Gerichtliches Geständnis: Geständniswille; revisionsgerichtliche Prüfung
Leitsatz
1. Ein gerichtliches Geständnis liegt nur vor, wenn sich der Einlassung auf den Vortrag der Gegenseite ein zumindest konkludent zum Ausdruck gebrachter Geständniswille entnehmen läßt. Ob das der Fall ist, hat das Revisionsgericht selbständig zu prüfen.







vorgehend LG Koblenz, 20. Januar 1989, 10 O 262/88

Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Kerwer, 8. Auflage 2017, § 366 BGB
Fortführung BGH 8. Zivilsenat, 7. März 1983, VIII ZR 331/81
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1) aus einer Bürgschaft in Anspruch.
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Er behauptet, der Beklagte zu 2) schulde ihm - wie sich aus einer von dem Beklagten zu 2) am 6. Februar 1987 unterzeichneten Schuldurkunde ergebe, - einen Betrag in Höhe von 75.000 DM. Für diese Verbindlichkeit habe die Beklagte zu 1) durch eine von ihr ebenfalls am 6. Februar 1987 unterzeichnete Erklärung die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen.
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Die Beklagte zu 1) macht geltend, sie habe die Bürgschaftserklärung nicht unterzeichnet. Außerdem habe ihr der Beklagte zu 2) erklärt, daß der in der Schuldurkunde genannte Betrag zurückbezahlt worden sei, was sich aus einer Quittung vom 31. März 1987 ergebe.
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Der Kläger hat daran festgehalten, daß die Unterschrift der Beklagten zu 1) auf der Bürgschaftserklärung echt sei. Er hat außerdem geltend gemacht, daß er sich nicht erinnern könne, die Quittung vom 31. März 1987 unterzeichnet zu haben. Außerdem beziehe sich der in dieser Quittung genannte Betrag von 100.000 DM auf eine frühere Schuld des Beklagten zu 2).
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Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1) durch Teilurteil vom 20. Januar 1989 abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Landgericht offen gelassen, ob die Beklagte zu 1) die Bürgschaftserklärung unterschrieben und sich wirksam für die behauptete Forderung des Klägers gegen den Beklagten zu 2) verbürgt habe. Es ist der Ansicht, der Kläger müsse sich entgegenhalten lassen, daß die Hauptforderung durch Erfüllung erloschen sei und die Beklagte zu 1) jedenfalls schon deshalb nicht mehr als Bürgin in Anspruch genommen werden könne. Dabei stützt es sich auf folgende Erwägungen:
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Der erstinstanzliche Vortrag des Klägers, er habe zwar - wie die Beklagte zu 1) behaupte - vom Beklagten zu 2) einen Betrag von 100.000 DM erhalten, dies sei aber zur Tilgung einer anderen Schuld geschehen, sei als Geständnis einer Zahlung nach dem 6. Februar 1987 aufzufassen. Dieses Geständnis habe der Kläger nicht wirksam dadurch widerrufen können, daß er in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht habe vortragen lassen, die genannte Zahlung sei bereits Ende Januar 1987 erfolgt. Für die Behauptung, die nach dem 6. Februar 1987 geleistete Zahlung sei auf eine andere Schuld des Beklagten zu 2) anzurechnen, sei der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. In beiden Instanzen habe er hierfür jedoch nicht genügend vorgetragen.
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II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts läßt sich dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers vor dem Landgericht kein Geständnis einer Zahlung von 100.000 DM nach Gewährung des hier streitigen Darlehens entnehmen:
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Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 20. Mai 1988, auf den sich das Oberlandesgericht stützt, die Echtheit der von der Beklagten zu 1) in Kopie vorgelegten Quittung vom 31. März 1987 über die Rückzahlung von 100.000 DM bestritten und in diesem Zusammenhang vorgetragen, er habe "durchaus Zahlungen von dem Hauptschuldner ... erhalten", "unter anderem auch eine solche über 100.000 DM". Nach seinem Vorbringen handelte es sich dabei aber ausweislich des erheblich über dem Darlehen vom 6. Februar 1987 liegenden Betrages um die Begleichung einer anderen Schuld.
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Der Senat, der den Parteivortrag frei und selbständig zu prüfen und auszulegen hat (Senatsurteil vom 14. November 1989 - XI ZR 97/88, WM 1990, 6, 8 m.w.Nachw.), sieht in diesem Vorbringen nicht den Willen des Klägers, das behauptete Zahlungsdatum zuzugestehen. Ein Geständnis im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO muß zwar nicht ausdrücklich abgegeben werden. Es genügt auch ein schlüssiges Verhalten, das unter Umständen in der Erklärung liegen kann, die Behauptung der Gegenseite nicht bestreiten zu wollen. Doch genügt nach ständiger Rechtsprechung ein Stillschweigen auf gegnerische Behauptungen nicht (BGH, Urteil vom 20. Januar 1987 - VI ZR 182/85, NJW 1987, 1947/1948 m.w.Nachw.). Im vorliegenden Fall fehlt es für die Annahme eines Geständnisses schon an einer ausdrücklichen Erklärung des Klägers, das Vorbringen der Beklagten zu 1) werde hinsichtlich des Zeitpunktes der Zahlung nicht bestritten. Der Umstand, daß der Kläger dem Vortrag der Beklagten zu 1) zunächst insoweit nicht entgegengetreten ist, rechtfertigt es jedenfalls nicht, mehr als eine zugestandene Tatsache im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1983 - VIII ZR 331/81, NJW 1983, 1496, 1497). Da dem Verhalten des Klägers ein Geständniswille auch nicht konkludent zu entnehmen ist, war das schlichte Nichtbestreiten nicht bindend. Das Bestreiten konnte nachgeholt werden (Zöller/Stephan, ZPO, 16. Aufl., § 288 Rdn. 3). Das ist dadurch geschehen, daß der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers am Ende der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zu Protokoll gegeben hat, die Zahlung von 100.000 DM sei nicht - wie im Hinblick auf das Datum der Quittung angenommen werden könnte - Ende März 1987, sondern auf eine andere Forderung des Klägers Ende Januar 1987 erfolgt.
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2. Das Berufungsgericht wird daher den bisher ungeklärten Fragen des Rechtsstreits, insbesondere der wirksamen Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten zu 1) und der Tilgung der Hauptschuld durch Leistungen des Beklagten zu 2) weiter nachgehen müssen. Hinsichtlich der Beweislastverteilung ist das Berufungsgericht nur teilweise von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen. Besteht Streit darüber, ob eine Zahlung auf eine bestimmte Forderung anzurechnen ist, so muß zunächst der Gläubiger beweisen, daß ihm noch eine weitere Forderung zusteht (BGH, Urteil vom 8. Mai 1978 - II ZR 208/76, WM 1978, 1046 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 6. November 1990 - XI ZR 262/89, WM 1991, 195). Fehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sei hinsichtlich der Existenz seiner früheren Forderung über 100.000 DM gegen den Beklagten zu 2) seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Der Kläger hat die Entstehung dieser Forderung ausführlich geschildert und dafür Urkunden- und Zeugenbeweis angeboten. Ist dem Gläubiger aber der Nachweis der weiteren Forderung geglückt, muß der Schuldner seinerseits dartun und beweisen, weshalb durch seine Leistung gerade die streitige Forderung getilgt worden sein soll (BGH aaO). Dies gilt auch für den Bürgen, wenn er anstelle des Hauptschuldners in Anspruch genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1987 - IX ZR 269/86, NJW 1988, 906).
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III. Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
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