Nichtigkeit des im Reisegewerbe vermittelten Umschuldungsdarlehens eines Landwirts bei späterem Vertragsschluß und notarieller Beurkundung
Leitsatz
1. Der Verstoß eines Kreditvermittlers gegen GewO § 56 Abs 1 Nr 6 führte - jedenfalls vor Inkrafttreten des HWiG (juris: HTürGG) - auch dann zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags, wenn das Darlehen der Umschuldung eines landwirtschaftlichen Betriebs diente und der Darlehensvertrag erst einige Zeit nach dem Hausbesuch des Vermittlers geschlossen und notariell beurkundet wurde.
Orientierungssatz
1. Zitierungen: Abgrenzung BGH, 1985-01-17, III ZR 135/83, BGHZ 93, 264, 268; vergleiche BGH, 1991-01-22, XI ZR 111/90, WM IV 1991, 313.












vorgehend LG Braunschweig, 9. März 1988, 5 O 296/87
nachgehend BGH 11. Zivilsenat, 15. Juni 1993, XI ZR 172/92, Urteil
im Text BFH 5. Senat, 28. Februar 2002, V R 19/01



Abgrenzung BGH 3. Zivilsenat, 17. Januar 1985, III ZR 135/83
Tatbestand
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Die Klägerin macht Ansprüche geltend, die ihr von ihrem Ehemann abgetreten worden sind. Der Ehemann war Eigentümer eines rund 21,5 ha großen landwirtschaftlichen Anwesens in Bayern, das 1982 mit Grundpfandrechten von etwa 710.000 DM belastet war. Die Eheleute gerieten damals in wirtschaftliche Schwierigkeiten; sie benötigten zur Begleichung von Zahlungsrückständen und zum Ankauf von Futtermitteln 150.000 DM. Da die örtlichen Kreditinstitute einen zusätzlichen Kredit dieser Höhe verweigerten, wandte sich der Ehemann der Klägerin deswegen an den - in Norddeutschland ansässigen - Kreditvermittler I., der in einer bayerischen Landwirtschaftszeitung langfristige, zinsgünstige Kredite angeboten hatte. I. kündigte telefonisch den Besuch zweier Außendienstmitarbeiter für den Aschermittwoch 1982 an; beide erschienen aber bereits am Faschingsdienstag.
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Die Klägerin hat behauptet: Die Kreditvermittler hätten zunächst die Erfüllung des Kreditwunsches in Aussicht gestellt, bei einem späteren Besuch, nach Einholung neuer Beleihungswertgutachten im Mai 1982, dann aber plötzlich erklärt, ihre Bank sei nicht bereit, lediglich einen nachrangigen Zusatzkredit zu gewähren, sondern fordere eine vollständige Umfinanzierung. So hätten die beiden Kreditvermittler die Klägerin und ihren Ehemann, die dringend Geld benötigten, dazu gebracht, I. einen unwiderruflichen Kreditbeschaffungsauftrag über 850.000 DM mit einer Provisionsverpflichtung von 3% + MWSt zu erteilen und schließlich sogar einer Grundstücksbelastung von insgesamt 1,5 Millionen DM zuzustimmen.
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I. wandte sich wegen des Kredits - wie in zahlreichen anderen Fällen (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 1991 - XI ZR 319/89 = WM 1991, 624) - an die Beklagte, die in W. eine Hypothekenbank betreibt, und an die Bank f. G. in O. (BfG). Die Beklagte erklärte sich in einem an den Ehemann der Klägerin gerichteten Schreiben vom 2. Juni 1982 zur Gewährung eines erstrangigen Hypothekendarlehens von 650.000 DM bereit. In notarieller Schuldurkunde vom 24. Juni 1982 bestätigte der Ehemann der Klägerin den Darlehensempfang und bestellte der Beklagten zur Sicherung eine Hypothek über 650.000 DM. Am gleichen Tage belastete er seinen Grundbesitz außerdem mit einer Grundschuld über 850.000 DM zugunsten des Vermittlers I.. Im Juli 1982 schloß er mit der BfG einen Kreditvertrag über 750.000 DM, für den I. die Bürgschaft übernahm. An Vermittlungsprovision und Bürgschaftsgebühren sind I. nach dem Vortrag der Klägerin insgesamt 209.312 DM zugeflossen.
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In der Folgezeit konnte der Ehemann der Klägerin seine Zahlungspflichten aus den Kreditverträgen nicht erfüllen. Die Beklagte betrieb ab Herbst 1986 die Zwangsvollstreckung aus ihrem Grundpfandrecht. Der Ehemann der Klägerin wollte eine Zwangsversteigerung des Grundbesitzes durch Verkauf vermeiden. Er verhandelte mit der Beklagten und der BfG über eine Ablösungszahlung; dabei machte er geltend, die Kreditverträge seien nichtig. Während er sich mit der BfG einigen konnte, ging die Beklagte auf sein Verlangen nach einer neuen Kreditabrechnung nicht ein; sie erhielt schließlich den vollen Ablösungsbetrag, den sie gefordert hatte, von dem mit dem Verkauf befaßten Notar.
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten Kreditkostenerstattung wegen Nichtigkeit des Vertrags. Die - nach teilweiser Rücknahme noch auf Zahlung von 354.702 DM gerichtete - Klage ist vom Landgericht abgewiesen worden. Ihre dagegen gerichtete Berufung hat die Klägerin auf einen Forderungsbetrag von 150.000 DM nebst 10% Zinsen seit dem 26. Januar 1987 beschränkt. Aufgrund einer neuen Abrechnung hat die Beklagte die Klageforderung in Höhe von 22.336,80 DM anerkannt. Nach Erlaß eines entsprechenden Teilanerkenntnisurteils hat das Berufungsgericht der Klägerin im Schlußurteil weitere 3.538,94 DM und 4% Zinsen ab 20. August 1987 zugesprochen, im übrigen aber die Klageabweisung bestätigt. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
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Die Beklagte hat den Klageanspruch nunmehr in Höhe eines weiteren Teilbetrags von 26.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 20. August 1987 anerkannt. Im übrigen beantragt sie Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
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Auf die Revision mußte das Berufungsurteil, soweit es zum Nachteil der Klägerin erkannt hat, im wesentlichen aufgehoben werden.
I.
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Ohne Erfolg bleibt das Rechtsmittel nur, soweit die Klageforderung auf Zahlung von Zinsen für die Zeit vom 26. Januar bis 19. August 1987 ganz und ab 20. August 1987 in Höhe von mehr als 4% abgewiesen worden ist. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe für einen Zinsbeginn vor der Klagezustellung (20. August 1987) und für einen 4% übersteigenden Verzugsschaden nichts dargetan. Das Berufungsurteil ist insoweit rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Klägerin hat, ohne allerdings den Revisionsantrag einzuschränken, in der Rechtsmittelbegründung die Entscheidung des Berufungsgerichts über Beginn und Höhe ihres Zinsanspruchs nicht angegriffen.
II.
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Den Klageanspruch auf Rückerstattung der Kapitalbeschaffungskosten von 4% hat die Beklagte in der Revisionsverhandlung anerkannt. Gemäß § 307 Abs. 1 ZPO war sie daher zur Zahlung weiterer 26.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 20. August 1987 zu verurteilen.
III.
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Wegen der restlichen Klageforderung mußte die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
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1. Im Berufungsurteil wird ein Bereicherungsanspruch aus § 812 BGB verneint und zur Begründung ausgeführt: Der Darlehensvertrag sei trotz Verstoßes gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO wirksam. Ein im Reisegewerbe vermitteltes Darlehen sei nämlich nur dann nichtig, wenn es der Finanzierung von Geschäften diene, die in der Regel von unerfahrenen und minderbemittelten Personen abgeschlossen würden. Daran fehle es hier bei der Umschuldung des landwirtschaftlichen Betriebs. Auch sei der Schutzzweck des § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO nicht berührt, weil der Darlehensvertrag erst nach langfristigen Verhandlungen abgeschlossen und zudem notariell beurkundet worden sei.
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Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand:
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a) Mit Recht ist das Berufungsgericht von einer Darlehensvermittlung im Reisegewerbe gemäß §§ 55, 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO ausgegangen. Auch wenn der Kreditvermittler I. für den Besuch seiner Außendienstmitarbeiter auf dem Anwesen des Ehemanns der Klägerin vorher dessen Einverständnis eingeholt hatte, wurden diese Mitarbeiter dann dort doch ohne vorhergehende Bestellung im Sinne des § 55 GewO tätig.
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Zwar lag - entgegen der Auffassung der Revision - keine provozierte Bestellung vor. Dazu genügt es nicht, daß I. den Ehemann durch ein Zeitungsinserat zur Kontaktaufnahme veranlaßt und ihm danach telefonisch den Hausbesuch vorgeschlagen hatte (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1989 - III ZR 276/88 = WM 1990, 136, 137 zu III. 1.).
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An einer rechtfertigenden Bestellung im Sinne des § 55 GewO fehlt es aber auch dann, wenn das Tätigwerden des Vermittlers nach Zeitpunkt und Inhalt nicht dem entspricht, womit der Kunde aufgrund der vorangegangenen Vereinbarung rechnen mußte (BGH aaO zu III. 2.). Es ist zweifelhaft, ob allein darin, daß die Vermittler bereits am Faschingsdienstag statt am Aschermittwoch erschienen, eine erhebliche Abweichung lag. Der durch die Bestellung gezogene Rahmen wurde auf jeden Fall dadurch überschritten, daß die Vermittler bei ihrem späteren Besuch die Klägerin und ihren Ehemann dazu überredeten, ihnen einen Kreditbeschaffungsauftrag über 850.000 DM zu erteilen und einer Grundstücksbelastung von 1,5 Millionen DM zuzustimmen. Der Ehemann der Klägerin hatte sich nur wegen eines zusätzlichen Kreditbedarfs von 150.000 DM an I. gewandt; auch in den Verhandlungen mit dessen Mitarbeitern ging es - nach der Darstellung der Klägerin, von der im Revisionsverfahren auszugehen ist - zunächst immer nur um die Vermittlung eines Kredits dieser Größenordnung. Nur mit einer Fortsetzung dieser Verhandlungen mußte der Ehemann der Klägerin rechnen, wenn er sich mit einem erneuten Besuch der Vermittler einverstanden erklärte. Diese überschritten den durch die vorhergehende Bestellung gezogenen Rahmen, als sie den Kunden mit der Forderung der Bank nach einer Umschuldung aller bestehenden Kreditschulden konfrontierten und ihm ein Kreditvermittlungsangebot machten, dessen Annahme schließlich dazu führte, daß er allein an Vermittlerprovisionen und -gebühren an I. weit mehr als den ursprünglich gewünschten Kreditbetrag zahlte. Durch ein solches Angebot brachten die Vermittler bei ihrem Besuch den Ehemann der Klägerin in eine Situation, die typischerweise die Gefahr der Überrumpelung in sich birgt und vor der § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO den Kunden schützen soll.
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b) Der Verstoß der Vermittler gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO führt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages (BGHZ 71, 358; Senatsurteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90 = WM 1991, 313 zu 2.). Anders hat der III. Zivilsenat nur bei Darlehen entschieden, mit denen der Beitritt des Darlehensnehmers zu einem steuersparenden Kapitalanlagemodell finanziert werden sollte (BGHZ 93, 264). Der Versuch des Berufungsgerichts, diese Ausnahme auf Umschuldungsdarlehen für Landwirte auszudehnen, ist abzulehnen. Die Begründung, mit der bestimmten Kapitalanlegern in der zitierten BGH-Entscheidung der zivilrechtliche Schutz durch § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO verwehrt wird (aaO S. 268), paßt nicht für Landwirte, die zwar wegen ihres Grundeigentums nicht minderbemittelt sind, in finanzieller Bedrängnis aber den Überredungsversuchen von Kreditvermittlern, die sie unbestellt aufsuchen, nicht selten besonders hilflos gegenüberstehen. Aus den Materialien zur Gewerbeordnung ergibt sich, daß § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO gerade "bäuerliche Familien" vor der Existenzvernichtung durch Wucherer schützen wollte, die "von Hof zu Hof" wandern und andere Gelegenheiten benutzen, "um mit den Landwirten in Verkehr zu treten, deren Geldbedürfnisse zu erforschen" und ihnen "Darlehen aufzudrängen" (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 5. Legislaturperiode, II. Session 1882/83, 5. Band, Anlagen S. 22). Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse haben sich seit Inkrafttreten der Gewerbeordnung nicht so stark gewandelt, daß es gerechtfertigt wäre, die Anwendbarkeit des § 134 BGB bei Verstößen gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO nunmehr gerade für die Bevölkerungsgruppe zu verneinen, deren Schutz mit dem Verbot der Darlehensvermittlung im Reisegewerbe bezweckt war.
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c) Die Nichtigkeit gemäß §§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO, 134 BGB beschränkt sich nicht auf den bei dem Besuch der Vermittler erteilten Kreditbeschaffungsauftrag an I., sondern ergreift auch den Darlehensvertrag mit der Beklagten, selbst wenn er erst einige Zeit später geschlossen und notariell beurkundet wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt insoweit nämlich jede das Darlehensgeschäft vorbereitende Vermittlertätigkeit im Reisegewerbe, auch wenn noch weitere Verhandlungen folgten, bei denen nicht mehr gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO verstoßen wurde (BGHZ 71, 358, 362/363). Maßgebend ist, daß der Vertragsschluß auf die frühere Tätigkeit des Vermittlers zurückgeht. Im vorliegenden Fall kam den Verhandlungen, bei denen es den Vermittlern unter Verstoß gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO gelang, die Klägerin und ihren Ehemann zur Erteilung des Kreditbeschaffungsauftrags über 850.000 DM zu bewegen, entscheidendes Gewicht zu. Danach fühlte sich der Ehemann der Klägerin bereits vertraglich gebunden. Der Kausalzusammenhang wurde auch nicht etwa durch die Mitwirkung des Notars bei der späteren Beurkundung des Darlehensvertrags unterbrochen; dazu kam es nur aufgrund der vorangegangenen Tätigkeit der Vermittler; sie begleiteten den Darlehensnehmer auch am 24. Juni 1982 zum Notar. Zweck der Beurkundung war die Niederlegung dessen, was entgegen dem Schutzzweck des § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO vereinbart war. Die Pflicht des - über die äußeren Umstände der Vertragsverhandlungen regelmäßig nicht unterrichteten - Notars, die Beteiligten nach § 17 Abs. 1 BeurkG auch über die rechtliche Tragweite des zu beurkundenden Geschäfts zu belehren, bot keine Gewähr dafür, daß dem Ehemann der Klägerin auch die wirtschaftlichen Folgen einer Kreditaufnahme in diesem Umfang sowie die Nachteile der Umschuldung vor Augen geführt wurden und er Gelegenheit erhielt, seinen Entschluß noch einmal unbeeinflußt in Ruhe zu überdenken.
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d) Eine andere Beurteilung des § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO und der zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen diese Norm ist hier auch nicht aufgrund der Neuregelungen des Haustürwiderrufsgesetzes vom 16. Januar 1986 (BGBl. I, S. 122) und des Gesetzes über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozeßordnung und anderer Gesetze vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I, S. 2840) geboten.
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aa) § 1 HWiG gibt dem Kunden ein Widerrufsrecht, wenn mündliche Verhandlungen, auf denen der Vertragsabschluß beruht, ohne vorhergehende Bestellung in seiner Privatwohnung oder an seinem Arbeitsplatz geführt worden sind. Der Bundesgerichtshof hat bisher nicht darüber entschieden, ob das Haustürwiderrufsgesetz bei Verträgen, die in seinen zeitlichen Regelungsbereich fallen, als Spezialnorm den §§ 55, 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO vorgeht (vgl. hierzu Werner/Machunsky, HausTWG, vor § 1 Rdn. 15 mit zahlreichen Rechtsprechungs- und Schrifttumsnachweisen in Fn. 83 und 84) und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang den Bestimmungen zukommt, die den sachlichen Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes einschränken, insbesondere § 1 Abs. 2 Nr. 3 und § 6 Nr. 1 HWiG. Diese Fragen brauchen auch im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt zu werden, da der hier streitige Darlehensvertrag bereits vor Inkrafttreten des Haustürwiderrufsgesetzes (1. Mai 1986) geschlossen wurde und da deswegen gemäß § 9 dieses Gesetzes die neue Widerrufsregelung noch nicht anwendbar ist. Daher muß es hier jedenfalls bei der bisherigen Rechtsprechung zu § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO bleiben (so im Ergebnis bereits Senatsurteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90 = WM 1991, 313 mit auch insoweit kritischer Anmerkung von Hadding WuB I E 1-4.91, 660 zu I. 1.).
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bb) Durch Art. 8 des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 ist das Verbot des Abschlusses von Darlehensverträgen im Reisegewerbe in § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO aufgehoben worden. Auch insoweit verbleibt es jedoch, da diese Änderung nach Art. 10 des genannten Gesetzes erst ab 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist, für vorher geschlossene Verträge beim uneingeschränkten Verbraucherschutz nach der bisherigen Gesetzeslage und Rechtsprechung. Im übrigen gilt auch nach der Neuregelung das Verbot der entgeltlichen Darlehensvermittlung im Reisegewerbe gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO weiter. Die Frage, ob bei einem Verstoß gegen dieses Verbot - wie im vorliegenden Fall - nur der Vermittlungsvertrag oder nach § 139 BGB weiterhin auch der Darlehensvertrag nichtig ist (so Münstermann/Hannes VerbrKrG Art. 8 Rdn. 937), braucht hier nicht entschieden zu werden.
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e) Für die Entscheidung über die Nichtigkeit des Darlehensvertrags gemäß §§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO, 134 BGB bedarf es weiterer Sachaufklärung durch das Berufungsgericht. Die Beklagte hat den gesamten Vortrag der Klägerin über Ablauf und Inhalt der Verhandlungen zwischen ihrem Ehemann und den Kreditvermittlern in zulässiger Weise gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestritten. In den Tatsacheninstanzen sind hierzu bisher keine Feststellungen getroffen worden.
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2. Eine Nichtigkeit des Darlehensvertrags gemäß § 138 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung lag nicht vor, selbst wenn die für das Darlehen der Beklagten vereinbarte Vermittlerprovision in die Berechnung des effektiven Vertragszinses einbezogen werden könnte (zu den Voraussetzungen vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 1991 - XI ZR 319/89 = WM 1991, 624).
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Vergeblich beruft sich die Klägerin auf die von der Rechtsprechung (BGH, Urteile vom 16. März 1989 - III ZR 37/88 = WM 1989, 595 und vom 22. Januar 1991 aaO) aufgestellten Grundsätze, nach denen im Einzelfall bei Hinzutreten besonderer Umstände ein Vertrag als sittenwidrig angesehen werden kann, wenn ein Vertragspartner voraussichtlich niemals zur Vertragserfüllung im Stande sein wird. Ihr Ehemann war in der Lage, sich die zur vollständigen Schuldentilgung notwendigen Mittel notfalls dadurch zu beschaffen, daß er seinen Grundbesitz ganz oder teilweise verkaufte. Das Risiko, dazu gezwungen zu sein, kann ihm nicht durch Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB abgenommen werden.
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3. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Aufklärungspflichtverletzung beim Vertragsschluß mit der Begründung verneint, die Beklagte habe keinen konkreten Wissensvorsprung über die speziellen Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gehabt, der Ehemann der Klägerin sei eher als sie in der Lage gewesen, die Ertragsfähigkeit seines Hofes zu beurteilen.
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Soweit die Revision der Beklagten vorwirft, sie habe den Darlehensnehmer darüber aufklären müssen, daß I. auch für sie tätig wurde und von ihr Provision erhielt, scheitert ein Schadensersatzanspruch schon an der mangelnden Kausalität; nach der Feststellung des Berufungsgerichts war es für den Ehemann der Klägerin ohne Bedeutung, daß auch die Bank an den Makler Provision zahlte.
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Der bisherige Sachvortrag rechtfertigt auch keinen deliktischen Anspruch aus § 826 BGB oder aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263, 27 StGB, aufgrund dessen die Klägerin von der Beklagten sogar Ersatz der gesamten Provisionszahlungen an I. verlangen will, obwohl diese in der Hauptsache nicht für den Kredit der Beklagten, sondern der BfG geleistet wurden.
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4. Auf den Streit über die Berechtigung weiterer Einzelpositionen der Vertragsabrechnung der Beklagten vom 9. September 1988 kommt es nur an, falls das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung nicht zu Feststellungen gelangt, aufgrund deren der Darlehensvertrag gemäß §§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO, 134 BGB als nichtig anzusehen ist (vgl. oben zu 1.).
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a) Für die der Beklagten zugebilligten Spesen verlangt die Revision mit Recht eine substantiiertere Begründung.
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b) Bereitstellungszinsen standen der Beklagten nach der notariellen Schuldurkunde vom 24. Juni 1982 vereinbarungsgemäß zu. Zwar waren sie in der vorangegangenen Darlehenszusage vom 2. Juni 1982 nicht erwähnt worden. Daraus brauchte das Berufungsgericht jedoch nicht zu folgern, die Regelung der Schuldurkunde sei gemäß § 4 AGBG nicht Vertragsinhalt geworden. Aufgrund der Darlehenszusage war nämlich noch keine Vereinbarung zustande gekommen. Es handelte sich dabei vielmehr nur um ein Angebot, an das die Beklagte bis zum 15. Juli 1982 gebunden sein wollte. Zu einer beide Seiten bindenden Einigung kam es erst aufgrund der Schuldurkunde vom 24. Juni 1982; sie konnte gegenüber der Darlehenszusage noch Änderungen enthalten. Diese durften allerdings für den Darlehensnehmer nicht überraschend im Sinne des § 3 AGBG sein. Das war hier aber bei den Bereitstellungszinsen nicht der Fall; insoweit handelte es sich um die ergänzende Regelung einer Nebenverpflichtung, mit der bei einem Bankdarlehen zu rechnen war.
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c) Über die Kapitalbeschaffungskosten ist bereits entschieden worden (vgl. oben zu II.).
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d) Bei der Verzugszinsenberechnung der Bank ist zu berücksichtigen, daß der Darlehensnehmer nicht zur Zahlung der Kapitalbeschaffungskosten verpflichtet war.
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