Bankdarlehen als Scheingeschäft
Leitsatz
1. Zur Anwendung des BGB § 117 Abs 1 beim Bankdarlehen.
Orientierungssatz
1. Hier: Darlehensunterzeichnung eines GmbH-Gesellschafters zur Gutschrift auf dem Kreditkonto der Gesellschaft zwecks bankinterner Bilanzdarstellung.











vorgehend LG Karlsruhe, 10. Juli 1991, 3 O 315/90
Vergleiche BFH 2. Senat, 4. August 1999, II B 59/99


Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Illmer, 8. Auflage 2017, § 117 BGB
Tatbestand
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Der Beklagte zu 1) führte früher einen Handwerksbetrieb. 1980 wurde das Unternehmen in eine GmbH umgewandelt, deren Gesellschafter und Geschäftsführer zunächst der Beklagte zu 1) und sein Sohn waren. Am 13. Februar 1987 schied der - damals 66 Jahre alte - Beklagte zu 1) als Geschäftsführer, am 8. März 1988 auch als Gesellschafter aus der GmbH aus. Im folgenden Jahr brach die GmbH finanziell zusammen; die Eröffnung des Konkursverfahrens wurde abgelehnt.
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Die Klägerin - eine Raiffeisenbank - hatte der GmbH in größerem Umfang Kredite gewährt. Am 6. Februar 1987 unterschrieben der Beklagte zu 1) und seine Ehefrau, die Beklagte zu 2), bei der Klägerin einen Darlehensvertrag über 500.000 DM. Der Kreditbetrag diente dazu, den Schuldsaldo der GmbH bei der Klägerin zu vermindern. Die im Vertrag vereinbarten Monatsraten von 4.167 DM ab 1. März 1987 wurden bis zum 1. September 1988 dem Darlehenskonto der Beklagten gutgeschrieben. Außerdem verbuchte die Klägerin auf diesem Konto weitere 50.000 DM aus aufgelösten Sparguthaben der Beklagten. Mit Schreiben vom 10. Mai 1990 kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag wegen Zahlungsrückstandes. Aus dem von ihr mit 469.199,80 DM berechneten Kontosaldo per 1. April 1990 hat sie mit der Klage einen Teilbetrag von 100.000 DM nebst 10% Zinsen ab 1. April 1990 geltend gemacht.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung der Klageforderung verurteilt. Dagegen richtet sich deren Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
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Im Gegensatz zum Landgericht hat das Berufungsgericht den zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag für wirksam erachtet und zur Begründung ausgeführt: Eine Anwendung des § 138 BGB sei weder aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten noch deswegen gerechtfertigt, weil die Klägerin nach den Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen das Verhalten der GmbH im Wirtschaftsverkehr maßgeblich beeinflußt habe. Daraus, daß die Bankschulden der GmbH durch die Gutschrift der Darlehensvaluta verringert worden seien, habe sich auch keine Gläubigertäuschung ergeben. Die Bank sei gegenüber den Beklagten nicht zur Aufklärung über die wirtschaftliche Lage der GmbH verpflichtet gewesen. Auch die angebliche Erklärung der Klägerin, es handele sich bei der Vertragsunterzeichnung nur um eine Formalie, könne die Rechtspflicht der Beklagten zur Darlehensrückzahlung nicht in Frage stellen. Den Zeugenaussagen des Sohnes der Beklagten und seiner Ehefrau lasse sich weder eine rechtsverbindliche Zusage, die Klägerin werde die Beklagten nicht in Anspruch nehmen, noch ein späterer Verzicht entnehmen.
II.
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Die Revision hat Erfolg, weil sich das Berufungsgericht bisher nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Darlehensverpflichtung der Beklagten als Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist.
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1. Die Beklagten haben behauptet, am 6. Februar 1987 habe sie der damalige Vorstand der Klägerin völlig überraschend in die Bank bestellt, ihnen dort den Darlehensvertrag zur Unterschrift vorgelegt, dazu aber erklärt, das geschehe nur pro forma, damit die Klägerin das Kreditengagement bankintern bei der Revision bilanztechnisch besser darstellen könne; die Beklagten müßten den Darlehensbetrag nicht persönlich zurückzahlen, das werde die GmbH tun.
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Geht man von dieser Darstellung aus, so konnte die Klägerin nicht erwarten, daß die Beklagten sich durch die Unterschriftsleistung bindend verpflichten wollten, für eine Kreditschuld von 500.000 DM persönlich mit ihrem gesamten Vermögen einzustehen und damit im Falle eines Zusammenbruchs der GmbH ihre private wirtschaftliche Existenz zu gefährden. Der Vertreter der Klägerin mußte vielmehr damit rechnen, daß die Beklagten aufgrund seiner Erklärungen glaubten, die Vertragsunterzeichnung erfolge im beiderseitigen Einverständnis nur zum Schein, um der Klägerin bankinterne Schwierigkeiten bei der Revision zu ersparen, Rechte gegen die Beklagten sollten daraus nicht hergeleitet werden, Darlehensnehmerin bleibe allein die GmbH.
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2. Das Beklagtenvorbringen über die mündlichen Erklärungen des Vertreters der Klägerin bei der Unterzeichnung des Darlehensvertrags ist vom Landgericht - allerdings im Rahmen der Prüfung des § 138 BGB - für bewiesen erachtet worden. Das Berufungsgericht hat hierzu bisher keine abschließenden Tatsachenfeststellungen getroffen. Im Berufungsurteil findet sich nur der - nicht näher begründete - Satz, "der angebliche Hinweis, es handele sich lediglich um eine Formalie" könne die "Rechtsverbindlichkeit der Beklagten zur Rückzahlung des Darlehens" nicht in Frage stellen; § 117 BGB wird nicht erwähnt. Zur Beweisaufnahme zweiter Instanz führt das Berufungsgericht nur aus, den Aussagen der Zeugen J. und M. G. lasse sich lediglich entnehmen, daß die Parteien von der Erwartung ausgegangen seien, letztlich würden die Darlehensraten von der GmbH über die Beklagten an die Klägerin fließen; eine Zusage, auf keinen Fall die Beklagten persönlich in Anspruch zu nehmen, habe die Klägerin nicht gemacht.
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Falls man diese Ausführungen des Berufungsgerichts als abschließende tatrichterliche Würdigung des - unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 117 BGB zu prüfenden - Beklagtenvorbringens und des Beweisergebnisses ansehen wollte, könnte sie keinen Bestand haben; das rügt die Revision mit Recht. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die von der Zeugin G. bekundete Äußerung, das Darlehen solle nicht von den Beklagten, sondern von der GmbH zurückgezahlt werden, für sich allein genommen die Auslegung des Berufungsgerichts zuließe, daß damit nur die Erwartung geäußert werden sollte, die GmbH werde den Beklagten das Geld zur Verfügung stellen, das sie zur Erfüllung ihrer eigenen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin benötigten. Die genannte Äußerung des damaligen Vorstands der Klägerin darf nicht isoliert, sondern muß im Zusammenhang mit seinen übrigen Erklärungen gewürdigt werden. Hat er zugleich zum Ausdruck gebracht, die Unterzeichnung des Darlehensvertragsformulars geschehe nur pro forma, zum bankinternen Gebrauch der Klägerin, so legt eine Gesamtwürdigung aller Äußerungen eine Auslegung nahe, die die Anwendung des § 117 BGB rechtfertigt.
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3. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es Inhalt und Sinn der bei der Vertragsunterzeichnung abgegebenen mündlichen Erklärungen vollständig aufklärt und würdigt. Es wird in diesem Zusammenhang auch den Vortrag der Beklagten berücksichtigen müssen, der damalige Vorstand der Klägerin habe etwa ein Jahr später, bei der Verrechnung der Sparkonten, geäußert, die Klägerin habe gegen die Beklagten ja keine Ansprüche, die Unterschriften seien nur der Form halber zu leisten gewesen. Diese Äußerung durfte das Berufungsgericht nicht allein unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchsverzichts würdigen. Sie hat auch Bedeutung als Indiz dafür, daß der Vorstand der Klägerin selbst die Unterzeichnung der Darlehensvereinbarung aufgrund seiner damaligen Erklärungen von Anfang an als Scheingeschäft verstanden hatte und in dem späteren Einverständnis der Beklagten mit der Verrechnung ihrer Sparkonten nicht eine Bestätigung ihrer bereits bestehenden eigenen Verpflichtung, sondern eine freiwillige Leistung auf die Schuld der GmbH sah. In die gleiche Richtung weist die - sich aus dem Parallelverfahren XI ZR 202/92 = 6 U 217/91 ergebende - Tatsache, daß die Grundschuld, die von den Beklagten im Folgejahr bestellt wurde, nur der Sicherung von Ansprüchen der Klägerin gegen die GmbH, nicht aber gegen die Beklagten persönlich diente (Nr. V. der Grundschuldbestellungsurkunde vom 1. Juli 1988 = Bl. 109 BA) und daß damals nur die GmbH, nicht aber die Beklagten die unter Nr. IV. der Grundschuldbestellungsurkunde vorgesehene persönliche Haftung für den Grundschuldbetrag übernahm.
III.
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Die übrigen Revisionsrügen bleiben ohne Erfolg.
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1. Mit dem Einwand, sie hätten die Darlehensvaluta nicht erhalten, dringen die Beklagten nicht durch. Aus dem Tatbestand des Berufungsurteils, der nach § 314 ZPO den Streitstand der letzten mündlichen Verhandlung bindend feststellt, ergibt sich, daß die Gutschrift des Darlehensbetrags auf dem Konto der GmbH unstreitig auf Anweisung der Beklagten erfolgte. Das genügt für den Darlehensempfang als Voraussetzung der Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 607 BGB (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1986 - III ZR 127/85 = WM 1986, 1561, 1563 zu II. 3. m.w.Nachw.).
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2. Eine Nichtigkeit der Darlehensvereinbarung läßt sich, falls der Tatbestand des § 117 BGB nicht erfüllt ist, aus § 138 Abs. 1 BGB nicht herleiten.
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a) Die in den Senatsurteilen vom 22. Januar 1991 (XI ZR 111/90 = WM 1991, 313) und vom 24. November 1992 (XI ZR 98/92 = WM 1992, 2129) entwickelten Voraussetzungen einer sittenwidrigen finanziellen Überforderung liegen nicht vor: Die Beklagten erwarteten, ihre Darlehensverpflichtungen gegenüber der Klägerin mit Hilfe der Zahlungen erfüllen zu können, die sie selbst von der GmbH erhalten sollten; in der Folgezeit ist das zunächst auch geschehen. Die Beklagten mußten davon ausgehen, daß sie bei Zahlungsschwierigkeiten der GmbH notfalls ihr eigenes Vermögen, insbesondere den Grundbesitz, zur Befriedigung der Klägerin einzusetzen hatten. Wenn sie dazu wirklich bereit waren, obwohl ihnen danach für ihre Altersversorgung im ungünstigsten Fall nur der unpfändbare Teil ihrer Renteneinkünfte verbleiben würde, steht § 138 Abs. 1 BGB der Wirksamkeit ihrer Vertragsverpflichtung nicht entgegen.
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b) Auch der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe die GmbH vollständig kontrolliert und beherrscht, rechtfertigt keine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf den mit den Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag. Es ist nicht sittenwidrig, wenn die Bank die Beklagten, die an der Existenz der GmbH ein starkes eigenes Interesse hatten, durch den Hinweis auf die Notwendigkeit eines solchen Schrittes dazu veranlaßten, persönlich ein Darlehen aufzunehmen und es der GmbH zur Verminderung ihrer Schuld zur Verfügung zu stellen.
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3. Mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht schließlich auch einen Schadensersatzanspruch der Beklagten aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung der Klägerin verneint. Der Beklagte zu 1) war bei Abschluß des Darlehensvertrags am 6. Februar 1987 nicht nur Mehrheitsgesellschafter, sondern - bis zum 13. Februar 1987 - auch noch Mitgeschäftsführer der GmbH. Die Klägerin durfte davon ausgehen, daß er und - durch ihn - auch seine Ehefrau über die finanzielle Lage der GmbH und über das eigene Interesse der Klägerin an der Verminderung der Schulden der Gesellschaft hinreichend informiert und daher insoweit nicht aufklärungsbedürftig waren.
IV.
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Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
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