fortführung BGH, 1984-10-11, IX ZR 73/83, BGHZ 92, 295 und BGH, 1988-11-10, III ZR 215/87, WM IV 1989, 129.


















vorgehend LG Wuppertal, 17. November 1988, 14 O 93/88
Abgrenzung BGH 11. Zivilsenat, 29. Januar 2008, XI ZR 160/07

Claus Ott, WuB I F 1 a. Bürgschaft 6.91 (Anmerkung)

Fortführung BGH 9. Zivilsenat, 11. Oktober 1984, IX ZR 73/83
Tatbestand
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Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der M. Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG. Er verlangt von der Beklagten, einer Bank, die Auszahlung der nach Konkurseröffnung (10. November 1986) eingegangenen Erlöse aus Dokumenteninkassoaufträgen der Gemeinschuldnerin.
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In den Monaten März bis Mai 1987 zog die Beklagte aufgrund vor Konkurseröffnung erteilter Dokumenteninkassoaufträge 73.787,77 DM ein. Einen Teilbetrag in Höhe von 53.892,54 DM verwandte sie zur abgesonderten Befriedigung von Gegenansprüchen. Sie berief sich dabei auf die Sicherungsabtretung der eingezogenen Forderungen nach Nr. 44 Satz 1 und 4 AGB-Banken, deren Geltung zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten vereinbart war.
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Die Auszahlung des restlichen Inkassoerlöses von 19.895,23 DM verweigert die Beklagte unter Berufung auf Nr. 44 Satz 1 und 4 AGB-Banken sowie auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen Gegenansprüchen aus einer Bürgschaft. Im Oktober 1985 hatte die Gemeinschuldnerin eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 70.000 DM für ein längerfristiges Darlehen der Beklagten an den Handelsvertreter S. übernommen. Die formularmäßige Bürgschaftserklärung enthält u.a. die Klausel, daß der Bürge auf Verlangen der Bank verpflichtet ist, für die Bürgschaft eine der Bank genehme Sicherheit zu leisten, auch wenn deren Ansprüche bedingt oder noch nicht fällig sind. Bei Eingang der Inkassoerlöse nach Konkurseröffnung war die von der Gemeinschuldnerin verbürgte Darlehensforderung der Beklagten noch nicht fällig.
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Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von 73.787,77 DM nebst 5% Zinsen seit dem 1. Januar 1988 stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.
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Der Senat hat die auf Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils gerichtete Revision des Klägers nur in Höhe eines Teilbetrags von 19.895,23 DM nebst 5% Zinsen seit dem 1. Januar 1988 angenommen. Während des Revisionsverfahrens ist die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers S. mangels Masse abgelehnt worden.
Entscheidungsgründe
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Die Revision führt, soweit sie angenommen worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung.
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1. Nach Teilannahme der Revision ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Beklagte wegen der von der Gemeinschuldnerin für die Darlehensschuld des S. übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft berechtigt ist, die Auszahlung des restlichen Inkassoerlöses von 19.895,23 DM an den Kläger zu verweigern.
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Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagten stehe wegen ihrer etwaigen Ausfallforderung aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft der Gemeinschuldnerin ein Absonderungsrecht an dem Resterlös zu. Zwar sei die schon vor Konkurseröffnung entstandene und durch den etwaigen Ausfall des Hauptschuldners S. bedingte Forderung der Beklagten noch nicht fällig. Dies hindere die Annahme eines durch die Sicherungsabtretung der eingezogenen Forderungen nach Nr. 44 AGB-Banken entstandenen Absonderungsrechts aber nicht, sondern führe allenfalls dazu, daß der restliche Inkassoerlös auf Verlangen des Klägers gemäß § 1288 Abs. 1 BGB verzinslich anzulegen sei.
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2. Diese Beurteilung hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Annahme eines durch Sicherungsabtretung der eingezogenen Forderungen nach Nr. 44 Satz 1 und 4 AGB-Banken entstandenen pfandrechtsähnlichen (Absonderungs-)Rechts zur Sicherung des noch nicht fälligen Anspruchs der Beklagten aus der Höchstbetragsbürgschaft ist mit dem Leitbild der Bürgschaft nicht vereinbar.
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Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB). Er sichert durch sein Bürgschaftsversprechen persönlich die Hauptschuld und muß erst dann konkret Mittel aufwenden, wenn er aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden, seine Bürgschaftsschuld also fällig ist. Diesem Leitbild der Bürgschaft widerspricht es, dem Bürgen die Verpflichtung aufzuerlegen, auf Verlangen des Gläubigers für die Bürgschaft Sicherheit zu leisten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist deshalb Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine solche Verpflichtung des Bürgen vorsehen oder ein Pfandrecht an Vermögensgegenständen des Bürgen zur Sicherung seiner noch nicht fälligen Bürgschaftsschuld begründen sollen, die Anerkennung zu versagen (BGHZ 92, 295, 300; BGH, Urteil vom 10. November 1988 - III ZR 215/87, WM 1989, 129, 131). Einer Bank steht daher ein Pfandrecht gemäß Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken am Guthaben des Bürgen vor Fälligkeit der Bürgschaft nicht zu.
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Entsprechendes muß angesichts vergleichbarer Interessenlage für Rechte der Bank aus der Sicherungsabtretung einzuziehender Forderungen gemäß Nr. 44 Satz 1 und 4 AGB-Banken beim hier vorliegenden Dokumenteninkasso gelten. Nr. 44 Satz 1 und 4 AGB-Banken ergänzen die allgemeine Pfandrechtsregelung in Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken (Loewe/Graf v. Westphalen/Trinkner, AGBG 2. Aufl., Banken-AGB/Wechsel- und Scheck-AGB Rdn. 15; Bunte/Schröter, Allgemeine Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen der Kreditinstitute, 1986, S. 98). Wie das Pfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken dient auch die Sicherungsabtretung der Sicherung bestehender und künftiger Ansprüche der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung mit dem Kunden. Im Konkurs ihres Kunden wird die Bank bei wirksamer Sicherungsabtretung wie ein Pfandgläubiger behandelt, d.h. ihr ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus der abgetretenen Forderung gewährt (BGHZ 95, 149, 152). Sicherungsabtretung nach Nr. 44 Satz 1 und 4 AGB-Banken und Pfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken können deshalb jedenfalls im Konkurs des Kunden nicht unterschiedlich behandelt werden. Wie der Bank vor Fälligkeit der Bürgschaftsschuld kein Pfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken am Kundenguthaben zusteht, so kann sie vor Fälligkeit der Bürgschaftsschuld auch aus der Sicherungsabtretung nach Nr. 44 Satz 1 und 4 AGB-Banken keine Rechte herleiten. Beides ist mit dem Leitbild der Bürgschaft in gleicher Weise unvereinbar.
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Der Umstand, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners S. während des Revisionsverfahrens mangels Masse abgelehnt worden und die Bürgschaftsschuld der Gemeinschuldnerin nunmehr fällig ist, ist vom Senat zwar trotz § 561 ZPO zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1974 - II ZR 132/73, NJW 1975, 442, 443), hat die Rechtslage zugunsten der Beklagten aber nicht verändert. Nach § 15 Satz 1 KO können an den zur Konkursmasse gehörenden Gegenständen nach Eröffnung des Konkursverfahrens Vorzugsrechte mit Wirkung gegenüber den Konkursgläubigern nicht erworben werden. Das vom Berufungsgericht angenommene Absonderungsrecht am restlichen Inkassoerlös steht der Beklagten daher nicht zu.
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3. Auch mit anderer Begründung läßt sich das angefochtene Urteil nicht halten. Anders als die Beklagte meint, hat sie in Höhe des restlichen Inkassoerlöses kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 54 Abs. 3 KO. Ein Anspruch auf Sicherheitsverstärkung, auf den die Beklagte sich insoweit beruft, besteht nicht. Die Klausel in der formularmäßigen Bürgschaftserklärung, wonach die Gemeinschuldnerin auf Verlangen der Beklagten schon vor Fälligkeit der Bürgschaft Sicherheit zu leisten hat, widerspricht, wie vorstehend unter 2. ausgeführt, dem Leitbild der Bürgschaft. Sie benachteiligt den Bürgen unangemessen und ist deshalb wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam (vgl. BGHZ 92, 295, 300f.; BGH, Urteil vom 10. November 1988 - III ZR 215/87, WM 1989, 129, 130f.).
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