Kündigung von Giro- und Depotverträgen durch die Sparkasse ohne wichtigen Grund
Leitsatz
1. Sparkassen sind bei der Auflösung von Giro- und Depotverhältnissen nicht auf die Kündigung aus wichtigem Grund beschränkt.














vorgehend LG Freiburg (Breisgau), 13. September 1988, 6 O 250/88


Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Hönn, 8. Auflage 2017, § 671 BGB
Tatbestand
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Der Kläger zu 2) und sein während des Rechtsstreits verstorbener Vater W. G. unterhielten bei der beklagten Sparkasse neben Sparkonten je ein Wertpapierdepot, W. G. außerdem noch ein Girokonto. W. G. ist von der Klägerin zu 1), dem Kläger zu 2) und weiteren zwei Kindern beerbt worden.
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Die Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten waren durch eine Reihe von Anfragen und Beschwerden belastet, die schließlich zu der Einschaltung eines Rechtsanwalts und dessen Androhung einer Strafanzeige wegen Betrugs aus Anlaß einer angeblichen Zuvielforderung von Depotgebühren in Höhe von ca. 15 DM führten. Die Beklagte kündigte daraufhin mit Schreiben vom 31. Juli 1987 unter Hinweis auf Nr. 13 Abs. 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Depotverträge und den Girovertrag zum 15. August 1987.
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Die Vorinstanzen haben die Klage auf Feststellung des Fortbestands der gekündigten Verträge und auf Auszahlung eines einbehaltenen Restguthabens auf dem Girokonto und auf Ersatz von Rückbelastungskosten aus Anlaß einer von der Beklagten nach dem 15. August 1987 nicht eingelösten Lastschrift abgewiesen.
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Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger für die Erbengemeinschaft und der Kläger zu 2) darüber hinaus für sich die Klaganträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist nicht begründet.
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I. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung der Giro- und Depotverträge nach Nr. 13 Abs. 1 AGB-Sparkassen als wirksam und den Zahlungsanspruch als durch Verrechnung bzw. Einbehalt als erloschen angesehen.
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II. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
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1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß Sparkassen als Einrichtungen staatlicher Daseinsvorsorge besonderen öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegen, die insbesondere in den landesrechtlichen Sparkassengesetzen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. z.B. Schlierbach, Das Sparkassenrecht der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin-West, 1985, S. 53ff.). Dem entspricht, daß die Beklagte im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Zielsetzung nach § 6 SpG BW im Spargeschäft dem Kontrahierungszwang unterliegt. Ob damit die in Nr. 13 Abs. 1 AGB-Sparkassen vorgesehene Kündigungsmöglichkeit "nach freiem Ermessen" vereinbar ist, bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner abschließenden Entscheidung, da in bezug auf Giro- und Depotverträge Nr. 13 Abs. 1 AGB-Sparkassen den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen entspricht.
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2. a) Das Giroverhältnis ist ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist (BGH, Urteil vom 4. Juli 1985 - III ZR 144/84 - WM 1985, 1098, 1099 m.Nachw.). Da der Girovertrag Dienste höherer Art zum Gegenstand hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, kann er nach §§ 627, 675 BGB gekündigt werden (Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Rdn. 489 m.Nachw.).
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Die danach ohne Einhaltung einer Frist mögliche Kündigung hat die Beklagte mit Wirkung zum 15. August 1987 ausgesprochen und damit den Konteninhabern ausreichend Zeit gelassen, bei einem anderen Kreditinstitut ein entsprechendes Giroverhältnis zu begründen (§§ 675, 671 Abs. 2, 627 Abs. 2 BGB).
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b) Das Depotverhältnis ist ebenfalls ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das neben dienstvertraglichen Merkmalen sein Gepräge durch verwahrungsrechtliche Elemente erhält (Seiler in MünchKomm, 2. Aufl., 1986, § 675 BGB Rdn. 24; Schönle, Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl., 1976, S. 289; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., Rdn. 2089) und mangels Zeitbestimmung deshalb nach § 696 Satz 1 BGB auflösbar ist. Die Beklagte hat für ihr Rücknahmeverlangen eine angemessene Frist bis zum 15. August 1987 gesetzt und damit den Kontoinhabern die Einrichtung eines Depots bei einem anderen Kreditinstitut ermöglicht.
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c) Die Auflösung der Giro- und Depotverhältnisse war auch dann wirksam, wenn man wegen der öffentlich-rechtlichen Bindungen der Beklagten für eine solche Auflösung einen begründeten Anlaß fordert. Das Berufungsgericht hat in dem vom Kläger zu 2) betriebenen und von seinem Vater gebilligten Verhalten eine Störung des Geschäftsgangs der Beklagten, in der unangemessenen und unberechtigten Androhung einer Strafanzeige wegen Betrugs einen wichtigen Grund zur Kündigung gesehen. Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich jedenfalls insoweit nicht zu beanstanden, als sie von einem begründeten Anlaß zur Auflösung der genannten Rechtsverhältnisse ausgeht.
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3. Die Revision greift die Abweisung des Zahlungsanspruchs nur mit dem Hinweis auf die von ihr verneinte Möglichkeit der Vertragsauflösung an, nimmt im übrigen aber die Beurteilung durch das Berufungsgericht, die der Überprüfung standhält, hin. Da die vom Berufungsgericht angenommene Auflösung der Giro- und Depotverhältnisse wirksam ist, hat auch bezüglich des Zahlungsanspruchs die Revision keinen Erfolg.
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