Nichtabnahmeentschädigung beim Scheitern des Gesamtfinanzierungsnachweises als überraschende Klausel bei Ablehnung konzerninterner Kreditaufteilung
Leitsatz
Die von der Bank für den Fall des Scheiterns der vom Darlehensnehmer nachzuweisenden Gesamtfinanzierung ausbedungene Nichtabnahmeentschädigung verstößt gegen AGBG § 3, wenn die als Kreditgeber auftretenden Banken konzernmäßig verbunden sind und weitere Umstände den Darlehensvertrag und die benötigte Restfinanzierung als ein rechtlich und wirtschaftlich einheitliches Geschäft erscheinen lassen.










vorgehend LG Berlin, 1. November 1995, 11 O 107/95

Jürgen Sonnenhof, WuB I E 3 Hypothekarkredit 3.98 (Anmerkung)

Martin Arendts, ZAP ERW 1998, 34 (Anmerkung)
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 26. September 1996 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 1. November 1995 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Hypothekenbank, verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines nicht abgenommenen Darlehens.
- 2
Die in B. ansässige Beklagte, die ein Lager- und Speditionsunternehmen betreibt, erwarb im Jahre 1991 ein Grundstück in L. (Brandenburg), um es mit einem Lager- und Bürogebäude zu bebauen. Zum Zwecke der Finanzierung des Bauvorhabens wandte sich die Beklagte an ihre langjährige Hausbank, eine Filiale der D. Bank in B. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen erhielt sie nach ihrer Behauptung von deren Zweigstellenleiter Z. den Rat, einen Teil der Bausumme mit einem zinsgünstigeren Hypothekendarlehen der Klägerin, einer Tochtergesellschaft der D. Bank, zu finanzieren. Nach Besichtigung des Baugrundstücks unterbreitete die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 22. Dezember 1992 über die Filiale der D. Bank ein Angebot über ein erststelliges Darlehen in Höhe von 2.800.000 DM, das in der Folgezeit angenommen wurde.
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Nach Nr. VII der Formularbedingungen des Vertrages ist der Darlehensnehmer verpflichtet, die Auszahlungsvoraussetzungen, zu denen auch der Nachweis der Gesamtfinanzierung gehört, zu erfüllen. Für den Fall, daß "die Auszahlungsbedingungen nicht binnen einer von der Bank gesetzten angemessenen Frist verbunden mit einer Ablehnungsandrohung geschaffen werden oder die Abnahme des Darlehens verweigert wird", gaben die Formularabreden der Klägerin das Recht, neben den angefallenen Bereitstellungszinsen, Schätzkosten und sonstigen Auslagen eine pauschale Entschädigung von 0,5% jährlich des nicht bezogenen Darlehensbetrages für die Zeit der Rückzahlungssperrfrist zu verlangen (Nr. X 1.1.1 und 1.2 AGB).
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Im Mai 1993 lehnte die D. Bank die Restfinanzierung ab. Die Beklagte erklärte daher mit Schreiben vom 22. Juli 1993 gegenüber der Klägerin den Rücktritt vom Darlehensvertrag. Die Klägerin wies am 4. August 1993 den Rücktritt der Beklagten als unberechtigt zurück. Eine Durchschrift des Antwortschreibens erhielt die Filiale der D. Bank zur Kenntnisnahme.
- 5
Das Landgericht hat die auf die Entschädigungsklausel gestützte Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 6
Die Revision ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
- 7
Das Berufungsgericht hält eine Schadensersatzhaftung der Beklagten wegen Nichtabnahme des Darlehens für gegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt:
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei der Darlehensvertrag nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erloschen; da die hier in Rede stehende Gesamtfinanzierung zu den in Nr. VII der Formularbedingungen genannten Auszahlungsvoraussetzungen gehöre und damit einen Bestandteil des Vertrages bilde, könne eine etwaige Störung des Vertragszwecks nicht nach der Geschäftsgrundlagenlehre beurteilt werden. Abgesehen davon würde die in der Vereinbarung über den Nachweis der Gesamtfinanzierung liegende vertragliche Risikoverteilung bei einer Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht mehr der Beklagten, sondern der Klägerin aufgebürdet. Gegen die Wirksamkeit der formularmäßig festgelegten Risikoverteilung bestünden keine Bedenken, weil das Gelingen der Gesamtfinanzierung ohnehin in den Risikobereich des Darlehensnehmers falle. Daß die restliche Finanzierung durch die B.'er Filiale der D. Bank eine Bedingung des Darlehensvertrages darstelle, sei dem vorliegenden Vertragswerk nicht zu entnehmen.
- 9
Auch die von der Beklagten behaupteten Umstände des Vertragsabschlusses berührten den Anspruch der Klägerin nicht. Auf die Frage, ob der Zweigstellenleiter Z. der D. Bank die Beklagte an die Klägerin verwiesen und der Beklagten zur Aufnahme des Kredites geraten habe, komme es nicht an, da er dabei nicht als Vertreter oder Erfüllungsgehilfe für die Klägerin tätig geworden sei. Der Umstand, daß die Klägerin ihr Angebot vom 22. Dezember 1992 über die B.'er Filiale der D. Bank an die Beklagte gerichtet habe, rechtfertige insoweit keine andere Beurteilung. Schließlich reiche das Vorbringen der Beklagten selbst unter Berücksichtigung der Konzernzugehörigkeit der Klägerin für eine Feststellung, daß die Beklagte durch ein kollusives Zusammenwirken der beiden Banken "in eine Kreditfalle gelockt" worden sei, nicht aus.
II.
- 10
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
- 11
1. Allerdings kann der Revision nicht gefolgt werden, soweit sie der Ansicht ist, daß die Geschäftsgrundlage des Darlehensvertrages weggefallen sei.
- 12
Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluß aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und nicht beanstandeten Vorstellungen des anderen Vertragsteils von dem Vorhandensein oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien sich aufbaut (siehe etwa BGH, Urteil vom 27. September 1991 - V ZR 191/90, ZIP 1991, 1599, 1600 m.w.Nachw.). Vorliegend hingegen haben die Parteien, wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt, denjenigen Umstand, den die Beklagte als Geschäftsgrundlage ansieht, nämlich die Gesamtfinanzierung des geplanten Bauvorhabens, ausdrücklich in Nr. VII der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt. Daß die Filiale der D. Bank die weitere Finanzierung des Bauvorhabens zur Überraschung der Beklagten abgelehnt hat, läßt sich deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage beurteilen.
- 13
2. Hingegen hält die Ansicht des Berufungsgerichts, nach der der Klägerin aus Nr. VII in Verbindung mit Nr. X 1.1.1 und 1.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zustehe, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand; vielmehr ist die Haftungsklausel unter den hier vorliegenden Umständen überraschend und daher nichtig (§ 3 AGBG).
- 14
Allerdings bestehen bei Grundstücksbeleihungen durch eine Hypothekenbank in der Regel keine Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Klausel, durch die eine Abnahmeverpflichtung hinsichtlich des Darlehens und - darauf aufbauend - eine Nichtabnahmeentschädigung formularmäßig begründet wird (vgl. etwa Senatsurteil vom 12. März 1991 - XI ZR 190/90, WM 1991, 760, 761). Andererseits hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (BGHZ 102, 152, 158 ff. m.w.Nachw.; 106, 19, 23; 109, 197, 201; 126, 174, 176; Senatsurteil vom 27. Juni 1995 - XI ZR 213/94, WM 1995, 1663, 1664) entschieden, daß ein Verstoß gegen § 3 AGBG vorliegt, wenn als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandelnde Vertragsbestimmungen eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei durch die - allgemeinen und individuellen - Begleitumstände des Vertragsschlusses, insbesondere auch seinen konkreten Anlaß, geprägt.
- 15
Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß die Beklagte den gesamten Finanzierungsbedarf zunächst durch einen einheitlichen Kredit der Muttergesellschaft der Klägerin decken wollte, sich dann aber - wie die Klägerin wußte - aus Kostengründen dazu entschlossen hat, die Gesamtfinanzierung auf die Klägerin als Realkreditinstitut und die Muttergesellschaft als Geschäftsbank aufzuteilen. Bei dieser besonderen Sachlage brauchte sie angesichts der engen rechtlichen und wirtschaftlichen Verbundenheit der beiden als Kreditgeber auftretenden Banken vernünftigerweise nicht damit zu rechnen, daß die zuerst mit ihr abschließende sich formularmäßig eine Annahmeverpflichtung auch für den Fall der Ablehnung der Restfinanzierung durch die andere ausbedingen würde. Die Beklagte durfte vielmehr darauf vertrauen, daß ihr durch die Arbeitsteilung zwischen den beiden verbundenen Unternehmen keine weitergehenden rechtlichen Bindungen auferlegt werden würden, als dies bei der ursprünglich gewünschten Finanzierung durch die Muttergesellschaft der Klägerin der Fall gewesen wäre. Bei Ablehnung der Finanzierung durch diese wäre die Beklagte frei gewesen, sich anderweitig um Kredit zu bemühen. Soweit die Klägerin jede Verbindung zwischen den beiden Teilen des Finanzierungskonzepts in Abrede stellt, setzt sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten (Einschaltung der Muttergesellschaft in die Korrespondenz mit der Beklagten) und zu dem auch für sie auf der Hand liegenden besonderen Anlaß für die Kreditaufteilung, der die Erwartungen der Beklagten notwendigerweise prägte.
III.
- 16
Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Klägerin hat nicht behauptet, die Beklagte bei Abschluß des Vertrages auf die Verpflichtung zur Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung für den Fall des Scheiterns der Restfinanzierung hingewiesen zu haben. Unter diesen Umständen war das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
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