Inhalt der Berufungsbegründungsschrift: Bezugnahme auf Schriftsätze der Vorinstanz; Anforderungen an Berufungsbegründungsfristverlängerungsantrag
Leitsatz
1. Die Berufungsbegründung muß nicht nur die Punkte im einzelnen bezeichnen, in denen das Urteil angegriffen werden soll, sondern auch angeben, aus welchen Gründen der Berufungskläger die angefochtene Entscheidung in den angegebenen Punkten für unrichtig hält.
2. Die Bitte des Berufungsklägers, die Berufungsbegründung im Falle des Scheiterns laufender Vergleichsverhandlungen bis zu einem bestimmten Datum noch ergänzen zu können, ist nicht als Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist anzusehen.








vorgehend LG Ulm, 10. Mai 1989, 1 O 124/88 - 01
Anschluss OLG Koblenz 3. Zivilsenat, 1. Dezember 2013, 3 U 587/13
Vergleiche OLG Koblenz 3. Zivilsenat, 25. Juli 2013, 3 U 202/13
Anschluss OLG Koblenz 2. Zivilsenat, 4. Februar 2013, 2 U 293/12
Anschluss OLG Koblenz 2. Zivilsenat, 20. Dezember 2012, 2 U 293/12
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Gründe
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I. Die Klägerin hatte gemeinsam mit einer Miteigentümerin zwei Grundstücke an die Beklagte vermietet; außerdem hatten beide mit der Beklagten als Darlehensnehmerin einen Darlehensvertrag geschlossen. Mit der Klage hat die Klägerin Zahlung von Mietzinsanteilen und Darlehenszinsen begehrt. Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte fristgemäß Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 15. Oktober 1989 hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten am 16. Oktober 1989 (Montag) einen Schriftsatz mit dem Antrag eingereicht, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat er sich "in vollem Umfang auf den Vortrag erster Instanz einschließlich der Beweisangebote" bezogen und hinzugefügt, dies geschehe vorerst lediglich zur Fristwahrung, er rechne mit einer außergerichtlichen Erledigung. Anschließend heißt es in dem Schriftsatz weiter:
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"Lediglich vorsorglich wird ergänzend zur weiteren Begründung der Berufung folgendes vorgetragen:
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Das Landgericht geht zu Unrecht von einer vertraglichen Regelung aus, die die Klägerin ermächtigen würde, die Ansprüche auf Darlehenszinsen und anteilige Mietzinsansprüche zur Auszahlung an sich allein geltend zu machen. Das Gericht verkennt desweiteren, daß der Darlehensvertrag über DM 400.000 lauten sollte und auch so gewollt war. Es mißinterpretiert die Regelung in § 3 letzter Satz des Darlehensvertrages; danach ist gerade keine weitere Entnahme zulässig, wenn eine Auszahlung unterblieben ist. Schließlich berücksichtigt das Gericht nicht ausreichend, daß die gesellschafterliche Treuepflicht der Geltendmachung entgegenstünde.
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Im Hinblick auf die laufenden Verhandlungen zwischen den Parteien, die eine Umgestaltung der Gesellschaft und eine Bereinigung der Beziehungen zwischen den Gesellschafterstämmen zum Ziel haben, in deren Rahmen auch diese Angelegenheit beigelegt wird, bitte ich höflich, vorerst von einer Terminierung abzusehen. Für den nicht angenommenen Fall, daß eine Fortsetzung des Rechtsstreits sich als erforderlich erweisen sollte, bitte ich höflich darum, die Berufungsbegründung bis 31.12.89 ergänzen zu können."
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Durch Beschluß vom 7. November 1989 hat das Berufungsgericht auf Antrag beider Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Scheitern der Vergleichsverhandlungen ist das Verfahren im März 1990 wieder aufgenommen worden. Durch Beschluß vom 10. Mai 1990 hat das Oberlandesgericht die Berufung mangels ordnungsgemäßer Begründung als unzulässig verworfen und die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung verneint.
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II. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach §§ 519 b Abs. 2 2. Halbsatz, 547, 577 ZPO zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
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1. Mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht es abgelehnt, den am 16. Oktober 1989 eingegangenen Schriftsatz als hinreichende Berufungsbegründung gemäß § 519 Abs. 3 ZPO zu bewerten. Zwar enthält der Schriftsatz einen ordnungsgemäßen Berufungsantrag nach § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Auch die Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erfüllt er insoweit, als darin - der Gliederung des angefochtenen Urteils folgend - jeweils mit einem Satz die Punkte im einzelnen bezeichnet werden, in denen das Urteil angegriffen werden soll. Das genügt jedoch nicht: Die Berufungsbegründung muß auch angeben, aus welchen Gründen der Berufungskläger die angefochtene Entscheidung in den angegebenen Punkten für unrichtig hält (BGH, Beschlüsse vom 18. Februar 1981 - IVb ZB 505/81 = NJW 1981, 1620 zu II 2 und vom 30. Oktober 1984 - IX ZB 103/84 = VersR 1985, 67, 68 zu 1; Urteil vom 1. Dezember 1987 - VI ZR 5/87 = NJW-RR 1988, 507, 508 m.w.Nachw.). Insoweit reicht die bloße Bezugnahme auf "den Vortrag erster Instanz einschließlich der Beweisangebote" nicht aus. Zu den Punkten, in denen das angefochtene Urteil sich auf die Ergebnisse der bereits durchgeführten Beweisaufnahme stützt, ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 16. Oktober 1989 nicht einmal, ob die Beklagte die tatsächliche oder die rechtliche Würdigung des Landgerichts angreifen will. Aber auch soweit das angefochtene Urteil sich auf rechtliche Erörterungen beschränkt, hätte die Beklagte zumindest deutlich machen müssen, in welche Richtung ihre Einwendungen gegen die gründliche Argumentation des Landgerichts gehen sollten. Dazu findet sich in ihrem Schriftsatz nichts.
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2. Auch die - am 28. März 1990 - von der Beklagten "höchstvorsorglich" beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat das Berufungsgericht mit Recht nicht gewährt. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten durfte nicht davon ausgehen, ihm werde, falls die Vergleichsverhandlungen scheitern sollten, noch Gelegenheit gegeben werden, seine Berufungsbegründung so zu vervollständigen, daß sie die Voraussetzungen des § 519 Abs. 3 ZPO erfüllt. Dazu hätte es einer weiteren Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bedurft. Sie wäre nur möglich gewesen, wenn der am 16. Oktober 1989 eingereichte Schriftsatz einen entsprechenden Antrag enthalten hätte. In dem - oben zitierten - letzten Satz des Schriftsatzes hat das Berufungsgericht einen solchen Antrag mit Recht nicht gesehen. Der Schriftsatz läßt vielmehr erkennen, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten - damals bereits wie heute - der unrichtigen Auffassung war, der Inhalt des Schriftsatzes genüge bereits den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO. Der letzte Satz behält auch dann noch einen Sinn, als Bitte nämlich, im Falle einer Fortsetzung des Verfahrens ergänzendes Vorbringen gemäß §§ 527, 296 ZPO noch zuzulassen, weil die Verspätung durch die Überlegung entschuldigt sei, früheres Vorbringen könne die Vergleichsverhandlungen stören.
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