Nachverfahren im Wechselprozeß als Feriensache
Orientierungssatz
1. Das im Anschluß an ein Wechselvorbehaltsurteil durchgeführte Nachverfahren, das weiterhin den Wechselanspruch zum Gegenstand hat, ist Feriensache gemäß GVG § 200 Abs 2 Nr 6, es sei denn, der Kläger hat das Grundgeschäft, das seinerseits nicht Feriensache ist, als zusätzliche Anspruchsgrundlage durch deutliche Erklärung in den Rechtsstreit eingeführt (vergleiche BGH, 1962-07-12, II ZR 161/61, BGHZ 37, 371 und BGH, 1988-04-18, II ZB 3/88, NJW-RR 1988, 960).

vorgehend LG München II, 17. Mai 1990, 4 HKO 2161/87
Vergleiche BGH 2. Zivilsenat, 12. Juli 1962, II ZR 161/61
Tatbestand
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Die Klägerin hat die Beklagten als Annehmer eines Wechsels über 24.080 DM im Wechselprozeß in Anspruch genommen und ein Vorbehaltsurteil auf Zahlung der Wechselsumme nebst Nebenforderungen erwirkt. Im Nachverfahren haben die Beklagten, die eine wirksame Wechselverpflichtung nicht in Abrede stellen, sich auf das Fehlen eines wirksamen Grundgeschäfts berufen und die Bereicherungseinrede erhoben.
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Unter Aufhebung des Wechselvorbehaltsurteils hat das Landgericht mit dem am 31. Mai 1990 zugestellten Urteil vom 17. Mai 1990 die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß die gegen die Wechselforderung gerichtete Bereicherungseinrede der Beklagten begründet sei; Ansprüche aus einem dem Wechsel zugrunde liegenden Geschäft (Darlehensrückzahlungsanspruch bzw. Anspruch auf Zahlung eines Eigenkapitalanteils), die die Klägerin hilfsweise in das Nachverfahren eingeführt hatte, hat das Landgericht verneint.
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Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 18. Juni 1990 Berufung eingelegt, diese aber erst - nach bedingter Verlängerung der Begründungsfrist - am 19. Oktober 1990 begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch Urteil vom 28. September 1990 unter Hinweis auf §§ 519 Abs. 2 ZPO, 200 Abs. 2 Nr. 6 GVG als unzulässig verworfen.
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Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die der Auffassung ist, durch hilfsweise Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Grundgeschäft habe der Rechtsstreit seinen Charakter als Feriensache verloren.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Begründungsfrist sei nicht durch die Gerichtsferien gehemmt worden, da der vorliegende Rechtsstreit eine Wechselsache betreffe. Diese habe ihren Charakter als Feriensache nicht verloren; die Klägerin habe nämlich einen Anspruch aus einem dem Wechsel zugrunde liegenden Geschäft nicht mit der nötigen Deutlichkeit in den Rechtsstreit eingeführt.
II.
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Diese Begründung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß das im Anschluß an ein Wechselvorbehaltsurteil durchgeführte Nachverfahren, das weiterhin den Wechselanspruch zum Gegenstand hat, Feriensache gemäß § 200 Abs. 2 Nr. 6 GVG ist (vgl. BGHZ 13, 173, 174; BGH, Beschluß vom 16. Februar 1987 - II ZB 2/87 - VersR 1987, 764), und nur dann etwas anderes gilt, wenn der Kläger das Grundgeschäft, das seinerseits nicht Feriensache ist, als zusätzliche Anspruchsgrundlage durch deutliche Erklärung in den Rechtsstreit eingeführt hat (vgl. BGHZ 37, 371, 374; BGH, Beschlüsse vom 30. November 1978 - II ZB 10/78 und II ZB 11/78 - VersR 1979, 255, 256 und 230; Beschluß vom 18. April 1988 - II ZB 3/88 NJW-RR 1988, 960); es genügt nicht, wenn der Kläger eine aus dem Grundgeschäft abgeleitete Bereicherungseinrede des Beklagten durch eigene Ausführungen zum Grundgeschäft bekämpft (BGH, Beschlüsse vom 30. November 1978 aaO; Beschluß vom 18. April 1988 - II ZB 1/88 - WM 1988, 1147).
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2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, daß das Prozeßverhalten der Klägerin nicht genüge, um eine deutliche Einführung eines Anspruchs aus dem Grundgeschäft in den Rechtsstreit anzunehmen und deshalb dessen Charakter als Feriensache zu verneinen.
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a) Die Klägerin hat zwar zunächst mit Schriftsatz vom 27. Juni 1988 betont, daß sie den Wechselanspruch und nicht einen Anspruch aus einem undatierten schriftlichen Darlehensvertrag im Nachverfahren geltend mache. Bereits in den anschließenden Schriftsätzen vom 10. August 1988 und 11. Oktober 1988 hat sie ihr Klagebegehren hilfsweise auf einen von dem undatierten schriftlichen Darlehensvertrag unterschiedenen Darlehensvertrag gestützt, den sie aus vorgelegten Urkunden abzuleiten versucht hat. Für den Fall der Unwirksamkeit dieses Grundgeschäfts hat sie ihr Klagebegehren außerdem als Bereicherungsanspruch gerechtfertigt.
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b) Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 1988 und 13. Januar 1989 hat die Klägerin ihr Klagebegehren hilfsweise auch auf den nicht datierten Darlehensvertrag gestützt.
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c) Schließlich hat sie sich im Schriftsatz vom 1. März 1990 auf ihr Hilfsvorbringen zu dem dem Wechselanspruch zugrunde liegenden Geschäft bezogen.
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Danach hat die Klägerin mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß sie außer einer Entscheidung über den Wechselanspruch auch - wenn auch nur hilfsweise - eine Entscheidung über Ansprüche aus dem Grundgeschäft begehrt. Dem entspricht das landgerichtliche Urteil, in dem das Prozeßverhalten der Klägerin referiert und sowohl der Wechselanspruch als auch Ansprüche aus dem Grundgeschäft verneint werden. Durch die Einführung der Ansprüche aus dem Grundgeschäft hat der Rechtsstreit seinen Charakter als Feriensache verloren; die Berufungsbegründungsfrist war in ihrem Ablauf durch die Gerichtsferien gehemmt. Durch Verfügung vom 28. September 1990 ist sie wirksam bis zum 19. Oktober 1990 verlängert worden. Die an diesem Tage eingegangene Berufungsbegründung war somit rechtzeitig.
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3. Da das Berufungsgericht die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Berufung angeordnet hatte, um die Frage der Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung zu klären, hatte der Senat auch nur darüber zu entscheiden. Die Zurückverweisung an das Berufungsgericht gibt Gelegenheit, auch die in der Revisionserwiderung aufgeworfenen Fragen einer wirksamen Vertretung der Klägerin zu überprüfen
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