Bestimmung der Buchführungsgebühr des Steuerberaters - Abweichen von einem Sachverständigengutachten
Orientierungssatz
1. Für Buchführungsarbeiten hat der Steuerberater in den Grenzen der Rahmengebühren die Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfanges und der Schwierigkeit der Aufgabe nach billigem Ermessen zu bestimmen. Im Streitfall erfolgt diese Bestimmung durch das Gericht.
2. Der Tatrichter ist zwar nicht gehindert, von einem Sachverständigengutachten abzuweichen. Er muß dann aber seine eigene Sachkunde im Urteil ausreichend begründen und sich mit den Argumenten des Gutachters sachlich auseinandersetzen. Ob dies in genügender Weise geschehen ist, unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung. Hält der Tatrichter ein schriftliches Gutachten für unvollständig oder unklar, so muß er es sich im allgemeinen ergänzen oder erläutern lassen, sofern er nicht wegen der Mängel die Einschaltung eines anderem Sachverständigen für geboten hält.
3. Zu den Voraussetzungen der fristlosen Kündigung eines Steuerberatervertrages aus wichtigem Grund.




vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 19. Februar 1987, 4 O 8614/84
Tatbestand
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Der Kläger verlangt vom Beklagten die Vergütung für steuerberatende Tätigkeit sowie Schadensersatz wegen unberechtigter fristloser Kündigung des Steuerberatervertrages.
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Zum Streit zwischen den Parteien war es im April 1984 gekommen, nachdem der Kläger für die Erstellung der Bilanzen 1981 und 1982 insgesamt 21.233,41 DM in Rechnung gestellt hatte. Der Beklagte verlangte schriftlich eine weitgehende Reduzierung der Vergütung und drohte für den Fall der Weigerung eine Lösung des Vertragsverhältnisses an. Nachdem der Kläger in einem Antwortschreiben auf die besonderen Schwierigkeiten bei der Erstellung der Bilanzen hingewiesen hatte, zahlte der Beklagte einen Teilbetrag von 10.000 DM und beharrte auf seinem Standpunkt; dabei wies er erneut auf die in seinem ersten Schreiben erwähnten Konsequenzen hin. Der Kläger bat ihn daraufhin im Juli 1984 schriftlich, seinen Standpunkt noch einmal zu überdenken, regte "zur Lösung der Angelegenheit" ein "vernünftiges Gespräch" an und erklärte seine Bereitschaft hierzu. Als der Beklagte darauf nicht reagierte, erstellte er unter dem 17. Oktober 1984 Rechnungen über die Buchführungsarbeiten in den Jahren 1981, 1982 und 1983, die um 8.227,79 DM, 11.437,86 DM und 15.390,99 DM über den bis dahin berechneten Abschlagszahlungen lagen. Wenig später ließ er durch seinen Anwalt Klage wegen des offenen Restbetrages von 11.282,92 DM für die im April 1984 in Rechnung gestellten Bilanzen androhen. Der Beklagte beanstandete auch die Höhe der Rechnungen für die Buchhaltungsarbeiten, berief sich auf eine nach seiner Auffassung bestehende Pauschalhonorar-Vereinbarung und ließ schließlich unter dem 15. November 1984 durch seine Anwälte den Steuerberatervertrag "mit sofortiger Wirkung" kündigen. Der Kläger bestreitet die Berechtigung dieser Kündigung.
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Das Landgericht hat dem Kläger nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens insgesamt 98.035,24 DM nebst Zinsen zuerkannt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Berufung hat der Beklagte die Verurteilung wegen eines Teilbetrages von 23.786,69 DM nebst Zinsen (insbesondere auch wegen der Restforderung von 11.282,92 DM für die Bilanzen 1981 und 1982) hingenommen und nur noch die Verurteilung zu weiteren Zahlungen für die Buchführung in den Jahren 1981 bis September 1984 sowie zum Schadensersatz wegen unberechtigter Kündigung des Steuerberatervertrages angefochten. Das Berufungsgericht hat nach Vernehmung einer weiteren Zeugin den Beklagten unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils insgesamt nur zur Zahlung von 39.506,04 DM (einschließlich des rechtskräftig zugesprochenen Teiles von 23.786,69 DM) nebst Zinsen verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
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Das Rechtsmittel ist begründet.
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1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts stehen dem Kläger für die Buchführungsarbeiten in der Zeit vom 1. Januar 1981 bis zum 30. September 1984 nur noch insgesamt 15.719,35 DM zu. Im Gegensatz zu dem vom Landgericht hinzugezogenen Sachverständigen ist es der Auffassung, daß nicht die Festsetzung der Höchstgebühren nach § 10 AllGO bzw. § 11 StbGebV, sondern lediglich die Berechnung einer 7/10-Gebühr nach diesen Vorschriften angemessen sei. Schadensersatzansprüche des Klägers hat es mit der Begründung verneint, die fristlose Kündigung des (nach der vertraglichen Vereinbarung erst zum Ende des Jahres 1985 kündbaren) Steuerberatervertrages sei angesichts des Verhaltens des Klägers im Zusammenhang mit der Gebührenberechnung gerechtfertigt.
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2. Bei der Berechnung der Gebührenforderungen des Klägers für die Buchführungsarbeiten ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Steuerberater nach den hier anwendbaren Regelungen des § 10 AllGO und des § 11 StbGebV in den Grenzen der Rahmengebühren die Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfanges und der Schwierigkeit der Aufgabe nach billigem Ermessen zu bestimmen hat und daß im Streitfall diese Bestimmung durch das Gericht erfolgt. Mit Recht wendet sich jedoch die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht den vom Landgericht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens zuerkannten Betrag erheblich gekürzt hat, ohne den in erster Instanz hinzugezogenen Sachverständigen ergänzend zu hören oder einen anderen Sachverständigen zu beauftragen.
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Der Tatrichter ist zwar nicht gehindert, von einem Sachverständigengutachten abzuweichen. Er muß dann aber seine eigene Sachkunde im Urteil ausreichend begründen und sich mit den Argumenten des Gutachters sachlich auseinandersetzen. Ob dies in genügender Weise geschehen ist, unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung (st. Rspr., vgl. BGH Urt. v. 27. Mai 1982 - III ZR 201/80, NJW 1982, 2874 m.w.Nachw.). Hält der Tatrichter ein schriftliches Gutachten für unvollständig oder unklar, so muß er es sich im allgemeinen ergänzen oder erläutern lassen, sofern er nicht wegen der Mängel die Einschaltung eines anderen Sachverständigen für geboten hält (BGH, Urt. v. 5. Juni 1981 - V ZR 11/80, NJW 1981, 2578 m.w.Nachw.; vgl. auch Urt. v. 3. Juni 1986 - VI ZR 95/85, NJW 1986, 2886, 2887). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
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Der Hinweis im angefochtenen Urteil, der Sachverständige habe gebeten, ihn aus Altersgründen nicht mehr hinzuzuziehen, rechtfertigt ein Abweichen von dem Gutachten unter Verzicht auf jede sachverständige Beratung in der Berufungsinstanz für sich allein nicht. Falls der Sachverständige aus gesundheitlichen Gründen zu einer Erläuterung und Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens tatsächlich nicht mehr in der Lage gewesen sein sollte, hätte das Berufungsgericht notfalls einen anderen Sachverständigen hinzuziehen oder ein Gutachten der Berufskammer nach § 76 Abs. 2 Nr. 7 StBerG (vgl. Eckert/Böttcher, StbGebV § 11 Rdn. 7) einholen müssen.
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Die weitere Begründung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall seien "andere, nicht der Sachverständigenbeurteilung zugängliche Kriterien von entscheidender Bedeutung", setzt sich in Widerspruch zu der anschließend folgenden Auseinandersetzung mit den einzelnen in § 10 AllGO, § 11 StbGebV niedergelegten Kriterien. Daß in diesem Bereich der sachverständigen Beratung des Gerichts besondere Bedeutung zukommt, ergibt sich aus der Regelung des § 12 Abs. 2 BRAGO, die für den Parallelbereich der Rechtsanwaltsrahmengebühren sogar ausdrücklich die Einholung eines Gutachtens des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer vorschreibt.
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Eigene ausreichende Sachkunde hat das Berufungsgericht nicht dargelegt. Es hat im Gegenteil darauf hingewiesen, daß der Umfang der Buchführungsarbeiten "für den Senat schwer zu überschauen" sei. Gerade für diesen wesentlichen Gesichtspunkt bei der Ermittlung des angemessenen Honorars wäre es daher auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen gewesen.
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Allein dieser Rechtsfehler führt bereits zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich der Höhe des Buchführungshonorars. Auf die weiteren Angriffe der Revision gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Bestimmung der angemessenen Vergütung braucht daher im einzelnen nicht eingegangen zu werden.
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3. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe einen wichtigen Grund zur Kündigung des Steuerberatervertrages gehabt, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Das Berufungsgericht stützt sich allein auf das Verhalten des Klägers bei der Berechnung der Vergütung für die Buchhaltungsarbeiten. Es wirft ihm vor, unvermittelt und verfrüht für drei Jahre abgerechnet und dabei den Gebührenrahmen voll ausgeschöpft zu haben, nachdem er in der Auseinandersetzung über die Vergütung für die Erstellung der Bilanzen nicht das klärende Gespräch gesucht habe. Diese Betrachtungsweise läßt die umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vermissen. Nur wenn es dem Kündigenden nach dem Ergebnis dieser Gesamtbetrachtung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung fortzusetzen, liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung vor (BGH, Urteile vom 18. Juni 1984 - II ZR 221/83, ZIP 1984, 947, 948 m.w.Nachw. und vom 19. Oktober 1987 - II ZR 97/87, ZIP 1988, 47, 48 = BGHR BGB § 626 Abs. 1 wichtiger Grund 1). Dabei darf das vorausgegangene Verhalten des Kündigenden nicht unberücksichtigt bleiben. Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht in Erwägung gezogen, daß der Beklagte mit seiner - nach den unangefochten gebliebenen Darlegungen des Landgerichts im Ergebnis unberechtigten - Beanstandung der Rechnung vom April 1984 und der damit verknüpften Androhung, das Vertragsverhältnis zu lösen, den ersten Anlaß für die Störung des Vertrauensverhältnisses gegeben hat. Im übrigen wird die erneute Prüfung der für die Buchführungsarbeiten berechneten Gebühren möglicherweise das Verhalten des Klägers in anderem Licht erscheinen lassen.
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4. Das Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat hat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
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