Wertersatzanspruch des früheren Eigentümers gegen den Ersteher des Grundstücks hinsichtlich des beim Zuschlag nicht mehr valutierten Teils der nach Ablösung der Restgrundschuld gelöschten Grundschuld
Leitsatz
1. Der frühere Eigentümer hat gegen den Ersteher eines Grundstücks, dem nach Ablösung des noch valutierten Restes einer Grundschuld eine uneingeschränkte Löschungsbewilligung erteilt wurde, keinen Anspruch aus BGB § 812 Abs 1 S 1 wegen der Vereitelung seines Rückgewähranspruchs gegen den Grundschuldgläubiger hinsichtlich des vor der Ablösung bereits nicht mehr valutierten Teils der Grundschuld.
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld verschafft dem Berechtigten keine Rechte an der Grundschuld (vergleiche BGH, 1989-07-06, IX ZR 277/88, BGHZ 108, 237 und BGH, 1991-10-01, XI ZR 186/90, BGHZ 115, 241). Durch die Löschung wird somit nicht, wie es BGB § 812 Abs 1 S 1 Alt 2 voraussetzt, die Rechtsgüterzuordnung zu Lasten des Rückgewährberechtigten verändert. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommen deshalb Ansprüche des früheren Eigentümers aus BGB § 812 gegen den Ersteher des Grundstücks, dem nach Ablösung des noch valutierten Restes der Grundschuld eine uneingeschränkte Löschungsbewilligung erteilt wird, nicht in Betracht (Festhaltung BGH, 1974-10-11, V ZR 231/73, NJW 1974, 2279 und BGH, 1988-05-17, IX ZR 5/87, WM IV 1988, 1137; Abgrenzung BGH, 1989-02-09, IX ZR 145/87, WM IV 1989, 490).











vorgehend LG Flensburg, 19. Oktober 1990, 3 O 184/90




Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Martinek, 8. Auflage 2017, § 812 BGB
Vergleiche BGH 9. Zivilsenat, 6. Juli 1989, IX ZR 277/88
Abgrenzung BGH 9. Zivilsenat, 9. Februar 1989, IX ZR 145/87
Festhaltung BGH 9. Zivilsenat, 17. Mai 1988, IX ZR 5/87
Festhaltung BGH 5. Zivilsenat, 11. Oktober 1974, V ZR 231/73
Tatbestand
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Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann Dr. V. H. waren je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks O. 73 in Ha. Dieses war u.a. mit einer Grundschuld über 30.000 DM zugunsten der I. Bausparkasse AG belastet. Im Verfahren der Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft wurde das Grundstück dem Beklagten als Erwerber zugeschlagen. Die Grundschuld zugunsten der I. Bausparkasse blieb bestehen. Die Klägerin und ihr früherer Ehemann hatten auf die zugrundeliegende Darlehensforderung 12.665,20 DM gezahlt. Auf Anforderung der Gläubigerin bezahlte der Beklagte die noch bestehende Restforderung von 17.334,80 DM. Die I. Bausparkasse erteilte dem Beklagten daraufhin hinsichtlich der gesamten Grundschuld die Löschungsbewilligung, von der er Gebrauch machte.
- 2
Mit der Klage fordert die Klägerin vom Beklagten die Zahlung der Hälfte des von ihr und ihrem früheren Ehemann an die I. Bausparkasse bezahlten Betrages. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin nach einem Hilfsantrag mit der Maßgabe stattgegeben, daß die Zahlung an sie und ihren früheren Ehemann als Mitgläubiger zu leisten sei. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
I.
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1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB zu. Durch die ihm von der I. Bausparkasse erteilte Löschungsbewilligung habe der Beklagte die Grundschuld auch insoweit in Wegfall bringen können, als die durch sie gesicherte Forderung aufgrund der von der Klägerin und ihrem früheren Ehemann geleisteten Zahlungen bereits getilgt worden und ein entsprechender Rückgewähranspruch für sie erwachsen sei. Der Beklagte sei daher einem auf den Ersatz des Wertes dieses Teils der gelöschten Grundschuld gerichteten Bereicherungsanspruch ausgesetzt.
- 5
2. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
- 6
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin und ihr früherer Ehemann in Höhe der von ihnen erbrachten Leistungen keine Eigentümergrundschuld, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr erworben haben (st.Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 13. Januar 1993 - XII ZR 212/90, m.w.Nachw.). Darüber besteht in der Revisionsinstanz auch kein Streit mehr.
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b) Aus der Vereitelung dieses Rückgewähranspruchs durch die Löschung der Grundschuld ergeben sich jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Ansprüche der Klägerin und ihres früheren Ehemannes aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (2. Alt.) gegen den Beklagten.
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aa) Der Beklagte hat durch die Löschung des im Zeitpunkt des Zuschlags nicht mehr valutierten Teils der Grundschuld nichts auf Kosten der Klägerin und ihres früheren Ehemannes erlangt. Schuldrechtliche Ansprüche auf Herausgabe oder Rückgewähr von Gegenständen weisen diese selbst noch nicht dem Anspruchsberechtigten zu; durch die Verfügung über den Gegenstand kann deshalb nicht "in sonstiger Weise" in seine Rechtsposition eingegriffen werden (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1986 - V ZR 140/85, NJW 1987, 771). Der Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld verschafft dem Berechtigten keine Rechte an der Grundschuld (BGHZ 108, 237, 246 f.; 115, 241, 246). Durch die Löschung wird somit nicht - wie es die 2. Alternative des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB voraussetzt - die Rechtsgüterzuordnung zu Lasten des Rückgewährberechtigten verändert. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteile vom 11. Oktober 1974 - V ZR 231/73, NJW 1974, 2279, 2280 sowie vom 17. Mai 1988 - IX ZR 5/87, WM 1988, 1137, 1141) kommen deshalb Ansprüche des früheren Eigentümers aus § 812 BGB gegen den Ersteher des Grundstücks, dem nach Ablösung des noch valutierten Restes der Grundschuld eine uneingeschränkte Löschungsbewilligung erteilt wird, nicht in Betracht.
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bb) Diese Rechtsprechung ist durch das vom Berufungsgericht zitierte Urteil des IX. Zivilsenats vom 9. Februar 1989 (IX ZR 145/87, WM 1989, 490) nicht modifiziert worden. Dort wird (aaO S. 492) unter ausdrücklichem Hinweis auf die Unterschiede gegenüber den bisher entschiedenen Fällen kein Anspruch aus § 812 BGB zugebilligt, sondern eine Verpflichtung zur Herausgabe aus § 816 Abs. 2 BGB mit der Begründung angenommen, die Grundschuldgläubigerin habe die Löschung bewilligt, um ihre Rückgewährverpflichtung gegenüber den Sicherungsgebern zu erfüllen, die ihren Verpflichtungen bereits vor dem Zuschlag nachgekommen waren. Ob der Entscheidung zu folgen ist (krit. Köndgen in EWiR 1989, 417, 418 aE), braucht hier nicht entschieden zu werden, denn im vorliegenden Fall würde es jedenfalls an der für einen Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB erforderlichen Genehmigung der Verfügung der I. Bausparkasse durch den früheren Ehemann der Klägerin fehlen.
II.
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Die Klageforderung kann auch nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 50 Abs. 1 Satz 1 ZVG gestützt werden. Auf Grundschulden, die - wie hier die zugunsten der I. Bausparkasse bestellte - im geringsten Gebot berücksichtigt sind und bestehen bleiben, ist die Vorschrift nicht anwendbar (vgl. Schiffhauer in Dassler-Schiffhauer-Gerhardt-Muth, ZVG 12. Aufl. § 50 Rdn. 5; Steiner-Eickmann, ZVG 9. Aufl. § 50 Rdn. 51). Einer entsprechenden Anwendung auf nicht valutierte Grundschulden steht entgegen, daß § 50 ZVG eine Zuzahlungspflicht zugunsten nachrangiger Gläubiger begründet, der Rückgewähranspruch aber dem Sicherungsgeber und nicht den nachrangigen Gläubigern zugute kommen soll (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1989 - IX ZR 145/87 - NJW 1989, 1349, 1350; Steiner-Eickmann aaO).
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