Zulässige Höhe des von einem Kreditinstitut aufgrund einer AGB-Klausel bestimmten Überziehungszinssatzes
Leitsatz
1. Zur zulässigen Höhe der von einem Kreditinstitut aufgrund einer AGB-Klausel bestimmten Überziehungszinsen (im Anschluß an BGH, 1992-04-14, XI ZR 196/91, BGHZ 118, 126).
Orientierungssatz
1. Ein Überziehungsprovisionssatz von 4% lag im Zeitraum von 1980 bis 1983 und 1986/87 im Rahmen des Marktüblichen. Dafür, daß die marktüblichen Sätze die bei geduldeten Überziehungskrediten im Regelfall mögliche Erhöhung des Risikos und der Kosten unangemessen hoch bewerteten, fehlt es an Anhaltspunkten.













vorgehend LG Münster, 31. Januar 1990, 2 O 493/89


Walther Hadding, WuB I A Nr 14 AGB-Banken 2.92 (Anmerkung)
Tatbestand
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Die Klägerin, die von ihrem Vater und ihrem Ehemann zwei Terrazzounternehmen geerbt und bis zur Betriebseinstellung Ende Mai 1981 weitergeführt hatte, unterhielt bei der Beklagten, einer Stadtsparkasse, mehrere Geschäfts- und Privatkonten. Als Sicherung für die Ansprüche der Beklagten gegen die Klägerin dienten mehrere Grundschulden. Ab 1980 kam es zu ständig wachsenden Kontoüberziehungen der Klägerin, dabei wurden die auf den Geschäftsgirokonten eingeräumten Kontokorrentkreditbeträge weit überschritten. Mit Schreiben vom 23. Februar 1987 kündigte die Beklagte sämtliche Kredite und verlangte einen Kontenausgleich bis zum 16. März 1987. Am 25. November 1987 erwirkte sie gegen die Klägerin ein Zahlungsurteil über den Abrechnungssaldo des Kontos Nr. ... in Höhe von 266.741,84 DM (2 O 501/87 LG Münster). Zuvor war die Klägerin in einem weiteren Vorprozeß bereits durch Versäumnisurteil vom 12. August 1987 verurteilt worden, die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus einer Grundschuld über 30.000 DM nebst Zinsen zu dulden (2 O 350/87 LG Münster). Danach veräußerte die Klägerin im Jahre 1988 eines ihrer Grundstücke, im Folgejahr wurde ein anderes zwangsversteigert. Die Erlöse schrieb die Beklagte den verschiedenen Konten der Klägerin gut. Ihre Restforderung beziffert sie - nach einer Beschränkung ihrer Verzugszinsforderung für die Zeit ab 17. März 1987 - noch mit 67.256,12 DM. Sie betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Duldungsurteil vom 12. August 1987. Dagegen hat die Klägerin Vollstreckungsabwehrklage erhoben, u.a. mit der Begründung, die der Beklagten zugeflossenen Grundstückserlöse hätten zum Ausgleich aller berechtigten Kontosalden ausgereicht; die Restschuldberechnung der Beklagten greift die Klägerin rechnerisch nicht an, sie führt den Schuldrest aber auf die - für die Zeit bis zum 31. Dezember 1983 und vom 1. Juni 1986 bis zum 16. März 1987 unstreitig erfolgte - Belastung des Kontos Nr. ... mit 4% Überziehungsprovision zurück, die sie - wegen Unwirksamkeit der zugrundeliegenden AGB-Bestimmung - für unberechtigt hält.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin ihren Klageantrag aus § 767 ZPO weiterverfolgt und außerdem die Feststellung begehrt, daß der Beklagten ein weitergehender Anspruch auf Zahlung von 11.000 DM nicht zustehe. Beide Anträge blieben vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet.
A.
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Das Berufungsgericht hat zur Rechtfertigung der Klageabweisung ausgeführt: Soweit die Einwendungen der Klägerin gegen den im Versäumnisurteil vom 12. August 1987 titulierten Anspruch aus der Grundschuld nach Ablauf der Einspruchsfrist entstanden und daher nach § 767 Abs. 2 ZPO überhaupt noch zu berücksichtigen seien, könnten sie nicht durchdringen. Die Abrechnung der Beklagten über die gesicherten Forderungen sei für die Zeit nach Verzugseintritt am 17. März 1987 von der Klägerin nicht substantiiert angegriffen worden. Im übrigen halte die Berechnung erhöhter Zinsen bei Überschreitung des Kontokorrentlimits der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz stand. Die Bereitschaft der Bank, ein erhöhtes Risiko einzugehen, müsse vom Kunden bezahlt werden; die zusätzliche Überziehungsprovision stelle weder eine Schadenspauschalierung nach § 11 Nr. 5 AGBG noch eine unangemessene Benachteiligung des Kunden nach § 9 AGBG dar. Das Berufungsurteil ist in WM 1991, 182 veröffentlicht.
B.
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Mit der Revision macht die Klägerin nur noch geltend, die Berechnung eines um 4% erhöhten Zinssatzes für die Überschreitung des Kreditlimits auf dem Konto Nr. ... in der Zeit vor dem 17. März 1987 sei unberechtigt, weil ihre Grundlage - Nr. 10 AGB-Sparkassen - wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam sei; bei einer entsprechenden Berichtigung der Zinsabrechnung stünden der Beklagten keinerlei Ansprüche mehr gegen die Klägerin zu.
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Damit kann die Revision nicht durchdringen.
I.
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Zwar steht § 767 Abs. 2 ZPO der Einwendung der Klägerin nicht entgegen, auch wenn die streitige Berechnung von Überziehungsprovision Zeiträume vor Beginn des Vorprozesses 2 O 350/87 LG Münster betrifft. Eine entsprechende Ermäßigung der Zahlungsansprüche der Beklagten hätte der Klägerin in jenem Verfahren noch keine Einwendung gegen den geltend gemachten dinglichen Anspruch aus der Sicherungsgrundschuld gegeben, da die verbleibenden Kreditforderungen der Beklagten den Grundschuldbetrag unstreitig noch immer weit überstiegen. Erst nachdem der Beklagten in den Jahren 1988/1989, also nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 12. August 1987, die Grundstückserlöse zur Tilgung der Kreditschuld der Klägerin zugeflossen waren, hat die streitige Berechnung von Überziehungsprovisionen entscheidende Bedeutung für die materielle Berechtigung des titulierten Duldungsanspruchs gewonnen.
II.
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Die Einwendung der Klägerin, sie brauche die Zwangsvollstreckung aus der Sicherungsgrundschuld nicht mehr zu dulden, weil die Beklagte bei richtiger Berechnung der Kontosalden nach der Verrechnung der Grundstückserlöse keinen Zahlungsanspruch mehr habe, und die außerdem erhobene negative Feststellungsklage sind jedoch nicht begründet.
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Der Beklagten stehen die von ihr für das Konto Nr. ... berechneten erhöhten Überziehungszinsen zu. Inhalt des Girovertrags war nämlich eine Nr. 10 AGB-Sparkassen entsprechende Klausel. Danach hat der Kunde, wenn er "Kredit ohne ausdrückliche Vereinbarung oder über den vereinbarten Betrag oder über den Fälligkeitstermin hinaus in Anspruch nimmt", statt etwa vereinbarter niedrigerer Zinsen, Gebühren und Provisionen die von der Sparkasse für solche Überziehungen bestimmten, im Preisaushang bzw. Preisverzeichnis jeweils ausgewiesenen Zinsen, Gebühren und Provisionen zu zahlen. Hier geht es allein um die zweite Alternative dieser Klausel: In der streitigen Zeit bis zum 16. März 1987 war zwischen den Parteien für das Konto ... ein Kontokorrentkredit in Höhe von 100.000 DM vereinbart. Die Klägerin hatte über den vereinbarten Betrag hinaus Kredit in Anspruch genommen. Die dritte Klauselalternative ("über den Fälligkeitstermin hinaus") lag dagegen in der streitigen Zeit nicht vor; die Beklagte hatte die gewährten Kredite erst mit Schreiben vom 23. Februar 1987 gekündigt und Zahlung bis zum Ablauf des 16. März 1987 gefordert. Ihre Verzugszinsforderung für die Zeit danach hat die Beklagte von sich aus beschränkt und dadurch außer Streit gestellt.
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Vergeblich beruft sich die Klägerin darauf, die Überschreitung des Kreditlimits auf dem Kontokorrentkonto Nr. ... sei im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die Beklagte von 1982 bis zur Kündigung ständig die Raten eines auf einem gesonderten Konto geführten weiteren Darlehens bei Fälligkeit auf das Kontokorrentkonto umgebucht habe. Darin lag nicht, wie die Klägerin meint, eine Umgehung der einschränkenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verzugszinsberechnung. Die Gutschriften auf dem Darlehenskonto zu Lasten des Kontokorrentkontos geschahen im beiderseitigen Einvernehmen; die Klägerin hat ihnen nie widersprochen. Sie war an einem Stillhalten der Beklagten interessiert. Die Klägerin hat sich, um nicht mit der Zahlung der Darlehensraten in Verzug zu kommen, von der Beklagten auf dem Kontokorrentkonto stillschweigend weiteren Kredit gewähren lassen. Für die Klägerin war dabei erkennbar, daß die Beklagte für diesen Kredit, soweit er das vereinbarte Limit von 100.000 DM überschritt, höhere Überziehungszinsen berechnete. Das ergab sich aus den Kontoauszügen des Girokontos; das vorgelegte Schreiben der Beklagten vom 4. September 1984 enthielt sogar einen ausdrücklichen Hinweis auf die Überschreitung des Kreditlimits und den zusätzlich berechneten Überziehungszinssatz von 4%. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, diese Zinserhöhung übersehen zu haben. Sie beruft sich lediglich darauf, die Zinserhöhung finde in den AGB keine wirksame Grundlage. Damit kann sie nicht durchdringen.
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Die hier maßgebliche zweite Alternative in Nr. 10 AGB-Sparkassen hält der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz stand. Das hat der erkennende Senat nunmehr in einem Verfahren nach § 13 AGBG entschieden (Urteil vom 14. April 1992 - XI ZR 196/91, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) und damit das in ZIP 1991, 919 abgedruckte Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf bestätigt. Zur Begründung hat der erkennende Senat im zitierten Urteil des Parallelverfahrens ausgeführt:
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1. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Kontrollfähigkeit der Klausel gemäß § 8 AGBG bejaht. Die dagegen von der Beklagten erhobenen Bedenken (ebenso Steiner WM 1992, 425, 429/430) greifen nicht durch.
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Zwar regelt die Klausel das vom Kunden für eine Vertragsleistung der Sparkasse zu zahlende Entgelt. Nicht alle Preisabreden sind jedoch der Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGBG entzogen. Zum gegenteiligen Ergebnis ist der BGH vielmehr bei einer Kreditvertragsklausel gekommen, die für den Fall einer späteren Stundungsvereinbarung eine vorweggenommene Einigung über Voraussetzungen und Höhe der während der Stundungszeit zu zahlenden Zinsen enthielt (BGHZ 95, 362, 370/371). Die dort angeführten Gründe rechtfertigen die Inhaltskontrolle auch im vorliegenden Fall: Bei Abschluß des Girovertrags wird durch die streitige AGB-Klausel bereits geregelt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe der Kunde eine gesonderte Vergütung zu zahlen hat, falls es später durch eine von der Sparkasse geduldete Kontoüberziehung zu einer stillschweigenden Kreditvereinbarung der Parteien kommt. Der Schutzzweck des AGB-Gesetzes fordert die Inhaltskontrolle einer solchen Klausel: Wird in den AGB des vorangegangenen Girovertrags die vorweggenommene Einigung über die Vergütung für eine in der Folgezeit möglicherweise erfolgende Kreditgewährung versteckt, so liegt es nahe, daß der Kunde, wenn er später ohne ausdrückliche Vereinbarung sein Konto überzieht, dabei übersieht, welche Zinsbelastungen ihm daraus erwachsen; eine solche AGB-Klausel birgt für ihn gerade diejenigen Gefahren, die das AGB-Gesetz abwenden will (BGHZ 95 aaO; 106, 42, 46). Falls die Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel führt, entsteht dadurch auch nicht - wie bei den kontrollfreien Preisabreden - eine unausfüllbare Regelungslücke. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen würden dann vielmehr für eine stillschweigende Kreditgewährung auch die für ausdrückliche Kreditvereinbarungen vorgesehenen Vergütungen, zumindest aber Zinsen nach § 354 Abs. 2 HGB zu zahlen sein.
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2. Vergeblich wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht es abgelehnt hat, die in den noch streitigen Klauselalternativen genannten "Zinsen, Gebühren und Provisionen" als Schadens- bzw. Aufwendungspauschalen oder als Vertragsstrafe anzusehen und deshalb als Kontrollmaßstab die Spezialvorschriften der §§ 10 Nr. 7, 11 Nr. 5 oder 6 AGBG heranzuziehen. Diese Normen regeln Ansprüche aus gestörten Vertragsverhältnissen (H. Schmidt in: Ulmer/Brandner/Hensen AGBG 6. Aufl. § 10 Nr. 7 Rdn. 5). Darum geht es in Nr. 10 AGB-Sparkassen - jedenfalls in seinen beiden ersten Alternativen - jedoch nicht. Dort ist vielmehr vorgesehen, daß Geldleistungen, die von der Sparkasse auf Veranlassung des Kunden ohne ausdrückliche Vereinbarung oder über einen ausdrücklich vereinbarten Überziehungskreditbetrag hinaus erbracht werden, als stillschweigend vereinbarte Kreditgewährungen der Bank gelten (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1985 - III ZR 128/84 = WM 1986, 8, 10 zu III. 2. d) Abs. 2), für die der Kunde als Gegenleistung die von der Bank hierfür - gemäß Nr. 9 AGB-Sparkassen - bestimmten Zinsen, Gebühren und Provisionen zu zahlen hat.
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Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen dieser Vorschrift verneint. Seine Auffassung wird auch sonst in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und dem Schrifttum überwiegend vertreten (OLG Hamm WM 1991, 182 m.zust.Anm. Christoffel WuB I E 1.-3.91; OLG Schleswig WM 1991, 1074; OLG Köln VersR 1992, 324; LG Traunstein WM 1991, 850; LG Aachen WM 1991, 189; Ekkert ZBB 1991, 101 m.w.Nachw. in Fn. 1; Steiner WM 1992, 425; Vortmann VerbrKrG § 5 Rdn. 2; Münstermann/Hannes VerbrKrG § 5 Rdn. 276).
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Teilweise hat aber auch die von Kilimann NJW 1990, 1154 begründete Gegenmeinung, der das Landgericht gefolgt war, Zustimmung gefunden (Seibert Handbuch zum VerbrKrG § 5 Rdn. 9; Palandt/Heinrichs 51. Aufl. § 9 AGBG Rdn. 62).
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Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Berufungsgerichts.
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a) Materiell liegt darin, daß der Girovertragskunde für einen Kredit, der von ihm durch Kontoüberziehung ohne vorherige Abrede in Anspruch genommen und von der Sparkasse durch Duldung konkludent gewährt wird, ein höheres Entgelt zahlen soll als für ein ausdrücklich vereinbartes Darlehen, keine Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung des Kunden.
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Eine solche Kreditgewährung stellt eine zusätzliche Leistung der Sparkasse dar, auf die der Kunde aufgrund der vorher getroffenen Vereinbarungen keinen Anspruch hat und die er selbst dann, wenn es sich nur um eine Krediterweiterung handelt, nicht zum gleichen Preis wie den bereits bewilligten Kredit erwarten oder gar verlangen kann.
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Die Berechnung einer zusätzlichen Überziehungsprovision für Kredite, die vom Kreditnehmer ohne ausdrückliche Vereinbarung in Anspruch genommen werden, war bereits in § 6 der Zinsverordnung vom 5. Februar 1965 (BGBl. I, 33; für die Zeit vorher vgl. Steiner aaO S. 426 Fn. 6) vorgesehen. Nach Aufhebung dieser amtlichen Zinsregelung durch die Verordnung vom 21. März 1967 (BGBl. I, 352) blieb die Preisdifferenzierung zwischen (ausdrücklich vereinbarten) Dispositionskrediten und (stillschweigend gewährten) Überziehungskrediten banküblich. Das am 1. Januar 1991 in Kraft getretene Verbraucherkreditgesetz unterscheidet in § 5 zwischen vom Kreditinstitut eingeräumten (Abs. 1) und geduldeten (Abs. 2) Kontoüberziehungen, ohne zur Frage der Zulässigkeit einer unterschiedlichen Preisgestaltung für die beiden Formen des Überziehungskredits Stellung zu nehmen.
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Danach bestehen aufgrund der Vertragsfreiheit grundsätzlich keine Bedenken gegen die Vereinbarung eines höheren Entgelts für nicht ausdrücklich, sondern nur durch Duldung konkludent vereinbarte Überziehungskredite. Wenn diese Vereinbarung bereits in den AGB eines früher geschlossenen Girovertrags vorweggenommen wird, könnte darin allenfalls dann eine treuwidrige Benachteiligung des Kunden gesehen werden, wenn die Preisdifferenzierung jedes sachlichen Grundes entbehrte. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß geduldete Kontoüberziehungen gegenüber vorher ausdrücklich vereinbarten Krediten regelmäßig einen größeren Arbeitsaufwand und ein erhöhtes Risiko mit sich bringen und daß sie das Kreditinstitut auch zur Inanspruchnahme teurerer Refinanzierungsmittel zwingen können. Diese typischen Unterschiede rechtfertigen die generelle Festlegung eines höheren Entgelts, auch wenn die einzelnen Unterschiedselemente nicht bei jeder geduldeten Kontoüberziehung in gleichem Umfang vorliegen mögen.
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Der Unterschied zwischen ausdrücklich vereinbarten und nur geduldeten Krediten wird - entgegen der Auffassung der Revision - auch durch die Existenz "interner", den "offiziell" vereinbarten Kreditrahmen übersteigender Kreditlinien nicht aufgehoben. Ein Kreditinstitut, das in seinen AGB zwischen den beiden Kreditformen unterscheidet und dafür unterschiedliche Gegenleistungen vorsieht, ist nicht gehindert, für seinen internen Gebrauch bereits im voraus festzulegen, bis zu welchem Betrag bei einem Kunden die teureren Kontoüberziehungen ohne vorherige Vereinbarung geduldet werden sollen. Der Unterschied der beiden Kreditformen bleibt trotzdem bestehen; die Entgeltdifferenz in den AGB behält ihre sachliche Berechtigung.
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b) Eine materiell unangemessene Benachteiligung des Kreditnehmers kann jedoch, auch wenn ein teureres Entgelt für geduldete Kreditüberziehungen nicht grundsätzlich zu beanstanden ist, in der Höhe dieses Entgelts liegen. Die streitige AGB-Klausel legt diese Höhe nicht selbst fest, sondern verweist hierfür auf "die von der Sparkasse für solche Überziehungen bestimmten, im Preisaushang bzw. Preisverzeichnis jeweils ausgewiesenen Zinsen, Gebühren und Provisionen". Auch insoweit hält die Klausel der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand.
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Das Berufungsgericht ist mit Recht von den Grundsätzen ausgegangen, die der BGH in der Entscheidung BGHZ 97, 212 für Zinsbestimmungs- und -anpassungsklauseln entwickelt hat. Danach können solche AGB-Klauseln, auch wenn sie die Voraussetzungen und Grenzen für die vorbehaltene Bestimmung der Zinsen nicht ausdrücklich umschreiben, Billigung finden, wenn dafür ein sachlicher Grund besteht. Ein solcher Grund liegt in dem unabweisbaren Bedürfnis der Kreditinstitute, ihre Zinskonditionen den wechselnden und bei Vertragsabschluß meist nicht überschaubaren künftigen Finanzierungsmarktverhältnissen anzupassen. Zur Wahrung der Interessen des Kunden sind solche Klauseln grundsätzlich dahin auszulegen, daß sie das Kreditinstitut nicht nur zu Zinserhöhungen berechtigen, sondern auch zur Berücksichtigung der Marktverhältnisse zugunsten des Kunden verpflichten. Dem Kunden verbleibt außerdem das Recht, die Zinsbestimmung im Einzelfall gemäß § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfen zu lassen.
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Diese Grundsätze sind auch auf die vorliegende AGB-Klausel anzuwenden. Gerade bei einer vorweggenommenen Entgeltabrede für künftige Überziehungskredite würde die Forderung, es müsse langfristig ein von vornherein bestimmter Überziehungszinssatz festgelegt werden, weder den Interessen des Kreditinstituts noch denen des Kunden dienen. Durch eine der Entscheidung BGHZ 97, 212, 217 entsprechende Klauselauslegung erhält das Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten einen Inhalt, der den Kunden nicht unangemessen benachteiligt.
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c) Die streitige Klausel verstößt schließlich auch nicht gegen das - in der neueren BGH-Rechtsprechung aus § 9 Abs. 1 AGBG entwickelte - Transparenzgebot (BGHZ 106, 42, 49; 112, 115, 116). Die Klauselformulierung verschleiert die kundenbelastenden Folgen eines ohne ausdrückliche Abrede in Anspruch genommenen Überziehungskredits nicht, sondern bringt - auch für den durchschnittlichen Privatkunden - unmißverständlich zum Ausdruck, daß ein solcher Kredit teurer ist als ein ausdrücklich vereinbarter und daß die Höhe der dem Kunden dadurch entstehenden Kosten jeweils von der Sparkasse bestimmt und im Preisaushang bzw. Preisverzeichnis ausgewiesen wird. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, wenn der Durchschnittskunde die getroffene Regelung nur rechtlich nicht richtig einordnen kann oder Schwierigkeiten mit der Berechnung im Einzelfall hat. Entgegen der Auffassung der Revision ist es auch nicht Aufgabe des Transparenzgebots, den Kunden vor Nachteilen zu schützen, die ihm dadurch entstehen könnten, daß er die AGB gar nicht liest oder das Wort "ausdrücklich" in der streitigen Klausel übersieht und sich deswegen nicht rechtzeitig um eine die Kontoüberziehung abdeckende ausdrückliche Kreditvereinbarung mit der Sparkasse bemüht.
III.
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Danach war im vorliegenden Individualprozeß allenfalls zusätzlich noch zu prüfen, ob die von der Beklagten bestimmten und der Klägerin in Rechnung gestellten Überziehungszinsen der Höhe nach der Billigkeit entsprachen (§ 315 Abs. 3 BGB). Das wäre nicht der Fall, wenn sie den Rahmen des Marktüblichen eindeutig überschritten hätten. Dazu fehlt jedoch jeder Parteivortrag. Grundsätzlich hat zwar das Kreditinstitut im Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß seine Bestimmung der Kreditkosten der Billigkeit entspricht (BGHZ 97, 212, 223 m.w.Nachw.). Hier hat sich die Klägerin jedoch nicht einmal pauschal darauf berufen, die Beklagte habe höhere Überziehungszinsen gefordert als andere Kreditinstitute. Die in der Zinsverordnung vom 5. Februar 1965 zugelassene Überziehungsprovision betrug zwar nur 1,5% (Anlage 1 BGBl. I, 38). Nach Aufhebung der staatlichen Zinsreglementierung lag der von der Beklagten geforderte Provisionssatz von 4% in dem hier streitigen Zeitraum jedoch im Rahmen des Marktüblichen (vgl. Vahlens Großes Wirtschaftslexikon Bd. 1 1987 S. 1059: i.d.R. 3-4% p.a.). Es fehlen auch Anhaltspunkte dafür, daß die danach marktüblichen Sätze die bei geduldeten Überziehungskrediten im Regelfall mögliche Erhöhung des Risikos und der Kosten unangemessen hoch bewerteten. Danach ist das Berufungsurteil auch insoweit im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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