Kreditfinanzierter Anlagevertrag: Nichtigkeit im Reisegewerbe vermittelter Darlehensverträge; Voraussetzungen für den Ausschluß des Einwendungsdurchgriffs beim finanzierten Kauf und anderen kreditfinanzierten Verträgen; vorvertragliche Aufklärungspflicht der kreditgebenden Bank bei Befürwortung eines bestimmten Anlagemodells
Orientierungssatz
Siehe Leitsatzentscheidung vom 5. Mai 1992 - XI ZR 242/91.
vorgehend LG Mainz, 2. Februar 1990, 7 O 121/89
Vergleiche OLG Celle 14. Zivilsenat, 11. Juli 1996, 14 U 207/95
Anschluß OLG Köln 12. Zivilsenat, 5. Dezember 1994, 12 U 75/94
So auch OLG Karlsruhe 14. Zivilsenat, 18. Dezember 1992, 14 U 221/91
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. Oktober 1991 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die beklagte V.bank gewährte dem Kläger, einem Werkzeugmacher, ein Darlehen für eine inzwischen wertlose Beteiligung an der "Anlagenprogramm Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (Anlagen GbR). Der Kläger bestreitet die Wirksamkeit des Darlehensvertrages und nimmt die Beklagte wegen Verletzung von Aufklärungspflichten auf Schadensersatz in Anspruch.
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Die Anlagen GbR diente ihrem Initiator B. zur Akquisition kreditfinanzierter Anlagegelder. B. hatte zu diesem Zweck das "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" entwickelt, das er als zusätzliche Altersversorgung anbieten ließ. Das Programm sah die Aufnahme eines Kredits durch den Kunden und Einlage des Kreditbetrages in die Anlagen GbR vor. Getilgt werden sollte der Kredit mit Hilfe einer anzusparenden Kapitallebensversicherung, die der Kunde auf zwölf Jahre abzuschließen und an die kreditgebende Bank abzutreten hatte. Die anfallenden Kreditzinsen und Versicherungsbeiträge sollten aus Erlösen bezahlt werden, die aus der Anlage der Darlehensvaluta vor allem in Zerobonds sowie aus der Spekulation mit Aktienindexoptionen an US-amerikanischen Börsen erzielt werden sollten. Nach Fälligkeit der Lebensversicherung und Tilgung des Darlehens sollte nach einem Werbeprospekt jedem Kunden in Form des Gesellschaftsanteils und des Lebensversicherungsbonus ohne Aufwand eigener Mittel Eigenkapital in Höhe von ca. 140% des eingesetzten Darlehens zur Verfügung stehen.
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In Vorbereitung der Akquisition vereinbarte B. im Februar 1986 mit der Beklagten die Vermittlung von Kreditkunden nach Vorprüfung der Kreditfähigkeit gegen Zahlung einer Provision in Höhe von 1% des Darlehensbetrages. Die durch eine Kapitallebensversicherung zu tilgenden Festkredite sollten von der Beklagten zu 8,5% Zinsen bei 98% Auszahlung vergeben und die Valuta auf einem bei ihr eingerichteten Konto gutgeschrieben werden, über das B. allein verfügen konnte. Die anfallenden Kreditzinsen sollten von diesem Konto vierteljährlich abgebucht werden, während die Bezahlung der Lebensversicherungsprämien durch B. direkt mit der Versicherung geregelt werden sollte. Sämtlicher Schriftverkehr zu den Kreditverträgen sollte mit der Anlagen GbR geführt werden.
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Im März 1986 nahm der Kläger bei der Beklagten ein durch seine Eltern verbürgtes Darlehen über 30.000 DM zu den vorgenannten Bedingungen auf, trat mit einem Einlagebetrag von 29.400 DM (98% von 30.000 DM) abzüglich 2% Agio der Anlagen GbR bei und schloß unter Abtretung seiner Ansprüche an die Beklagte eine Kapitallebensversicherung über 24.000 DM ab. Die vereinbarungsgemäß auf dem Konto "B. + Partner" gutgeschriebene Darlehensvaluta wurde alsbald von B. veruntreut.
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Da die Anlagen GbR weder die anfallenden Kreditzinsen noch die Lebensversicherungsbeiträge zahlte, kündigte die Beklagte das Darlehen am 10. Juli 1986 und verlangte Rückzahlung zuzüglich aufgelaufener Zinsen. Zur Ablösung des geforderten Betrages nahm der Kläger bei der Beklagten ein Tilgungsdarlehen auf.
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Mit seiner Klage verlangt er die Erstattung geleisteter Zahlungen sowie Schadensersatz in Höhe von 30.000 DM zuzüglich Zinsen, hilfsweise Feststellung, daß die Beklagte keine Ansprüche gegen ihn habe, und Zahlung von 9.840,95 DM nebst Zinsen. Er macht u.a. geltend, der erste Darlehensvertrag sei wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i.V. mit § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO nichtig, da er für das "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" unter Aufnahme eines Darlehens bei der Beklagten in seiner Wohnung geworben worden sei.
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Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
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Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Bereicherungsanspruch mit folgender Begründung versagt:
- 10
Der erste Darlehensvertrag sei wirksam, selbst wenn er verbotenerweise im Reisegewerbe vermittelt worden sein sollte. Ein Verstoß gegen §§ 55, 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO führe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zur Nichtigkeit, wenn das Darlehen der Finanzierung des Beitritts zu einer Abschreibungsgesellschaft diene und der Darlehensnehmer damit in erster Linie steuerliche Vergünstigungen erstrebe. Entsprechendes müsse mangels Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des betreffenden Personenkreises gelten, wenn mit dem Darlehen, wie hier, die Beteiligung an der Spekulation mit Indexoptionen finanziert werden solle. Der Darlehensvertrag sei auch nicht wegen eines Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sittenwidrig. Die Gesamtbelastung des Klägers durch Kreditzinsen und Lebensversicherungsprämien dürfe nicht an den marktüblichen Belastungen eines Ratenkredits gemessen werden, da das Darlehen kein Verbraucherkredit sei.
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Einen Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung hat das Berufungsgericht gleichfalls verneint und dazu ausgeführt: Auf die Verletzung einer Pflicht der Beklagten zur Aufklärung über die wirtschaftlichen Risiken des Anlageprogramms komme es nicht an, weil sich diese nicht verwirklicht hätten. Realisiert habe sich die Gefahr einer Veruntreuung des Einlagebetrages durch B. Dafür hafte die Beklagte nicht, da sie für das "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" nicht als Anlagenvermittlerin oder -beraterin, sondern ausschließlich als Darlehensgeberin aufgetreten sei, als solche keine Pflicht zur Warnung der Kunden gehabt habe und B. bei Empfangnahme der Darlehensvaluta nicht ihr Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe gewesen sei.
II.
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Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
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1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht offengelassen, ob der erste Darlehensvertrag verbotenerweise im Reisegewerbe vermittelt worden ist.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt ein Verstoß gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO bei vor Inkrafttreten des Haustürwiderrufsgesetzes am 1. Mai 1986 abgeschlossenen Darlehensverträgen zur Nichtigkeit (BGHZ 71, 358, 360 ff.; Senatsurteile vom 22. Januar 1991 – XI ZR 111/90, WM 1991, 313 und vom 26. November 1991 – XI ZR 115/90, WM 1992, 8, 9). Anders hat der III. Zivilsenat nur bei Darlehen entschieden, mit denen der Beitritt des Darlehensnehmers zu einem steuersparenden Kapitalanlagemodell finanziert werden sollte (BGHZ 93, 264, 267 ff.). Der Versuch des Berufungsgerichts, diese Ausnahme auf Darlehen zur Spekulation mit Indexoptionen auszudehnen, ist abzulehnen. Die Begründung, mit der der III. Zivilsenat bestimmten Kapitalanlegern den zivilrechtlichen Schutz des § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO verwehrt hat, paßt hier nicht.
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Die Schutzbedürftigkeit von Personen, die zur Beteiligung an Optionsgeschäften Darlehen aufnehmen, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht generell verneint werden. Anders als bei Anlegern, die Steuervorteile erstreben, kann bei solchen Personen nicht davon ausgegangen werden, daß sie über ein höheres Einkommen verfügen und in der Regel wirtschaftlich und rechtsgeschäftlich nicht unerfahren sind. Zur Beteiligung an risikoreichen Optionsgeschäften werden von gewerblichen Anlagevermittlern durchaus auch wirtschaftlich wenig erfahrene Durchschnittsverdiener wie der Kläger, ein damals 22 Jahre alter Werkzeugmacher mit einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa 2.500 DM, veranlaßt. Auch mit Rücksicht darauf hat der Bundesgerichtshof für Optionsvermittler weitreichende vorvertragliche Aufklärungspflichten für gegeben erachtet (vgl. BGHZ 80, 80, 81 f.; 105, 108, 110 ff.; BGH, Urteil vom 6. Juni 1991 – III ZR 116/90, WM 1991, 1410 f.; Senatsurteile vom 27. November 1990 – XI ZR 115/89, WM 1991, 127, 128 und vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91, WM 1992, 770, 771).
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Überdies ging es dem Kläger bei der Darlehensaufnahme, wie die Revision mit Recht hervorhebt, vorrangig nicht um eine Beteiligung an Optionsgeschäften, sondern um die Teilnahme an dem "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm". Dieses als zusätzliche Altersversorgung angepriesene Programm erschien, weil der Einsatz eigener Mittel nicht gefordert und das hohe Risiko verschleiert wurde, insbesondere für finanziell minderbemittelte, wirtschaftlich wenig erfahrene Kunden attraktiv. Gerade solche Kunden will § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO vor einer Beeinträchtigung ihrer Entschließungsfreiheit durch Übereilung, Irreführung oder zudringliches Verhalten reisegewerbetreibender Darlehensvermittler bewahren (vgl. BGHZ 71, 358, 361; 93, 264, 269).
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Die Nichtigkeit gemäß §§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO, 134 BGB beschränkt sich nicht auf den Vertrag mit dem Vermittler, sondern ergreift auch den vermittelten Darlehensvertrag, selbst wenn er erst nach weiteren Verhandlungen abgeschlossen wird, bei denen nicht mehr gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO verstoßen wurde (BGHZ 71, 358, 362 f.). Maßgebend ist, daß der Darlehensvertragsschluß auf die Tätigkeit des Vermittlers zurückgeht (Senatsurteil vom 26. November 1991 – XI ZR 115/90, WM 1992, 8, 9).
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b) Für die Entscheidung über die Nichtigkeit des Darlehensvertrages nach §§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO, 134 BGB kommt es somit auf die vom Berufungsgericht offengelassene Frage an, ob der Darlehensvertrag im Reisegewerbe vermittelt worden ist. Insoweit bedarf es tatrichterlicher Feststellungen insbesondere dazu, ob der Kläger, wie er unter Beweisantritt behauptet hat, in seiner Wohnung ohne vorhergehende Bestellung von einer Vermittlerin für eine Beteiligung an dem Vorsorge-Programm unter Aufnahme eines Darlehens bei der Beklagten geworben worden ist.
- 19
2. Die Nichtigkeit des ersten Darlehensvertrages gemäß § 138 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht dagegen zu Recht verneint. Ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liegt angesichts des festgestellten effektiven Jahreszinses von 9,07% im März 1986 nicht vor. Anders als die Revision meint, ist insoweit nicht die Gesamtbelastung des Klägers durch Kreditzinsen und Lebensversicherungsprämien zu berücksichtigen. Auf diese Belastung hat der Senat bisher unter bestimmten weiteren Voraussetzungen nur bei Verbraucherkrediten abgestellt, mit denen der persönliche Konsum von Gütern oder Dienstleistungen finanziert oder Vorkredite, die diesem Zweck dienten, abgelöst werden sollten (BGHZ 111, 117, 120). Um ein solches mit einem marktüblichen Ratenkredit vergleichbares Darlehen handelt es sich hier nicht. Eine undifferenzierte Ausdehnung der Senatsrechtsprechung auf Kredite zur Finanzierung von Beteiligungen an Altersvorsorgemodellen, wie sie die Revision befürwortet, ist abzulehnen. Jedenfalls dann, wenn die Beteiligung an einem solchen ohne Mitwirkung der kreditgebenden Bank entwickelten Modell – wie hier – den Abschluß gerade eines Festkredit- und eines Kapitallebensversicherungsvertrages voraussetzt, ist ein solcher Kredit aus der Sicht des Kreditnehmers, auf die es insoweit entscheidend ankommt (Senatsurteile BGHZ 111, 117, 121 und vom 4. Dezember 1990 – XI ZR 340/89, WM 1991, 179, 180), mit einem Ratenkredit nicht vergleichbar und darf deshalb im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB daran nicht gemessen werden.
- 20
3. Mit Rechtsfehlern behaftet sind demgegenüber die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Aufklärungspflichten durch die Beklagte verneint hat.
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a) Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Ansicht, auf die Verletzung einer Pflicht zur Aufklärung über die wirtschaftlichen Risiken des Anlageprojekts komme es nicht an, da sich diese nicht verwirklicht hätten. Liegt eine Aufklärungspflichtverletzung vor, so ist aufgrund der Kausalitätsvermutung, die dem Aufklärungsberechtigten zugute kommt (st.Rspr.; vgl. BGHZ 61, 118, 122; Senatsurteile vom 27. November 1990 – XI ZR 115/89, WM 1991, 127, 130 und vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91, WM 1992, 770, 773), davon auszugehen, daß sich der Kläger an dem Anlagemodell nicht beteiligt und deshalb keinen Schaden erlitten hätte.
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Dieser Schaden liegt, anders als das Berufungsgericht offenbar annehmen möchte, nicht außerhalb des Schutzbereichs der angesprochenen Pflicht. Wer einen Anlageinteressenten über die wirtschaftlichen Risiken eines Modells umfassend und nicht lediglich hinsichtlich eines bestimmten Einzelpunkts aufzuklären hat, haftet grundsätzlich für alle mit einer nachteiligen Anlageentscheidung verbundenen Schäden (Senatsurteil vom 3. Dezember 1991 – XI ZR 300/90, WM 1992, 133, 135 m.w.Nachw., für BGHZ bestimmt; Senatsurteil vom 16. Juni 1992 – XI ZR 166/91, Urteilsumdruck S. 13, zur Veröffentlichung bestimmt), auch solche aus Untreuehandlungen des Modellinitiators. Das gilt schon deshalb, weil der Schaden nicht erst mit der Veruntreuung der Darlehensvaluta, sondern bereits mit Abschluß des Darlehensvertrages zur Beteiligung am "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" eingetreten ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 1989 – XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1049 und vom 6. Februar 1990 – XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 464; BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 – VIII ZR 14/90, WM 1991, 695, 698).
- 23
b) Die Verneinung einer Haftung der Beklagten mit der Begründung, die Beklagte sei dem Kläger gegenüber ausschließlich als Darlehensgeberin und nicht als Anlagevermittlerin oder -beraterin aufgetreten, hält der Überprüfung ebenfalls nicht stand. Das Berufungsgericht hat insoweit, wie die Revision mit Recht rügt, wesentliche Umstände des Falles nicht berücksichtigt oder deren Bedeutung verkannt. Es hat deshalb rechtsfehlerhaft nicht in Erwägung gezogen, ob hier die Grundsätze zum Einwendungsdurchgriff beim finanzierten Kauf und anderen drittfinanzierten Geschäften mit gleichartiger Interessenlage eingreifen.
- 24
aa) Beim finanzierten Kauf kann der Käufer und Darlehensnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Darlehensgeber trotz rechtlicher Selbständigkeit des Darlehensvertrages nach Treu und Glauben Einwendungen aus dem Kaufvertrag entgegensetzen, wenn Kauf- und Darlehensvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden und die Risiken des finanzierten Kaufs sonst nicht angemessen verteilt wären (BGHZ 83, 301, 303 f. m.w.Nachw.). Eine solche Einheit bilden Kauf- und Darlehensvertrag, wenn beide Geschäfte über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus derart miteinander verbunden sind, daß keines ohne das andere geschlossen worden wäre oder jeder der Verträge seinen Sinn erst durch den anderen erhält. Diese Feststellung setzt voraus, daß objektiv bestimmte Umstände (Verbindungselemente) vorliegen und dadurch subjektiv beim Darlehensnehmer – für den Darlehensgeber erkennbar – der Eindruck erweckt wird, Verkäufer und Darlehensgeber stünden ihm gemeinsam als Vertragspartner gegenüber (BGHZ 83, 301, 304; 91, 9, 11 f.; 91, 338, 341; BGH, Urteil vom 15. Januar 1987 – III ZR 222/85, WM 1987, 365, 366; Senatsurteil vom 15. Mai 1990 – XI ZR 205/88, WM 1990, 1234). Entsprechendes gilt, gleichartige Interessenlage vorausgesetzt, bei kreditfinanzierten Mitarbeiterverträgen, Arbeitnehmerbeteiligungen oder Kapitalanlagen (vgl. BGHZ 72, 92, 99 ff.; BGH, Urteil vom 17. Mai 1979 – III ZR 118/77, WM 1979, 1035, 1037 f.; BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 – III ZR 18/78, WM 1979, 1054 f.; BGH, Urteil vom 20. März 1980 – III ZR 172/78, WM 1980, 620, 621 f.).
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bb) Objektive Umstände für eine wirtschaftliche Einheit des Vertrages über den Beitritt des Klägers zur Anlagen GbR und des Darlehens der Beklagten liegen nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien vor. Das Darlehen war integraler Bestandteil des "Null-Einsatz-Vorsorge-Programms" der Anlagen GbR. Dessen Besonderheit bestand gerade darin, daß durch Aufnahme eines Darlehens, Einlage der Valuta in die Anlagen GbR und Spekulation mit Zerobonds und Aktienoptionen ohne Aufwand eigener Mittel Eigenkapital gebildet werden sollte. Der Kläger hat sich das Darlehen der Beklagten nicht "auf eigene Faust" beschafft, sondern durch Inanspruchnahme der von B., dem Initiator der Anlagen GbR, gewiesenen Kreditmöglichkeit. Der Kreditgewährung zugrunde lag zudem ein Rahmenvertrag zwischen B. und der Beklagten, der die Darlehenskonditionen festlegte, die Vorprüfung der Kreditfähigkeit der Interessenten durch B. regelte und ferner vorsah, daß der Schriftverkehr zu den Kreditverträgen nicht mit den Darlehensnehmern, sondern der Anlagen GbR geführt werden sollte. Überdies war die Darlehenssumme nach dem Darlehensvertrag nicht an den Kläger, sondern unmittelbar auf das Konto "B. + Partner" zu überweisen. Dadurch wurde der Kläger von jeder freien Verfügung über das Darlehen ausgeschlossen.
- 26
cc) Zu den weiter erforderlichen subjektiven Voraussetzungen für eine Einheit der in Rede stehenden beiden Verträge fehlen ausreichende Feststellungen des Berufungsgerichts. Eine abschließende Beurteilung der Frage, ob beim Kläger subjektiv der Eindruck erweckt worden ist, die Beklagte und die Anlagen GbR bzw. deren Initiator B. stünden ihm als eine einheitliche Vertragspartnerin gegenüber, ist dem erkennenden Senat nicht möglich. Zwar sind die oben angeführten objektiven Verbindungselemente ohne weiteres geeignet, dem Kläger einen solchen Eindruck zu vermitteln. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist jedoch nicht auszuschließen, daß sie dem Kläger durch mündliche, individuelle Hinweise vor Abschluß des Darlehensvertrages klargemacht hat, der Kredit werde völlig unabhängig von dem Vertrag mit der Anlagen GbR gewährt und sei deshalb ohne jede Rücksicht auf den Erfolg oder Mißerfolg des "Null-Einsatz-Vorsorge-Programms" zurückzuzahlen. Sollte die Beklagte durch unmißverständliche individuelle Hinweise, an die angesichts der hier in besonderem Maße für eine wirtschaftliche Einheit der Verträge sprechenden Verbindungselemente strenge Anforderungen zu stellen sind, Klarheit über die völlige Selbständigkeit des Darlehensvertrages sowie darüber geschaffen haben, daß das Risiko einer Beteiligung an dem von ihr nicht geprüften "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" ausschließlich beim Kläger liege, würde es nicht nur an einer wirtschaftlichen Einheit der Verträge fehlen (vgl. BGHZ 83, 301, 307), sondern auch an der Schutzbedürftigkeit des Klägers.
- 27
c) Mit Recht bekämpft die Revision weiter die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte selbst dann nicht wegen eines Aufklärungs- oder Beratungsverschuldens auf Schadensersatz, wenn sie eine Beteiligung an dem von B. entwickelten Programm auf entsprechende Anfragen von Interessenten befürwortet hätte. Das Berufungsgericht hat außer acht gelassen, daß die anfragenden Interessenten eine solche Empfehlung nach den gesamten Umständen und Treu und Glauben nur dahin verstehen konnten, die Beklagte habe das "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" mit banküblichem kritischen Sachverstand geprüft und für in Ordnung befunden. Daß eine Bank eine Anlage nicht ohne eine solche Prüfung befürwortet, wird vom Geschäftsverkehr, der Banken regelmäßig besonderes Vertrauen entgegenbringt, ohne weiteres vorausgesetzt (vgl. BGHZ 100, 117, 122). Erweckt eine Bank Interessenten gegenüber den Eindruck, ein Anlageprogramm mit positivem Ergebnis geprüft zu haben, so hat sie die Interessenten über alle bei ordnungsgemäßer banküblicher Überprüfung erkennbaren Programmrisiken und Bedenken gegen die Bonität oder Seriosität des Initiators aufzuklären (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 1992 – XI ZR 166/91, Urteilsumdruck S. 10, 13 f., zur Veröffentlichung bestimmt).
- 28
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten nicht mit der Begründung verneint werden, die Anfragen der Anleger seien unverbindlich gewesen und hätten nicht zu einem haftungsbegründenden Auskunfts- oder Beratungsvertrag geführt. Selbst wenn dies zuträfe, kämen jedenfalls Schadensersatzansprüche der anfragenden Anleger aus einem Verschulden der Beklagten bei den Kreditverhandlungen in Betracht. Zwar ist eine kreditgebende Bank nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über die Risiken der von ihm beabsichtigten Verwendung des Darlehens aufzuklären. Eine solche Pflicht kann sich jedoch aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergeben, etwa wenn eine Bank in bezug auf die speziellen Risiken der Anlage über einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer verfügt oder über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht (Senatsurteile vom 17. Dezember 1991 – XI ZR 8/91, WM 1992, 216, 217 und vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 902). Letzteres wäre hier geschehen, wenn die Beklagte eine kreditfinanzierte Beteiligung an dem "Null-Einsatz-Vorsorge-Programm" befürwortet hätte.
- 29
Unter dem Gesichtspunkt eines konkreten Wissensvorsprungs traf die Beklagte dagegen keine Aufklärungspflicht. Entgegen der Ansicht der Revision war sie insbesondere nicht verpflichtet, über Risiken aufzuklären, die sich daraus ergaben, daß B. über die gutgeschriebene Darlehensvaluta ohne Kontrolle frei verfügen konnte. Nach den insoweit fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren der Beklagten die mangelnde Bonität und Seriosität des B. nicht bekannt. Ob sie durch Erkundigungen insoweit etwas hätte in Erfahrung bringen können, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Der Gesichtspunkt des Wissensvorsprungs verpflichtet eine Bank nur, vorhandenes, von ihr als wesentlich erkanntes Wissen zu offenbaren, nicht aber, sich einen Wissensvorsprung erst zu verschaffen (Senatsbeschluß vom 28. Januar 1992 – XI ZR 301/90, WM 1992, 602, 603; Senatsurteil vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 904).
- 30
4. Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus positiver Vertragsverletzung oder aus § 831 BGB im Zusammenhang mit den Untreuehandlungen des B. hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die von der Revision ohne konkrete Rüge zur Überprüfung gestellte Auffassung des Berufungsgerichts, B. sei weder Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfe der Beklagten gewesen, ist insoweit zutreffend.
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5. Nicht zu beanstanden ist unter der Voraussetzung der Wirksamkeit des ersten Darlehensvertrages, fehlender Einwendungen und Schadensersatzansprüche des Klägers schließlich auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Abrechnung des Darlehens. Eine anteilige Erstattung des Disagios von 2% kann der Kläger nicht beanspruchen, da es sich dabei ausweislich des Darlehensvertrages nicht um ein laufzeitabhängiges Entgelt, sondern um Kapitalbeschaffungskosten der Beklagten handelt (vgl. BGHZ 111, 287, 293). Allein die Hälfte des Disagios hatte die Beklagte als Vermittlungsprovision an B. zu überweisen.
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