Börsentermingeschäft: Geschäft mit selbständigen Optionsscheinen, hier: Aktienindexoptionsscheine
Leitsatz
Geschäfte mit selbständigen Optionsscheinen (hier: DAX Optionsscheine) sind ebenso wie solche in unverbrieften börsenmäßigen Optionen Börsentermingeschäfte.
Orientierungssatz
Zitierungen: Vergleiche BGH, 1994-03-29, XI ZR 31/93, WM IV 1994, 834 und BGH, 1994-10-25, XI ZR 43/94, WM IV 1994, 2231.












vorgehend LG Frankenthal, 23. April 1993, 7 O 2194/91
Vergleiche LG Berlin 21. Zivilkammer, 17. Juni 1997, 21 O 644/96



Vergleiche BGH 11. Zivilsenat, 29. März 1994, XI ZR 31/93
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 19. Mai 1994 aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, soweit über die Kosten nicht entschieden wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Widerbeklagten zu 2) hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Parteien streiten über gegenseitige Ansprüche im Zusammenhang mit kreditfinanzierten Wertpapiergeschäften.
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Ab 1986 gewährte die klagende Bank dem Beklagten, damals Jurastudent, auf einem Konto in laufender Rechnung Kredite zur Finanzierung von Wertpapiergeschäften. Im Verlaufe des Jahres 1990 traten durch Optionsscheingeschäfte vor allem mit D. Bank DAX Optionsscheinen erhebliche Verluste ein. Diese führten zu einer Unterdeckung des Kredits. Nach dessen Kündigung sowie Verwertung des Wertpapierdepots des Beklagten hat die Klägerin über das verbliebene Debet, das sie mit 66.914 DM zuzüglich Zinsen berechnet, ein Versäumnisurteil erwirkt.
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Dagegen hat der Beklagte Einspruch eingelegt und Widerklage über 50.000 DM zuzüglich Zinsen auch gegen den Widerbeklagten zu 2), einen Mitarbeiter der Wertpapierabteilung der Klägerin, erhoben. Er hat behauptet, die Klägerin und der Widerbeklagte zu 2) hätten die Garantie übernommen und verletzt, daß der Depotwert die Kreditinanspruchnahme immer um 50.000 DM übersteigen müsse. Zur Erreichung dieses Ziels habe der Widerbeklagte zu 2) ohne Auftrag zahlreiche verlustbringende Optionsscheingeschäfte vorgenommen.
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Die Vorinstanzen habe das von der Klägerin erwirkte Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Widerklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungs- und seinen Widerklageantrag weiter. Der erkennende Senat hat die Revision nur hinsichtlich der Klage, nicht aber der Widerklage angenommen.
Entscheidungsgründe
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Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war, ist über die Revision im Umfang der Annahme antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 331, 557 ZPO; vgl. BGHZ 37, 79, 81). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung.
- 6
Im Umfang der Annahme ist die Revision begründet; sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
I.
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Das Berufungsgericht hat der Klage aus §§ 607 Abs. 1, 609 Abs. 1 BGB stattgegeben und dazu ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Zeugenaussage des Widerbeklagten zu 2), und den Umständen des zu beurteilenden Sachverhalts sei es überzeugt, daß der Beklagte für alle seinem Konto belasteten Optionsscheingeschäfte (fern-) mündlich Aufträge erteilt habe. Aufrechenbare Gegenforderungen stünden ihm gegen den Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Darlehens nicht zu. Insbesondere ergebe sich eine Haftung der Klägerin nicht daraus, daß sie den nicht börsentermingeschäftsfähigen Beklagten nicht auf die Risiken von Aktienoptionsgeschäften hingewiesen habe. Geschäfte in Optionsscheinen seien keine Börsentermingeschäfte. Außerdem fehle hinreichender Vortrag des Beklagten zur Aufklärungsbedürftigkeit und zur Schadenshöhe.
II.
- 8
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
- 9
1. Erfolglos bleiben muß allerdings die Rüge, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, allen von der Klägerin abgerechneten Wertpapiergeschäften hätten Aufträge des Beklagten zugrundegelegen, sei rechtsfehlerhaft. Der für die Bearbeitung von solchen Geschäften zuständige Widerbeklagte zu 2) hat als Zeuge bekundet, ohne Order des Beklagten habe er keine Wertpapiere für diesen gekauft. Aufgrund dieser Aussage und des vorprozessualen Schriftwechsels, in dem der Beklagte den Vorwurf eigenmächtiger Wertpapiergeschäfte nicht erhoben hat, konnte das Berufungsgericht durchaus zu der Überzeugung gelangen, die Geschäfte, für die die Klägerin eine schriftliche Order nicht vorlegen könne, seien aufgrund fernmündlicher Aufträge erfolgt. Die vom Beklagten insoweit erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).
- 10
2. Dagegen kann der Rüge, das Berufungsgericht habe verkannt, daß Geschäfte mit selbständigen Optionsscheinen für den nicht börsentermingeschäftsfähigen Beklagten unverbindlich seien (§§ 52, 53 BörsG), der Erfolg nicht versagt werden.
- 11
a) Nach den Entscheidungen des erkennenden Senats vom 29. März 1994 (XI ZR 31/93, WM 1994, 834, 837) und vom 25. Oktober 1994 (XI ZR 43/94, WM 1994, 2231, 2232), die erst nach Absetzung des Berufungsurteils veröffentlicht worden bzw. ergangen sind, sind Geschäfte mit selbständigen Optionsscheinen ebenso wie solche mit unverbrieften börsenmäßigen Optionen (vgl. BGHZ 92, 317, 321; 93, 307, 309; 94, 262, 264; 107, 192, 193; 114, 177, 180 f.; 117, 135, 138) Börsentermingeschäfte. Selbständige Aktien- oder Aktienindexoptionsscheine, um solche handelt es sich jedenfalls bei den D. Bank DAX Optionsscheinen (Senatsurteil vom 29. März 1994, aaO), dienen ähnlich wie unverbriefte Aktienoptionen wirtschaftlich vor allem der Kursspekulation sowie der Kurssicherung. Das termingeschäftsspezifische Risiko ist für das schutzwürdige nicht börsentermingeschäftsfähige Publikum bei beiden im wesentlichen gleich. Es besteht deshalb kein Grund, verbriefte selbständige Optionen anders als unverbriefte von dem Termineinwand auszunehmen und damit den Emittenten von Optionsscheinen die Möglichkeit zu eröffnen, den Schutzzweck des § 53 BörsG zu unterlaufen.
- 12
b) Börsentermingeschäfte sind nur nach Maßgabe der §§ 53 bis 56 BörsG wirksam (§ 52 BörsG). Als Jurastudent war der Beklagte nicht gemäß § 53 Abs. 1 BörsG termingeschäftsfähig. Die abgeschlossenen Optionsscheingeschäfte wären für ihn daher nur dann verbindlich, wenn die Klägerin zuvor seine Termingeschäftsfähigkeit durch Aushändigung einer Informationsschrift herbeigeführt hätte (§ 53 Abs. 2 BörsG). Dazu ist nichts festgestellt oder vorgetragen. Dies geht zu Lasten der Klägerin. Sie trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der Börsentermingeschäfte und damit für die Termingeschäftsfähigkeit des Beklagten (§§ 52, 53 Abs. 2 Satz 4 BörsG; Senatsurteil vom 17. März 1992 - XI ZR 84/91, WM 1992, 682, 684). Daß die Verluste aus den Geschäften nach einem Rechnungsabschluß in ein Saldoanerkenntnis des Beklagten eingeflossen sind, ändert nichts. Nach § 59 BörsG unterliegt auch ein Saldoanerkenntnis dem Termineinwand (BGHZ 92, 317, 325; 93, 307, 312). Die Verluste aus den Geschäften mit selbständigen Optionsscheinen hat deshalb die Klägerin zu tragen, ohne daß es darauf ankommt, ob sie dem Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Aufklärungspflichtverletzung schadensersatzpflichtig ist.
III.
- 13
Auf die Revision war das angefochtene Urteil danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit der Beklagte verurteilt worden ist. Der Senat konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - keine Feststellungen darüber getroffen hat, in welcher Höhe der von der Klägerin geltend gemachte Debetsaldo aus unverbindlichen Optionsscheingeschäften resultiert. Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit, ihr Vorbringen auch zu der Frage zu ergänzen, ob die Optionsscheingeschäfte zum Teil aus Optionsanleihen abgetrennte Aktienoptionsscheine betrafen, die dem Termineinwand nicht unterliegen (BGHZ 114, 177, 180 ff.).
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