Anwaltliches Organisationsverschulden bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist: Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle bei Telefaxübermittlung
Orientierungssatz
1. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört bei der Übermittlung fristwahrender Schriftstücke per Telefax, daß durch Maßnahmen der Büroorganisation festgestellt werden kann, daß das Schriftstück auch wirklich übermittelt worden ist. Das setzt voraus, daß über die konkrete Übermittlung ein Sendebericht ausgedruckt wird, aus dem sich ergibt, ob der Übermittlungsvorgang einwandfrei durchgeführt worden ist.
2. Der Anwalt muß daher seinem Personal die Anweisung erteilen, den Übermittlungsvorgang erst als abgeschlossen zu betrachten, wenn ein entsprechender Ausdruck des Sendeberichts vorliegt, und erst dann die Frist im Fristenkalender zu löschen. Eine derartige Anweisung ist nicht durch den Hinweis ersetzbar, daß die Frist im Kalender erst gestrichen werden darf, wenn "ein Schriftsatz per Fax übersandt wurde".
vorgehend LG Mönchengladbach, 14. August 1997, 1 O 47/96
Vergleiche BSG 11. Senat, 12. März 2002, B 11 AL 3/02 B
Anschluß Bayerisches Oberstes Landesgericht 2. Zivilsenat, 14. November 2001, 2Z BR 123/01
Fortführung BGH 2. Zivilsenat, 2. Juli 2001, II ZB 28/00
Tenor
Die sofortigen Beschwerden des Klägers gegen die Beschlüsse des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. und vom 26. Februar 1998 werden auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Streitwert: 160.000 DM
Gründe
I.
- 1
Der Kläger hat von der Beklagten Zahlung in Höhe von 160.000 DM begehrt. Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 14. August 1997 ist ihm am 25. August 1997 zugestellt worden. Die am 25. September 1997 eingelegte Berufung hat er - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 25. November 1997 - mit einem am 1. Dezember 1997 eingegangenen, auf den 25. November 1997 datierten Schriftsatz begründet. Zu seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat er ausgeführt, sein Prozeßbevollmächtigter habe der Rechtsanwaltsgehilfin K. noch am 25. November 1997 nachmittags den Auftrag gegeben, die Berufungsbegründungsschrift dem Berufungsgericht per Telefax zu übermitteln; das habe die sonst zuverlässige Gehilfin versäumt. Das Berufungsgericht hat mit Beschluß vom 25. Februar 1998 das Wiedereinsetzungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen und durch Beschluß vom 26. Februar 1998 die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seinen sofortigen Beschwerden.
II.
- 2
Die nach §§ 519 b Abs. 2, 238 Abs. 2 ZPO statthaften, form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerden sind unbegründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht auf einem Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.
- 3
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen. Dazu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet sein muß, daß fristwahrende Schriftsätze unter normalen Umständen rechtzeitig bei Gericht eingehen. Eine solche Ausgangskontrolle macht es bei der Übermittlung eines derartigen Schriftsatzes per Telefax erforderlich, daß durch Maßnahmen der Büroorganisation festgestellt werden kann, daß der Schriftsatz auch wirklich übermittelt worden ist. Das setzt voraus, daß über die konkrete Übermittlung ein Sendebericht ausgedruckt wird, aus dem sich ergibt, ob der Übermittlungsvorgang einwandfrei durchgeführt worden ist (vgl. dazu BGH, Beschluß vom 24. März 1993 - XII ZB 12/93, NJW 1993, 1655 und Urteil vom 29. April 1994 - V ZR 62/93, NJW 1994, 1879). Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätte deshalb seiner Gehilfin die Anweisung erteilen müssen, den Übermittlungsvorgang erst als abgeschlossen zu betrachten, wenn ein entsprechender Ausdruck des Sendeberichts vorliegt, und erst dann die Frist im Fristenkalender zu löschen. An einer solchen Anweisung fehlt es, so daß auch das Fehlen eines die Übermittlung dokumentierenden Sendeberichts bei Löschen der Frist nicht auffallen konnte. Eine derartige Anweisung ist nicht - wie der Kläger offenbar meint - durch den Hinweis ersetzbar, daß die Frist im Kalender erst gestrichen werden darf, wenn "ein Schriftsatz per Fax übersandt wurde". Auf die vom Prozeßbevollmächtigten in seiner Beschwerdebegründung so genannte "Vertiefung" seiner Ausführungen zum Wiedereinsetzungsantrag kommt es danach nicht an.
- 4
Soweit in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Gehilfin K. ausgeführt wird, daß die Anweisung erteilt worden sei, im Fristenkalender notierte Fristen erst zu streichen, wenn der fristwahrende Schriftsatz per Telefax an das Gericht gesandt wurde "und eine Einzelfaxbestätigung vom Faxgerät mit 'O.K.'-Vermerk ausgedruckt wurde", handelt es sich um das - an die Gründe des Beschlusses des Berufungsgerichts vom 25. Februar 1998 angepaßte - Nachschieben einer neuen Begründung, die nach Ablauf der Frist des § 234 ZPO - auch im Beschwerdeverfahren - nicht mehr zulässig ist (BGH, Beschluß vom 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097 f.).
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