Zur Haftung für Bankauskünfte
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung der Auskunftshaftung einer Bank ist zu berücksichtigen, daß Bankauskünfte über bestimmte Unternehmen in aller Regel nur in recht allgemein gehaltener Form erteilt und gleichwohl von den beteiligten Verkehrskreisen nicht als bedeutungslos angesehen werden.
vorgehend LG Koblenz, 3. Juli 1987, 2 O 48/87
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. November 1988 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 21.400 DM nebst Zinsen abgewiesen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen unrichtiger Bankauskunft in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Klägerin stellte am 15. März 1986 einen Wechsel über 50.000 DM aus, der auf die W + H R und I GmbH (im folgenden: W + H) gezogen war und von dieser angenommen wurde. Diesen Wechsel diskontierte sie bei der Bank in F (im folgenden: B). Die W + H beantragte am 15. April 1986 die Konkurseröffnung. Der Antrag wurde mangels einer kostendeckenden Masse zurückgewiesen. Der Wechsel ging bei Fälligkeit zu Protest. Die Wechselsumme wurde der Klägerin von der B zurückbelastet.
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Nach der Darstellung der Klägerin hat sie den Wechsel im Zusammenhang mit der Finanzierung eines Personenkraftwagens ausgestellt, den die W + H von der I W GmbH in F (im folgenden: I) habe leasen wollen. Von dem Diskonterlös habe sie im März 1986 30.000 DM dem Autohändler W und durch Schecks vom 21. April 1986 weitere 21.400 DM an die I gezahlt.
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Die beklagte Bank hat verschiedene Auskünfte über die wirtschaftlichen Verhältnisse der W + H, mit der sie in Geschäftsbeziehungen stand, erteilt. Im Februar 1986 gab sie der B eine Auskunft, wobei streitig ist, ob die B im Namen der Klägerin angefragt hatte. Es existiert eine weitere, auf den 13. März 1986 datierte Auskunft der Beklagten über W + H. Bei dem Datum handelt es sich jedoch um eine Fälschung; tatsächlich stammt diese Auskunft aus dem November 1985. Schließlich hatte sich auch die I Ende März oder Anfang April 1986 bei der Beklagten über W + H erkundigt und von ihr Auskünfte erhalten.
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Die Parteien streiten darüber, ob die von der Beklagten erteilten Auskünfte deren Kenntnisstand über die Vermögensverhältnisse der W + H entsprachen und ob der Klägerin ein Schaden entstanden ist, für den die Beklagte einzustehen hat.
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Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 50.531,40 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
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Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Der Senat hat die Revision der Klägerin nur insoweit angenommen, als die Klage in Höhe des Betrages von 21.400 DM nebst Zinsen, den die Klägerin als Schadensersatz wegen der der I erteilten Auskünfte der Beklagten geltend macht, abgewiesen wurde. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision führt, soweit sie angenommen worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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1. Hinsichtlich der Auskünfte, die die Beklagte der I erteilt hat, verneint das Berufungsgericht sowohl eine vertragliche Auskunftshaftung der Beklagten als auch einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 826 BGB. Zur Begründung führt das Gericht aus, es sei nicht dargetan, daß die I bei dem Gespräch mit der Beklagten den Namen der Klägerin genannt habe und inwiefern für die Beklagte auch nur erkennbar gewesen sei, daß der Klägerin durch die Auskunftserteilung ein Schaden entstehen könnte. Darüber hinaus sei die Auskunft gegenüber I derart allgemein gehalten und ohne Aussagewert, daß sie als Grundlage für Vermögensdispositionen völlig ungeeignet gewesen sei.
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2. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
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a) Das Berufungsgericht hat, wie die Revision mit Recht rügt, bei seiner Feststellung, es sei nicht dargetan, daß die Beklagte den Namen der Klägerin genannt bekommen habe und daß sie einen möglichen Schaden der Klägerin habe erkennen können, einschlägigen Vortrag der Klägerin übergangen und damit gegen § 286 ZPO verstoßen. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 2. November 1988 unter Beweisantritt vorgetragen, I habe bei der Kreditanfrage "ausdrücklich auch darauf hingewiesen, daß die Auskunft auch deshalb benötigt würde, weil abhängig von der Bonität der angefragten Firma die Klägerin beabsichtige, ein Darlehen in der angefragten Höhe zu gewähren".
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b) Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Auskunft der Beklagten gegenüber I sei derart allgemein gehalten und ohne Aussagewert, daß sie als Grundlage für Vermögensdispositionen völlig ungeeignet gewesen sei, wird von der Revision mit Recht angegriffen.
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Das Berufungsgericht hat ersichtlich nur den Inhalt der schriftlichen Auskunft der Beklagten gegenüber I, der mit dem Inhalt der schriftlichen Auskunft gegenüber der B übereinstimmt, gewürdigt. Dabei hat es, wie die Revision mit Recht rügt, unter Verstoß gegen § 286 ZPO wesentlichen Vortrag der Klägerin in der Klageschrift und in der Berufungsbegründung übergangen. Die Klägerin hat dort unter Beweisantritt vorgetragen, daß die Beklagte durch ihr Vorstandsmitglied E der I am 2. April 1986 fernmündlich weitergehende Auskünfte dahin erteilt habe, daß das Unternehmen der W + H sich gut entwickelt habe, Nachteiliges über den Ruf der Firma nicht bekannt und die W + H für den angefragten Betrag gut sei.
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Darüber hinaus ist auch die Würdigung der schriftlichen Auskunft der Beklagten gegenüber I durch das Berufungsgericht nicht frei von Rechtsfehlern. Das Gericht hätte hier berücksichtigen müssen, daß Bankauskünfte über bestimmte Unternehmen in aller Regel nur in recht allgemein gehaltener Form erteilt und gleichwohl von den beteiligten Verkehrskreisen nicht als bedeutungslos angesehen werden. Da Banken, die über die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens Auskunft geben, bedeutsame negative Umstände nicht verschweigen dürfen (BGH, Urteile vom 5. Juli 1962 - VII ZR 199/60, WM 1962, 1110, 1111, vom 6. März 1972 - II ZR 100/69, WM 1972, 583, 584, vom 21. Dezember 1972 - II ZR 132/71, WM 1973, 635, 636, vom 25. April 1974 - II ZR 161/72, WM 1974, 685, 686 und vom 12. Februar 1979 - II ZR 177/77, WM 1979, 548, 549), kann eine solche Auskunft nicht nur wegen der in ihr mitgeteilten Informationen, sondern auch im Hinblick auf das, was in ihr nicht gesagt wird, von Interesse sein. Eine unrichtige, die Bank zum Schadensersatz verpflichtende Auskunft über ein Unternehmen kann insbesondere dann vorliegen, wenn unerwähnt bleibt, daß das Unternehmen ungedeckte Schecks ausgestellt hat oder Wechselproteste vorgekommen sind (BGH, Urteile vom 5. Juli 1962 und vom 12. Februar 1979 je aaO; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 80). Im vorliegenden Fall hätte das Berufungsgericht sich daher, wie die Revision mit Recht rügt, auch mit dem Vortrag der Klägerin in der Klageschrift und in der Berufungsbegründung auseinandersetzen müssen, wonach die Beklagte am 20. Dezember 1985 und am 21. März 1986 je einen Scheck der W + H wegen fehlender Deckung nicht eingelöst hatte.
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3. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand läßt sich somit nicht ausschließen, daß die Beklagte der I unrichtige, ihrem eigenen Kenntnisstand nicht entsprechende Auskünfte über die wirtschaftlichen Verhältnisse der W + H erteilt und dabei gewußt hat, daß die Auskünfte der Klägerin als Grundlage für deren Entscheidung über die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 21.400 DM an die W + H dienen sollten. Sollte das der Fall gewesen sein, so käme eine Schadensersatzpflicht der Beklagten sowohl unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines durch Vermittlung der I mit der Klägerin geschlossenen Auskunftsvertrags als auch unter dem einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schadenszufügung im Sinne von § 826 BGB in Betracht. Das Berufungsgericht wird die genannten Punkte sowie die zwischen den Parteien ebenfalls umstrittene Frage, ob die Auskünfte der Beklagten für die Entschlüsse der Klägerin ursächlich waren, zu klären und dabei gegebenenfalls die von der Klägerin angebotenen Beweise zu erheben haben.
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