Festsetzung der Beschwer: Zeitpunkt und Berechnung, hier: Aktien
Leitsatz
1. Der für die Festsetzung der Beschwer gemäß ZPO § 546 Abs 2 maßgebliche Zeitpunkt ist die letzte mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht.
2. Der Wert der Beschwer einer abgewiesenen Klage auf Lieferung von börsengängigen Aktien richtet sich nach dem Kurswert am Tage der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts.








vorgehend LG Karlsruhe, 29. April 1988, 2 O 501/87
Gründe
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I. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche wegen einer falschen Bankauskunft geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr 313 Aktien der W. AG zu Eigentum zu übertragen Zug um Zug gegen Zahlung von 18.000 DM.
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Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen und den Wert der Beschwer der Klägerin unter Zugrundelegung des Kurswertes der Aktien von 90 DM pro Stück am Tag seiner mündlichen Verhandlung auf 28.170 DM festgesetzt.
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Die Klägerin hat das Berufungsurteil mit der Revision angefochten und beantragt, den Wert der Beschwer auf über 40.000 DM festzusetzen.
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II. Dieser Antrag ist unbegründet.
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Der Senat ist an die Wertfestsetzung des Berufungsgerichts zwar nicht gebunden, da der festgesetzte Wert der Beschwer 40.000 DM nicht übersteigt (§ 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Darlegungen der Revision rechtfertigen jedoch keine andere Festsetzung.
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1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechnung der Beschwer gemäß § 546 Abs. 2 ZPO die letzte mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist. Der Grund für diese Regelung besteht darin, daß beim Erlaß des Berufungsurteils endgültig feststehen muß, ob das Berufungsgericht nach § 546 Abs. 1 ZPO eine Entscheidung über die Zulassung der Revision zu treffen hat oder nicht. Aus diesem Grunde hat eine Änderung der Beschwer nach Erlaß des Berufungsurteils keine Auswirkung auf die Zulässigkeit der Revision. Wollte man, wie die Revision der Klägerin zu erwägen gibt, auf den Zeitpunkt der Einlegung der Revision abstellen, würde das mit der Bestimmung des § 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO verfolgte Ziel, sicherzustellen, daß immer eine Prüfung der Revisionswürdigkeit einer Sache - entweder durch die Zulassungsprüfung des Berufungsgerichts oder die Annahmeprüfung des Revisionsgerichts (§ 554b ZPO) - vorgenommen wird, im Falle einer nachträglichen Verringerung nicht erreicht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1977 - II ZR 4/77, WM 1977, 1405; AK-ZPO-Ankermann, § 546 Rdn. 4; Baumbauch/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 47. Aufl. § 546 Anm. 2a; Stein-Jonas/Grunsky, ZPO 20. Aufl. § 546 Rdn. 22; Thomas-Putzo, ZPO 15. Aufl. § 546 Anm. 3c; Wieczorek/Rössler, ZPO 2. Aufl. § 546 Anm. B II b; Zöller/Schneider, ZPO 15. Aufl. § 546 Rdn. 11); die von der Revision angeführten, angeblich für den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels sprechenden Zitate beziehen sich auf § 4 ZPO und betreffen den Wert des Beschwerdegegenstandes, wie er für die Rechtsmittel der Berufung (§ 511a ZPO) und der Beschwerde (§ 567 Abs. 2 ZPO) maßgebend ist.
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2. Der Wert einer abgewiesenen Klage auf Herausgabe von Aktien bemißt sich nach allgemeiner Ansicht nach dem Kurswert im für die Festsetzung der Beschwer maßgeblichen Zeitpunkt (AK-ZPO-Röhl § 6 Rdn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann aaO Anh. § 3 Stichwort: Herausgabe b; Stein-Jonas/Schumann aaO § 6 Rdn. 7; Zöller-Schneider aaO § 6 Rdn. 7). Die Revision stellt diese Auffassung zur Überprüfung. Sie meint, bei Aktien sei es verfehlt, auf den Kurswert am Tage der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abzustellen. Bei stark schwankenden Kursen einer Aktie - wie hier von 57,50 DM beim Kauf über 300 DM zu Beginn des Rechtsstreits auf 90 DM am Ende - müsse auf einen angemessenen und realistischen (Durchschnitts-)Wert abgestellt werden, der im vorliegenden Falle mit 130 DM pro Aktie anzusetzen sei. Dem kann nicht gefolgt werden, weil die Festsetzung eines vom effektiven Börsenkurs abweichenden Kurswerts mehr oder weniger willkürlich sein müßte und einer Kursspekulation gleichkäme, die nicht Aufgabe der Gerichte bei der Festsetzung des Werts der Beschwer ist.
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Da der Kurswert der Aktien am Tage der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts unstreitig 90 DM pro Aktie betrug, hat das Berufungsgericht die Beschwer richtig mit 28.170 DM berechnet.
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