AGB: Wirksamkeit einer Regelung über die Zahlung der Jahreszins- und -tilgungsleistungen auf ein Darlehen in Vierteljahresraten
Leitsatz
1. Die AGB-Regelung, daß der Darlehensnehmer eine Zinsen und Tilgung enthaltende, gleichbleibende Jahresleistung in vierteljährlichen Teilbeträgen zu entrichten hat, hält der Inhaltskontrolle nach AGBG § 9 stand.













vorgehend LG Düsseldorf 16. Zivilkammer, 13. November 1991, 16 O 152/91


Manfred Wolf, LM BGB § 608 Nr 7 (1/1994) (Anmerkung)


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Tatbestand
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Die Beklagte (Landesbank/Girozentrale) gewährte den Klägern im August 1979 ein durch Grundschuld gesichertes Darlehen von 185.000 DM. Die Formularschuldurkunde enthält folgende Bestimmungen:
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1. Das Darlehen ist vom Tage der Auszahlung an mit 6,5 v.H. jährlich zu verzinsen. Zu tilgen ist es ab 01.10.80 mit 1 v.H. jährlich, wobei zusätzlich die durch die Kapitalverminderung ersparten Zinsen zur Tilgung mitverwendet werden. Es ergibt sich somit ab diesem Zeitpunkt eine gleichbleibende Jahresleistung von 7,5 v.H. des ursprünglichen Darlehensbetrages.
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2. Der Auszahlungskurs beträgt 93 v.H. ...
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4. Die nach Ziff. 1 und 2 zu erfüllende Leistung ist in vierteljährlichen Teilbeträgen zu entrichten, und zwar jeweils am 15. März, 15. Juni, 15. September und 15. Dezember für das laufende Kalenderjahr. Die Berechnung der Jahreszinsen erfolgt nach dem jeweiligen Stand des Kapitals am Schluß des vergangenen Kalenderjahres.
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Die Regelung unter Ziffer 4 Satz 2 hat der erkennende Senat in einem Vorprozeß der Parteien wegen mangelnder Transparenz gemäß § 9 Abs. 1 AGBG für unwirksam erachtet und die Beklagte verurteilt, die Darlehensschuldzinsen nach dem jeweiligen Kapitalstand nach Eingang einer Tilgungsrate neu zu berechnen und die sich daraus ergebende Zinsdifferenz gegenüber der bisherigen Berechnungsmethode dem Darlehenskonto der Kläger gutzuschreiben (BGHZ 112, 115). Aufgrund dieses Urteils hat die Beklagte den Klägern eine Gutschrift in Höhe von 1.122,83 DM erteilt; bei der Berechnung ist sie davon ausgegangen, daß alle vierteljährlichen Leistungen der Kläger jeweils einen Zins- und einen Tilgungsanteil enthalten. Die Kläger meinen dagegen, da die Beklagte Zinsen immer erst zum Jahresende verlangen könne, müsse sie jeweils die bereits vorher erbrachten Vierteljahresraten in vollem Umfang als Tilgungsleistungen behandeln; dadurch verringere sich ihr Zinsanspruch um weitere 5.315,06 DM. Die Klage auf Erteilung einer entsprechenden Gutschrift ist vom Landgericht abgewiesen worden; die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg gehabt (WM 1993, 1587). Mit der - zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihren Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Kläger bleibt ohne Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Die Berechnung der Beklagten werde unstreitig von der Regelung in Ziffer 4 Satz 1 der Schuldurkunde getragen. Gegen die Wirksamkeit dieser AGB-Klausel bestünden keine Bedenken aus § 9 AGBG. Zwar liege darin, daß die Darlehensnehmer den Jahresleistungsbetrag, der sich nach Ziffer 1 aus Tilgung und Zinsen zusammensetze, in vierteljährlichen Teilbeträgen zu entrichten hätten, eine preiserhöhende Abweichung von § 608 BGB. Sie sei aber sachlich nicht zu beanstanden und klar erkennbar, so daß auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ausscheide.
II.
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Das angefochtene Urteil folgt der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (München WM 1991, 849; Köln WM 1992, 1698; Frankfurt am Main WM 1993, 1588; Hamm WM 1993, 1589; Celle EWiR § 9 AGBG 3/93, 109; abweichend LG Köln WM 1992, 1701, abgeändert durch OLG Köln WM 1993, 1370). Der erkennende Senat billigt die von den Oberlandesgerichten vertretene Rechtsauffassung.
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1. Der Bundesgerichtshof hat bisher über Auslegung und Wirksamkeit einer AGB-Regelung, wie sie hier in Ziffer 4 Satz 1 der Schuldurkunde getroffen worden ist, nicht endgültig entschieden, insbesondere auch nicht im Vorprozeß der Parteien. Dort war zwar der Anspruch der Kläger auf Gutschrifterteilung bereits im Streit, jedoch nur dem Grunde nach. Daher konnte sich der erkennende Senat in seinem damaligen Urteil (BGHZ 112, 115) auf die Überprüfung der Regelung in Ziffer 4 Satz 2 der Schuldurkunde beschränken, aufgrund deren die Beklagte im Laufe des Jahres erbrachte Tilgungsleistungen bei der Zinsberechnung erst vom Jahresende an berücksichtigte. Aus der Unwirksamkeit dieser AGB-Klausel ergab sich bereits die Verpflichtung der Beklagten, eine rückwirkende Neuberechnung der Schuldzinsen nach dem jeweiligen Kapitalstand nach Eingang einer Tilgungsrate durchzuführen und den Klägern die sich dabei ergebende Zinsdifferenz gutzuschreiben. Erst der im vorliegenden Prozeß ausgetragene Streit um die Höhe der Gutschrift erfordert eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob und inwieweit die nach Ziffer 4 Satz 1 zu erbringenden Vierteljahresraten neben Tilgungs- auch Zinsleistungen enthalten. Diese Frage ist im Vorprozeß weder von den Parteien erörtert noch vom erkennenden Senat entschieden worden. Lediglich in dem früheren Urteil des III. Zivilsenats BGHZ 106, 42 - in dem es ebenfalls um die Wirksamkeit einer AGB-Klausel ging, die eine Zinsberechnung nach dem Kapitalstand am Schluß des Vorjahres vorsah - findet sich die einleitende Bemerkung, nach den Parteivereinbarungen enthielten die vom Darlehensnehmer in gleichbleibender Höhe zu erbringenden Zahlungen jeweils einen Zins- und einen Tilgungsanteil (aaO S. 43 zu II. 1.). Dort fehlt jedoch, da damals über diesen Punkt zwischen den Parteien kein Streit bestand, jede nähere Begründung.
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2. Die Begründung ergibt sich für den vorliegenden Fall aus der AGB-Regelung in Ziffer 4 Satz 1 der Schuldurkunde, die in Verbindung mit Ziffer 1 auszulegen ist. Ziffer 4 Satz 1 sagt nicht ausdrücklich, daß die vierteljährlich zu entrichtenden Beträge anteilig der Zinszahlung und der Kapitaltilgung dienen sollen. Ziffer 4 Satz 1 verweist aber auf Ziffer 1: bei den Vierteljahreszahlungen handelt es sich um Teile der nach Ziffer 1 zu erfüllenden Leistung. In Ziffer 1 ist bestimmt, daß der Darlehensnehmer eine gleichbleibende Jahresleistung von 7,5 v.H. des ursprünglichen Darlehensbetrages zu erbringen hat, die sich aus 6,5 v.H. Zinsen auf den jeweiligen Kapitalbetrag und einem mit jeder Zahlung ansteigenden Tilgungsanteil zusammensetzt. Diese Zusammensetzung gilt aufgrund der Verweisung in Ziffer 4 Satz 1 auch für die vierteljährlich fällig werdenden Teilbeträge der Jahresleistung.
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Soweit sich die Revision demgegenüber auf die Regelung des § 608 BGB beruft, nach der Darlehenszinsen jeweils erst nach Jahresablauf zu zahlen sind, kann sie nicht durchdringen. § 608 BGB sieht ausdrücklich vor, daß die darin enthaltene Zinsregelung nur gelten soll, "sofern nicht ein anderes bestimmt ist". Die Vereinbarung der Parteien enthält, wenn man Ziffer 1 und Ziffer 4 Satz 1 zusammen liest und auslegt, eine solche anderweitige Bestimmung. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, daß in Ziffer 1 von einer Verzinsung mit "6,5 v.H. jährlich" gesprochen wird. Ziffer 1 sieht auch eine Tilgung mit "1 v.H. jährlich" vor. Trotzdem ergibt sich gerade auch nach Auffassung der Revision aus Ziffer 4 Satz 1, daß vierteljährlich Tilgungsleistungen zu erbringen sind. Ebenso enthält die Zinsangabe "6,5 v.H. jährlich" keine Festschreibung der Fälligkeitsregelung des § 608 BGB, sondern, wenn man Ziffer 1 und Ziffer 4 Satz 1 in ihrem Zusammenhang würdigt, nur die Bemessungsgrundlage für die nach Ziffer 4 Satz 1 vierteljährlich zu berechnenden und fällig werdenden Zinsen.
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3. In dieser Auslegung enthält die Formularschuldurkunde in Ziffern 1, 4 Satz 1 für die Zinsen eine Fälligkeitsabrede, die den Darlehensnehmer schlechter stellt als die gesetzliche Regelung in § 608 BGB. Dadurch, daß Zinsen nicht erst am Jahresende für das vergangene Jahr, sondern jeweils schon am 15. März, 15. Juni, 15. September und 15. Dezember für das laufende Kalenderjahr zu berechnen und zu zahlen sind, wird dem Darlehensnehmer die Möglichkeit genommen, die vorzeitig als Zinsen fällig werdenden Geldbeträge anderweitig zu nutzen, insbesondere sie zur Tilgung des Darlehenskapitals zu verwenden.
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Daraus lassen sich aber keine Wirksamkeitsbedenken gegen diese formularmäßige Nebenabrede über die Zinszahlung herleiten. Nicht jede den Kunden schlechter stellende Abweichung von einer gesetzlichen Regelung enthält eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 AGBG.
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a) Als materiell unzulässig sieht selbst die Revision die getroffene Vereinbarung vierteljährlicher Zinsfälligkeitstermine nicht an. Die nachschlüssige Zinsberechnung am Jahresende gehört nicht zum wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung des Darlehens. Sie ist in § 608 BGB ausdrücklich nur für den Fall vorgesehen, daß die Parteien keine andere Vereinbarung getroffen haben.
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b) Die streitige AGB-Regelung enthält aber auch keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit gemäß § 9 AGBG führen kann (BGHZ 106, 42; 112, 115, 116/117; 115, 177, 185; 116, 1, 2; 118, 126, 131).
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Bereits im Urteil BGHZ 106, 42 hat der III. Zivilsenat beiläufig erklärt, für den Kunden sei klar erkennbar, daß eine AGB-Klausel zu Ungunsten des Darlehensnehmers von § 608 BGB abweiche, wenn sie bestimme, daß die - Zinsen und Tilgung enthaltende - Jahresleistung jeweils schon im Laufe des Jahres in vierteljährlichen Teilbeträgen zu entrichten sei (aaO S. 50).
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Der erkennende Senat hat in seinem - im Vorprozeß der Parteien ergangenen - Urteil BGHZ 112, 115 die Auffassung geäußert, bei einer solchen Abrede liege die preiserhöhende Wirkung zwar nicht so offen zutage, wie bei einer Disagiovereinbarung, sondern sei schwerer zu erkennen; beide Regelungen seien aber nicht mit einer Zinsberechnungsklausel zu vergleichen, die bewirke, daß Zinsen für bereits getilgte Schuldbeträge zu zahlen seien; weil eine solche Klausel den Erwartungen des Darlehensnehmers in ungleich größerem Maße widerspreche, müßten an ihre Transparenz erhöhte Anforderungen gestellt werden (aaO S. 118).
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Ob die vorliegende Zinsfälligkeitsregelung, obwohl ihre preiserhöhende Wirkung nicht offen zutage liegt, sondern sich dem Durchschnittskunden erst bei näherer Beschäftigung erschließt, noch den durch Treu und Glauben geprägten Anforderungen des Transparenzgebots genügt, brauchte im Vorprozeß nicht entschieden zu werden (vgl. oben zu II. 1.). Diese Frage wird nunmehr vom Senat bejaht.
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Der Durchschnittskunde erwartet, wenn er von einer Bank ein Grundschulddarlehen erhält, nicht, daß er Zinsen nur am Jahresende zahlen muß. Auch für ihn wird in der Formulierung der Ziffer 4 Satz 1 der Schuldurkunde durch den Hinweis auf Ziffer 1 hinreichend deutlich, daß er mit den vereinbarten Vierteljahresraten jeweils auch bereits Zinszahlungen leistet. Treu und Glauben fordern keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, daß diese Regelung für den Darlehensnehmer ungünstiger ist als eine Zinszahlung erst am Jahresende. Die Beklagte durfte davon ausgehen, daß der Kunde auch von sich aus erkennt, daß eine frühere Fälligkeit ihm die Möglichkeit nimmt, die Zinsbeträge bis zum Jahresende noch anderweitig zu nutzen.
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Angaben, in welchem Ausmaß die AGB-Regelung dem Darlehensnehmer Nachteile bringt, konnten zur Zeit des Vertragsabschlusses der Parteien von der Beklagten als AGB-Verwenderin nicht verlangt werden. Eine Beschreibung von Rechenvorgängen hätte das Verständnis des Kunden überfordert. Die Mitteilung des Ergebnisses in Form des effektiven Jahreszinses ist erst später, durch § 4 der Preisangabenverordnung vom 14. März 1985 (BGBl. I, 580), zwingend vorgeschrieben worden; rückwirkende Kraft kommt dieser Vorschrift nicht zu. Darauf würde es aber hinauslaufen, wollte man AGB-Regelungen, die nach den Maßstäben des § 4 PAngV zu einem den Nominalzins übersteigenden Effektivzins führen, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 9 AGBG die Wirksamkeit versagen, nur weil sie die - auch vom Durchschnittskunden zu erkennenden - Nachteile für den Darlehensnehmer nicht der Höhe nach näher erläutern und bestimmen.
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4. Legt man die unter II. 2. und 3. gebilligte Auslegung von Ziffer 4 Satz 1 zugrunde, so ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die rechnerische Richtigkeit der von der Beklagten erteilten Zinsgutschrift als unstreitig behandelt hat. Die Kläger haben bereits in der Klageschrift erklärt, streitig sei nur der Berechnungsansatz, nicht aber die Berechnung als solche. Danach bestand für den Tatrichter kein Anlaß, die rechnerische Richtigkeit im einzelnen selbst zu überprüfen; dazu haben beide Parteien auch keine näheren Angaben gemacht.
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Soweit die Revision mit ihrem Hinweis auf Wehrt BB 1991, 1645, 1652 eine andere Berechnung fordern will, kann sie nicht durchdringen. Der genannte Autor vertritt aaO und in anderen Aufsätzen und Urteilsanmerkungen (VuR 1991, 7; EWiR § 9 AGBG 16/92, 947 und 3/93, 109) die Auffassung, in der Bankpraxis werde eine falsche Zinsberechnungsformel für unterjährige Zinspflichten benutzt, bei mathematisch korrekter Abrechnung ergäben sich aus der neueren Rechtsprechung zur sofortigen Tilgungsverrechnung Zinsdifferenzbeträge, die um ein mehrfaches höher seien als die Gutschriften, die den Kreditnehmern von den Banken zugebilligt würden. Die von Wehrt vorgeschlagene Abrechnungsformel, über deren mathematische Korrektheit hier nicht entschieden zu werden braucht, steht nicht im Einklang mit den - vom Senat unter II. 2. und 3. gebilligten - rechtlichen Ansätzen des Berufungsgerichts: Ihre Grundlage ist das Postulat, die von § 608 BGB abweichende Zinsfälligkeitsabrede dürfe keine Verteuerung des Kredits bewirken, korrekt sei nur eine Berechnungsweise, die dazu führe, daß der Effektivzinssatz den im Vertrag genannten Nominalzins nicht übersteige, sondern beide übereinstimmten (Wehrt aaO). Dem ist nicht zu folgen: Der von den Kreditvertragsparteien vereinbarte Nominalzins ist nur ein - wenn auch zentraler - Berechnungsfaktor für die Höhe der vom Kreditnehmer für die Kapitalnutzung zu erbringenden Vergütung; er ist nicht mit dem effektiven Jahreszins gleichzusetzen. Hierfür sind üblicherweise weitere Faktoren mitbestimmend, die auch in AGB vereinbart werden können; damit muß der Kunde rechnen (BGHZ 106, 42, 44). Wie Wehrt selbst nicht verkennt (EWiR aaO 1992, 948), geht auch § 4 PAngV nicht von seiner Auffassung, sondern davon aus, daß Nominal- und Effektivzins im Regelfall nicht übereinstimmen; deswegen wird dort verlangt, daß die Darlehensurkunde auch die Angabe des effektiven Jahreszinses enthält.
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