Rückgewähranspruch der Sicherungsgrundschuld nach isolierter Abtretung der gesicherten Forderung: Zweckerledigung
Leitsatz
1. Tritt der Gläubiger die durch eine Grundschuld gesicherte Forderung ab, so steht dem Sicherungsgeber ein Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld nur dann zu, wenn nach den Gesamtumständen der Sicherungszweck entfallen ist.













vorgehend LG München I, 23. März 1988, 25 O 1316/87



Dieter Rehbein, WuB I F 3 Grundpfandrechte 6.91 (Anmerkung)
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Protz, 8. Auflage 2017, § 1204 BGB
● Reischl, 8. Auflage 2017, § 1113 BGB
● Reischl, 8. Auflage 2017, § 1169 BGB
● Reischl, 8. Auflage 2017, § 1191 BGB
● Rosch, 8. Auflage 2017, § 398 BGB
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Tatbestand
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Die der B. R. AG (im folgenden B.) gegen den Kläger zustehenden Darlehensforderungen waren auf dem Grundstück des Klägers, Grundbuch des Amtsgerichts A. für O., Band ., Blatt ..., FlNr. .... durch folgende in Abteilung III, Nr. 3-6 eingetragene Grundschulden gesichert:
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Nr. 3: Grundschuld über DM 160.000,-- Nr. 4: Grundschuld ohne Brief über DM 115.000,- Nr. 5: Grundschuld über DM 61.200,-- Nr. 6: Grundschuld über DM 29.000,--.
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Durch Vertrag vom 7. Juli 1983 verkaufte und übertrug die B. ihre Forderungen gegen den Kläger, die sie auf 435.822,42 DM bezifferte, an H.-J. G., für den der Kläger damals als Steuerberater tätig war. Die zur Sicherung bestellten Grundschulden verblieben jedoch bei der B..
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Als G. und seine Unternehmensgruppe in der zweiten Jahreshälfte 1985 zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten, vereinbarten der Kläger und G. am 17. September 1985 u.a., daß sich G. bei der B. um die Löschung der auf dem Grundstück des Klägers lastenden Grundschulden bemühen werde. Mit der Löschung sollten alle noch offenen Forderungen des Klägers aus seiner Steuerberatertätigkeit für G. ausgeglichen sein. Die Freigabe der Sicherheiten scheiterte jedoch.
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Die Grundschulden wurden von der B. an die Beklagte abgetreten. Außerdem teilte die Beklagte dem Kläger durch Schreiben vom 30. Juli 1986 mit, G. habe die 1983 von der B. erworbenen Darlehensforderungen gegen den Kläger in einer inzwischen auf 540.403,86 DM angewachsenen Höhe an sie abgetreten.
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Der Kläger verlangt von der Beklagten die Löschung der Grundschulden. Er bestreitet die Höhe der Forderungen und beruft sich auf die zwischenzeitliche Aufrechnung mit Honorarforderungen gegen G.. Er macht geltend, daß der Beklagten allenfalls noch eine geringe Restforderung zustehe. Auch diese sei jedoch durch die Grundschulden nicht gesichert, weil die B. nach dem Verkauf der Forderungen ohne die Grundschulden keinen Anspruch auf die Sicherheiten mehr gehabt habe. Die Sicherungsvereinbarung habe sich nur auf die Forderungen der B. gegen den Kläger bezogen. Mit dem Verkauf und der isolierten Übertragung der Forderungen an G. sei der rechtliche Grund für die Einräumung der Grundschulden entfallen, so daß der Kläger die Rückgewähr der Grundschulden beanspruchen könne.
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Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Verweigerung der Zustimmung zur Löschung der Grundschulden im Hinblick auf die ihr zustehenden Forderungen berechtigt sei.
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Durch Teilurteil vom 23. März 1988 verurteilte das Landgericht München I die Beklagte zur Bewilligung der Löschung der oben aufgeführten Grundschulden. Soweit der Kläger die Feststellung beantragt hatte, daß die Beklagte keine 23.311,09 DM übersteigende Forderung gegen den Kläger habe, blieb der Rechtsstreit beim Landgericht anhängig. Das Berufungsgericht hob das Teilurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurück. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger hinsichtlich der unter Nr. 4-6 in Abteilung III eingetragenen Grundschulden die Klage weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, ein unmittelbarer Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Abtretung der Grundschulden sei nach dem Tatsachenvortrag der Parteien nicht begründet. Der Kläger habe bis zur Abtretung der Darlehensforderungen keine Leistungen erbracht. Er habe nicht vorgetragen, die Sicherungsabrede mit der B. habe zum Inhalt gehabt, daß er im Falle der isolierten Abtretung der gesicherten Forderungen an einen Dritten einen eigenen Anspruch auf Abtretung der Sicherungsgrundschulden erwerben sollte. Auch der Hinweis des Klägers, daß eine wirksame Vereinbarung fehle, wonach die Grundschulden auch die Verbindlichkeiten des Zessionars G. sichern sollten, gebe dafür nichts her. Der Kläger habe sich lediglich auf die Schlußfolgerung beschränkt, die B. habe aufgrund der isolierten Abtretung der persönlichen Forderungen die Grundschulden an den Kläger zurückgewähren müssen, ohne dies als Inhalt der maßgebenden Sicherungsabrede zu bezeichnen.
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Der Bestand und die Höhe der durch die Grundschulden gesicherten Forderungen hingen davon ab, in welchem Umfang sie durch die Aufrechnung des Klägers erloschen seien. Vor der Klärung dieser Frage, die Gegenstand des noch beim Landgericht München I anhängigen Verfahrens sei, könne der Rechtsstreit nicht entschieden werden. Das Teilurteil sei daher zu Unrecht ergangen.
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II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
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Einen Anspruch auf Aufhebung der Grundschulden könnte der Kläger gegenüber der Beklagten aus §§ 1192, 1169 BGB herleiten. Der Grundstückseigentümer, der einem Gläubiger eine Sicherungsgrundschuld bestellt, hat aus dem Sicherungsvertrag bei Wegfall des Sicherungszwecks einen Anspruch auf Verzicht oder auf Aufhebung der Grundschuld. Bei unwirksamer oder fehlender Sicherungsabrede ergibt sich dieser Anspruch aus § 812 BGB. Diese Ansprüche richten sich gegen den Grundschuldgläubiger, mit dem der Sicherungszweck der Grundschuld verabredet und der Partei des Sicherungsvertrages war (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1984 - IX ZR 142/83, NJW 1985, 800/801 m.w.Nachw.). Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor, da der Sicherungszweck nicht entfallen ist.
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1. Das Berufungsgericht ist zu Recht von einem Sicherungsvertrag ausgegangen. Nach der Darlegung des Klägers existierte zwar keine schriftliche Zweckerklärung. Doch hat sich der Kläger unwidersprochen auf eine Sicherungsabrede berufen. Aus dem Darlehensvertrag vom 20. Mai 1980 läßt sich zudem entnehmen, daß die Darlehensgewährung gegen die Einräumung von Grundschulden erfolgen sollte. Ist eine Grundschuld bestellt und - wie hier - zugunsten des Sicherungsgebers valutiert, so kann auf eine wenigstens konkludente Sicherungsabrede geschlossen werden (Erman/Räfle, BGB, 8. Aufl., § 1191 Rdn. 5 und 6). In der Praxis wird weitgehend davon abgesehen, den Inhalt des Sicherungsvertrages zusammengefaßt und vollständig schriftlich niederzulegen. In diesen Fällen ergeben sich die Rechte und Pflichten der Beteiligten aus dem Inhalt und dem Zweck des Kreditverhältnisses, aus dem die durch die Grundschuld zu sichernden Forderungen erwachsen (Staudinger/Scherübl, BGB, 11. Aufl., § 1191 Rdn. 15 und 19). Unter den gegebenen Umständen ist danach davon auszugehen, daß die Sicherungsabrede alle damaligen Forderungen der B. gegen den Kläger in den Deckungsbereich der Grundschulden einbezog.
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2. Dieser Sicherungszweck ist durch den Verkauf und die isolierte Abtretung der Forderungen der B. gegen den Kläger an G. durch den Vertrag vom 7. Juli 1983 nicht entfallen.
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a) Die isolierte Forderungsabtretung ist nicht unwirksam, da die Sicherungsabrede - jedenfalls soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist - in der Regel kein Abtretungsverbot im Sinne des § 399 BGB, sondern nur die schuldrechtliche Verpflichtung begründet, die Zweckbindung der Grundschuld zu erhalten (BGH, Urteil vom 13. Mai 1982 - III ZR 164/80, NJW 1982, 2768 zu Nr. 21 III 2 AGB der Banken; BGH, Urteil vom 4. Juli 1986 - V ZR 238/84, ZIP 1986, 1454/1456; Erman/Räfle aaO § 1191 Rdn. 55; Staudinger/Scherübl aaO § 1191 Rdn. 38 und 39; a.A. MünchKomm/Eickmann, § 1191 Rdn. 24 und 56). Durch die isolierte Abtretung der Forderung stand der B. keine sicherungsfähige Forderung gegen den Kläger mehr zu. Die Kaufpreisforderung der B. gegen G. war durch die Grundschulden nicht gesichert, da entsprechende schriftliche Sicherungsvereinbarungen zwar von der B. vorbereitet, von dem Kläger aber nicht unterzeichnet wurden.
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b) Zwar kann mit der isolierten Abtretung der Forderung die endgültige Erledigung des Sicherungszwecks verbunden sein, was dazu führt, daß der Sicherungsgeber und Schuldner vom Sicherungsnehmer die Rückgewähr der Grundschulden verlangen kann (BGH, NJW 1985, 800/801; Erman/Räfle aaO § 1191 Rdn. 55). Es ist jedoch auch möglich, daß keine Zweckerledigung eintritt und daß die bei der isolierten Forderungsabtretung in der Hand des bisherigen Gläubigers verbleibende Grundschuld trotzdem die abgetretene Forderung weiter sichert. Dies hängt davon ab, ob von den Beteiligten - möglicherweise auch stillschweigend - eine entsprechende Sicherungsvereinbarung getroffen wurde.
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c) Im vorliegenden Fall sind die zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen dahin auszulegen, daß die Sicherungsfunktion der Grundschulden auch nach der isolierten Abtretung für die abgetretenen Forderungen fortbestehen sollte. Davon geht offenbar auch das Berufungsgericht im Ergebnis aus, wenn seine Ausführungen auch eine Auslegung in tatsächlicher Richtung vermissen lassen. Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts und der übrigen Feststellungen im Berufungsurteil ist der Senat jedoch in der Lage, die erforderliche Auslegung selbst vorzunehmen. Das gilt auch dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen (BGHZ 65, 107/112 m.w.Nachw.). Dem zwischen G. und der B. abgeschlossenen Forderungskaufvertrag vom 7. Juli 1983 ist zu entnehmen, daß die B. die Sicherungsfunktion der Grundschulden für das dem Kläger gewährte Darlehen durch den kreditierten Forderungsverkauf an G. jedenfalls nicht als erledigt ansah. Das geht insbesondere aus Abschnitt III der Vereinbarung hervor, wonach die Grundschulden der B. als Sicherheit für alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen dienen sollten, die die B. gegenüber Herrn G. aus der Finanzierung des Forderungsverkaufs hatte. Die Sicherungsfunktion der Grundschulden bestand auch mit der stillschweigenden Zustimmung des Klägers weiter. Der Kläger ist über die Einzelheiten der isolierten Forderungsabtretung informiert gewesen. Sie entsprach auch seinen Wünschen, da sie ihm die Möglichkeit der Aufrechnung mit Honorarforderungen gegen G. eröffnete. Der Kläger ging in Ziffer 3 der Vereinbarung vom 17. September 1985 mit G. offensichtlich selbst von der fortbestehenden Sicherungsfunktion der Grundschulden aus. Das wird aus der darin von G. gegenüber dem Kläger eingegangenen Verpflichtung deutlich, sich um die Löschung der auf dem Grundstück des Klägers lastenden Grundschulden zu bemühen, was nur durch die Bezahlung des Kaufpreises für die abgetretenen Forderungen durch G. hätte geschehen können. Die Vereinbarungen der Beteiligten liefen offenbar darauf hinaus - worauf die Beklagte in der Revisionsinstanz hingewiesen hat -, daß an G. auch die - weiter als Sicherheit dienenden - Grundschulden abgetreten werden sollten, sobald er den für die abgetretenen Forderungen vereinbarten Kaufpreis an die B. entrichtet hatte.
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