Prozeßführung für gelöschte GmbH durch Anwalt
Orientierungssatz
1. Auch einer gelöschten GmbH ist die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibt insoweit parteifähig.
2. Der frühere Geschäftsführer der gelöschten GmbH kann einem Anwalt nach der Löschung der Gesellschaft keine wirksame Prozeßvollmacht erteilen. Die Vollmacht des Prozeßbevollmächtigten kann sich aber aus dem unbestrittenen Sachverhalt ergeben, wenn ein Anwalt bereits erstinstanzlich beauftragt war und dieser in Vollmacht der GmbH einen Prozeßbevollmächtigten für die Berufungsinstanz bestellt hat.




vorgehend KreisG Schwerin, 12. November 1991, 1 C 93/91
Vergleiche BFH 5. Senat, 22. Juli 2002, V R 55/00
Vergleiche BFH 1. Senat, 27. April 2000, I R 65/98

Dieter Japser, WiB 1994, 392 (Anmerkung)
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch. Durch Vorbehaltsurteil vom 5. Juni 1991 wurde die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Im Nachverfahren hat die Beklagte Widerklage erhoben. Durch Urteil des Kreisgerichts Schwerin vom 12. November 1991 wurde die Beklagte zur Zahlung von über 133.000 DM verurteilt. Die Widerklage wurde abgewiesen. Durch Schriftsatz vom 3. Januar 1992 legte Rechtsanwalt S. für die Beklagte gegen das Urteil Berufung ein.
- 2
Am 28. Januar 1992 wurde die Beklagte nach § 2 Abs. 1 LöschG wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht. Durch Schriftsatz vom 26. März 1992 rügte die Klägerin gegenüber dem Berufungsgericht die fehlende Prozeßvollmacht des Beklagtenvertreters. Dieser legte Prozeßvollmachten vom 25. Februar 1992 und vom 4. Juni 1992 vor, die vom früheren Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet waren. Die Beklagte wies außerdem darauf hin, daß beim Amtsgericht D. ein Antrag auf Bestellung eines Abwicklers nach § 2 Abs. 3 LöschG gestellt worden sei.
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Durch Urteil vom 17. März 1993 hat das Oberlandesgericht Rostock die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
I.
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Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Rüge der Gegner den Mangel der Vollmacht im Berufungsverfahren, so könne die Vollmacht nur dadurch nachgewiesen werden, daß der Rechtsanwalt eine wirksame schriftliche Prozeßvollmacht vorlege. Das sei jedoch nicht geschehen. Die von der Beklagten vorgelegten Vollmachten seien jeweils vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet gewesen, der seit der Löschung der Beklagten im Handelsregister am 28. Januar 1992 keine wirksamen Erklärungen für die Beklagte mehr habe abgeben können. Da nach der Löschung gemäß § 2 Abs. 1 LöschG keine Liquidation stattfinde, sei die Vertretungsbefugnis des früheren Geschäftsführers beendet.
II.
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Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Berufung der Beklagten war zulässig, weil der für sie als Prozeßbevollmächtigter aufgetretene Rechtsanwalt wirksam bevollmächtigt war.
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1. Durch die Löschung der Beklagten am 28. Januar 1992 gemäß § 2 Abs. 1 LöschG ist der Rechtsstreit nicht unterbrochen worden. Die Beklagte hat dadurch ihre Parteifähigkeit nicht verloren. Auch einer gelöschten GmbH ist die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibt insoweit parteifähig (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1989 - III ZR 96/87, BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; BGH, Beschluß vom 26. April 1990 - VII ZB 2/90, VersR 1991, 121).
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Das Verfahren ist auch nicht wegen fehlender Prozeßfähigkeit der Beklagten nach § 241 Abs. 1 ZPO unterbrochen worden. Zwar hat die Löschung nach § 2 Abs. 1 LöschG zur Folge, daß der bisherige gesetzliche Vertreter, der Geschäftsführer der Beklagten, seine Vertretungsbefugnis verliert und die Beklagte prozeßunfähig wird. Doch trat die Rechtsfolge der Unterbrechung des Verfahrens hier nicht ein, weil die Beklagte durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 246 Abs. 1 ZPO).
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2. Die Klägerin hat die fehlende Prozeßvollmacht des Beklagtenvertreters vor dem Berufungsgericht durch Schriftsatz vom 26. März 1992 gerügt mit der Folge, daß der Mangel der Vollmacht vom Berufungsgericht aufzuklären war (§§ 88, 80 ZPO). Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß die vom Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vorgelegten Vollmachten vom 30. Januar, 25. Februar und 4. Juni 1992 unwirksam waren, weil sie von dem früheren Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet worden waren, der nach dem 28. Januar 1992 für die Beklagte keine wirksamen Erklärungen mehr abgeben konnte. Das hätte nur durch einen nach § 2 Abs. 3 LöschG zu ernennenden Liquidator geschehen können.
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Die Vollmacht des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ergibt sich jedoch aus dem unbestrittenen Sachverhalt. In einem vom Klägervertreter in Fotokopie vorgelegten Schreiben des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an die Klägervertreter vom 31. Januar 1992 versicherte dieser, er habe den zweitinstanzlichen Anwalt in Vollmacht der Beklagten durch Schreiben vom 23. Dezember 1991 mit der Einlegung der Berufung beauftragt. Der Inhalt dieses Schreibens und die Vollmacht des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten sind unbestritten. Diese ermächtigt nach § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen und auch zur Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten für die Berufungsinstanz (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. November 1993 - II ZR 26/93, WM 1993, 2244, 2245). Da die Beklagte daher auch in der Berufungsinstanz ordnungsgemäß vertreten war, war ihre Berufung zulässig.
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