Bereicherungseinrede einer Bank gegen Kontogutschrift
Leitsatz
1. Zur Bereicherungseinrede einer Bank gegenüber einer von ihr erteilten Kontogutschrift.








vorgehend LG Ansbach, 20. Mai 1987, 3 O 605/86


Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Hönn, 8. Auflage 2017, § 666 BGB
● Schwintowski, 8. Auflage 2017, § 675t 1. Überarbeitung
● Schwintowski, 8. Auflage 2017, § 675t BGB
Tatbestand
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Die Klägerin (Widerbeklagte zu 1) und die Widerbeklagten zu 2) und 3) sind Mitglieder einer Erbengemeinschaft nach ihrer am 30. März 1982 verstorbenen Mutter H. L., die ihrerseits ihren Ehemann, den am 21. Januar 1981 verstorbenen W. L., beerbt hatte. Dieser hatte mit seinem Bruder Ha. L. das Elektrogeschäft Wi. L. & Söhne in A. als OHG betrieben und war gleichzeitig mit ihm in Erbengemeinschaft nach deren vorverstorbenem Vater Wi. L. Gesamthandseigentümer des Grundstücks S. Str. in A.. Dieses Grundstück, das mit Grundschulden der Beklagten über insgesamt 26.000 DM belastet war, wurde von der Erbengemeinschaft nach Wi. L., bestehend aus Ha. L. einerseits (zu 1/2) und der Miterbengemeinschaft zwischen der Klägerin und den Widerbeklagten andererseits, mit notariellem Vertrag vom 18. August 1982 an ein Familienmitglied zum Preis von 310.000 DM verkauft. Im Kaufvertrag war u.a. bestimmt, daß der Kaufpreis auf das Konto Nr. 213082 der Verkäufer bei der Beklagten zu zahlen war und daß die auf diesem Konto auflaufenden Habenzinsen mit den auf dem Geschäftskonto der Firma "Wi. L. & Söhne" anfallenden Schuldzinsen verrechnet werden sollten. Die Beklagte eröffnete dieses Konto am 1. September 1982 entsprechend dem Kontoeröffnungsantrag des Mitverkäufers Ha. L. allerdings nicht auf den Namen der Verkäufer, sondern auf den Namen der Wi. L. & Söhne OHG.
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Den auf das Konto Nr. 213082 überwiesenen Kaufpreis buchte die Beklagte am 24. Oktober 1983 auf das Geschäftskonto (Kontokorrentkonto) der Firma L. & Söhne um und verrechnete den Betrag mit einem dort bestehenden Debetsaldo, der aus Krediten resultierte, die die Beklagte der Firma L. gewährt hatte. Die Firma L. & Söhne OHG wurde im November 1981 rückwirkend auf den Todestag des W. L. in eine Kommanditgesellschaft - mit H. L. als Kommanditistin - umgewandelt und als solche am 24. Februar 1982 im Handelsregister eingetragen. Über deren Vermögen wurde im Mai 1984 der Konkurs eröffnet.
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Mit der Klage macht die Klägerin für die Miterbengemeinschaft nach H. L. eine Kaufpreishälfte von 155.000 DM geltend, während die Beklagte widerklagend die Feststellung ihrer mangelnden Auszahlungsverpflichtung begehrt. Die Widerbeklagten haben hilfsweise Wider-Widerklage auf Zahlung des jeweils auf sie entfallenden Kaufpreisanteils erhoben. Im Verlaufe des Rechtsstreits und nachdem die Klägerin die Käuferin des Grundstücks vor dem Landgericht A. auf Kaufpreiszahlung verklagt hatte, schrieb die Beklagte nunmehr das Konto 213082 auf die Erbengemeinschaft um, stornierte die Umbuchung vom Oktober 1983, und schrieb den Kaufpreis am 1. Juni 1988 erneut dem Girokonto gut. Dies teilte sie der Klägerin, den Widerbeklagten und Ha. L. mit Schreiben vom 3. Juni 1988 mit; darin erklärte sie zugleich gegenüber dem Anspruch auf Auszahlung des Guthabens die Aufrechnung mit Forderungen gegen die Klägerin und die Widerbeklagten, die sie aus einer gesamtschuldnerischen Haftung als Erben des persönlich haftenden Gesellschafters der L. & Söhne OHG herleitet. Es ist unstreitig, daß die Kreditschulden der Gesellschaft gegenüber der Beklagten bei Eintragung der Kommanditgesellschaft am 24. Februar 1982 549.647,64 DM betrugen.
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Das Landgericht hat die Klage und die Wider-Widerklage abgewiesen und der Widerklage nur gegen die Widerbeklagten zu 2) und 3) stattgegeben; die Widerklage gegen die Klägerin hat es als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2) und 3) hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Beklagten der Klage stattgegeben und die Widerklage insgesamt abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihre ursprünglichen Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
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I. Das Berufungsgericht bejaht einen Zahlungsanspruch der Klägerin mit der Erwägung, daß die Beklagte diesen mit ihrer Gutschrift vom 1. Juni 1988 auf dem Konto der Erbengemeinschaft anerkannt habe; erst damit sei die Beklagte der Anweisung im notariellen Kaufvertrag nachgekommen, wonach der von der Grundstückskäuferin bei der Beklagten aufgenommene Kredit in Anrechnung auf den Kaufpreis "nur an den Verkäufer auf dessen Konto bei der Sparkasse A. Konto Nr. 213082" auszuzahlen gewesen sei. Jedenfalls beinhalte das an die Mitglieder der Erbengemeinschaft gerichtete Schreiben der Beklagten vom 3. Juni 1988 das Anerkenntnis eines Anspruchs auf Auszahlung des Guthabens. Der von der Beklagten erhobenen Aufrechnungseinrede sei der Erfolg zu versagen. Zwar hafteten Klägerin und Widerbeklagte nach erbrechtlichen Grundsätzen für die Geschäftsschulden der Firma L., jedoch seien die Ansprüche der Beklagten gemäß § 159 HGB verjährt. Die Feststellungswiderklage sei demnach unbegründet.
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II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das Berufungsgericht die von der Beklagten am 1. Juni 1988 zugunsten der Erbengemeinschaft vorgenommene Gutschrift als Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) gewertet hat. Die Gutschriftsanzeige einer Bank stellt in der Regel ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis der Bank gegenüber dem Kunden dar (BGHZ 6, 121, 124; 26, 167, 171; 72, 9, 11). Daß die Beklagte nicht nur - wie die Revision meint - durch eine auch formal dem notariellen Kaufvertrag entsprechende Buchung für Klarstellung sorgen wollte, ohne damit einen Anspruch der Kontoinhaber zu begründen, ergibt sich aus dem vom Berufungsgericht zu Recht zur Auslegung herangezogenen Schreiben der Beklagten vom 3. Juni 1988. Die darin erklärte Aufrechnung macht deutlich, daß die Beklagte von einer wirksam begründeten Zahlungsverpflichtung gegenüber der Erbengemeinschaft ausging.
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2. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, die von der Beklagten am 3. Juni 1988 erklärte Aufrechnung sei unwirksam, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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a) Die Aufrechnung scheitert schon daran, daß der Beklagten kein aufrechenbarer Gegenanspruch mehr zustand. Ihr Anspruch gegen die Erbengemeinschaft als Rechtsnachfolger des persönlich haftenden Gesellschafters der Wi. L. & Söhne OHG aus §§ 128, 130 HGB, §§ 1922, 1967, 2058 BGB, der unstreitig bestanden hat, war dadurch erloschen, daß die Beklagte im Einverständnis mit dem Komplementär Ha. L. am 24. Oktober 1983 das Guthaben auf dem Geschäfts-Girokonto durch Umbuchung auf das Geschäfts-Kontokorrentkonto verrechnet hat (§§ 387, 389 BGB) und die danach noch verbliebene Restforderung durch Zahlung des Konkursverwalters im Jahre 1985 vollständig getilgt wurde.
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Inhaber des Girokontos Nr. 213082 und damit Gläubiger des Bankguthabens war entsprechend dem eindeutigen Kontoeröffnungsantrag des Ha. L. die Kommanditgesellschaft (zur Frage der Kontoinhaberschaft vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1989 - XI ZR 117/88, ZIP 1990, 303). Dabei ist es unerheblich, ob Ha. L. das Konto pflichtwidrig für die Kommanditgesellschaft anstatt für die Erbengemeinschaft eingerichtet und die Beklagte in Kenntnis aller Umstände den von der Grundstückskäuferin überwiesenen Betrag diesem Konto gutgeschrieben hat (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 237).
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Aufgrund der danach gegebenen Aufrechnungslage konnte die Beklagte - unbeschadet etwaiger Ersatzansprüche der Erbengemeinschaft - mit ihren Forderungen gegen die Forderung der Kommanditgesellschaft auf Auszahlung des auf dem Girokonto befindlichen Guthabens aufrechnen.
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b) Die Ansprüche der Beklagten gegen die Klägerin und die Widerbeklagten aus der Gesellschaftererbenhaftung sind auch nicht durch die von der Beklagten am 1. Juni 1988 erteilte Gutschrift wiederaufgelebt. Hierzu hätte es einer vertraglichen Neubegründung der Schuld bedurft (vgl. hierzu Staudinger/Kaduk BGB 12. Aufl. § 389 Rdn. 17 u. Staudinger/Horn aaO § 767 Rdn. 6 zum Wiederaufleben der Bürgschaftsschuld).
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3. Die Klägerin kann aber deshalb keine Zahlung aus der Gutschrift vom 1. Juni 1988 verlangen, weil dem die Einrede der Bereicherung entgegensteht (§§ 812 Abs. 2, 821 BGB). Das ergibt sich aus folgendem:
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a) Die Einrede aus § 821 BGB ist als echte Einrede, die ein Leistungsverweigerungsrecht begründet, nicht von Amts wegen, sondern nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Prozeß - wenn auch nur konkludent (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 50. Aufl. § 274 Anm. 1 a m.w.Nachw.) - geltend gemacht wird. Dies ist erfolgt. Die Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 21. Oktober 1986 (GA 42), vom 8. Dezember 1986 (GA 68) und vom 27. Oktober 1988 (GA 269) hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht und sich darauf berufen, daß die Klägerin und die Widerbeklagten im Fall der Zahlung des eingeklagten Betrages ungerechtfertigt bereichert seien.
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b) Die Beklagte kann das in der Gutschrift vom 1. Juni 1988 liegende Schuldanerkenntnis kondizieren (§ 812 Abs. 2 BGB), soweit sie es gegenüber der Klägerin und den Widerbeklagten ohne Rechtsgrund abgegeben hat. Das ist hier der Fall, weil die Beklagte den Auftrag der Grundstückskäuferin, den überwiesenen Kaufpreis den Verkäufern (Erbengemeinschaft) gutzubringen, erfüllt und durch die mit diesen Mitteln gegenüber der Kommanditgesellschaft im Jahre 1983 vorgenommene Verrechnung die Gesellschaftsschulden verringert hatte, für die die Erbengemeinschaft haftete.
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aa) Die Beklagte hat den Überweisungsauftrag der Grundstückskäuferin erfüllt. Diese ist von der Kaufpreisschuld gegenüber den Verkäufern dadurch befreit worden, daß sie den Kaufpreis auf das bei der Beklagten geführte Konto Nr. 213082 überwiesen hat. Dieses Konto hatten die Verkäufer durch den beurkundenden Notar zuvor für sich reservieren lassen und im späteren Grundstückskaufvertrag mit der Käuferin vereinbart, daß der Kaufpreis dorthin zu überweisen sei. Die Beklagte hat den Überweisungsbetrag für die Verkäufer vereinnahmt und dem angegebenen Konto gutgebracht.
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Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte das Konto nicht auf den Namen der Verkäufer sondern, entsprechend einem abweichenden Antrag des Mitverkäufers Ha. L., auf den Namen der Kommanditgesellschaft eingerichtet hatte. Der Grund dafür war, daß man glaubte, nur auf diese Weise der ebenfalls im Grundstückskaufvertrag getroffenen Vereinbarung Rechnung tragen zu können, daß die auf dem "Kaufpreiskonto" künftig anwachsenden Habenzinsen mit den auf dem Geschäftskonto der KG anfallenden Schuldzinsen verrechnet werden sollten. Berücksichtigt man, daß nicht nur unstreitig die den Verkäufern gebührenden Zinsen zur Verrechnung mit den Schulden der Firma L. dienen sollten, sondern daß auch die mit Willen der Verkäufer in die Verfügungsgewalt der beklagten Sparkasse gelangte Hauptsumme dieser gem. Nr. 21 ihrer AGB als Pfand für die dem Grunde nach unstreitigen Ansprüche gegen die Verkäufer aus Gesellschafterhaftung dienten, so erscheint die von der Beklagten im Einverständnis mit einem der Verkäufer vorgenommene Verbuchung auf einem Konto der KG nicht mißbräuchlich; dies gilt unabhängig davon, ob - wie die Beklagte behauptet - eine spätere Verrechnung des Guthabens mit den Gesellschaftsschulden ohnehin ausdrücklich mit allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft vereinbart war.
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bb) Die Beklagte hat den von der Grundstückskäuferin überwiesenen Betrag zur Verrechnung mit Gesellschaftsschulden verwandt, für die die Mitglieder der Erbengemeinschaft sonst in Anspruch genommen worden wären.
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Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Klägerin und die Widerbeklagten für die Gesellschaftsschulden hafteten, die bis zur Eintragung des Ausscheidens des persönlich haftenden Gesellschafters W. L. und des Eintritts der H. L. als Kommanditistin in das Handelsregister am 24. Februar 1982 entstanden waren. Zu diesem Zeitpunkt betrugen die Schulden der Gesellschaft unstreitig 549.647,64 DM. Der vom Berufungsgericht angenommene Haftungszeitpunkt kann allerdings nicht zugrunde gelegt werden, denn die Klägerin hat - von der Beklagten unwidersprochen - behauptet, daß bereits unmittelbar nach dem Tode des W. L. die Fortsetzung der Gesellschaft als Kommanditgesellschaft beschlossen und dies der Beklagten spätestens am 1. Februar 1981 mitgeteilt worden sei. Dies hat nach § 176 HGB zur Folge, daß die Haftung der Erben für die nach diesem Zeitpunkt begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten entfiel (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1976 - II ZR 145/75, NJW 1976, 848, 849).
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Auch wenn das Berufungsurteil zur Höhe der Verbindlichkeiten der Gesellschaft am 1. Februar 1981 keine Feststellung enthält, kann davon ausgegangen werden, daß durch die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung ausschließlich Altschulden der Gesellschaft getilgt wurden, für welche die Erbengemeinschaft haftete. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, daß die vor dem 1. Februar 1981 begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber der Beklagten knapp 500.000 DM ausmachten (GA 208) und damit den von der Erbengemeinschaft beanspruchten Kaufpreis bei weitem überstiegen.
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Entgegen der Meinung der Klägerin wurde die Forderung der Kommanditgesellschaft gegen die Beklagte nicht mit Neuschulden der Gesellschaft verrechnet. Die von der Beklagten mit Zustimmung des persönlich haftenden Gesellschafters Ha. L. vorgenommene Verrechnung kann bei verständiger Würdigung aller Umstände nur als Bestimmung der Verrechnung mit Altschulden gewertet werden. Hintergrund der Kompensation war, daß die Beklagte den Kaufpreiserlös beanspruchte, der nicht der Gesellschaft sondern der Erbengemeinschaft zustand. Ein anderer Rechtsgrund als der, auf diesen Kauferlös wegen der dem Grunde nach unstreitigen Gesellschafterhaftung der Erben zuzugreifen, bestand nicht und wurde von der Beklagten auch nie für sich in Anspruch genommen. Die Belastung des Grundstücks mit Grundschulden über insgesamt nur 26.000 DM bot keinen Anlaß, den gesamten Erlös von 310.000 DM zu verlangen.
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4. Das Berufungsgericht hat die Feststellungswiderklage gegen die Klägerin zu Recht als unzulässig abgewiesen, denn sie erschöpft sich in der schlichten Verneinung des Klagebegehrens. Sie hat damit keinen selbständigen Streitgegenstand und ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig (vgl. Stein/Jonas/Schumann ZPO 20. Aufl. § 256 Rdn. 82 und § 33 Rdn. 2 m.w.Nachw.).
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5. Nach den obigen Ausführungen zu II. 3. erweist sich die Widerklage gegen die Widerbeklagten zu 2)und 3) als begründet.
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