Rückzahlung und Verzinsung von DDR-Staatsbankkrediten nach Ende der sozialistischen Planwirtschaft und Wegfall staatlicher Finanzierungshilfen
Leitsatz
1. Das Ende der sozialistischen Planwirtschaft und der staatlichen Finanzierungshilfen nach DDR-Recht hat die Verpflichtung einer ehemaligen Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft zur Rückzahlung und Verzinsung von Staatsbankkrediten nicht entfallen lassen und rechtfertigt wegen des Altschuldenhilfegesetzes auch keine Anpassung nach BGB § 242.
2. Die Rechtsnachfolger der DDR-Staatsbank sind ohne Vereinbarung nicht berechtigt, die Altkredite seit dem Beitritt im Kontokorrentverhältnis abzuwickeln und Zinseszinsen zu berechnen.















vorgehend LG Dresden 5. Kammer für Handelssachen, 18. November 1993, 45 O 161/93
Festhaltung BGH 11. Zivilsenat, 14. Mai 1996, XI ZR 264/95


Martin Weber, LM BGB § 242 (Bb) Nr 161 (4/1995) (Anmerkung)
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Pfeiffer, 8. Auflage 2017, § 313 BGB
● Toussaint, 8. Auflage 2017, § 248 BGB
Tenor
Die Revisionen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. März 1994 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der Revisionsinstanz tragen die Klägerin 24/25 und die Beklagte 1/25.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Im Jahre 1975 erhielt die Klägerin - damals eine Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft - von der DDR-Staatsbank zur Finanzierung von Wohnungsneubauten in D. einen mit 4% zu verzinsenden Kredit. Im Kreditvertrag vom 29. April 1975 wurde für Tilgung und Verzinsung eine gleichbleibende Jahresleistung von 5% des ursprünglich ausgereichten Kreditbetrags vereinbart. Davon waren 1% Tilgungsanteil durch die Klägerin, die restlichen 4% durch den Rat der Stadt an die Staatsbank zu entrichten; die Zahlungen des Rats sollten zunächst auf die Zinsen, im übrigen auf den Kredit verrechnet werden. Im Februar 1991 übermittelte die Beklagte - als Rechtsnachfolgerin der Staatsbank - der Klägerin den vorformulierten Text einer "Vereinbarung über die Feststellung der Wohnungsbaukredite". Danach sollten die Kreditverträge der früheren Staatsbank grundsätzlich ihre Gültigkeit behalten. Die Höhe der Altkredite nach der Umstellung auf DM per 1. Juli 1990 wurde festgestellt, ferner die Zinsbelastung für das erste Halbjahr 1990. Nummer 4 der Vereinbarung lautet:
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"Nach Feststellung der DM-Eröffnungsbilanz werden zwischen der Genossenschaft und der Bank auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen unverzüglich die für die weitere Abwicklung, insbesondere die Zins- und Tilgungsleistungen, erforderlichen Vereinbarungen getroffen.
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Der Wohnungsbaukredit ist seit dem 1. Juli 1990 mit 9,25% p.a. bis auf weiteres zu verzinsen.
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(Der durch den Staat zu übernehmende Anteil zum Kapitaldienst ist zur Zeit durch den Bundesfinanzminister noch nicht entschieden.)"
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Die Klägerin unterschrieb die Vereinbarung nur mit Einschränkungen, die sich aus ihrem Begleitschreiben vom 11. Februar 1991 ergaben; darin heißt es zu 4.:
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"Wie Sie in der Vereinbarung richtig erwähnen, ist die Entscheidung über den vom Staat zu übernehmenden Anteil zum Kapitaldienst vom Bundesfinanzminister noch nicht getroffen worden.
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Somit nehmen wir vorerst nur den prozentualen Zinssatz der Altkredite zur Kenntnis."
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Im März 1991 beteiligte sich die Beklagte an der von der Bundesregierung und den Gläubigerbanken abgegebenen "Gemeinsamen Erklärung über ein Moratorium für die Kreditverpflichtungen der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbauunternehmen"; danach wurden die fälligen Zins- und Tilgungszahlungen bis Ende 1993 gestundet, die gestundeten Zinsen bei Fälligkeit dem Kredit zugeschlagen. Nach Ablauf der Moratoriumsfrist erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abrechnung. Danach entfielen auf die 280 Wohneinheiten des Objekts J. (jetzt: F.-Straße) ursprünglich 10.326.000 Mark/DDR. Im Zeitpunkt der Währungsumstellung betrug dieser Teilkredit noch 8.026.918,92 Mark/DDR = 4.013.459,46 DM. Für die Zeit ab 3. Oktober 1990 berechnete die Beklagte dafür marktübliche Zinsen in wechselnder Höhe zwischen 10% und 7,6%, die jeweils zum Jahresende dem Schuldbetrag zugeschlagen und in der Folgezeit mitverzinst wurden. Per 1. Januar 1994 ergab sich daraus ein Kreditsaldo von 5.568.990,64 DM.
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Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß sie der Beklagten aus der Finanzierung der Häuser F.-Straße weder Zins- noch Tilgungsleistungen schulde, hilfsweise lediglich Tilgungsleistungen von 1% p.a., höchst hilfsweise seit dem 3. Oktober 1990 lediglich Zinsleistungen von 4% p.a. zuzüglich Tilgungsleistungen von 1% p.a., ausgehend von der ursprünglichen Kreditsumme. Das Landgericht hat die negative Feststellungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht festgestellt, daß der Beklagten aus dem streitigen Teilkredit keine über 4.013.459,40 DM nebst Zinsen von 4% vom 1. Januar bis 2. Oktober 1990 und zwischen 7,6% und 10% seit dem 3. Oktober 1990 hinausgehende Forderung zusteht. Gegen das Berufungsurteil haben beide Parteien Revision eingelegt.
Entscheidungsgründe
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Beide Revisionen bleiben ohne Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines Urteils (veröffentlicht WM 1994, 734) ausgeführt:
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Die Vereinbarung der Parteien vom Februar 1991 stelle, auch wenn darin nicht alle Details der Abwicklung des Darlehensvertrags geklärt seien, ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis hinsichtlich des Anspruchsgrundes dar. Alle bei Vertragsschluß bekannten oder erkennbaren Einwendungen seien damit abgeschnitten. Daher könne sich die Klägerin auch nicht auf die wirtschaftliche Bedrängnis berufen, in die sie durch das Ausbleiben staatlicher Zuwendungen und die Beschränkung der Mietzinsen geraten sei. Gegen das Anerkenntnis bestünden keine Wirksamkeitsbedenken aus § 9 AGBG, weil die Parteien den Inhalt im einzelnen ausgehandelt hätten.
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Im übrigen entspreche das Anerkenntnis auch in vollem Umfang der materiellen Rechtslage: Im Kreditvertrag vom 29. April 1975 habe sich die Klägerin als Kreditnehmerin zur Rückzahlung und Verzinsung verpflichtet. Daran änderten auch die vorgesehenen Zahlungen aus staatlichen Haushaltsmitteln nichts. Der Rat der Stadt habe nicht etwa die Zins- und Tilgungsverpflichtung schuldbefreiend übernommen. Diese Rechtslage habe sich auch durch den Zusammenbruch der DDR- Planwirtschaft nicht verändert; sie werde vielmehr durch später ergangene gesetzgeberische Maßnahmen bestätigt, insbesondere auch durch das Altschuldenhilfegesetz. Eine verfassungswidrige Beeinträchtigung des Eigentumsrechts und der Berufsfreiheit liege nicht vor, da der Klägerin durch den Eigentumserwerb an Grund und Boden und durch die Altschuldenhilfe ein zumindest hinreichender Ausgleich gewährt worden sei.
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Einen geringen Teilerfolg habe die negative Feststellungsklage nur hinsichtlich der Zinsberechnung: Die Beklagte sei nicht berechtigt, den Schuldstand jeweils zum Jahresende mit den zwischenzeitlich angefallenen Zinsen zu saldieren; eine Kontokorrentvereinbarung sei weder Teil des ursprünglichen Kreditvertrags gewesen noch später wirksam getroffen worden.
II.
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet: Soweit das Berufungsgericht - durch die Teilabweisung der negativen Feststellungsklage - einen Anspruch der Beklagten auf Zahlung von 4.013.459,40 DM nebst Zinsen bejaht hat, hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
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1. Bedenken bestehen allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht - in seiner Hauptbegründung - die Vereinbarung der Parteien vom Februar 1991 als ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis wertet, durch das der Klägerin bereits sämtliche im jetzigen Rechtsstreit vorgebrachten Einwendungen gegen den Grund der Ansprüche der Beklagten abgeschnitten seien.
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a) Das Berufungsgericht hat insoweit das Recht der Bundesrepublik Deutschland angewendet, obwohl es um die Anerkennung eines Schuldverhältnisses geht, das vor dem Wirksamwerden des Beitritts entstanden ist und für das daher grundsätzlich das DDR-Recht maßgebend bleibt (Art. 232 § 1 EGBGB). Die - im angefochtenen Urteil nicht näher begründete (vgl. aber OLG Dresden DtZ 1994, 32; zust. Palandt/Putzo BGB 54. Aufl. Art. 232 § 1 EGBGB Rdn. 8) - Auffassung des Berufungsgerichts steht im Widerspruch zu älterer Rechtsprechung, die in einem Anerkenntnis eine bloße Weiterentwicklung des alten Schuldverhältnisses gesehen und daher das alte Recht angewendet hat (RG JW 1905, 132; zust. Soergel/Hartmann 11. Aufl. Art. 170 EGBGB Rdn. 2). Der Bundesgerichtshof hat zu dieser Frage des intertemporalen Rechts bisher nicht Stellung genommen (vgl. Urteil vom 1. Dezember 1994 - VII ZR 215/93 = WM 1995, 402, 404).
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b) Auch wenn man dem Berufungsgericht im rechtlichen Ausgangspunkt folgt und neues Recht anwendet, bleiben durchgreifende Bedenken dagegen, die Vereinbarung als ein Schuldanerkenntnis auszulegen, das der Klägerin sämtliche jetzt vorgebrachten Einwendungen abschneidet. Der Wortlaut der Vereinbarung und die Grundregel, daß jeder Einwendungsverzicht vom erklärten Willen des Anerkennenden erfaßt sein muß und im Zweifel zu verneinen ist, gebieten eine differenzierende Beurteilung: Die Erklärung der Klägerin zur Höhe der Altkredite (Ziffer 1) mag neuen Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnung für die Zeit vor dem 1. Juli 1990 entgegenstehen; auch mag der Klägerin danach verwehrt sein, dem Grunde nach einzuwenden, das Ende der Planwirtschaft lasse jeden Anspruch auf Kreditrückzahlung entfallen. Den im Februar 1991 gewechselten Schreiben läßt sich aber schwerlich eine vollständige Einigung der Parteien darüber entnehmen, von wem, wann und in welcher Höhe in Zukunft Zins- und Tilgungsleistungen erbracht werden sollten. Die Klägerin hat ausdrücklich erklärt, sie nehme "nur den prozentualen Zinssatz der Altkredite zur Kenntnis". Sie hat auf die Notwendigkeit verwiesen, zunächst zu klären, welchen Anteil zum Kapitaldienst der Staat in Zukunft übernimmt. Ziffer 4 des von der Beklagten formulierten Erklärungstextes sah spätere Vereinbarungen über die Zins- und Tilgungsleistungen "auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen" vor. Die Klägerin konnte diese Erklärungen nicht dahin verstehen, sie solle sich unabhängig von der wahren Rechtslage und ohne Rücksicht darauf, welche Leistungen der Staat in Zukunft übernehmen werde, dem Grunde nach zur Tilgung und Verzinsung aller Kreditansprüche der Beklagten verpflichten und sogar auf den Einwand verzichten, der Wegfall der Staatssubventionen habe die Geschäftsgrundlage zwischen den Kreditvertragsparteien verändert. Eine solche Auslegung hat zunächst - vorprozessual und im ersten Rechtszug - nicht einmal die Beklagte selbst vertreten; erstmals in der Berufungsinstanz tauchte der Gedanke auf, in der Vereinbarung vom Februar 1991 könne ein so weitgehender Einwendungsverzicht liegen.
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Einer abschließenden Entscheidung über die Reichweite des Anerkenntnisses bedarf es nicht, weil jedenfalls die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts die Entscheidung trägt:
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2. Auch ohne Schuldanerkenntnis der Klägerin sind die Ansprüche der Beklagten in dem vom Berufungsgericht bejahten Umfang begründet.
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a) Nach dem Kreditvertrag vom 29. April 1975 und den - gemäß Art. 232 § 1 EGBGB maßgebend bleibenden - damaligen DDR-Rechtsvorschriften (§§ 1, 2 Abs. 2 e KreditVO vom 22. Dezember 1971 - GBl DDR II S. 41; § 78 Abs. 2 Vertragsgesetz vom 25. Februar 1965 - GBl DDR I S. 107) war die Klägerin als Kreditnehmerin verpflichtet, den ihr gewährten Kredit vereinbarungsgemäß zu verzinsen und zu tilgen. Dem kann die Revision nicht entgegenhalten, daß die vereinbarte Jahresleistung von 5% in Höhe von 4% aus dem Haushalt des zuständigen örtlichen Staatsorgans finanziert werden sollte (§ 9 Abs. 4 ÄndVO über die Finanzierung des Wohnungsbaus durch sozialistische Wohnungsbaugenossenschaften vom 15. Dezember 1970 - GBl DDR II S. 765, 766; § 6 Abs. 2 des Kreditvertrags). Diese planwirtschaftliche Finanzierungsregelung änderte auch nach DDR-Recht nichts an der schuldrechtlichen Beziehung der Kreditvertragspartner (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 1994 - XI ZR 189/93 = WM 1994, 2075, 2076 = ZIP 1994, 1724 zu I. 1., insoweit in BGHZ 127, 212, 214 nicht abgedruckt).
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b) Die nach DDR-Recht begründeten Kreditnehmerverpflichtungen sind mit dem Ende des planwirtschaftlichen Systems nicht untergegangen, sondern nur im Verhältnis 2 : 1 umgestellt worden (Senatsurteile BGHZ 124, 1; 127, 212; Senatsbeschluß vom 3. Mai 1995 - XI ZR 195/94 = WM 1995, 1055). Die gegen diese Grundentscheidung des Einigungsgesetzgebers erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Er sieht auch im vorliegenden Fall keinen Anlaß zu einem Abweichen von seiner bisherigen Rechtsprechung, zumal das Bundesverfassungsgericht inzwischen in seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der befristeten Fortgeltung der Mietpreisbindung (WM 1995, 219) ausdrücklich davon ausgegangen ist, daß die Wohnungsbaugenossenschaften mit den Altschulden belastet blieben (aaO S. 222 zu II. 1. b) bb) (2)).
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c) Die Klägerin kann auch nicht verlangen, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ganz oder teilweise von ihren Zins- und Tilgungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten befreit zu werden.
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aa) Zwar ist auch bei DDR-Altkrediten eine Vertragsanpassung gemäß § 242 BGB nicht ausgeschlossen (BGHZ 127, 212, 217/218). Sie läge hier sogar nahe, wenn den Wohnungsbaugenossenschaften, obwohl sie - im Gegensatz zu anderen Wirtschaftseinheiten (vgl. BGH aaO S. 219) - der Preisbindung unterworfen blieben, die bisherigen Finanzierungshilfen aus staatlichen Haushaltsmitteln ersatzlos entzogen worden wären. Das ist jedoch nicht der Fall: Allen Wohnungsunternehmen wurden zunächst aufgrund der "Gemeinsamen Erklärung" der Bundesregierung und der Kreditinstitute sämtliche fälligen Zins- und Tilgungszahlungen bis Ende 1993 gestundet. Danach eröffnete ihnen das Altschuldenhilfegesetz (ASHG: BGBl. 1993 I S. 986) zu Lasten der öffentlichen Hand die Möglichkeit, für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 30. Juni 1995 die marktüblichen Zinsen nicht selbst aufbringen zu müssen, sondern Zinshilfe nach § 7 ASHG zu erlangen und ab 1. Juli 1995 von den Altkreditschulden, soweit sie 150 DM pro qm preisgebundener Wohnfläche überstiegen, endgültig befreit zu werden (§ 4 Abs. 1 ASHG). Wenn ein Wohnungsunternehmen diese neuen staatlichen Hilfen in Anspruch nimmt, kann es daneben nicht auch noch eine Vertragsanpassung nach § 242 BGB zu Lasten der kreditgebenden Bank verlangen. § 2 Abs. 1 Satz 2 ASHG macht vielmehr die Hilfe davon abhängig, daß der Kreditnehmer vorher die Altverbindlichkeiten uneingeschränkt anerkennt. Der Gesetzgeber wollte hierdurch Klarheit und Rechtssicherheit auch im Verhältnis der Kreditvertragsparteien schaffen (vgl. BT-Drucks. 12/4401 S. 115).
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bb) Soweit die Klägerin die Belastungen, von denen das Altschuldenhilfegesetz die staatlichen Finanzierungshilfen abhängig macht, für verfassungswidrig und das Gesetz daher für nichtig hält, ist ihr das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG scheidet aus, weil der weite Gestaltungsspielraum, den das allgemeine Gleichheitsgebot dem Gesetzgeber einräumt, nicht überschritten ist; dagegen erhebt auch die Revision keine substantiierten Einwendungen mehr. Sie bleibt aber dabei, die Belastungen durch das Altschuldenhilfegesetz verstießen gegen Art. 12 und 14 GG. Bei der Prüfung dieser Belastungen ist zwischen der Schuldenanerkennung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ASHG und der Wohnungsveräußerung nach § 5 ASHG zu unterscheiden: § 2 ASHG enthält schon deswegen keinen Grundrechtsverstoß, weil das dort geforderte Anerkenntnis nicht neue Verbindlichkeiten des Wohnungsunternehmens begründet, sondern nur die nach der Rechtsprechung des Senats ohnehin bestehenden Altkreditschulden weiterem Streit der Kreditvertragsparteien entzieht. Die Belastung mit einem rein deklaratorischen Schuldanerkenntnis verletzt weder die Berufsfreiheit noch die Eigentumsgarantie.
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Dagegen läßt sich, wenn in § 5 ASHG die Wohnungsgenossenschaften zur Veräußerung von 15% ihres Wohnungsbestandes verpflichtet werden, eine Einschränkung ihrer Berufsfreiheit kaum verneinen. Auch wird hierdurch der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG berührt; denn die Eigentumsgarantie sichert den konkreten Bestand in der Hand des einzelnen Eigentümers (BVerfGE 74, 264, 281, 283 m.w.Nachw.). Wenn das Berufungsgericht meint, die Vermögenslage der Genossenschaft bleibe unberührt, weil die Veräußerung zu den marktüblichen Bedingungen zu erfolgen habe, so wird übersehen, daß nach § 5 Abs. 2 ASHG zwischen 20% und 90% des Erlöses abzuführen sind. Trotzdem ist dem Berufungsgericht im Ergebnis zuzustimmen, wenn es einen Grundrechtsverstoß verneint. Die Verpflichtung zur Veräußerung und Erlösabführung darf nämlich nicht isoliert betrachtet werden. Sie steht in untrennbarem Zusammenhang mit der gewährten Altschuldenentlastung; daher ist eine einheitliche Bewertung erforderlich. Ziel und Ergebnis der Gesamtregelung ist nicht eine Verschlechterung, sondern eine erhebliche Verbesserung der Rechtsposition der Betroffenen. Auf diesen Zusammenhang zwischen Entziehungs- und Zuteilungstatbestand hat das Bundesverfassungsgericht schon früher in einem Fall abgestellt, in dem es um die Zulässigkeit eines Gesetzes ging, das privatrechtliche Ansprüche durch gesetzliche ersetzte (BVerfGE 42, 263, 299/300). Zwar gilt der Gesichtspunkt der Surrogation nicht uneingeschränkt (vgl. BVerfGE 74, 264, 283/284). Bei staatlichen Subventionen dürfen jedoch belastende Auflagen nicht isoliert bewertet werden. Eine Beurteilung aus dem Gesamtzusammenhang ist gerade auch im Bereiche der Einigungsgesetzgebung geboten (vgl. BVerfG WM 1995, 219, 221). Berücksichtigt man die Vorteile, die den Wohnungsunternehmen aus der Entlastung gemäß §§ 4, 7 ASHG erwuchsen, so sind die damit verbundenen Auflagen nach Auffassung des Senats verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Veräußerungsverpflichtung ist daher als zulässige Regelung der Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen und stellt auch keine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG dar, sondern eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
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cc) Unstreitig hat allerdings die Klägerin weder Zinshilfe nach § 7 ASHG noch Teilentlastung nach § 4 ASHG beantragt. Auch das gibt ihr aber nicht das Recht, statt dessen gemäß § 242 BGB eine Vertragsanpassung zu Lasten der Beklagten zu verlangen. Es stand zwar jedem Wohnungsunternehmen frei, von dem Angebot staatlicher Hilfe mit Rücksicht auf das geforderte Schuldanerkenntnis keinen Gebrauch zu machen und gerichtlich klären zu lassen, ob und in welchem Umfang die Staatsbank überhaupt Ansprüche gegen den Kreditempfänger erworben hatte und ob diese nicht aufgrund des Wirtschaftssystemwechsels untergegangen sind. Ein Unternehmen, das sich entschließt, darüber - unter Verzicht auf die staatliche Hilfe - einen Rechtsstreit mit der Kreditgläubigerin zu führen, trägt aber das Risiko einer Entscheidung zu seinen Lasten. Bei der rechtlichen Prüfung, ob wegen des Wegfalls der planwirtschaftlichen Finanzierungshilfen nach DDR-Recht eine Vertragsanpassung nach § 242 BGB geboten ist, kann die Tatsache nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Einigungsgesetzgeber im Altschuldenhilfegesetz ein eigenes Lösungskonzept entwickelt hat (vgl. BGHZ 124, 1, 9): Durch die in den §§ 4, 5, 7 vorgesehenen Maßnahmen sollte die Kredit- und Investitionsfähigkeit der Wohnungswirtschaft in den neuen Bundesländern unter Einsatz staatlicher Mittel verbessert (§ 1 Satz 1 ASHG), zugleich aber auch die Bildung individuellen Wohnungseigentums gefördert werden (§ 1 Satz 2 ASHG). Der Erfolg dieses Konzepts würde in Frage gestellt, wenn den Betroffenen generell die Möglichkeit eröffnet würde, die staatliche Hilfe abzulehnen und statt dessen eine Vertragsanpassung zu Lasten der Kreditinstitute zu erreichen. Zu den Voraussetzungen einer Vertragsanpassung nach § 242 BGB gehört es, daß ein Festhalten an der vereinbarten Regelung zu einem untragbaren Ergebnis führen würde und der betroffenen Partei daher nicht zuzumuten ist (BGHZ 127, 212, 218 m.w.Nachw.). Daran fehlt es, wenn eine Wohnungsbaugenossenschaft die - ihren Vertragspartner schonenden - Möglichkeiten des Altschuldenhilfegesetzes zur Bewältigung der finanziellen Schwierigkeiten bewußt - in der Hoffnung auf eine noch günstigere Lösung - nicht wahrgenommen hat.
III.
- 28
Auch die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht der negativen Feststellungsklage stattgegeben, soweit die Beklagte in ihrer Kreditkontoabrechnung die ihr zustehenden Zinsen (in Höhe von 4% bis zum 2. Oktober 1990, in marktüblicher Höhe ab 3. Oktober 1990) jeweils zum Jahresende der Hauptsumme zugeschlagen und sodann im Folgejahr mitverzinst hat. Zu einer solchen kontokorrentartigen Zinseszinsberechnung war und ist die Beklagte nicht berechtigt.
- 29
1. Ohne Erfolg bleibt die Verfahrensrüge, es habe insoweit ein rechtzeitiger Berufungsangriff der Klägerin gefehlt. Zwar hat diese sich erstmals in der Berufungsverhandlung - auf einen Hinweis des Berufungsgerichts - ausdrücklich gegen die Zinseszinsberechnung gewandt. Bereits in der Berufungsbegründung hatte sie aber die Feststellung begehrt, sie sei zu keinerlei Zinszahlungen für den streitigen Kredit verpflichtet. Aufgrund dieses Berufungsantrags hat das Berufungsgericht sich mit Recht für verpflichtet gehalten, die Richtigkeit der Zinsabrechnung der Beklagten in vollem Umfang zu überprüfen.
- 30
2. Das Ergebnis dieser Prüfung ist materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Kontokorrentvereinbarung ist zwischen den Parteien zu keiner Zeit zustande gekommen.
- 31
a) Der Kreditvertrag vom 29. April 1975 enthielt unstreitig keine solche Regelung.
- 32
Zu Unrecht beruft sich die Revision auf § 8 Abs. 2 der Geschäftsbedingungen der DDR-Staatsbank (GBl DDR I 1975 S. 757, 758). Nach dieser Bestimmung war die Bank befugt, "das Konto mit Zinsen ... zu belasten". Daraus ergibt sich aber nicht das Recht der Kreditgeberin, die Zinsen im Folgejahr nicht mehr nur von dem noch offenen Kapitalbetrag, sondern auch von dem Zinsrückstand zu berechnen, also Zinseszinsen zu fordern. Mit ihrer abweichenden Auslegung setzt sich die Beklagte in Widerspruch zum Verhalten ihrer eigenen Rechtsvorgängerin: Die DDR-Staatsbank hat den streitigen Kredit nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bis zum 1. Juli 1990 nie wie einen Kontokorrentkredit behandelt.
- 33
b) Für die Zeit ab 1. Juli 1990 ergibt sich aus den von der Revision zitierten Überleitungsvorschriften, insbesondere aus § 14 der Verordnung vom 28. Juni 1990 (GBl DDR I 1990 S. 509, 512), nur das Recht, die vorher geschlossenen Kreditverträge an die nunmehr geltenden Konditionen anzupassen und den Zinssatz durch einseitige Erklärung in marktüblicher Höhe festzulegen. Die Konditionenanpassung muß sich im Rahmen der vereinbarten Kreditart halten; die Bank durfte nicht einseitig den Vertragscharakter ändern und ein Kontokorrentkreditverhältnis begründen, um Altkreditschuldnern Zinseszinsen berechnen zu können. Ein solches Vorgehen läßt sich auch nicht als Anpassung der "Zins- und Tilgungsmodalitäten" im Sinne von Art. 2 § 1 Abs. 2 des Haushaltbegleitgesetzes 1991 (BGBl. I 1991 S. 1314) rechtfertigen.
- 34
Allerdings war in der "Gemeinsamen Erklärung über ein Moratorium" vom März 1991 ausdrücklich vorgesehen, daß die gestundeten Zinsen bei Fälligkeit dem Kredit zugeschlagen werden sollten. Dadurch konnten aber keine neuen Verpflichtungen der Kreditschuldner begründet werden, da die Belasteten an der Erklärung nicht beteiligt waren. Auch eine konkludente Zustimmung der Klägerin scheidet aus. Sie war nicht verpflichtet, dem Moratorium zu widersprechen, wenn sie mit einer Kreditabwicklung im Kontokorrent nicht einverstanden war. Die Beklagte selbst vertrat damals einen anderen Standpunkt als jetzt; noch in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 21. September 1992 (Anlage K 9 = GA 83) hat sie ausgeführt, die "Gemeinsame Erklärung" biete "einen ausreichenden Zeitraum zur Klärung von offenen Rechtsfragen"; sie - die Beklagte - habe "in keinem Fall zur Neuordnung der Kreditverhältnisse eingeladen oder gar solche durchgeführt". Die Klägerin brauchte deshalb damals nicht davon auszugehen, ihr Schweigen könne von der Beklagten als konkludente Zustimmung zur Begründung eines Kontokorrentverhältnisses gewertet werden.
IV.
- 35
Die Frage, wann und in welchem Umfang die nach dem Berufungsurteil bestehenden Zins- und Rückzahlungsansprüche bereits fällig geworden sind und in Zukunft fällig werden, war weder Gegenstand der Klage noch des Berufungsurteils. Dieser Auslegung des erkennenden Senats haben sich in der Revisionsverhandlung beide Parteien ausdrücklich angeschlossen.
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