Wirksamkeitsvoraussetzungen von Prozeßhandlungen des Anwaltsvertreters: Erkennbarkeit des Handelns als Vertreter
Leitsatz
1. Für die Wirksamkeit der Prozeßhandlung eines gemäß § 53 BRAO als Vertreter bestellten Rechtsanwalts reicht es aus, wenn sein Handeln als Vertreter sich aus den Umständen hinreichend deutlich erkennbar ergibt.
Orientierungssatz
1. Hier: Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift durch den beim Berufungsgericht nicht zugelassenen Sozius des Prozeßbevollmächtigten ohne ausdrücklichen Vertretungszusatz.
2. Zitierung: Vergleiche BGH, 1990-12-14, V ZR 329/89, NJW 1991, 1175.









vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 30. Juli 1992, 14 O 1384/92
Gründe
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Der Beklagte zu 1) ist vom Landgericht durch Teilurteil vom 30. Juli 1992, zugestellt am 19. August 1992, verurteilt worden, an den Kläger 9.000 DM nebst Zinsen zu zahlen. Seine dagegen gerichtete Berufung ist am 21. September 1992 von dem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt H. eingelegt worden. Dessen Sozius, Rechtsanwalt S., ist im Eingang der Berufungsschrift als Sachbearbeiter genannt. Er ist - wie sich aus dem gedruckten Schriftsatzkopf der Sozietät ergibt - nur beim Landgericht zugelassen; in der Zeit vom 25. Februar bis 31. Dezember 1992 war er aber gemäß § 53 BRAO als Vertreter für Rechtsanwalt H. amtlich bestellt. Die am 20. Oktober 1992 eingegangene Berufungsbegründung trägt oben den Stempel der Anwaltssozietät und ist von Rechtsanwalt S. ohne Vertretungszusatz unterzeichnet worden. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Berufungsbegründung nicht zweifelsfrei zu entnehmen sei, ob Rechtsanwalt S. sie im eigenen Namen oder als Vertreter für Rechtsanwalt H. unterschrieben habe.
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Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) ist gemäß §§ 519 b Abs. 2, 547, 577 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO zulässig und auch sachlich begründet.
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Die von Rechtsanwalt H. wirksam eingelegte Berufung ist von Rechtsanwalt S. nur dann frist- und formgerecht begründet worden, wenn er den Begründungsschriftsatz nicht im eigenen Namen, sondern als amtlich bestellter Vertreter für Rechtsanwalt H. unterschrieben hat. Um darüber keinerlei Mißverständnisse aufkommen zu lassen, wäre es zwar zweckmäßig gewesen, wenn Rechtsanwalt S. sich in dem Schriftsatz ausdrücklich als "allgemeiner Vertreter" oder "amtlich bestellter Vertreter" bezeichnet hätte; notwendig für die Wirksamkeit der Prozeßhandlung ist ein solcher Zusatz aber nicht (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1974 - III ZR 134/72 = NJW 1975, 542, 543 und Beschluß vom 19. Oktober 1972 - VII ZB 12/72 = VersR 1973, 86). Es reicht aus, wenn das Handeln als Vertreter sich aus den Umständen hinreichend deutlich erkennbar ergibt (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1990 - V ZR 329/89 = NJW 1991, 1175, 1176). Das war hier der Fall: Wenn Rechtsanwalt S. das von Rechtsanwalt H. eingelegte Rechtsmittel in einem Schriftsatz begründete, der den gemeinsamen Stempel beider Anwälte trug, so konnten für das Gericht wie für den Prozeßgegner keine begründeten Zweifel daran bestehen, daß er dabei in Vertretung für Rechtsanwalt H. handeln wollte. Jede andere Deutung unterstellt ihm den Willen zu einer eindeutig unzulässigen Prozeßhandlung und verstößt damit gegen den Auslegungsgrundsatz, daß im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (Senatsbeschluß vom 8. Oktober 1991 - XI ZB 6/91 = BGHR ZPO § 577 - Auslegung 1 m.w.Nachw.).
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