Bankdarlehen zur Zwischenfinanzierung eines Bauherrenmodells: Konflikt zwischen Geheimhaltungs- und Aufklärungspflicht über Konkursreife des Bauträgers
Leitsatz
1. Der Konflikt zwischen der Pflicht eines Kreditinstituts, den Kunden auf Risiken hinzuweisen (hier: Konkursreife eines Bauträgers), und der Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses ist im Einzelfall durch Güterabwägung zu lösen.















vorgehend LG München I, 30. November 1988, 25 O 11965/88




Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB
● Hönn, 8. Auflage 2017, § 665 BGB
● Schwintowski, 8. Auflage 2017, § 488 BGB
Tatbestand
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Die Kläger verlangen von der beklagten Bank Schadensersatz unter anderem mit der Begründung, deren Rechtsvorgängerin, die R. AG (im folgenden: R.), habe sie bei Übernahme der Zwischenfinanzierung für Erwerb und Sanierung einer Eigentumswohnung nicht über die Konkursreife der Unternehmensgruppe aufgeklärt, die die Gegenleistungen zu erbringen hatte.
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Die Kläger schlossen im Dezember 1985 mit der C.-Treuhand-Gesellschaft für Immobilien mbH (im folgenden: Treuhänderin) einen Treuhandvertrag, der den Erwerb von Wohnungseigentum im Rahmen eines Bauherrenmodells an einem sanierungsbedürftigen Gebäudekomplex in M. zum Ziel hatte. Zugleich erteilten sie der Treuhänderin Vollmacht für alle zum Erwerb und zur Sanierung erforderlichen Handlungen und Rechtsgeschäfte einschließlich des Abschlusses von Darlehensverträgen. Initiator des Bauherrenmodells und Geschäftsführer der Treuhänderin war der Kaufmann H. F., dessen Unternehmen alle wesentlichen zur Durchführung des Projekts erforderlichen Leistungen für die Bauherren erbringen sollten. Kreditgeber der F.-Unternehmensgruppe war die R..
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Die Treuhänderin beantragte für die Kläger bei der R. einen Zwischenkredit und richtete für sie am 27. Dezember 1985 ein Bauherrenkonto ein. Sie erteilte bis zum 31. Dezember 1985 Abbuchungsaufträge in Höhe von 42.365,26 DM. Dabei handelte es sich überwiegend um Honorare für die Unternehmen der F.-Gruppe. Die R. führte die Überweisungsaufträge im Vorgriff auf den beantragten Zwischenkredit aus.
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Die Treuhänderin schloß am 22. Januar 1986 für die Kläger den Kaufvertrag über das Wohnungseigentum und am 11. Juni 1986 einen Werkvertrag zum Zwecke der Sanierung der Eigentumswohnung. Mit Schreiben vom 28. August 1986 teilte sie den Klägern mit, die Arbeiten an dem Projekt hätten eingestellt werden müssen, da die für die R. eingetretene Beklagte noch keine Zwischenfinanzierungsleistungen erbracht habe, obwohl die Bauraten seit dem 1. Juli 1986 fällig seien.
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Die Kläger veräußerten im Oktober 1987 ihr Wohnungseigentum, nachdem die Gesellschaften der F.-Gruppe in Konkurs gefallen waren. Das Bauherrenkonto der Kläger bei der Beklagten wies am 31. Dezember 1988 einen Schuldsaldo von 38.396,46 DM auf.
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Die Kläger haben geltend gemacht, die F.-Gruppe sei bereits im Dezember 1985 konkursreif gewesen. Die R. habe diese ihr bekannte Tatsache bei Abschluß des Darlehensvertrages um des eigenen Vorteils willen verschwiegen und sich entschlossen, die diesen Gesellschaften gewährten Kredite "still abzuwickeln". So seien die Konkurse bis Mitte 1986 hinausgezögert worden. Sie selbst seien in Unkenntnis dieser Umstände Verbindlichkeiten eingegangen und hätten das Wohnungseigentum nur mit Verlust veräußern können. Die Kläger haben beantragt,
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1. festzustellen, daß ein Anspruch der Beklagten in Höhe des Debetsaldos auf dem Bauherrenkonto nicht besteht,
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2. die Beklagte zur Zahlung von 52.616,77 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
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Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
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I. Das Berufungsgericht hält Schadensersatzansprüche der Kläger gegen die Beklagte wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht nicht für gerechtfertigt. Es ist der Auffassung, daß die R. ihre Kenntnis von der Konkursreife der F.-Gruppe bei Abschluß des Darlehensvertrages den Klägern nicht habe offenbaren müssen.
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Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
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II. 1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß es grundsätzlich nicht Sache des Kreditinstituts ist, Darlehensnehmer auf Risiken, die mit dem zu finanzierenden Geschäft verbunden sind, hinzuweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes braucht eine Bank in der Regel ihre Kunden nicht vor gefährlichen Kreditgeschäften zu warnen oder über die Vermögensverhältnisse des Geschäftspartners aufzuklären (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 1989 - XI ZR 52/88, WM 1989, 1409, 1411 m.w.Nachw.). Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist jedoch ausnahmsweise gegeben, wenn im Einzelfall ein besonderes Aufklärungs- und Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers besteht und nach Treu und Glauben ein Hinweis der Bank geboten ist (BGH, Urteil vom 9. April 1987 - III ZR 126/85, WM 1987, 1546 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 24. April 1990 - XI ZR 236/89, WM 1990, 920, 922). Ein solcher Ausnahmefall kann dann gegeben sein, wenn die Bank in bezug auf die speziellen Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gegenüber dem Darlehensnehmer einen konkreten Wissensvorsprung hat, z.B. wenn ihr die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Geschäftspartners bekannt ist (BGH, Urteil vom 24. Mai 1978 - II ZR 173/77, WM 1978, 896; BGH, Urteil vom 20. Februar 1986 - III ZR 223/84, WM 1986, 700, 701), oder wenn sie sich im Zusammenhang mit Kreditgewährungen sowohl an den Bauträger als auch an die einzelnen Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte zu Lasten der Erwerber verwickelt (BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 - III ZR 18/78, WM 1979, 1054, 1057; BGH, Urteil vom 21. Januar 1988 - III ZR 179/86, WM 1988, 561, 563; Senatsurteil vom 24. April 1990 aaO; Hopt, Festschrift für Stimpel, S. 282f., 287).
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2. Diese speziellen Voraussetzungen für eine Aufklärungspflicht liegen hier vor.
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Das Berufungsgericht hat festgestellt, der R. sei im Zeitpunkt der Antragstellung für die hier streitige Zwischenfinanzierung bekannt gewesen, daß der Initiator des Projekts und die von ihm beherrschte Unternehmensgruppe, die alle wesentlichen Leistungen im Rahmen des Bauherrenmodells erbringen sollte, konkursreif war.
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a) Die im Revisionsrechtszug von der Beklagten gegen diese Feststellung erhobene Rüge aus § 286 ZPO greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat die Kenntnis der R. von der Konkursreife mit Recht als unstreitig angesehen. Die Kläger hatten in der Berufungsbegründung die näheren Umstände für diese von ihnen behauptete Kenntnis im einzelnen dargelegt und sich dazu auf von ihnen vorgelegte Unterlagen berufen. Die Beklagte ist diesem Vortrag in ihrer Berufungserwiderung nicht entgegengetreten, sondern hat sich in diesem Zusammenhang lediglich darauf berufen, daß das Vorhaben (nach dem Konkurs der F.-Gruppe) tatsächlich realisiert worden sei. Auch das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht enthält nichts, was auf den Willen der Beklagten schließen lassen könnte, den hier interessierenden Tatsachenvortrag der Kläger zu bestreiten.
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b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts entfiel die sich aus diesem Wissensvorsprung ergebende Aufklärungspflicht der R. nicht wegen ihrer der F.-Gruppe gegenüber bestehenden Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses. Der Konflikt zwischen Aufklärungspflicht und Bankgeheimnis ist durch Güterabwägung zu lösen (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 60; Bruchner/Stützle, Leitfaden zu Bankgeheimnis und Bankauskunft S. 42; Roth in Handbuch des Kapitalanlagerechts § 12 Rdn. 52ff.). Bei dieser Güterabwägung ist auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang die aufklärungspflichtige Bank gezwungen wäre, Einzelheiten ihrer Geschäftsverbindung mit einem anderen Kunden und über dessen Vermögenslage zu offenbaren. Im vorliegenden Fall hätte es ausgereicht, wenn die R. gegenüber der Treuhänderin, die zur F.-Gruppe gehörte und deren Geschäftsführer F. selbst war, unter Hinweis auf die Vermögenslage der Gruppe die beantragte Zwischenfinanzierung ohne vorausgehende Aufklärung der Kläger über das besondere Risiko abgelehnt hätte. Es kann deshalb offen bleiben, ob das Geheimhaltungsinteresse eines konkursreifen Unternehmens in der Regel hinter den Belangen des schutzbedürftigen Darlehensnehmers zurückzutreten hat (vgl. Canaris aaO).
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3. Die Verpflichtung der R. zur Aufklärung ergab sich im übrigen auch aus dem schwerwiegenden Interessenkonflikt, in den sie sich mit der Übernahme der Zwischenfinanzierung verwickelte. Wie die Kläger unwidersprochen vorgetragen haben, wurde die Zahlungsfähigkeit der F.-Gruppe, der die R. Bauträgerkredite in Höhe von mehr als 60 Mio. DM zur Verfügung gestellt hatte, nur noch durch die R. sichergestellt. Sie stand damit vor der Frage, ob sie den unausweichlichen Konkurs dieser Firmengruppe alsbald herbeiführen oder zulassen sollte, daß sich ihr Kreditengagement verringerte, indem sie den Bauherren Kredite für ein Objekt gewährte, das von dem Initiator des Bauherrenmodells nicht mehr zu realisieren war und bei dem es zumindest nahe lag, daß die Bauherren mit den Kreditmitteln auch weitgehend wertlose Verpflichtungen honorieren würden.
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4. Die Aufklärungspflicht entfiel entgegen der Ansicht der Beklagten schließlich auch nicht etwa deshalb, weil die Kläger die Zwischenfinanzierung zur Erfüllung von ihnen bereits durch den Treuhandvertrag übernommener Verpflichtungen benötigt hätten (vgl. Senatsurteil vom 24. April 1990 - XI ZR 236/89, WM 1990, 920). Daß die Kläger sich von dem mit einem konkursreifen Treuhänder geschlossenen Vertrag hätten lösen können, der ihnen Leistungen von Schwesterunternehmen gleicher Finanzlage versprach, liegt auf der Hand.
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5. Die Beklagte hat nichts dafür vorgetragen, daß die Kläger das Projekt auch in Kenntnis der Konkursreife der F.-Gruppe finanziert hätten. Sie hat die Kläger deshalb so zu stellen, wie sie stünden, wenn sie die Zwischenfinanzierung nicht in Anspruch genommen und deshalb die Eigentumswohnung nicht erworben hätten. Die weitere Entwicklung, insbesondere die anderweitige Realisierung des Projekts nach Eröffnung des Konkurses über die F.-Gruppe, ist für die Haftung der Beklagten ohne Bedeutung; die Kläger haben die von ihnen erworbene Wohnung vorher veräußert. Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob das Verhalten der R. auch die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllt. Ebenso bedarf keiner Erörterung, ob der Vertrag über die Zwischenfinanzierung wegen für die R. offensichtlichen Mißbrauchs der Treuhändervollmacht unwirksam ist.
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III. Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, das nunmehr prüfen und feststellen muß, inwieweit ein Schaden der Kläger eingetreten ist.
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