Aufklärungspflichten des Vermittlers von Aktienoptionsgeschäften; Geringfügigkeit des Prämienaufschlags
Leitsatz
1. Die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zur Aufklärungspflicht des Vermittlers von Warentermin-Optionen entwickelt hat, finden auch auf Aktien- und Aktienindex-Optionen Anwendung.
2. Die Frage, ob die Aufklärungspflicht bei geringfügigen Prämienaufschlägen entfällt, kann offen bleiben; ein Aufschlag von mehr als 11% ist jedenfalls nicht geringfügig.
Orientierungssatz
1. Zitierungen zu Leitsatz 1: Fortführung BGH, 1988-07-11, II ZR 355/87, BGHZ 105, 108 und BGH, 1988-01-11, II ZR 134/87, WM IV 1988, 291; Vergleiche BGH, 1986-11-17, II ZR 79/86, WM IV 1987, 7; BGH, 1984-11-05, II ZR 38/84, WM IV 1985, 81 und BGH, 1981-04-06, II ZR 84/80, WM IV 1981, 552.
2. Zitierung zu Leitsatz 2: Vergleiche, BGH, 1986-11-17, II ZR 79/86, WM IV 1987, 7.











vorgehend LG Frankfurt, 25. Januar 1988, 2/21 O 308/87
Vergleiche OLG Düsseldorf 9. Zivilsenat, 14. Juni 2010, I-9 U 186/09, ...
Anschluss OLG Koblenz 6. Zivilsenat, 14. Januar 2010, 6 U 170/09
Vergleiche LG Krefeld 5. Zivilkammer, 28. Februar 2008, 5 O 109/07
Vergleiche LG Krefeld 5. Zivilkammer, 28. Februar 2008, 5 O 127/07
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Wendt Nasall, WuB I G 4. Anlageberatung 3.91 (Anmerkung)

Fortführung BGH 2. Zivilsenat, 11. Januar 1988, II ZR 134/87
Vergleiche BGH 2. Zivilsenat, 17. November 1986, II ZR 79/86
Vergleiche BGH 2. Zivilsenat, 5. November 1984, II ZR 38/84
Vergleiche BGH 2. Zivilsenat, 6. April 1981, II ZR 84/80
Tatbestand
- 1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz für Verluste, die sie bei Aktien- und Aktienindex-Optionsgeschäften erlitten hat, in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
- 2
Die Klägerin und ihr Ehemann, der für sie die Gespräche führte, traten im Jahre 1986 mit der Beklagten zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, in Verbindung. Auf seiten der Beklagten zu 1) wurden die Gespräche von dem Beklagten zu 3) geführt. Über den Beklagten zu 3) erteilte die Klägerin der Beklagten zu 1) Aufträge zur Durchführung von fünf in Chicago durchzuführenden Aktienoptionsgeschäften sowie eines Geschäfts über 140 Optionen bezüglich des Standard + Poor's Index 100 und zahlte insgesamt 224.576,95 DM in bar. Die Aufträge wurden auf Formularen der Beklagten zu 1) erteilt, in denen jeweils die Optionsprämie, eine Pauschale von 5% der Optionsprämie für die Provision des Brokers und eine Vergütung der Beklagten zu 1), die 10% der jeweiligen Gesamtzahlung der Klägerin ausmachte, ausgewiesen war. Außerdem sahen die Auftragsformulare jeweils eine Beteiligung der Beklagten zu 1) am Nettogewinn in Höhe von 20% vor und verwiesen auf die auf der Rückseite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1).
- 3
Die von der Beklagten zu 1) für die Klägerin durchgeführten Optionsgeschäfte endeten insgesamt verlustreich. Von den eingezahlten Beträgen erhielt die Klägerin nur 6.069,67 US-Dollar, umgerechnet 14.412,43 DM, zurück.
- 4
Die Klägerin macht die Beklagten für ihre Verluste verantwortlich. Sie macht geltend, nicht hinreichend über Gewinnchancen und Verlustrisiken der Optionsgeschäfte aufgeklärt worden zu sein, und behauptet, den Beklagten zu 3) ausdrücklich darauf hingewiesen zu haben, daß sie eine sichere Geldanlage suche.
- 5
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 224.576,95 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wurde vom Berufungsgericht hinsichtlich des Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen und im übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 210.164,52 DM nebst Zinsen.
Entscheidungsgründe
- 6
I. Da die Beklagten in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten waren, ist über die Revision antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 331, 557 ZPO; vgl. BGHZ 37, 79, 81). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (BGH aaO S. 82).
- 7
Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das angefochtene Urteil konnte insoweit weder hinsichtlich der Verwerfung der gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Berufung als unzulässig noch hinsichtlich der Zurückweisung der Berufung im übrigen Bestand haben.
- 8
II. Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil war entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch insoweit zulässig, als sie sich gegen den Beklagten zu 2) richtete.
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1. Das Berufungsgericht hält die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Berufung mangels Begründung für unzulässig. Es vermißt eine Erwähnung des Beklagten zu 2) in der Berufungsbegründung sowie eine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil, soweit es die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen hat. Die Ausführungen der Berufungsbegründung beziehen sich nach der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erkennbar auf den Beklagten zu 2).
- 10
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt auch hinsichtlich des Beklagten zu 2) den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO.
- 11
a) Die Klägerin hatte bereits in ihrer Berufungsschrift vom 16. März 1988 den Antrag angekündigt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils "die Beklagten als Gesamtschuldner" zur Zahlung von 224.576,95 DM nebst Zinsen zu verurteilen, und dadurch zum Ausdruck gebracht, daß sie das Urteil hinsichtlich aller drei Beklagten in vollem Umfang anfocht. Damit hatte sie auch hinsichtlich des Beklagten zu 2) den Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO genügt. Einer Wiederholung dieser Erklärung in der Berufungsbegründungsschrift bedurfte es nicht (§ 519 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
- 12
b) In der Berufungsbegründungsschrift vom 18. Mai 1988 hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, daß sie das von ihr hinsichtlich aller drei Beklagten angefochtene erstinstanzliche Urteil für unrichtig hielt, weil es verkannt habe, daß "die Gegenseite bewußt ihren Wissensvorsprung dazu eingesetzt hat, um die Klägerin zum Abschluß von Geschäften zu überreden". Mit der "Gegenseite" meinte die Klägerin, wie die Revision mit Recht geltend macht, erkennbar alle drei Beklagten, obwohl sie die Mitwirkung des Beklagten zu 2) an dieser Stelle nicht im einzelnen darlegte. Damit hat die Klägerin hinsichtlich des Beklagten zu 2) auch die Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erfüllt. Auf die Frage, ob der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung hinsichtlich des Beklagten zu 2) hinreichend substantiiert war, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die gemäß § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO bezeichneten Berufungsgründe brauchen, um die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu begründen, weder schlüssig noch rechtlich haltbar zu sein (BGH, Urteile vom 8. Oktober 1976 - V ZR 224/74, VersR 1977, 152 und vom 5. Februar 1985 - IX ZR 100/84, unveröffentlicht).
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III. Auch die Zurückweisung der gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Berufung konnte, soweit sie mit der Revision angefochten wurde, keinen Bestand haben. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand sind Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) nicht auszuschließen.
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1. Das Berufungsgericht verneint Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1) wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen und aus unerlaubter Handlung. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
- 15
Die Beklagte zu 1) sei ihrer Aufklärungspflicht gegenüber der Klägerin nachgekommen. Sie habe die Höhe des von ihr berechneten Aufschlags auf die Optionsprämie ausreichend offenbart. Auch auf die wirtschaftliche Bedeutung des Prämienaufschlags für die Gewinnchance des Anlegers und auf das Risiko eines vollständigen Verlusts der eingesetzten Mittel habe sie in ihren auf der Rückseite der Auftragsformulare abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausreichend hingewiesen. Es könne daher offen bleiben, ob die Klägerin die weitere Einzelheiten der Optionsgeschäfte behandelnde Broschüre der Beklagten zu 1) erhalten habe. Auch die Behauptung der Klägerin, sie habe eine sichere Anlage gewünscht, rechtfertige keine ihr günstigere Beurteilung. Die Klägerin habe aufgrund der Belehrungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen über die Risiken von Optionsgeschäften Bescheid gewußt. Selbst wenn der Beklagte zu 3) gesagt habe, die Klägerin sei bei ihm in den sichersten und besten Händen, habe die Klägerin im Rahmen der abgeschlossenen Börsenterminkontrakte nicht von risikofreien Geschäften ausgehen können. Insgesamt erscheine es nicht glaubhaft, daß der Klägerin und ihrem Ehemann, der jahrzehntelang auf dem Gebiet des Versicherungswesens geschäftlich tätig gewesen sei, die mit den Optionsgeschäften verbundenen Risiken verborgen geblieben seien.
- 16
2. Diese Ausführungen werden von der Revision mit Recht angegriffen.
- 17
a) Das Berufungsgericht ist allerdings, ohne dies näher zu erörtern, zu Recht davon ausgegangen, daß die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zur Aufklärungspflicht des Vermittlers von Warentermin-Optionen entwickelt hat (vgl. BGHZ 105, 108, 110; BGH, Urteil vom 11. Januar 1988 - II ZR 134/87, WM 1988, 291, 292ff. m.w.Nachw.), auch dann Anwendung finden, wenn es, wie hier, um Geschäfte in Aktien- und Aktienindex-Optionen geht. In beiden Bereichen ist eine vom Vermittler in Rechnung gestellte, zu der börsenmäßigen Optionsprämie hinzutretende Vergütung in gleicher Weise geeignet, die Gewinnerwartung entscheidend zu verschlechtern, weil sie dazu führt, daß bei dem Basiswert der Option ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen. In beiden Bereichen obliegen daher dem Vermittler die gleichen Aufklärungspflichten über die Höhe und wirtschaftliche Bedeutung der Optionsprämie sowie über Umfang und Auswirkungen der vom Vermittler zusätzlich verlangten Vergütung.
- 18
b) Das Berufungsgericht hat es - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - dahinstehen lassen, ob der der Beklagten zu 1) zufließende Aufschlag von etwas mehr als 11% auf die Optionsprämie als geringfügig und für die Entscheidung des Anlegers nicht ins Gewicht fallend anzusehen ist mit der Folge, daß eine Aufklärungspflicht entfiele. Das ist zu verneinen.
- 19
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 17. November 1986 (II ZR 79/86, WM 1987, 7) die Frage offen gelassen, ob von einer Aufklärung der Anleger über die Bedeutung des Prämienaufschlags in Ausnahmefällen abgesehen werden kann. Zugleich hat er jedoch betont, dies komme "allenfalls bei geringfügigen Aufschlägen in Betracht, die für die Entscheidung des Käufers nicht ins Gewicht fallen". Bundschuh (WM 1985, 249, 250) sieht in der amerikanischen Praxis, nach der die Effektenhändler bei einer Überschreitung des Marktpreises um 5% hinweispflichtig sind, einen Anhaltspunkt für die Bestimmung einer Geringfügigkeitsgrenze.
- 20
Der Senat braucht die Frage, ob und in welcher Höhe für die Aufklärungspflicht über Prämienaufschläge eine Geringfügigkeitsgrenze besteht, nicht zu entscheiden. Auf jeden Fall kann ein Aufschlag auf die Optionsprämie von mehr als 11% nicht als geringfügig angesehen werden, da er das Gleichgewicht von Chancen und Risiken bereits deutlich verschiebt und bewirkt, daß Gewinn erst dann erzielt werden kann, wenn der Marktpreis für den Basiswert der Option erheblich stärker ansteigt, als dies von den Marktteilnehmern für realistisch gehalten wird.
- 21
c) Mit den Angaben auf den Vorder- und Rückseiten ihrer Auftragsformulare ist die Beklagte zu 1) entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ihrer Aufklärungspflicht nicht gerecht geworden.
- 22
Dabei spielt es allerdings entgegen der Ansicht der Revision keine Rolle, daß die Klägerin die Aufträge für die beiden verlustreichen Optionsgeschäfte vom März 1986 erst am 4. April 1986 unterschrieben hat. Von den für alle Geschäftsabschlüsse gleichen Umständen und Belehrungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) hatte die Klägerin bereits anhand der vier im Februar 1986 unterzeichneten Aufträge Kenntnis genommen oder Kenntnis nehmen können. Die Verletzung der Aufklärungspflicht ergibt sich vielmehr aus dem Inhalt der auf den Rückseiten aller Auftragsformulare abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
- 23
Hier fehlt es, wie die Revision mit Recht rügt, insbesondere an einer ausreichenden Aufklärung über die wirtschaftliche Bedeutung des Prämienaufschlags der Beklagten zu 1). In § 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird zwar zutreffend darauf hingewiesen, daß die Höhe der Optionsprämie den Rahmen eines Risikobereichs kennzeichnet, "der vom Markt noch als vertretbar angesehen wird, weil die Option nach Einschätzung der Kursentwicklung durch den Börsenfachhandel eine Gewinnchance hat, die den Optionspreis wert ist". Ferner wird mitgeteilt, daß vom Auftraggeber "als weitere Kosten die entstehenden Spesen aufzubringen" sind und daß diese "von erheblicher Wichtigkeit" seien, "da die Möglichkeit der Gewinnrealisierung nur dann besteht, wenn die Wertsteigerung der Option oder diejenige der Aktien während der Laufzeit der Option höher als die dem Auftraggeber entstandenen bzw. entstehenden Kosten ist". Es fehlt jedoch der Hinweis, daß jeder Aufschlag auf die Optionsprämie die Gewinnerwartung deswegen verändert und verschlechtert, weil ein höherer Kursausschlag als der vom Markt für realistisch gehaltene erforderlich ist, um in die Gewinnzone zu kommen. Ein solcher Hinweis gehört zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung (BGHZ 105, 108, 110; BGH, Urteile vom 5. November 1984 - II ZR 38/84, WM 1985, 81, 82; vom 17. November 1986 - II ZR 79/86, WM 1987, 7; vom 11. Januar 1988 - II ZR 134/87, WM 1988, 291, 293). Dieser Hinweis war im vorliegenden Fall nicht deshalb entbehrlich, weil der Kundige oder Nachdenkliche aus den mitgeteilten Umständen auch von sich aus inhaltsgleiche Folgerungen hätte ableiten können. Die Aufklärungspflicht der Vertreiber von Optionen aller Art soll das mit derartigen Geschäften nicht vertraute Anlegerpublikum schützen, und zwar auch vor solchen Geschäften, deren schlechte Aussichten es bei einiger geistiger Anstrengung vielleicht auch selber hätte erkennen können.
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Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) sind auch insofern irreführend, als in § 3 der Verfall der Option und damit der Totalverlust der Investition als "äußerster Fall" bezeichnet wird. In diesem Punkt verkennt das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, daß dadurch der unzutreffende Eindruck erweckt wird, als sei ein solcher Totalverlust ein seltener, nur ausnahmsweise eintretender Fall.
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d) Die Mängel der in den Auftragsformularen der Beklagten zu 1) enthaltenen Angaben und Erläuterungen werden durch ihre Broschüre mit dem Titel "Kaufs- und Verkaufsoptionen - eine Einführung in den amerikanischen Aktien-Optionshandel" nicht ausgeglichen. Das Berufungsgericht hat es - auf der Grundlage seiner Ansicht von der Ordnungsmäßigkeit der in den Auftragsformularen enthaltenen Informationen folgerichtig - offen gelassen, ob die Klägerin diese Broschüre erhalten hat. Das kann auch aus der Sicht des erkennenden Senats offen bleiben. Die genannte Broschüre genügt nämlich den Anforderungen an eine umfassende Aufklärung der Anlageinteressenten ebenfalls nicht. In ihr findet sich keine Erläuterung der Auswirkungen, die Aufschläge auf die Börsenoptionsprämien auf Chancen und Risiken des Anlegers haben.
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e) Das Berufungsgericht hat es offen gelassen, ob die Klägerin den Beklagten zu 3) vor Abschluß der Optionsgeschäfte darauf hingewiesen hat, daß sie eine sichere Geldanlage suche, und ob der Beklagte zu 3) ihr daraufhin gesagt hat, sie sei bei ihm in den sichersten und besten Händen. Es mißt diesen Äußerungen keine Bedeutung zu, weil die Klägerin aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) über die Risiken Bescheid gewußt habe und weil es nicht glaubhaft sei, daß der Klägerin und ihrem Ehemann, der jahrzehntelang auf dem Gebiet des Versicherungswesens geschäftlich tätig gewesen sei, die mit den Optionsgeschäften verbundenen Risiken verborgen geblieben seien.
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Auch diese Ausführungen greift die Revision mit Recht an. Sie sind schon deshalb nicht haltbar, weil die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1), wie oben dargelegt, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine hinreichende Aufklärung über die Risiken der Optionsgeschäfte enthielten und insbesondere das Risiko eines Totalverlusts der eingesetzten Beträge in irreführender Weise verniedlichten. Selbst wenn aber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausreichende Informationen enthalten hätten, hätte der für die Beklagte zu 1) handelnde Beklagte zu 3) auf Äußerungen der Klägerin hin, die darauf schließen ließen, daß sie diese Informationen nicht gelesen oder nicht verstanden hatte, eine nicht vorhandene Sicherheit der Optionsgeschäfte nicht bestätigen dürfen. Schließlich durfte das Berufungsgericht aus den geschäftlichen Erfahrungen des an den Verhandlungen beteiligten Ehemanns der Klägerin nicht auf die Kenntnis der Risiken der Optionsgeschäfte schließen. Auch bei einem im Handelsregister eingetragenen Kaufmann und mittelständischen Unternehmer kann eine solche Kenntnis nicht vorausgesetzt werden, wenn er nicht beruflich mit derartigen Geschäften befaßt ist (BGH, Urteil vom 6. April 1981 - II ZR 84/80, WM 1981, 552, 553).
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3. Die Verneinung von Schadensersatzansprüchen der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) durch das Berufungsgericht läßt sich auch nicht mit anderer Begründung rechtfertigen. Einem Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen steht der Umstand nicht entgegen, daß sie unstreitig nicht börsentermingeschäftsfähig ist und die von ihr mit der Beklagten zu 1) abgeschlossenen Verträge nach den §§ 52ff. des Börsengesetzes in der bis zum 31. Juli 1989 geltenden Fassung daher zunächst unverbindlich waren (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 1981 aaO).
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4. Die Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) hängt nach alledem davon ab, ob die Aufklärungsmängel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und eine mögliche Täuschung der Klägerin durch mündliche Erklärungen des Beklagten zu 3) über die Sicherheit der Optionsgeschäfte für die Geschäftsabschlüsse der Klägerin ursächlich waren. Dazu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Das wird das Berufungsgericht bei der erneuten Befassung mit der Sache nachzuholen haben. Dabei wird zu beachten sein, daß der Beklagten zu 1) die Darlegungs- und Beweislast für das hypothetische Verhalten der Klägerin im Falle gehöriger Aufklärung obliegt (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 1981 aaO).
- 30
IV. Die Zurückweisung der gegen den Beklagten zu 3) gerichteten Berufung hält, soweit sie mit der Revision angefochten wurde, rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand.
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1. Das Berufungsgericht sieht § 826 BGB als einzige hier in Betracht kommende Anspruchsgrundlage an und vermag keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, daß der Beklagte zu 3) die Klägerin in sittenwidriger Weise geschädigt haben könnte. In diesem Zusammenhang stellt es fest, die Klägerin habe in der Berufungsbegründung ausdrücklich eingeräumt, daß der Beklagte zu 3) keine weitere Tätigkeit als die Entgegennahme der Aufträge entfaltet habe.
- 32
2. Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, daß gegen den Beklagten zu 3) nur Schadensersatzansprüche nach § 826 BGB in Betracht kommen. Die Verneinung derartiger Ansprüche beruht jedoch erkennbar auf der unzutreffenden Annahme des Berufungsgerichts, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) enthielten ausreichende Informationen über die Optionsgeschäfte und dem von der Klägerin behaupteten Gespräch mit dem Beklagten zu 3) über die Sicherheit dieser Geschäfte könne keine Bedeutung zukommen. Bei seiner Feststellung, die Klägerin räume ein, daß der Beklagte zu 3) keine weitere Tätigkeit als die Entgegennahme der Aufträge entfaltet habe, übersieht das Berufungsgericht darüber hinaus, daß der entsprechende Satz in der Berufungsbegründung in Zusammenhang mit der dort ebenfalls aufgestellten Behauptung zu sehen ist, "daß der Beklagte zu 3) die Klägerin zunächst telefonisch kontaktierte und ihr gewissermaßen die dann durchgeführten Geschäfte aufdrängte". Daraus geht klar hervor, daß die Klägerin mit ihrer Behauptung, der Beklagte zu 3) habe "außer der Entgegennahme der Aufträge keinerlei weitere Tätigkeit" ausgeübt, lediglich eine spätere, zeitlich auf die Entgegennahme der Aufträge folgende Tätigkeit des Beklagten zu 3) in Abrede stellen wollte.
- 33
3. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 3) nach § 826 BGB ist daher nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen. Die Frage, ob ein solcher Anspruch besteht, hängt zum einen davon ab, ob der Beklagte zu 3) die Aufklärungsmängel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) erkannt und bewußt dazu ausgenutzt hat, die Klägerin zum Abschluß riskanter Geschäfte zu veranlassen. Sollte das nicht der Fall sein, käme es darauf an, ob das Gespräch zwischen dem Beklagten zu 3) und der Klägerin über die angebliche Sicherheit der Optionsgeschäfte tatsächlich in der von dieser behaupteten Weise stattgefunden hat. Schließlich hängt ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 3) auch davon ab, ob die Fehlinformation in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) oder die etwaigen mündlichen Erörterungen der Klägerin mit dem Beklagten zu 3) für den Anlageentschluß der Klägerin ursächlich waren. Zu allen diesen Punkten hat das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen.
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