Darlehensgewährung durch politische Partei der DDR im Jahr 1990: Wirksamkeit des Realvertrags; Bereicherungsanspruch gegen den Gesamtvollstreckungsverwalter; Verzinsung
Leitsatz
Zu Fragen der Rückforderung und Verzinsung eines Darlehens, das eine DDR-Partei einem Darlehensnehmer, über dessen Vermögen inzwischen die Gesamtvollstreckung eröffnet wurde, bereits vor Inkrafttreten des PartG § 20b (juris: PartG DDR) versprochen hatte, das ihm aber erst danach auf seinem Konto gutgeschrieben worden ist (im Anschluß an BGH, 1995-10-17, XI ZR 230/94, WM IV 1995, 2135).













vorgehend KreisG Potsdam, 27. Oktober 1993, 26 C 1330/92
Tenor
Die Revisionen der Klägerin und des Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 7. Juli 1994 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der Revisionsinstanz tragen die Klägerin 12% und der Beklagte 88%.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin ist die - inzwischen umbenannte (vgl. § 1 TreuhUmbenV - BGBl. 1994 I S. 3913) - ehemalige Treuhandanstalt. Der Beklagte ist Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Firma F.-GmbH (im folgenden: Schuldnerin), die im März 1990 von Mitarbeitern der Parteischule des Zentralkomitees der SED gegründet wurde. Am 31. Mai 1990 erhielt die Schuldnerin von der Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) einen Verrechnungsscheck über 10.000.000 Mark/DDR, der ihrem Konto am 10. Juni 1990 gutgeschrieben wurde. In dem am 31. Mai 1990 geschlossenen Vertrag der Schuldnerin mit dem Parteivorstand der PDS war vereinbart worden, daß die 10.000.000 Mark/DDR als Darlehen für den Aufbau und den Betrieb eines Schulungs- und Tourismuszentrums gewährt werden sollten, und zwar bis zum 31. Dezember 1990 unverzinslich, ab 1. Januar 1991 mit einer Verzinsung in gesetzlich zulässiger Höhe (bei Vertragsschluß: 3% jährlich); getilgt werden sollte das Darlehen ab 1. Januar 1992 mit jährlich 1% des ursprünglichen Darlehensbetrags. Ähnliche Vereinbarungen schloß die PDS zwischen März und Juni 1990 auch mit zahlreichen anderen natürlichen und juristischen Personen; die Gesamtdarlehenssumme betrug fast 240.000.000 DM.
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Durch Gesetz vom 31. Mai 1990 (GBl. DDR 1990 I S. 275), das am 1. Juni 1990 in Kraft trat, wurde das Parteiengesetz der DDR geändert: Der neue § 20 a sah die Einsetzung einer unabhängigen Kommission vor, der alle Parteien Rechenschaft legen mußten über ihre Vermögenswerte. Zu deren Sicherung übernahm die Kommission nach § 20 b Abs. 2 die treuhänderische Verwaltung des Parteivermögens, das am 7. Oktober 1989 bestanden hatte und seither an die Stelle dieses Vermögens getreten war; Vermögensveränderungen konnten die Parteien nach § 20 b Abs. 1 vom Inkrafttreten des Gesetzes an nur mit Zustimmung des Kommissionsvorsitzenden vornehmen. Eine solche Zustimmung wurde weder für die Darlehensgewährung an die Schuldnerin noch für eine am 8. Juli 1991 vereinbarte Änderung des Darlehensvertrags erteilt, nach der Zinsen und Tilgungen für die Jahre 1991 bis 1993 gestundet, ab 1. Januar 1994 aber erhöht werden sollten (7,5% Zinsen, 12% jährliche Gesamtleistungsrate).
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Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik übernahm die Klägerin die treuhänderische Verwaltung des Altvermögens der PDS (Art. 9 Abs. 2 EV i.V.m. Anl. II Kap. II Sachgeb. A Abschn. III Maßgabe d - BGBl. 1990 II S. 892, 1150). Mit Schreiben vom 28. Januar 1992 verlangte sie von der Schuldnerin die Rückzahlung von 5.000.000 DM mit der Begründung, der Darlehensvertrag sei nichtig; vorsorglich erklärte sie die Kündigung zum 1. März 1992. Am 31. März 1992 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Als Verwalter bestritt der Beklagte die von der Klägerin angemeldete Darlehensforderung.
- 4
Mit Beschluß vom 18. Mai 1993 stellte die Unabhängige Kommission Parteivermögen fest, daß die PDS die als Darlehen ausgereichten fast 240.000.000 DM nicht nachweislich nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen im Sinne des Grundgesetzes erworben habe und daß ihr deswegen die Rückzahlungsansprüche - auch gegen die Schuldnerin - nicht wieder zur Verfügung zu stellen seien; zugleich erklärte die Kommission ihr Einverständnis damit, daß die Klägerin entsprechende Maßnahmen ergriff; das geschah am 14. Juni 1994 durch Bescheid an die PDS. In einem am 18. Juli 1995 vor dem OVG Berlin geschlossenen Vergleich hat die PDS anerkannt, daß mit Ausnahme genau bestimmter Einzelgegenstände, zu denen die Darlehensforderungen nicht gehörten, ihr gesamtes Altvermögen der uneingeschränkten und ausschließlichen Verfügungsbefugnis der Klägerin unterliegt.
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Die Klägerin hat als treuhänderische Verwalterin des Parteivermögens der PDS gemäß § 11 Abs. 3 GesO die Feststellung beantragt, daß ihr im Gesamtvollstreckungsverfahren eine Forderung von 5.000.000 DM nebst 712.500 DM Zinsen zusteht. Das Kreisgericht hat der Klage wegen des Hauptanspruchs stattgegeben, wegen der Zinsen jedoch nur in Höhe von 187.500 DM. Die gegen die Klageabweisung im übrigen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten den Zinsanspruch vollständig verneint. Wegen des Hauptanspruchs hat es die erstinstanzliche Feststellung bestätigt. Gegen das Berufungsurteil haben beide Parteien Revision eingelegt: Die Klägerin verfolgt ihren Zinsanspruch weiter, die Beklagte erstrebt die vollständige Klageabweisung.
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Während des Revisionsverfahrens hat die Klägerin durch sofort vollziehbaren Bescheid vom 29. August 1995 dem Beklagten jegliche Verwaltungstätigkeit bezüglich des Altvermögens der Schuldnerin untersagt, nachdem sie vorher bereits durch Bescheid vom 21. Oktober 1991 festgestellt hatte, daß das Vermögen der Schuldnerin als einer verbundenen juristischen Person im Sinne der §§ 20 a, b PartG/DDR ihrer treuhänderischen Verwaltung unterliege.
Entscheidungsgründe
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Beide Revisionen bleiben ohne Erfolg.
I.
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Vergeblich wiederholt der Beklagte mit seiner Revision Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Klage.
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1. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Klägerin für prozeßführungsbefugt erachtet.
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a) Im Berufungsurteil wird dazu ausgeführt, es handle sich bei der durch § 20 b Abs. 2 PartG/DDR angeordneten treuhänderischen Verwaltung um eine echte Verwaltungstreuhand, die den Treuhänder berechtige, zum Altvermögen einer DDR-Partei gehörende Rechte im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen.
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Diese Auffassung des Berufungsgerichts entspricht der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (OLG Frankfurt a.M. DtZ 1994, 408; KG Berlin KG-Report 1993, 12; OLG Rostock DtZ 1994, 409; OLG Naumburg ZIP 1993, 1500, 1502; OLG Dresden, Urteil vom 20. Januar 1994 - 8 U 1287/93 S. 6/7; OVG Berlin ZIP 1993, 303, 307; Toussaint ZIP 1993, 1136, 1138; DDR-Parteivermögen und die Treuhandanstalt S. 69/70, 89 ff., 97 ff.; Horn, Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet 2. Aufl. S. 438 Rdn. 88; Kloth DtZ 1995, 4, 7; a.A. Gerhardt ZIP 1993, 1129; vgl. ferner KG Berlin KG-Report 1994, 99; Zöller/Vollkommer ZPO 19. Aufl. vor § 50 Rdn. 21; Eckardt EWiR § 20 b PartG 1/94, 815; dagegen betrifft das Urteil des BAG ZIP 1993, 1189, 1190 nicht das Altvermögen, sondern einen Passivprozeß um die Erfüllung einer Neuverpflichtung).
- 12
Der erkennende Senat (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1995 - XI ZR 230/94 = WM 1995, 2135) folgt der vom Berufungsgericht und der herrschenden Meinung vertretenen Auslegung des § 20 b Abs. 2 PartG; nur sie entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift: Die am 31. Mai 1990 beschlossene Änderung des Parteiengesetzes und die ergänzenden Bestimmungen des Einigungsvertrages (Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anl. II Kap. II Sachgeb. A Abschn. III Maßgabe d) verfolgten das Ziel, die Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb herzustellen und zu verhindern, daß die Altparteien der DDR am demokratischen Willensbildungsprozeß mit Vermögenswerten teilnahmen, die sie in einem demokratischen Rechtsstaat nie hätten erwerben können. Vermögen, das sich diese Parteien vor dem 7. Oktober 1989 rechtsstaatswidrig verschafft hatten, sollte an die früher Berechtigten zurückgeführt oder für gemeinnützige Zwecke verwendet werden (Restitutionszweck). Um in der Zeit bis zur Klärung der Erwerbsvorgänge Vermögensverschiebungen und -verschleierungen durch die Altparteien zu verhindern, wurde deren gesamtes Altvermögen der treuhänderischen Verwaltung unterstellt (Sicherungszweck). Diese Gesetzesziele (vgl. zu allen: BGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 - 5 StR 635/92 = ZIP 1994, 159, 161; BVerwG ZIP 1993, 789, 790) lassen sich nur dann umfassend verwirklichen, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Altvermögen dessen Inhaber genommen und der Treuhänderin übertragen wird. Eine Auslegung, die der Treuhänderin nur Überwachungs- und Kontrollfunktionen zubilligt (Gerhardt aaO), berücksichtigt nicht nur die Restitutionsaufgabe der Treuhandanstalt zu wenig, sondern wird auch dem Sicherungszweck nicht hinreichend gerecht. Das zeigt gerade der vorliegende Fall: Wenn es um Ansprüche der PDS gegen ihr nahestehende Dritte geht, muß die Treuhandanstalt die Möglichkeit haben, sofort selbst kraft eigener Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gegen die Dritten vorzugehen. Wäre sie - im Rahmen einer bloßen Überwachungstreuhand - nur zu Weisungen an den Vermögensinhaber und auf deren zwangsweise Durchsetzung angewiesen, so würden die unvermeidlichen Verzögerungen Vermögensverschiebungen und -verschleierungen begünstigen.
- 13
b) Die streitigen Darlehensansprüche gehören zu den Vermögenswerten der PDS, die der treuhänderischen Verwaltung der Klägerin unterliegen. Zwar bestanden diese Ansprüche am 7. Oktober 1989 noch nicht. § 20 b Abs. 2 PartG/DDR erfaßt aber neben dem Altvermögen ausdrücklich auch Vermögenswerte, die nach dem 7. Oktober 1989 an die Stelle des Altvermögens getreten sind (Surrogatvermögen). Das Darlehen an die Schuldnerin wurde aus Geldmitteln gewährt, die von der PDS bereits vor dem 7. Oktober 1989 erworben worden waren.
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Diese Feststellung hat das Berufungsgericht getroffen, allerdings zur Begründung nur auf die Entscheidung der Unabhängigen Kommission vom 18. Mai 1993 verwiesen und gemeint, der Bescheid sei für den vorliegenden Rechtsstreit bindend. Dagegen wendet sich die Revision des Beklagten mit Recht: Die Unabhängige Kommission ist insoweit nach der Regelung des Einigungsvertrags (Anl. II Kap. II Sachgeb. A Abschn. III Maßgabe d Satz 5) nur verwaltungsintern als Einvernehmensbehörde tätig geworden. Verwaltungsakte mit Außenwirkung konnte allein die Treuhandanstalt erlassen (Papier Verwaltungsarchiv 83, 299, 300; Kloth DtZ 1995, 4, 7). Das war unstreitig im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 26. Mai 1994 noch nicht geschehen. Der in der Revisionsinstanz vorgelegte Bescheid der Klägerin an die PDS datiert vom 14. Juni 1994.
- 15
Da es jedoch um eine Prozeßvoraussetzung geht, die in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, kann der erkennende Senat in Abweichung von § 561 Abs. 1 ZPO, also auch unter Berücksichtigung neuen Vorbringens, selbständig Feststellungen darüber treffen, ob die Voraussetzungen der gesetzlichen Prozeßführungsbefugnis nach § 20 b Abs. 2 PartG/DDR im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87 = NJW 1988, 1585, 1587; BGHZ 31, 279, 281 ff.). Aufgrund der in dem Bescheid vom 14. Juni 1994 mitgeteilten Ermittlungsergebnisse und des am 18. Juli 1995 geschlossenen Vergleichs zwischen der Klägerin und der PDS bestehen für den Senat keine Zweifel, daß die 1990 ausgeliehenen Gelder aus dem Altvermögen der PDS stammten.
- 16
2. Auch das Rechtsschutzinteresse der Klägerin hat das Berufungsgericht mit Recht bejaht. Da der Beklagte im Gesamtvollstreckungsverfahren die von der Klägerin angemeldeten Forderungen der PDS nicht anerkannt hat, können sie durch Feststellungsklage gemäß § 11 Abs. 3 GesO geltend gemacht werden (Smid/Zeuner GesO 2. Aufl. § 11 Rdn. 57, 59). Allerdings unterliegt das Altvermögen der Schuldnerin inzwischen aufgrund des sofort vollziehbaren Bescheids vom 29. August 1995 nicht mehr der Verwaltung des Beklagten, sondern der eigenen treuhänderischen Verwaltung der Klägerin. Beschränkt auf das Neuvermögen der Schuldnerin wird das Gesamtvollstreckungsverfahren jedoch vom Beklagten fortgesetzt. Die Klage richtet sich nur noch auf eine Befriedigung aus dem Neuvermögen; dafür kann ihr das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden.
II.
- 17
Auch soweit der Beklagte geltend macht, die Klage sei in vollem Umfang unbegründet, hat sein Rechtsmittel keinen Erfolg.
- 18
Materiell-rechtlich bleibt gemäß Art. 232 § 1 EGBGB für das streitige Schuldverhältnis, weil es vor dem Wirksamwerden des Beitritts entstanden war, das Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB) maßgebend. Dagegen erhebt auch die Revision keine Einwendungen.
- 19
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehenskapitals habe seine Grundlage in den §§ 69, 356 ZGB. Danach ist das aufgrund eines nichtigen Vertrages Geleistete nach den Bestimmungen über die Rückgabe von unberechtigt erlangten Leistungen herauszugeben. Nach Auffassung des Berufungsgerichts war der am 31. Mai 1990 geschlossene Darlehensvertrag nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 ZGB nichtig, weil er gegen das - bis zum Beitritt fortbestehende - Verbot der gewerbsmäßigen Darlehensgewährung (§ 233 Abs. 2 Satz 2 ZGB) verstoßen habe. Zwar begründe eine Vielzahl gleichartiger Geschäfte allein noch keine Gewerbsmäßigkeit. Die Gewinnerzielungsabsicht der PDS folge aber aus der Vereinbarung des höchsten gesetzlich zulässigen Zinssatzes und daraus, daß die Darlehensgewährung nicht in erster Linie dem Interesse der Darlehensnehmerin, sondern der Darlehensgeberin habe dienen sollen, nämlich dem Ziel, das Vermögen der PDS der am folgenden Tag eintretenden treuhänderischen Verwaltung nach Möglichkeit zu entziehen.
- 20
Dagegen hat die Revision eingewandt: Das auf sozialistischem Gedankengut beruhende Verbot der gewerbsmäßigen Darlehensgewährung sei spätestens mit dem Abschluß des Staatsvertrags vom 18. Mai 1990 (BGBl. II S. 537) gegenstandslos geworden. Auf jeden Fall habe das Berufungsgericht bei der Auslegung des § 233 Abs. 2 Satz 2 ZGB den bereits eingetretenen Wertewandel nicht hinreichend berücksichtigt und die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht zu Unrecht bejaht.
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Ob diese Einwendungen berechtigt sind, braucht nicht entschieden zu werden. Der Darlehensvertrag ist nämlich schon aus einem anderen Grunde nichtig:
- 22
2. Der Darlehensvertrag bedurfte nach § 20 b Abs. 1 PartG/DDR der Zustimmung des Vorsitzenden der Unabhängigen Kommission bzw. (ab 3. Oktober 1990) der Klägerin. Zwar war die schriftliche Vereinbarung vom 31. Mai 1990 bereits vor dem Inkrafttreten des § 20 b PartG/DDR getroffen worden. Damit war aber noch kein Vertrag zustande gekommen. Dazu bedurfte es nach § 244 Abs. 1 ZGB noch der Überlassung des vereinbarten Geldbetrags. Der Darlehensvertrag war im DDR-Recht als Realvertrag ausgestaltet; erfolgt zunächst nur die Einigung der Parteien, so ist die spätere Geldüberlassung beim Darlehen - anders als beim Kreditvertrag (§ 241 Abs. 1 ZGB) - nicht die Erfüllung einer bereits vorher begründeten Verpflichtung, sondern ein konstitutiver Bestandteil des abzuschließenden Vertrags (Autorenkollektiv Baatz u.a., Kommentar zum ZGB, 2. Aufl. 1985 § 244 Anm. 1.2; Göhring/Posch, Zivilrecht II S. 117 zu 7.1.5.2).
- 23
Die Überlassung des Geldbetrags kann in den Zahlungsformen der §§ 75, 76 ZGB erfolgen; die dort getroffenen Regelungen über die Erfüllungswirkung sind bei der Feststellung des Zeitpunkts der vollzogenen Überlassung entsprechend anzuwenden (Autorenkollektiv aaO § 244 ZGB Anm. 1.3). Erfolgt die Darlehensgewährung - wie hier - durch Scheck, so kommt es nach § 76 Abs. 2 ZGB nicht auf dessen Übergabe, sondern auf die Einlösung an, weil der Darlehensnehmer erst mit der Gutschrift auf seinem Konto die tatsächliche Verfügungsmacht über das Darlehenskapital erlangt (Göhring/Posch aaO). Die Gutschrift erfolgte hier unstreitig erst am 10. Juni 1990, also nach Inkrafttreten des § 20 b Abs. 1 PartG/DDR. Da die Geldüberlassung eine Vermögensveränderung im Sinne dieser Vorschrift darstellt, konnte sie und damit auch der Darlehensvertrag nur noch mit Zustimmung des in § 20 b PartG/DDR bzw. in der Maßgaberegelung des Einigungsvertrags vorgesehenen staatlichen Organs wirksam zustande kommen. Die Zustimmung ist unstreitig weder vom Kommissionsvorsitzenden noch von der Klägerin erteilt worden; der Darlehensvertrag ist daher gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 4 ZGB nichtig. Die sich aus §§ 69, 356 ZGB ergebende Verpflichtung der Schuldnerin, das erlangte Darlehenskapital zurückzuzahlen, ist vom Berufungsgericht zu Recht festgestellt worden.
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Der Beklagte kann die Klägerin auch nicht darauf verweisen, sie müsse den Anspruch aus § 356 ZGB aus dem ihrer eigenen Verfügungsmacht unterliegenden Altvermögen der Schuldnerin befriedigen (vgl. Eckardt ZIP 1995, 1397, 1402 zu Fn. 34, 35). Selbst wenn der Klägerin ein solches Recht zusteht, ist es ihr nicht verwehrt, solange die Schuld nicht vollständig getilgt ist, im Gesamtvollstreckungsverfahren auch Befriedigung aus dem Neuvermögen zu suchen. Die Herausgabepflicht nach § 356 ZGB beschränkt sich nicht gegenständlich auf das - zum Altvermögen gehörende - ausgezahlte Darlehenskapital und seine Surrogate; es handelt sich vielmehr, soweit der ursprüngliche Bereicherungsgegenstand nicht mehr unterscheidbar vorhanden ist, um einen auf Wertersatz gerichteten Zahlungsanspruch, für den das gesamte Vermögen der Schuldnerin haftet.
III.
- 25
Auch die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
- 26
1. Das Berufungsgericht hat der Klägerin jeden Zinsanspruch mit der Begründung versagt, da der Darlehensvertrag nichtig sei, müßten nach § 356 Abs. 1 Satz 2 ZGB nur die tatsächlich erlangten Nutzungen herausgegeben werden; Anhaltspunkte dafür, daß die Schuldnerin das Darlehenskapital zinsbringend angelegt habe, seien nicht dargetan und - angesichts der Insolvenz - auch sonst nicht ersichtlich.
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2. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
- 28
a) Ihre Auffassung, die Schuldnerin müsse - nach § 356 Abs. 1 Satz 1 ZGB ebenso wie nach dem Bereicherungsrecht des BGB - ohne Rücksicht auf die gezogenen Kapitalnutzungen schon für die aufgrund nichtigen Darlehensvertrags erlangte Nutzungsmöglichkeit die üblichen Zinsen als Wertersatz zahlen (MünchKomm/Lieb, 2. Aufl. § 812 BGB Rdn. 306 und § 818 BGB Rdn. 10, 11), widerspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats, nach der sich der Bereicherungsanspruch auf die vom Darlehensempfänger tatsächlich gezogene Nutzungen beschränkt (BGHZ 115, 268, 270). Dieser Grundsatz gilt auch gemäß § 356 ZGB (Autorenkollektiv aaO § 356 ZGB Anm. 1.2.).
- 29
b) Konkrete Feststellungen darüber, ob und in welchem Umfang die Schuldnerin aus dem Einsatz des Darlehenskapitals bleibende wirtschaftliche Vorteile gezogen hat, konnten vom Berufungsgericht nicht getroffen werden.
- 30
Vergeblich beruft sich die Klägerin auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der beim Einsatz des Darlehenskapitals als Betriebsmittel nach der Lebenserfahrung zu vermuten sei, daß der Kapitalempfänger aus der Verwendung wirtschaftliche Vorteile gezogen habe (BGHZ 64, 322, 323/324 m.w.Nachw.). Eine solche Vermutung setzt voraus, daß der Betrieb, in dem das Kapital eingesetzt wurde, während der Verwendungszeit Erträge abgeworfen hat (BGHZ aaO). Kommt der Tatrichter bei einem Darlehensempfänger, dessen Betrieb in der ehemaligen DDR die Zeit seit dem Wirtschaftssystemwechsel intakt überstanden hat, unter Berufung auf die Lebenserfahrung zu der Feststellung, aus dem Kapitaleinsatz seien bleibende Vorteile erwachsen, so sind dagegen keine grundsätzlichen revisionsrechtlichen Bedenken zu erheben. Anders liegt es jedoch im vorliegenden Fall: Die Schuldnerin war erst kurz vor der Darlehensgewährung gegründet worden. Wegen der zu erwartenden Schwierigkeiten war in der Vereinbarung vom 31. Mai 1990 bereits Zinslosigkeit bis Ende 1990 vorgesehen; im Nachtrag vom 8. Juli 1991 wurde der Zinsbeginn wegen der wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin auf den 1. Januar 1994 verschoben. Schon im März 1992 kam es zur Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens. Bei einem Betrieb, der in dieser Weise bereits in seiner Aufbauphase gescheitert ist, brauchte das Berufungsgericht nicht von einem ertragbringenden Darlehenseinsatz auszugehen.
- 31
c) Die Klägerin kann ihren Zinsanspruch auch nicht darauf stützen, die Schuldnerin habe aufgrund der Darlehensgewährung durch die PDS die marktüblichen Kreditzinsen erspart, die sie sonst an einen anderen Kreditgeber hätte zahlen müssen. Zwar ist auch nach DDR-Recht die Ersparnis von Aufwendungen als materieller Vorteil anzusehen, der nach § 356 Abs. 1 Satz 1 ZGB herauszugeben ist (Göhring/Posch aaO S. 231 zu 8.7.2.1). Hier kann jedoch nicht festgestellt werden, daß es, wenn die Schuldnerin von der PDS kein Geld erhalten hätte, überhaupt zu einer Darlehensaufnahme und damit zu Zinsaufwendungen gekommen wäre. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin war die Zweckbestimmung des Darlehens (Errichtung eines Schulungs- und Tourismuszentrums) nur zum Schein vereinbart worden (Schriftsatz vom 8. Juni 1994 S. 2); Hauptziel der Darlehensgeberin war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Sicherung des Parteivermögens vor der drohenden treuhänderischen Verwaltung. Ohne die PDS als Geldgeberin wäre die Schuldnerin wahrscheinlich gar nicht erst gegründet worden. Auf keinen Fall kann davon ausgegangen werden, daß sie in der Zeit bis zur Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens von einer Bank oder einem anderen Kreditgeber einen Betriebskredit in entsprechender Höhe erbeten und erhalten hätte; dafür fehlten alle Voraussetzungen wie hinreichende Sicherheiten und günstige Ertragsprognosen.
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