Kostenbeschlußantragsrecht der Staatskasse nach Rechtsmittelrücknahme
Leitsatz
Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse hat kein Recht, einen Kostenbeschluß nach ZPO §§ 566, 515 Abs 3 zu beantragen.
Orientierungssatz
Zitierungen: Bestätigung LG Hannover, 1985-10-11, 13 O 24/85, JurBüro 1986, 617; OLG Nürnberg, 1988-11-07, 11 WF 2456/88, JurBüro 1989, 803; OLG Oldenburg (Oldenburg), 1994- 06-14, 12 WF 75/94, NdsRPfl 1994, 366 und OLG Köln, 1997-10- 01, 26 WF 110/97, Rpfleger 1998, 129; entgegen LG Osnabrück , 1987-03-16, 4 T 14/87, JurBüro 1987, 1379 und LG Aschaffenburg, 1989-07-28, T 25/89, JurBüro 1990, 1020.








vorgehend LG München I, 4. Juni 1996, 6 O 18418/94
Bestätigung OLG Oldenburg (Oldenburg) 4. Senat für Familiensachen, 14. Juni 1994, 12 WF 75/94
Entgegen LG Aschaffenburg Zivilkammer, 28. Juli 1989, T 25/89
Bestätigung OLG Nürnberg Senat für Familiensachen, 7. November 1988, 11 WF 2456/88
Entgegen LG Osnabrück 4. Zivilkammer, 16. März 1987, 4 T 14/87
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Tenor
Der Antrag des Bezirksrevisors beim Landgericht München I, dem Beklagten die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen, wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
- 1
Der Beklagte hat gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 9. Juli 1997 Revision eingelegt, das Rechtsmittel aber nicht begründet, sondern am 24. Oktober 1997 zurückgenommen. Bereits zuvor hatte die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten die Zurückweisung der Revision und die Gewährung von Prozeßkostenhilfe beantragt. Durch Beschluß vom 13. März 1998 hat das Landgericht München I der Klägerin für die Revisionsinstanz Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihren Prozeßbevollmächtigten beigeordnet. Dessen Vergütung hat es mit Beschluß vom 26. März 1998 auf 617,83 DM festgesetzt. Um diesen aus der Staatskasse gezahlten Betrag gegen den Beklagten geltend machen zu können, beantragt der Bezirksrevisor beim Landgericht München I, dem Beklagten die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
II.
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Der Antrag ist unzulässig; dem Bezirksrevisor steht kein Antragsrecht zu.
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1. Nach §§ 566, 515 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist nach Rücknahme der Revision auf Antrag des Gegners auszusprechen, daß der Revisionskläger die Kosten der Revision zu tragen hat. Gegner ist der Revisionsbeklagte, nicht die Staatskasse. Sie ist, insbesondere wenn Prozeßkostenhilfe erst nach Rücknahme der Revision gewährt wird, am Revisionsverfahren nicht beteiligt und nicht berechtigt, über den Kostenerstattungsanspruch des Revisionsbeklagten zu verfügen.
- 4
2. Anders als ein Teil der Rechtsprechung und Literatur meint (LG Osnabrück JurBüro 1987, 1379; LG Aschaffenburg JurBüro 1990, 1020, 1021; Göttlich/Mümmler, BRAGO 19. Aufl. Stichwort "Beigeordneter Rechtsanwalt" Anm. 14.1), hat die Staatskasse nach Befriedigung des beigeordneten Rechtsanwalts (§ 130 Abs. 1 BRAGO) auch in entsprechender Anwendung der §§ 412, 401 BGB kein Recht, den Antrag nach §§ 566, 515 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu stellen (ebenso OLG Nürnberg JurBüro 1989, 803, 804; OLG Oldenburg Nds.Rpfl. 1994, 366; OLG Köln Rpfleger 1998, 129 f.; LG Hannover JurBüro 1986, 617 f.; Swolana/Hansens, BRAGO 8. Aufl. § 130 Rdn. 6; Lappe KostRspr. ZPO zu § 269 Nr. 78).
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a) Nach § 130 Abs. 1 BRAGO geht der Kostenerstattungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts aus § 126 Abs. 1 ZPO gegen den in die Kosten verurteilten Gegner seines Mandanten mit Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf diese über. Der Anspruch setzt eine prozessuale Kostengrundentscheidung, hier also einen Kostenbeschluß nach §§ 566, 515 Abs. 3 Satz 2 ZPO voraus (KG JurBüro 1988, 746, 748; OLG Oldenburg Nds.Rpfl. 1994, 366; OLG Brandenburg FamRZ 1996, 683; MünchKomm-ZPO/Wax § 126 Rdn. 2; Zöller/Philippi, ZPO 20. Aufl. § 126 Rdn. 5).
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Daran fehlt es hier. Der beigeordnete Rechtsanwalt hatte deshalb keinen Kostenerstattungsanspruch, der mit seiner Befriedigung nach § 130 Abs. 1 ZPO kraft Gesetzes hätte auf die Staatskasse übergehen können.
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b) Abgesehen davon scheitert eine entsprechende Anwendung des § 401 BGB auch daran, daß nach dem eindeutigen Wortlaut des § 515 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur die Partei, nicht aber der beigeordnete Rechtsanwalt ein eigenes Recht hat, einen Kostenbeschluß zu beantragen (vgl. OLG Nürnberg JurBüro 1989, 803, 804; OLG Oldenburg Nds.Rpfl. 1994, 366; OLG Köln Rpfleger 1998, 129, 130; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO 13. Aufl. § 130 Rdn. 4). § 126 Abs. 1 ZPO schränkt das Recht der Partei, über ihren Erstattungsanspruch zu disponieren, nicht ein. Sie kann deshalb davon absehen, eine Kostengrundentscheidung gegen den Gegner zu beantragen mit der Folge, daß ein Kostenerstattungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts nicht entsteht. Da die Staatskasse im Wege gesetzlichen Forderungsübergangs nicht mehr Rechte erwerben kann, als dem beigeordneten Rechtsanwalt zustanden, hat sie kein Recht, einen Kostenbeschluß nach §§ 566, 515 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu beantragen.
- 8
c) Ob der Staatskasse zur Vermeidung von Manipulationen zu ihrem Nachteil bei arglistigem Verhalten des Prozeßkostenhilfeempfängers ausnahmsweise ein Antragsrecht einzuräumen ist, kann dahingestellt bleiben. Für arglistiges Verhalten der Klägerin ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.
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3. Der Antrag des Bezirksrevisors war daher als unzulässig zu verwerfen.
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Eine Kostenentscheidung war nicht veranlaßt. Im Verfahren nach §§ 566, 515 Abs. 3 ZPO fallen keine Gerichts- und gemäß § 37 Nr. 7 BRAGO auch keine besonderen Anwaltsgebühren an (Zöller/Gummer, ZPO 20. Aufl. § 515 Rdn. 35).
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