Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf die Mithaftung eines GmbH-Gesellschafters; Berücksichtigung des Beteiligungsumfangs; Heilung bei Nichtigkeit
Leitsatz
1. Das Verbraucherkreditgesetz ist auf die Mithaftung eines GmbH-Gesellschafters für einen Kredit der Gesellschaft ohne Rücksicht auf den Umfang seiner Beteiligung an der Gesellschaft anwendbar.
2. Ist eine solche Mithaftung nach VerbrKrG § 6 Abs 1 nichtig, wird sie nicht gem VerbrKrG § 6 Abs 2 S 1 dadurch gültig, daß der Kredit auf Weisung der Gesellschaft an einen Dritten ausgezahlt wird.
Orientierungssatz
Zitierungen: Fortführung BGH, 1996-11-12, XI ZR 202/95, WM IV 1997, 158; Anschluß BGH, 1996-06-05, VIII ZR 151/95, WM IV 1996, 1258, BGHZ 133, 71 und BGH, 1996-07-10, VIII ZR 213/95, WM IV, 1996, 1781.


















vorgehend LG Halle (Saale), 11. Mai 1995, 2 O 11/94
Fortführung BGH 8. Zivilsenat, 28. Juni 2000, VIII ZR 240/99
Anschluß OLG Düsseldorf 24. Zivilsenat, 23. November 1999, 24 U 270/98
Anschluß BGH 8. Zivilsenat, 30. Juli 1997, VIII ZR 244/96



Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Schwintowski, 8. Auflage 2017, § 491 BGB
Anschluß BGH 8. Zivilsenat, 10. Juli 1996, VIII ZR 213/95
Anschluß BGH 8. Zivilsenat, 5. Juni 1996, VIII ZR 151/95
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. Dezember 1995 aufgehoben.
Unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Klägerin wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 11. Mai 1995 abgeändert: Das Versäumnisurteil des Landgerichts Halle vom 18. Mai 1994 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt Rückzahlung des nach Verwertung von Sicherungsgut verbliebenen Restes eines Darlehens.
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Die Klägerin gewährte der T. GmbH (GmbH) im Jahre 1991 zur Finanzierung des Kaufs von Lastkraftwagen für deren Geschäftsbetrieb ein in Raten rückzahlbares Darlehen in Höhe von 180.040 DM, das weisungsgemäß an die Verkäuferin ausgezahlt worden ist. Der Beklagte, Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH, hatte den Darlehensantrag vom 4. März 1991, den die Beklagte mit Schreiben vom 3. April 1991 annahm, als "Mitdarlehensnehmer" unterschrieben.
- 3
Als die Raten nicht mehr gezahlt wurden - gegen die GmbH wurde inzwischen das Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführt -, kündigte die Klägerin das Darlehen, verwertete die ihr sicherungsübereigneten Lastwagen und nahm den Beklagten auf Zahlung des danach offenen Restes in Anspruch.
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Der Beklagte hält den Darlehensvertrag für unwirksam und rechnet hilfsweise mit einem die Klageforderung übersteigenden Ersatzanspruch wegen Verletzung von Aufklärungspflichten und wegen unzureichender Verwertung des Sicherungsguts auf.
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Das Berufungsgericht hat der Klage in Höhe von 43.867,91 DM nebst Zinsen stattgegeben und die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Ersatzforderung als nicht begründet angesehen. Dagegen wendet der Beklagte sich mit der Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet:
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1. Das Berufungsgericht hat den Darlehensvertrag, aus dem die Klägerin ihre Klageforderung herleitet, als wirksam angesehen: Der Vertrag sei nicht wegen Formmangels nach § 126 BGB nichtig, weil §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 VerbrKrG auf ihn nicht anwendbar seien; der Beklagte unterfalle nach der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht dem Verbraucherkreditgesetz. Der Vertrag diene nämlich seinem Inhalt nach der gewerblichen Tätigkeit zumindest eines Kreditnehmers, nämlich der GmbH; die Mitverpflichtung des Beklagten für die Rückzahlungsschuld der GmbH sei somit wirksam; Schadensersatzforderungen stünden dem Beklagten nicht zu.
- 8
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kreditvertrag ist im Hinblick auf die Mitverpflichtung des Beklagten wegen Formmangels unwirksam (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 VerbrKrG in der Fassung vom 17. Dezember 1990, § 126 Abs. 2 BGB).
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a) Das Berufungsgericht geht irrig davon aus, daß im vorliegenden Fall das Verbraucherkreditgesetz nicht anwendbar sei, weil die anzustellende Gesamtbetrachtung ergebe, daß es sich um einen gewerblichen Kredit handle. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß in einer Einzelbetrachtung auf das Verhältnis des Kreditgebers zu dem jeweiligen Mitverpflichteten abzustellen ist, die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf die Mitverpflichtung also nicht ausgeschlossen ist, obwohl der Kreditnehmer, dem die Kreditmittel zur Verfügung gestellt werden, diese zu gewerblichen Zwecken einsetzt. Entscheidend ist, ob in der Person des Mitverpflichteten die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes erfüllt sind. Das gilt auch dann, wenn der Kredit einer GmbH gewährt wird und der geschäftsführende Gesellschafter - sei es als Mitdarlehensnehmer, sei es im Wege des Schuldbeitritts - die Mitverpflichtung in bezug auf die Darlehensrückzahlung übernimmt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 - VIII ZR 151/95, WM 1996, 1258 ff. - zur Veröffentlichung in BGHZ 133, 71 vorgesehen, und vom 10. Juli 1996 - VIII ZR 213/95, WM 1996, 1781 ff.). Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat angeschlossen (Senatsurteil vom 12. November 1996 - XI ZR 202/95, WM 1997, 158 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Dabei kommt es im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht darauf an, ob der Mithaftende Mehrheitsgesellschafter oder gar - wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist - Alleingesellschafter der GmbH ist.
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Da in der Person des Beklagten danach die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes gegeben sind, ist für die Beurteilung der Wirksamkeit seiner Mitverpflichtung von § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG in der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung auszugehen.
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b) Nach dieser Vorschrift bedarf der Kreditvertrag der schriftlichen Form. Diese Form ist nur dann eingehalten, wenn beide Parteien dieselbe Urkunde unterzeichnet haben (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB). Im vorliegenden Fall sind das Vertragsangebot und dessen Annahme, die außerdem nicht unterschrieben ist, in zwei verschiedenen Urkunden enthalten. Der Vertrag ist deshalb nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG a.F. unwirksam (vgl. Bülow, VerbrKrG 1991, § 4 Rdn. 26/27; Seibert, Handbuch zum VerbrKrG 1991, § 6 Rdn. 1 a.E.; von Westphalen/Emmerich/Kessler, VerbrKrG 1991, § 4 Rdn. 15, 18, 19). Er ist auch nicht im Hinblick auf die Mitverpflichtung des Beklagten nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG a.F. gültig geworden, weil der Kredit nicht an den Beklagten, sondern an die von der GmbH bezeichnete Verkäuferin ausgezahlt worden ist, also nur die GmbH als Käuferin Empfängerin des Darlehens im Sinne von § 6 Abs. 2 VerbrKrG a.F. ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 12. November 1996 aaO für den Fall des Schuldbeitritts).
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